OPERATION RUBIKON

Was hätte das für ein Thriller werden können...

Das Problem vieler moderner Krimis – oder Thriller – ist ihr Umfang. Die meisten sind eindeutig zu lang. So wie dieser. Der mit Glossar und Nachschrift an die 800 Seiten starke Roman OPERATION RUBIKON (2004/2016/2020) von Andreas Pflüger bringt eigentlich alles mit, was ein guter Politthriller braucht: Eine spannende Story, die genug Authentizität aufweist, um – zumindest über weite Strecken – glaubwürdig zu sein, verschlungene Pfade und einige Irrwege, um den Leser zu fesseln und zugleich auf falsche Fährten zu locken, ein Personal, das ebenfalls glaubwürdig erscheint, weil es in institutionelle Strukturen eingebunden ist, die ihm Halt geben und sein Handeln beglaubigen, eine ausgewogene Mischung aus reinen Spannungselementen, Hintergrundinformation und Action. Und doch bleibt man bei Pflügers Werk irgendwie spätestens auf der Hälfte stecken, wird die Lektüre immer anstrengender, legt man das Buch immer häufiger weg und schiebt ein anderes ein. Woran liegt das? Wirklich nur an der Länge?

Ja – denn mit der Länge kommen eben auch die Wiederholungen, kommt von allem, was einen Thriller gut und spannend machen kann irgendwann eben auch zu viel. Zu viel Personal, zu viele Wendungen und Twists, zu viel Drama, zu viele politische Winkelzüge, zu viel Action. Und irgendwann wird die Sache dann eben nicht nur langweilig, sondern doch auch unglaubwürdig. Wenn sich die Sicherheitsdienste der Bundesrepublik derart darstellen sollten, wie OPERATION RUBIKON sie schildert, wenn die Korruption derart alltäglich ist, wie sie hier erscheint, und wenn es so einfach ist, in Deutschland Macht über Politiker, schließlich aber eben auch über Institutionen und das Land selbst zu erringen, dann Gnade uns Gott. Und wenn die Sicherheit und die Aufklärung der eben geschilderten Missstände in den Händen des hier geschilderten Personals liegen sollte, dann können wir von Glück reden, dass nicht längst der neue Faschismus Einzug gehalten hat. Denn die meisten der hier Auftretenden sind in etwa so sinister wie Sherlock Holmes´ ewiger Gegenspieler Moriarty, gewieft wie die Superhirne in den Marvel Comics und mindestens so physisch und so skrupellos wie James Bond – und sie verfügen auch über dessen Fähigkeiten im Nahkampf wie an allen möglichen Waffen.

Die Grundidee des Romans ist bestechend: Er erzählt von einer jungen Staatsanwältin, die vom BKA angefordert wird, um einen Einsatz zu leiten, bei dem ein illegaler Waffendeal aufgedeckt werden soll. Natürlich geht alles Mögliche schief und die junge Dame namens Sophie Wolf steht dumm da. Umso dümmer, da ihr Vater, mit dem sie seit Jahrzehnten keinen Kontakt hatte, der Chef des BKA ist und selbstredend nicht davon angetan, dass ausgerechnet die eigene Tochter in seine Geschäfte verwickelt werden könnte. Als immer deutlicher wird, dass man es mit einer sehr weitreichenden Verschwörung zu tun hat, die sogar bis in höchste politische Kreise der Bundesrepublik, ja sogar bis ins Kanzleramt reicht, gründet der BKA-Leiter eine geheime Gruppe namens „Rubikon“, der außer ihm und seiner Tochter nur wenige andere Eingeweihte angehören. Einer zu viel, wie sich bald herausstellt…

Und so schlingern wir mit Sophie Wolf nicht nur durch die Winkelzüge ihrer Gegner, bei denen man nie genau weiß, um wen es sich handelt und wer alles dazu gehört, sondern auch durch eine bald tragisch endende Liebesgeschichte – die Fallhöhe in Thrillern wie diesen kann niemals hoch genug sein – und natürlich ein Vater-Tochter-Drama, das es in sich hat. Um den Grad der Verwirrung bei Frau Wolf wie beim Leser möglichst hoch zu halten, wimmelt es bald von Figuren und das Personal wird immer noch erweitert, so dass man irgendwann den Überblick zu verlieren droht, aber recht lange doch immer wieder überrascht ist, wer sich noch alles als Fiesling entpuppt, bis der Überblick dann tatsächlich verloren gegangen und es einem nachgerade egal ist, wer nun zu den Guten, wer zu den Bösen gerechnet werden muss und wer sich in der nicht sonderlich breiten Grauzone dazwischen aufhält (ja, erstaunlicherweise gibt es die dann doch auch).

Gerade rechtzeitig stellt sich dann heraus, dass dieser und jene, die man bis eben noch zu den Bösen gezählt hatte, nun doch auf der richtigen Seite stehen und so erwartet man ein baldiges Ende, das sich aber nicht einstellt, da man ja anhand der Haptik erkennt, dass man noch mindestens 150 Seiten zu beackern hat und dementsprechend noch was kommen muss. Und so kommt die nächste Drehung und der nächste Twist und das nächste Drama und irgendwer wechselt doch noch mal die Seiten und hier und dort wird eine bis eben noch maßgebliche Figur aus der Handlung geballert und eine andere, die so am Rande dahinvegetierte erhält plötzlich enorme Relevanz. Es ist ein Elend.

Und es ist ermüdend. Und es ist schade insofern, dass das Potential des Ganzen, es wurde eingangs ja erwähnt, durchaus mehr versprochen hatte und auch vorhanden gewesen wäre. 200 Seiten weniger und vielleicht 25 Prozent weniger Figuren, den ein oder anderen Handlungsstrang weggelassen und hier oder dort vielleicht auf eine Wendung verzichtet und dies hätte ein wirklich großartiger Thriller aus der bundesrepublikanischen Wirklichkeit werden können. So ist es ein manchmal unterhaltsamer, oft durchaus spannender, in einzelnen Szenen sogar auch mitreißender James-Bond-Verschnitt, der sich dann eben an Fleming messen lassen muss und nicht an Forsyth oder Le Carré, wie es der Autor wohl gern gehabt hätte.

 

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