STUNDE DER PATRIOTEN/PATRIOT GAMES
Solide Action, wenig Tiefgang
Ryan macht mit seiner Frau Cathy (Ann Archer) und seiner Tochter Sally (Thora Birch) Urlaub in London. Bei einer Besichtigung der Paläste werden sie zufällig Zeugen, wie ein IRA-Kommando versucht, einen Angehörigen des Königshauses zu töten. Ryan greift ein, kann den Lord retten, tötet dabei jedoch einen der Angreifer, einen weiteren kann er in Schach halten, bis Hilfe eintrifft. Selbst wird er schwer verletzt. Der überlebende Terrorist, Sean Miller (Sean Bean), Bruder des Toten, schwört Ryan Rache. Und so kommt es, wie es kommen muß: Kaum zurück in den Staaten, wird Ryan von seinem Freund und früheren Vorgesetzten bei der CIA, Admiral Greer (James Earl Jones), davon unterrichtet, daß Miller mit Hilfe seiner Kompagnons O’Donnell (Patrick Bergin) und Annette (Polly Walker) bei einem Gefangenentransport entkommen konnte. Und sofort beginnt der Angriff auf Ryans Familie. Obwohl es der CIA gelingt, ein Ausbildungslager irgendwo in der Sahara auszuschalten, schaffen es die Terroristen schließlich – es gibt einen Verräter in den Reihen der Engländer, wie sich herausstellt – , Ryan, dessen Familie und sogar den englischen Lord, der dem Amerikaner einen Orden verleihen soll, bei einem Essen in Ryans Haus zu stellen. Es kommt zu einem tödlichen Kampf, der schließlich auf ein Duell Ryan vs. Miller hinausläuft.
Nachdem Actionspezialist John Mc Tiernan bereits 1990 Tom Clancys aufrechtesten Amerikaner Jack Ryan hatte Jagd auf das U-Boot ‚Roter Oktober‘ machen lassen, übernahm 1992 Phillip Noyce, der zuvor vor allem mit dem Psychothriller DEAD CALM (1989) für Aufsehen gesorgt hatte, die Regie, um den CIA-Mann erneut in Szene zu setzen. Die Rolle, die zuvor Alex Baldwin gespielt hatte, übernahm nun der damals gerade in den Rang des Superstars aufgestiegene Harrison Ford. Verfilmt wurde der dritte der Jack-Ryan-Romane, PATRIOT GAMES.
Noyce setzt ab dem ersten Moment auf Action und so wird dies schnell zu einem wirklich rasanten Ritt auf des Messers Schneide. Weder hält er sich mit sonderlich tiefgreifenden Beschreibungen einzelner Persönlichkeiten auf, noch ist es ihm darum zu tun, ausgewogen über das Verhältnis der IRA zum Terrorismus zu berichten. Was den europäischen Teil der Story angeht, wird man mit den handelsüblichen Klischees bedient: Engländer versnobbt und natürlich mit dauern unterdrückten Gefühlen ausgestattet, die sie zu Sadisten werden lassen, der englische Adel selbstverständlich weltfremd, Iren alle immer in Kneipen anzutreffen, die IRA ein Haufen pöbelnden Mobs oder aber ultrabrutal und ohne Gnade. Mittendrin der aufrechte, immer mit einem ironischen Zwinkern im Augenwinkel ausgestattete Amerikaner, der ja eine Menge Spaß versteht, aber der hört auf, wenn es um die Familie geht. Das sehen Iren selbstredend genauso. Weshalb es ja auch zu dieser Privatfehde zwischen Ryan und Miller kommen muß. Spiegelt sich da etwa der eine im andern? So von Ire zu Irischstämmigen? Ach woher denn! Nein, hier geht es lediglich um einen Aufhänger für einen Samstagabendspaß voller Action und Unterhaltung. Und genau der ist Phillip Noyce auch gelungen.
Daß er es auch anders kann, deutet Noyce hier lediglich an. In späteren Filmen – darunter mit CLEAR AND PRESENT DANGER (1994) der Nachfolger in der Jack-Ryan-Reihe, oder LONG WALK HOME (2002) – bewies er durchaus differenzierte Sichtweisen auf komplizierte, komplexe Themen. In PATRIOT GAMES ist es jene Szene, in der Jack Ryan neben anderen Zeuge wird, wie ein terroristisches Wüstencamp von einer britischen SAS-Einheit ausgelöscht wird. Die CIA-Leute sehen aus einem Kommandoraum in Langley via Satellit den tonlosen Bildern zu. Krieg, wie wir ihn heute, über 20 Jahre nach Erscheinen des Films, kennen. Wenn überhaupt, dann nimmt der Film an dieser Stelle eine ambivalente Haltung zum Geschehen ein. Doch wäre es zuviel der Ehre, dem Film anhand dieser einen Szene eine kritische Grundhaltung zu unterstellen. Es geht um spannende Unterhaltung, und die ist den Machern definitiv gelungen. Erst im Nachfolger, dem bereits erwähnten CLEAR AND PRESENT DANGER, wird Noyce sehr viel weiter gehen und eine durchaus kritische Haltung gegenüber den Diensten und deren Machenschaften einnehmen. Danach, was Wunder, war Schluß mit Jack Ryan. Denn anstatt werksgetreue Verfilmungen der erzkonservativen Clancyromane zu liefern, wurde dessen Story, das Setting und auch die Figur Ryan so verändert, daß man ruhig davon reden könnte, daß die Filmemacher den Stoff gegen den Strich gebürstet haben. Erst 2002 wurde unter der Regie von Phil Alden Robinson Jack Ryan erneut für den Film aktiviert: In THE SUM OF ALL FEARS ist es schließlich Ben Affleck, der den aufrechtesten aller Amerikaner verkörpern darf. Bisher ist das allerdings auch der letzte filmische Auftritt des CIA-Mannes geblieben.