EL PERDIDO/THE LAST SUNSET
Across the border...
Ein Mann kommt zu einer Ranch in Mexiko, wo eine Frau auf die Rückkehr ihres wesentlich älteren Gatten aus der Stadt wartet. Die Familie will zurück in die Staaten mit tausend Stück Vieh, die man in Texas zu verkaufen gedenkt, um sich anschließend mit dem Geld in Kalifornien niederzulassen. Der Mann – Brendan O’Malley (Kirk Douglas) – weiß, daß er verfolgt wird; die Frau, Belle Breckenridge (Dorothy Malone) erkennt eine alte Liebe in dem Besucher wieder, ihr Gatte, John Breckenridge (Joseph Cotten), ist bereit und erfreut, O’Malley für den anstehenden Viehtreck anheuern zu können. Als anderntags Dana Stribling (Rock Hudson), O’Malleys hartnäckiger Verfolger, auf der Ranch auftaucht und bereit ist, den Posten als Treckführer anzunehmen, da er sich mit Rindern auskennt und seinen Widerpart – der seinen Schwager erschossen hat – sowieso erst in den USA stellen und verhaften darf, kann sich die kleine Gesellschaft auf den Weg machen. Neben den Genannten gehören auch Breckenridges Vorarbeiter, ein paar mexikanische Viehtreiber und Belles Tochter Missy (Carol Linley) zu der Reisegesellschaft. Nachdem Breckenridge bei einem Streit in einer Cantina getötet wird, übernehmen O’Malley und Stribling gemeinsam die Führung des Trecks. Unterwegs sind sie allerhand Gefahren ausgesetzt, Indianer zeigen sich und während eines schrecklichen Sandsturms versuchen einige später dazugestoßene Cowboys, die unübersichtliche Situation zu nutzen und die Frauen zu mißbrauchen. All diesen Widrigkeiten trotzen die Kontrahenten gemeinsam und neben Missy, die sich in O’Malley verliebt hat, bemüht sich auch Belle, deren Liebe zu ihm längst verflogen ist, die aber ein Geheimnis mit ihm teilt, von dem auch er erst sehr spät erfährt, O’Malley davon zu überzeugen, die Grenze nicht zu überschreiten. Und auch Stribling will O’Malley im Grunde nichts (mehr) tun, doch schließlich zwingt ihn dieser, als er die Ausweglosigkeit seiner Situation und die Sinnlosigkeit seiner Liebe zu Missy begreift, zum entscheidenden Duell.
Die großen Western der klassischen Phase ab Beginn der 50er Jahre sind immer auch Dramen, sind meist auch psychologisch ausgefeilte Zeichnungen von Menschen – meist Männern – in Extremsituationen. Da macht THE LAST SUNSET (1961) keine Ausnahme. Robert Aldrich mischt in seinem vergleichsweise späten Western den Kampf zweier Männer um dieselbe Frau einerseits, Gerechtigkeit andererseits mit der Erzählung eines Viehtriebs und dem Drama eines Mannes, der einsehen muß, daß die vergangene Zeit sein Feind ist, seine Liebe zerstört hat und damit nach und nach auch sein Selbstbild.
Sieben Jahre nachdem Aldrich in VERA CRUZ (1954) Burt Lancaster und den alternden Gary Cooper gemeinsam nach Mexiko hatte reiten und sich derweil ununterbrochen gegenseitig hatte beschnuppern und belauern lassen, dreht er die Situation nun um und zeigt zwei sich ebenfalls belauernde Männer auf dem Weg von Mexiko in die Staaten. Während wir in VERA CRUZ ahnen, daß das Land südlich der Grenze für ein Niemandsland steht, in dem sich die prekäre Freundschaft zwischen den beiden Amerikanern entscheiden und diese Entscheidung einer der beiden wahrscheinlich nicht überleben wird, dreht sich auch dies in THE LAST SUNSET um: Hier können diese beiden Männer durchaus Seite an Seite reiten und kämpfen und zunehmend Respekt füreinander entwickeln, wir ahnen aber, daß die Rückkehr in die USA das Ende dieser Freundschaft und den Tod eines Kontrahenten bedeuten wird. Die Filme verhalten sich gelegentlich wie These und Antithese zueinander. Allerdings kam THE LAST SUNSET bei den Kritikern weitaus schlechter weg, während VERA CRUZ mittlerweile ins Pantheon der Western-Klassiker aufgestiegen ist. Rock Hudson sei zu blaß, Dorothy Malone zu alt, es gäbe peinliche Anschlußfehler und schlechte Studiokulissen – die Vorbehalte gegen den Film sind massiv. Dabei ist das schade, denn wenn man den Film von vornherein als Vehikel für seinen Star Kirk Douglas (der Hudson generös die Ehre des „first name“ in den Titeln überließ) betrachtet und ihm Tiefgang und Klasse abspricht, verpasst man doch einiges. Der Film hat enorme Schauwerte. Die Landschaftsaufnahmen aus Mexiko, die Bilder der Herde und vom Trieb, der Sandsturm, der die Unbilden eines Viehtriebs mehr als deutlich macht – all das packt und bietet an sich schon großartige Unterhaltung. Darüber hinaus wird uns aber auch enorme Action geboten, haben wir es mit spannenden Konflikten zu tun und kommt auch der Humor – wie meist in Filmen mit Kirk Douglas – nicht zu kurz. Und hinzu kommt eine wirklich interessante Konstellation, die großes Konfliktpotential birgt und also die Spannung über die jeweiligen Vorkommnisse hinaus aufrecht erhält.
Die Figuren sind alle mit viel Liebe zum Detail ausgestattet und eine jede bekommt ihre ganz eigene Tragik. Cottens Breckenridge erweist sich entgegen seiner dauernden Berichte aus dem Bürgerkrieg als Feigling, den die Verachtung alter Kumpane trifft und schließlich tötet; Belle Breckenridge muß sich der Vergangenheit stellen, sie muß erkennen, daß ihre Liebe nicht mehr reicht und dies dem Mann verdeutlichen, der vorgibt sie nach wie vor zu lieben, wie am ersten Tag; dieser Mann, Douglas‘ O’Malley wiederum ist die interessanteste Figur hier, denn er ist ein Getriebener, ein Drifter, der meint, die Zeit anhalten zu können und dann doch erkennen muß, daß sie auch über ihn hinweggegangen ist. Es gibt eine Szene, in der Dorothy Malone Kirk Douglas versucht begreiflich zu machen, daß sie nicht mehr das 17jährige Mädchen von einst ist und er sich müht, all ihre Einwände weg zu lächeln und doch mit jedem Blick, jeder Geste zunehmend zeigt, daß er seine Niederlage begreift. Douglas zeigt in diesen Momenten seine ganze Klasse als Schauspieler, wenn sich in seinem Gesicht der Schmerz verpasster Möglichkeiten zeigt und er zugleich versucht, auch diesen Schmerz tapfer wegzulächeln. Und Stribling? Rock Hudson ist im Vergleich zu Douglas sicher der schwächere Darsteller, doch er hat in dieser Rolle auch nur wenig Chancen, sein Können zu zeigen. Stribling ist schlicht gut. Er verfolgt einen Mörder, er hat, wie wir später erfahren, auch durchaus persönliche Motive sich zu rächen, er ist edel, hilfreich und ohne Makel. Während Douglas, ganz in schwarz gekleidet, was seine perfekte Figur betont, mit einem gelben Halstuch als Kontrapunkt, eine imposante Erscheinung ist, er die Doppeldeutigkeit seiner Figur immer wieder ausagieren darf, hat Hudson schlicht keine Möglichkeiten, Stribling irgendeine Tiefe oder Tragik zu verleihen. Douglas grient die Mädels an, spielt die Attraktivität seines wie aus Stein gemeißelten Gesichts aus, um im nächsten Moment, wenn niemand hinschaut, einen Hund zu würgen; Hudson bekommt im gesamten Film nicht mal ansatzweise eine ähnliche Chance, Striblings Charakter auszudifferenzieren. Es ist also schlicht ungerecht, Hudson hier schwache Darstellung vorzuwerfen, es ist die Rolle, es ist das Script, die einfach nicht mehr hergeben.
Aldrich inszeniert dies alles mit Bedacht. Gemächlich laufen die Dinge an und der Film gönnt sich immer wieder Momente reinster Ruhe und ergötzt sich an Schönheit und den Vorzügen der Freundschaft. Auf Breckenridges Ranch sehen wir die Herren aus feinen Tassen Kaffee trinken, mehrmals wird im Film musiziert und getanzt, als während des Trecks ein Kalb die Mutter verliert, nimmt sich Stribling und mit ihm der Film eine Weile Zeit, Missy zu erklären, wie man ein Kalb an eine neue Mutter gewöhnt und natürlich ist diese neue Mutter Missy. All diese Szenen eines friedlichen Miteinanders scheinen viel wichtiger zu sein, als jedwede Action oder Gewalt. Und wenn es schließlich zum Showdown kommt (kommen muß), macht die Regie, machen die Darsteller, macht der ganze Film den Eindruck, daß dies nur und ausschließlich den Konventionen des Genres geschuldet ist. Fast widerwillig geht Stribling seinem Gegner, der längst ein Freund geworden ist, entgegen. Wenn sich der überlebende Mann und die Frau seines Herzens schließlich in den Armen liegen, die andere Frau hingegen nur noch den Leichnam ihres Angebeteten halten kann, wenn man bedenkt, daß diese Frauen Mutter und Tochter sind und man nicht weiß, wie sie je wieder miteinander zurande kommen wollen, hat doch der Mann der einen den Mann der andern getötet, dann hinterläßt das Schlußbild des Films ein leeres, fast ungutes Gefühl beim Zuschauer. Aldrich wird es genau so gewollt haben.
THE LAST SUNSET hat, wie so viele Western der 60er Jahre, keine besonders gute Rezeption erhalten. Der Film mag seine Schwächen haben, er mag seine Fehler haben. Aber es bleibt dennoch ein Werk des großen Robert Aldrich, es spielt eine Riege erlesener Schauspieler, es gibt ebenso lyrische wie actionreiche Momente, der Film ist spannend und episch. Es bleibt also durchaus ein A-Western, der sich immer mal wieder anzuschauen lohnt, weiß er doch zu packen und zu unterhalten.