ARENA DER COWBOYS/THE LUSTY MEN

Nicholas Ray definiert den Western neu

Jeff McCloud (Robert Mitchum), ein Rodeoreiter, wurde bei einem Bullenritt verletzt und will den Job nun an den Nagel hängen. Er kehrt heim zur Ranch seiner Familie, die jedoch brach und einsam liegt. Der momentane Besitzer taucht auf und erklärt Jeff, daß die Ranch schon lange verlassen sei. Als ein Pärchen in einem Auto auftaucht, macht der Mann sich über die Leute lustig, die wollten die Farm kaufen, der Kerl sei aber ein Cowboy, ein armer Schlucker, der das Geld im Leben nicht zusammen bekäme. Jeff macht sich mit den beiden bekannnt: Wes Merritt (Arthur Kennedy) und seine Frau Louise (Susan Hayward). Die drei freunden sich an und Jeff bleibt bei ihnen. Wes versucht, ihm auf der Ranch, auf der er arbeitet, ebenfalls einen Job zu besorgen, doch der Farmbesitzer mag keine Rodeocowboys, die er für Blender hält. Jeff kann ihn überzeugen, es dennoch mit ihm zu versuchen und so arbeitet er neben Wes. Der will unbedingt etwas eigenes aufbauen und bittet Jeff, ihm die Kniffe beizubringen, die es braucht, um ein echter Rodeoreiter zu werden und schließlich versucht er sein Glück gegen den Willen von Louise, die mit dem Leben, das sie und Wes führen, ganz zufrieden ist.

Wes hat erste Erfolge und will nun ganz auf das Rodeo setzen, Jeff soll sein Trainer und Manager werden; Louise nimmt ihm das Versprechen ab, daß er aufhört, sobald das Geld für die Ranch zusammengekommen ist. Wes stimmt zu. In den folgenden Monaten lernt Louise das Leben im Rodeo kennen. Freunde, die zu Krüppeln werden, gewaltsamer Tod und eine zynische Haltung dem Leben gegenüber, lassen sie in Distanz zum Geschehen bleiben. Mehrfach bittet sie Jeff, Wes zur Räson zu bringen, doch Jeff erklärt ihr, sie könne nicht verstehen, was der Rodeoritt mit einem Mann mache. Als Buster Burgess (Walter Coy) bei einem Unfall mit enem Bullen stirbt, erfährt Louise aus erster Hand, wie groß das Leid der Hinterbliebenen ist. Busters Witwe (Lorna Thayer) wirft den Übrigen vor, sie würden einfach verdrängen, was geschähe. Louise will mehr denn je, daß Wes den Job drangibt.

Auf einer Party kommt es zu einem Zwischenfall, als Wes sich von der jungen Babs (Eleanor Todd) umschmeicheln lässt. Louise zeigt der Rivalin zwar, was sie von ihr hält, doch langsam bekommt ihr Vertrauensverhältnis zu Wes, dem die bisher absolut die Treue gehalten hat, auch gegen  Jeffs gelegentliche Annäherungsversuche, erste Risse. Erneut macht Jeff ihr das Angebot, mit ihm zu gehen, doch sie will nicht. Ob sie sich zu Jeff hingezogen fühlt, weiß sie selbst kaum, doch ihr Versprechen gegenüber Wes gilt. Sie ist seine Frau. Genau diese Haltung lässt sie für Jeff noch begehrlicher werden. Es kommt zu einer Auseinanderstzung zwischen Wes und Jeff, bei der Wes den andern wegschickt. Er wolle nicht das ganze Risiko aber nur den halben Lohn haben. Die beiden trennen sich im Streit.

Bei einem großen Rodeo, dessen Preisgeld Wes seine Wünsche erfüllen könnte, tritt auch Jeff als Reiter in allen Wettbewerben an. Während Jeff einen Wettbewerb nach dem andern bravourös gewinnt, muß Wes ihm Respekt zollen, zugleich stellt er fest, daß die anderen Kerle beim Rodeo in Jeff einen Kerl, in ihm, Wes, nur einen Aufschneider sehen. Schließlich kommt es zum Bronco-Ritt, bei dem Jeff mit dem Fuß im Steigbügel hängenbleibt und vom Pferd so übel zugerichtet wird, daß er anschließend im Krankenzelt zu sterben droht. Louise eilt zu ihm und er sagt ihr, wie sehr sie ihm gefiele, dann stirbt er. Wes lässt sich aus den weiteren Wettbewerben austragen und macht sich mit Louise auf in eine bessere, weniger gefährliche Zukunft.

 

1952 drehte der Hollywood-Außenseiter Nicholas Ray den ersten von zwei Western, die seine künstlerische Vita schmücken. THE LUSTY MEN (1952) berichtet in einem zeitgenössischen Setting vom Leben der modernen Cowboys auf dem Rodeo. Weitaus weniger beachtet als der Nachfolger JOHNNY GUITAR (1954), der heute Kultstatus genießt, kann man dennoch behaupten, dies sei der bessere Film. Mag JOHNNY GUITAR sicherlich als Kunstwerk mehr Bedeutung haben, fügt er dem Western doch durchaus eine Metaebene hinzu, die ihrer Zeit voraus war, als Film ist THE LUSTY MEN zwar konventioneller, dennoch kohärenter und seine Konflikte wirken glaubwürdiger. Zudem beweist Ray hier seinen außerordentlichen Blick für psychologische Abgründe, für zwischenmenschliche Dramen, soziale Wirklichkeit und vor allem – darin dem Nachfolger nicht unähnlich – für Frauen und deren Stärken.

THE LUSTY MEN könnte nicht in jedwedem Setting spielen, daß er im Milieu der Rodeocowboys angesiedelt ist, hat seinen Grund. Ray erzählt zwar in allererster Linie ein Beziehungs- und Ehedrama, inklusive einer drohenden Dreiecksgeschichte, doch vor allem erzählt der Film von Verlust, u.a. vom Verlust der Männlichkeit. Es sind nicht mehr viele Berufe übrig nach dem Krieg, die von einem Mann vollen körperlichen Einsatz und Risikobereitschaft erfordern. Cowboys – Angehörige eines klar aussterbenden Berufs – sind ein Verbindungsglied zu jener Art Arbeit, die Amerika einst groß gemacht hat, Verbindung in eine Zeit, die den Ur-Mythos des Landes mitgeprägt hat und aus der das Selbstverständnis der damaligen Mehrheitsgesellschaft der Weißen stammte. Jeff, dessen Heimkehr zur Ranch der Eltern nicht umsonst an jene von Tom Joad in Fords THE GRAPES OF WRATH erinnert, kann die Farm der Familie nicht bestellen, sie gehört ihm nicht, die Familie hat sie verloren. Selbst wenn Jeff also ein „ordentlicher“ Cowboy werden wollte – der Weg dorthin ist ihm symbolisch versperrt.

Als Wes Merritt  Jeff darum bittet, ihm Eintritt in die Welt des Rodeos zu verschaffen, ist auch seine Motivation mehr als deutlich: Seine Arbeit als „ehrlicher“ Cowboy wird ihm niemals das Geld einbringen, daß er bräuchte, um eine eigene Farm zu kaufen. Er muß das Spiel mit der Gefahr als Showeinlage wagen, will er verdienen, was er braucht. Soziale Veränderungen sind in Rays Film ganz klar das Handlungsmotiv für die männlichen Hauptprotagonisten. So erklärt sich, daß Ray genau dieses Milieu nutzte, um seine Geschichte zu erzählen. Zugleich gibt es ihm aber die Möglichkeit, aufzuzeigen, wie die Veränderungen auch die verändern, die ihnen unterliegen. Wes´ exemplarischer Weg vom sorgenden Familiengatten zum egozentrischen Showstar belegt genau diese Veränderungen.

Eine Geschichte sich wandelnder Männlichkeit also, eine Geschichte von Verlust – Verlust der eigenen Geschichte ebenso wie Verlust des anderen, des Partners und des Freundes – und eine Geschichte von der Veränderung in den Menschen selbst. Zwar bekam Mitchum – einmal mehr, obwohl er eine eher durchschnittliche Leistung abliefert  – das Lob, doch muß man eigentlich Arthur Kennedy selbiges zollen. Die Veränderung, die Wes im Laufe seiner Erfolge durchläuft, skizzieren Buch und Inszenierung geschickt und derart in die Handlung eingebettet, ohne dem Zuschauer aufdringlich zu berichten, was vor sich geht, daß sie nicht nur sehr glaubwürdig wirkt, sondern tragisch in ihrer unvermeidlichen Auswirkung auf die Beziehung zu Louise. Kennedy stellt das sehr gekonnt dar, zurückhaltend, wie es seien Art ist, aber auf den Punkt und pointiert, wenn es drauf ankommt.

Ray beweint den Verlust, den Wandel, die Veränderungen nicht, er nimmt sie scheinbar hin. Er zeigt mit gehöriger Distanz – und unter Zuhilfenahme von Originalaufnahmen früher Rodeos; der Film nutzt diese ebenso, wie er vor kräftigen und spannenden Aufnahmen von Mitchum und Kennedys Rodeoauftritten nur so strotzt, er nutzt diese vor allem für Action und Spannungsaufbau – wie aus einem einst ebenso gefährlichen, wie ehrenwerten Beruf eine Shownummer wird. Er zeigt ebenso distanziert, wie die Männer, die diesen Beruf einst ausübten, ihr Selbstbild verlieren, den Kontakt zu dem, was sie einmal waren. Als Wes Jeff mitbringt auf die Ranch, damit der dort Arbeit findet, will ihn der Ranchbesitzer nicht haben – Rodeocowboys täten nichts, machten höchstens mit ihren Mätzchen die Herde wild. Es deutet sich an, daß, was einst ein wichtiger Beruf in der Geschichte des Landes, vor allem des ‚Heartland‘, war, bald nichts weiter als Zirkusartistik sein wird. Sam Peckinpah zeigt dann in seinem Meisterwerk JUNIOR BONNER (1972) das fortgeschrittene Stadium dieser Entwicklung; man darf getrost davon ausgehen, daß Peckinpah Rays Film sehr, sehr genau studiert hat. Einher mit dieser Veränderung des Berufsbildes, mit der zunehmenden Technisierung – Wes kauft einen hochmodernen Wohnwagen für die drei, immer wieder bewegen sich diese Cowboys in Nachtclubs und Bars, in denen sie vollkommen anachronistisch wirken – und den daraus resultierenden Vereinfachungen des Alltags auch in der Provinz, geht eine Veränderung im Geschlechterverhältnis. Paarbeziehungen sind anders, als noch 20 Jahre zuvor und der Blick, vor allem der männliche, auf das jeweils andere Geschlecht, hat sich stark verändert.

Betrachtet man THE LUSTY MEN  – die „kernigen Kerle“ – heute, wirken Mitchums Sprüche hinsichtlich dessen, was Frauen denken, sagen, tun oder wollen mehr als ärgerlich, sie muten lächerlich an. Doch muß Ray diesen Jeff McCloud derart übertrieben männlich zeichnen, um seine Botschaft verständlich zu machen. Jeff gibt vor, Louise zu lieben, sein Ehrenkodex erlaubt es eigentlich nicht, diesem Gefühl Ausdruck zu geben, er tut es aber doch, als er zu der Überzeugung kommt, daß Louise Wes nicht mehr liebe. Und da er selber nach seinem schlimmen Unfall zu Beginn des Films eigentlich keine Rodeos mehr reiten kann, das Alter langsam herannahen spürt und wie so viele seines Schlages kein Zuhause hat, weder ein wirkliches noch ein emotionales, wirkt Louise in ihrer zupackenden Art, der Schlagfertigkeit und ihrem Witz allzu verführerisch für einen Haudegen wie Jeff. Mitchum spielt ihn routiniert, doch als ein Klischee, fast eine Karikatur. Der Film inszeniert Jeff aber nicht so. Ähnlich distanziert, wie er die sozialen Veränderungen betrachtet, betrachtet er auch einen Mann wie McCloud, der nicht mehr zeitgemäß ist. Der Film urteilt nicht, er schaut zu. Und er erkennt die Veränderungen an, wie er die Geschichte anerkennt, die zu den Veränderungen geführt, wie er die Menschen anerkennt, die die Veränderungen zu durchleben haben. Wes Merritt ist der modernere Mann, wenn wir ihm begegnen. Er führt offenbar eine gleichberechtigte Ehe, die auch funktioniert, ist bereit, sich seiner Frau zu beugen, wo die mehr Ahnung oder Erfahrung hat. Der Film denunziert dies nicht, im Gegenteil wird Wes erst dann unsympathisch dargestellt, sobald er sich zu einem ähnlichen Macho entwickelt, wie Jeff längst einer ist. THE LUSTY MEN verhandelt also auch das sich wandelnde Männerbild und stellt im Titel die Frage provokant, was eigentlich „lusty“ – „rüstig“, „kernig“ – in modernen Zusammenhängen zu bedeuten hat.

Louise ist eine ehemaliges Barmädchen, die sich im richtigen Moment auch der alten Tugenden besinnen kann und sich mit derben Mitteln zu wehren weiß. Doch sie will etwas anderes. Etwas, das Wes mit ihr zu teilen scheint und das Jeff im Grunde nicht versteht – Sicherheit. Ein Heim, einen Mann mit einem sicheren Job, warmes Essen auf dem Herd und eine ruhige Zukunft. Durchaus hat sie etwas übrig für kräftige Kerle und keinesfalls verachtet sie Männlichkeit. Hayward spielt einmal mehr grandios ihre Fähigkeit aus, mit ihren Filmpartnern Augenhöhe herzustellen, ohne dabei zwingend erotisierend wirken zu müssen. Obwohl der Film ihre Gefühle für Jeff letztlich für Interpretationen offen lässt, macht der dennoch den Fehler, sie nur nach der emotionalen Lage zu beurteilen. Er vertut sich in seiner  Wirkung auf sie. Louise liebt Wes – THE LUSTY MEN erzählt eben nicht von Dreiecksbeziehungen und Freunden, die Freunde hintergehen, zumindest nicht auf die herkömmliche Art. Obwohl wir selber der Sache erstmal nicht trauen, akzeptieren wir schließlich, daß Louise Wes liebt und es diese Liebe ist, die sie ihm auf sein Rodeoabenteuer folgen lässt. Susan Hayward gibt Louises Bitten an Jeff, ihren Mann doch zur Vernunft zu bringen, eine Dringlichkeit, sie verleiht den Sorgen dieser Frau eine tiefe Ehrlichkeit, an der wir genau das ablesen können: Sie will Wes als Mann und Jeff, egal was da hätte sein können, als Freund. Erst als Wes sich zu verändern beginnt, als er mit Damen poussiert und zusehends mehr trinkt, verliert Louise den Glauben und schließlich die Achtung vor ihrem Mann. Es sind dies die Momente, in denen Jeff kurz vor seinem Ziel ist, sie für sich zu gewinnen. Indem THE LUSTY MEN auf die Komplikationen eines Ehebruchs und einer heimlichen Liebe verzichtet, verleiht er den dargestellten Konflikten erst das Maß an Tragik, das sie erreichen.

Ray war und blieb ein Außenseiter im Hollywood der 1950er Jahre, trotz seines Megaerfolgs mit REBEL WITHOUT A CAUSE (1955). Hier kann man ganz gut nachvollziehen, weshalb dem so war. Wie selbstverständlich behauptet THE LUSTY MEN eine Moderne, die der Machowelt Hollywoods – die 50er Jahre brachten eine Vielzahl an Western, Abenteuer- und Kriegsfilmen hervor, die den „Helden“ zwar erwachsen werden ließen, ihm aber auch noch einmal volles Vorrecht als führendes männliches Rollenmodell gaben – recht nonchalant eine totale Absage erteilt, sie als gestrig entlarvt und darüber hinaus zur Shownummer degradiert, womit Ray indirekt natürlich einen Kommentar auf den Western selbst (als Cowboyfilm) abgibt. Die Referenzen gehen aber weit über solch subtextuellen Ebenen hinaus, wenn Wes den großen Wagen mit dem Pferdeanhänger auf den Highway lenkt, wenn wir Städte überblicken, etliche ‚Establishing-shots‘ und Kamerafahrten während der Rodeos, die sich über die Arena erheben und das dahinter liegende, schier endlos wirkende Hügelland von Arizona, Texas oder Kalifornien zeigen. Ray ordnet viele seiner Bilder horizontal an, indem er uns Räume oft mit Decke und also länglich geschlossen zeigt, er betrachtet Zuschauer, die in Reihe sitzen etc. Wie der Western es verlangt, so ist Ray durchaus gewillt, das Land zu zeigen in seiner Erhabenheit und Größe. Aber auch hier gilt – Distanz. Ray ist alles andere als ein „typischer“ Westernregisseur, wie Hawks, Ford oder Mann dies waren. Er reflektiert das Genre auf andere, vielleicht modernere Weise, sein Film ist ein klarer Fingerzeig in eine Zukunft, die sich nicht darin wird erschöpfen dürfen, einfach nur das Immergleiche zu reproduzieren, sonst erstarrt sie in den Abläufen und ritualisierten Schemata von Showeinlagen.

So legt THE LUSTY MEN also Zeugnis ab von den Wandlungen der Zeit, des Landes und seiner sozialen Situation. Zugleich belegt er, daß das Genre sich wird wandeln müssen, um zu überleben. Wie das gehen könnte, hat Nicholas Ray in seinem kommenden Western gezeigt, danach wendete er sich andere, ihm sicherlich wesentlicheren Fragen zu.

 

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