MEUTEREI AM SCHLANGENFLUSS/BEND OF THE RIVER
There´s always a second chance...
Glyn McLintock (James Stewart) verdingt sich als Führer eines Trecks nach Oregon, wo die Pioniere eine neue Siedlung – frei von Angst, Bedrohung und Gewalt – bauen wollen, wie es ihr Anführer Jeremy Baile (Jay C. Flippen) ausdrückt.
Unterwegs trifft McLintock bei einem Ausritt auf Emerson Cole (Arthur Kennedy), der gerade wegen Pferdediebstahls gelyncht werden soll. McLintock befreit ihn und Cole schließt sich dem Treck an.Es kommt zu einer Auseinandersetzung mit Shoshone-Indianern, bei der Cole McLintock hilft und sogar das Leben rettet. Die ältere Tochter des Treckführers, Laura Baile (Julie Adams), wird bei dem Angriff verletzt.
Als der Treck Portland erreicht, kaufen die Siedler Verpflegung für den Winter, die ihnen im Herbst nachgeschickt werden soll. Dann lassen sie sich von dem Raddampfer „River Queen“ den Fluß hinauf bis zu den Stromschnellen bringen, wodurch sie ihr Ziel weitaus schneller erreichen. Laura bleibt aufgrund ihrer Verletzung in der Stadt zurück, ebenso Cole, der ursprünglich nach Kalifornien wollte, jedoch Geschmack an Laura gefunden hat und hofft, deren Herz zu erobern. Nicht, ohne sich zuvor bei McLintock erkundigt zu haben, ob sie „sein Mädel“ sei, was der jedoch verneint.
Die Siedler bauen ihre kleine Stadt und alles nimmt seinen geplanten Verlauf, bis zwar der Herbst, aber kein Verpflegungsschiff kommt. McLintock und Jeremy brechen auf nach Portland. Dort angekommen, stellen sie fest, daß ihre Waren einen Preisaufschlag von nahezu 1000% genommen haben – der Goldrausch ist ausgebrochen. Mit der Hilfe von Cole, des Profispielers Trey Wilson (Rock Hudson), der Jeremys jüngerer Tochter schöne Augen gemacht hatte, und der erzwungenen Mitarbeit einiger am Hafen herumlungernder Kerle, können sich McLintock und Jeremy mit ihren längst bezahlten Waren auf den Dampfer retten.
Unterwegs müssen sie sich nun nicht nur der sie verfolgenden Männer aus der Stadt, sondern auch einiger Goldgräber erwehren, die es auf die Waren abgesehen haben. Cole, der in den Monaten in Portland mit seinem Charme Lauras Herz erobert hatte, entpupopt sich nun doch als der „faule Apfel“, als den Jeremy ihn immer betrachtet hat, denn er will mit den Goldgräbern gegen Bezahlung gemeinsame Sache machen. McLintock läßt das nicht zu und schließlich kommt es zwischen ihm und Cole im Fluß zum tödlichen Kampf. Als alles entschieden und die Ladung sicher in der Siedlung ist, stellt Jeremy fest, daß er, der zuvor immer der Meinung war, Männer, die einmal Fehler begangen haben und mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind, könnten sich nicht ändern, sie seien „faule Äpfel“, die entfernt werden müssten, weil sie sonst die anderen auch mit Fäulnis ansteckten, daß es eben doch einen Unterschied zwischen Äpfeln und Menschen gibt.
Hat man es bei THE NAKED SPUR (1953) und WINCHESTER`73 (1950) mit den beiden der fünf Anthony Mann/James Stewart-Koproduktionen zu tun, die den Titel des besten dieser Filme unter sich ausmachen müssen, so ist dieser hier sicherlich derjenige, der den Titel des schönsten der Serie für sich beanspruchen darf. Und sicher derjenige, der sich am weitesten hinüberlehntt zu den Filmen John Fords, inklusive des Humors. Es war die zweite Zusamemnarbeit des Regisseurs und seines Stars.
Die Figur, die Stewart hier darstellt, hat noch nicht die Verbitterung eines Howard Kemp, des Helden aus THE NAKED SPUR und auch nicht den Zynismus, der Jeff Webster in THE FAR COUNTRY (1954) davor schützt, sich emotional zu sehr verstricken zu lassen. Glyn McLintock gehörte zu den sogenannten Missouri-Banditen, Vigilanten wie William Clark Quantrill, die den Sezessionskrieg auf ihre ganz eigene, vollkommen unmenschliche Art als Guerillakrieg gegen die Zivilbevölkerung jener Staaten fürhten, die sich incht eindeutig dem Norden oder Süden zuordnen ließen. Wer hier gekämpft hatte, hat sich die FInger schmutzig gemacht, das ist sicher. Doch diesen Mann gleichen Namens, so sagt es McLintock einmal im Film, hat er an der Grenze des bezeichneten Staates begraben. Was davon zeugt, daß er seine Läuterung bereits hinter sich hat. Er wird, um sich von den Sünden zu befreien, die der zurückgelassene Mann begangen haben muß, durch ein tiefes Tal der Tränen gegangen sein. Er hat sich sein Mantra zurecht gelegt, daß ein Mensch eine zweite Chance verdient hat, denn das unterscheide ihn von den Äpfeln.
Das ist alles, woran sich McLintock festhalten kann: Es gibt einen Unterschied zwischen Äpfeln und Menschen. Und dieser Unterschied, und die darin behütete Hoffnung, daß es die berühmte 2. Chance gibt, die Möglichkeit, sich zu ändern, ist ihm mehr wert als 100.000 Dollar. So sagt er es an einer entscheidenden Stelle im Film. Der Unterschied zwischen McLintock und den meisten anderen Helden in den Anthony-Mann-Western ist, daß es wirklich Hoffnung für ihn gibt. Wo die anderen Männer entweder einer ungewissen Zukunft entgegen gehen oder in ihrer Verbitterung verharren müssen – Getriebene, die sie sind – hat McLintock am Ende des Films eine wirkliche Zukunft vor sich: Er hat eine Frau, er hat Freunde und er hat eine Familie, wenn auch „nur“ angeheiratet. Er ist Willens, sein Glück als Farmer zu versuchen und man glaubt diesem Mann. Er ist sich seiner Sache sicher und das drückt sich in seiner Haltung aus. Allerdings unterscheidet sich McLintock auch dadurch von den anderen Mann/Stewart-Helden, daß zumindest der Zuschauer sehr schnell erfährt, woran er bei diesem Kerl ist. Anders als die anderen trägt er so kein, auch dem Publikum unbekanntes, düsteres Geheimnis mit sich herum. Er war ein Bandit und er will sein Leben ändern und muß deshalb vor sich selbst wegrennen. Und er muß – kathartisch durch die Gewalt und den Kampf mit seinem Alter Ego Emerson Cole, der den Schwenk zum „ehrlichen“ Mann nicht vollziehen kann – geläutert werden. Dann aber steht ihm und seinem Glück nichts mehr im Wege. Die zweite Chance…
Durch diese Klarheit der Figur hat dieser Film mehr Möglichkeiten, kann sich Zeit lassen, hinschauen und auch – darin einem John Ford nicht unähnlich – Dingen zusehen, die erst mal nichts mit der Handlung zu tun haben. Und er zeigt Humor, womit die Western Manns eher spärlich ausgestattet sind und wenn, wie in THE FAR COUNTRY oder dem viel später entstandenen MAN OF THE WEST (1958), dann ist es ein grimmiger, oft schon zynischer Humor. Mit dem Kapitän des Raddampfers und seinem schwarzen Adlatus gönnt Mann sich hier ein fast komödiantisches Paar, das eine ganze Reihe guter Dialogsätze hat, Figuren, die ebenfalls aus einem Fordwestern stammen könnten.
Damit einher geht, daß Mann, wie oft in seinen Western, dem Genre auch hier Panoramen, Farben und Settings beimischt, die eher untypisch sind, die aber ausgiebig ausgestellt werden: Die Berge einerseits, der Schnee und die Kargheit des Hochgebirges, andererseits ist es hier aber auch der Fluß und seine Ufer, Böschungen und Steilhänge, die gezeigt werden und zur Betrachtung einladen. Die Fahrt auf dem Fluß, mit den hoffnugsvollen Siedlern an Bord des Dampfers, ist schon fast ein Werbefilm über die Schönheiten der Flußgegenden Oregons. Und sie werden abgeschlossenen mit beeindruckenden Aufnahmen der Stromschnellen, die schon eher reißenden Wasserfällen gleichen und den Treck zwingen, das Schiff wieder zu verlassen.
Man kann es nur wiederholen: Unter den fünf Mann/Stewart-Western ist dieser mit Sicherheit der schönste und fast so ungewöhnlich, wie es THE FAR COUNTRY später sein sollte. War es dort das eher abseitige Setting einer Stadt in Alaska, ist es hier die Anlage der Geschichte: Enden doch die „klassischen“ Trekwestern (WAGON MASTER/1950; THE WAY WEST/1967; u.a.) damit, daß die Siedler das „gelobte Land“ erreichen, beginnt die eigentliche Handlung hier erst in diesem Moment. Anthony Mann erzählt in BEND OF THE RIVER davon, was nach der Ankunft im gelobten Land passieren kann und wie schnell Geldgier und der Hang zur Gewalt alle guten Vorsätze zunichte machen können. Anders als sonst, erzählt er dies eben in unglaublicher Schönheit und mit Weile.
Ein wunderbarer Film.