DER MANN AUS LARAMIE/THE MAN FROM LARAMIE
Der letzte gemeinsame Western des Duos Anthony Mann/James Stewart
Will Lockhart (James Stewart) kommt mit einer Wagenladung Waren nach Coronad. Dort erfährt er, daß die junge Barbara Waggoman (Cathy O’Donnell) die Empfängerin ist.
Lockhart, der seinen Bruder, Kavallerist bei der US-Army, während eines Scharmützels mit Indianern Monate zuvor verloren hat, will Rache üben. Er sucht denjenigen, der den Indianern seinerzeit Repetiergewehre verkauft hat. Er fragt Barbara, ob sie eine Idee habe, wo und wie er eine Wagenladung für den Weg zurück nach Laramie, woher er und seine Kumpel kamen, finden könne, er wolle nicht mit leeren Wagen fahren. Sie weist ihn auf Salzlagunen in den Bergen hin. Als Lockhart und seine Männer dabei sind, das Salz auf die Wagen zu schippen, kommt der junge Dave Waggoman (Alex Nicol) mit einigen Männern der Ranch, zu der die Lagunen gehören, zerstört die Wagen und tötet die Mulis. Gerade als es so aussieht, daß es zu einer Schießerei zwischen Lockhart, der von einem von Waggomans Männern am Lasso durch ein Feuer gezogen wird, und Dave kommen könnte, taucht der Vorarbeiter der Ranch Vic Hansbro (Arthur Kennedy) auf und vereitelt das schlimmste.
Lockhart zahlt seine Männer bis auf den alten Charlie (Wallace Ford) aus und kehrt nach Coronado zurück, Charlie schickt er ins Indianergebiet, da dieser indianische Vorfahren hat, vielleicht könne er dort etwas über den Verkäufer der Gewehre herausfinden. In Coronado kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen Lockhart und Dave, auch diesmal wieder geht Hansbro dazwischen und so schlagen er und Lockhart sich. Ein feiger Versuch Daves, mit der Waffe einzugreifen, vereitelt die alte Kate Canady (Aline MacMahon), der die einzige ernstzunehmende andere Ranch in der Gegend gehört. Sie will Lockhart als Vorarbeiter, der lehnt jedoch ab.
Als Chris Boldt, stadtbekannte Klatschbase, der zuvor versucht hatte, Lockhart Informationen zu verkaufen, ihn dann aber mit dem Messer angriff, tot aufgefunden wird, ist Lockhart der erste Verdächtige und landet im Gefängnis. Der alte Alec Waggoman (Donald Crisp), Daves Vater, Patriarch und Chef der Ranch, sucht ihn im Gefängnis auf und will ihn anwerben, für ihn zu arbeiten oder aber erreichen, daß Lockhart die Gegend verlässt, gleiche er doch jenem Mann – groß und schlacksig – den Waggoman seit Jahren in seinen Träumen sieht und den er verdächtigt, zu kommen und Dave und ihn zu töten. Lockhart lehnt ab. Ebenso tut er dies erneut, als Kate Canady auftaucht und ihn ebenfalls erneut anheurn will. Ihr Argument hingegen ist besser als Waggomans: Sie hat eine Freistellungserlaß dabei, Lockhart kann das Gefängnis sofort verlassen.
Auf einem Ritt über Canadys Besitz, wird er erneut mit Dave konfrontiert, der ihn zu töten versucht. Will erwischt ihn an der Hand. Doch wird er von Daves Männern überwältigt und dann so festgehalten und fixiert, daß der ihm durch die Hand schießen kann. Nun will Dave, der einen ganzen Wagen mit Gewehren gebunkert hat, die Indianer herbeirufen, ihnen die Waffen aushändigen und sie dann Canadys Ranch überfallen lassen. Vic Hansbro geht dazwischen, während der Auseinadersetzung der beiden wird klar, daß sie schon einmal Gewehre an die Indianer verkauft haben. Diese waren es, die u.a. Will Lockharts Bruder töteten. Vic tötet Dave, reitet zur Ranch und stellt es so dar, als hätte er Dave tot gefunden. Der alte Waggoman will nun seinerseits los, Lockhart töten, kann dies jedoch aufgrund seiner zunehmenden Sehschwäche nicht mehr. Als er feststellt, daß Rechnungen der Ranch nicht stimmen und offenbar Geld veruntreut wurde, will Waggoman selbst los, die Gewehre suchen.Ihm schwant Übles.
Vic reitet mit ihm, bittet ihn eindringlich, nicht weiter zu suchen und wirft ihn dann einen Abhang hinunter. Dort findet Lockhart den alten Mann und bringt ihn heim. Waggoman klärt Lockhart über die Zusammenhänge auf, dieser reitet los und will Hansbro töten, kann dies aber im entscheidenden Augenblick nicht. Er zwingt ihn, mit ihm gemeinsam den Wagen mit den Waffen den Berg hinunter zu werfen, so daß die gesamte Ladung in einer Explosion vernichtet wird. Er schickt Hansbro weg, doch dieser kommt nicht weit: Die Indianer verfolgen und stellen ihn. Er wird von ihnen getötet, denn es ist, wie der alte Charlie schon am Anfang des Films sagte: Die Indianer mögen es nicht, wenn man ihr Geld nimmt aber nicht liefert.
Lockhart reitet noch einmal zur Ranch zurück, wo Barbara wartet, die ursprünglich mit Hansbro verlobt war, doch schon länger erkannt hat, daß sie in Lockhart verliebt ist. Er bietet ihr an, daß sie, sollte sie einmal in Laramie sein, nach einem Captain Lockhart fragen solle. Sie willigt ein. Lockhart reitet davon.
Unter Westernliebhabern werden die Filme des Duos Anthony Mann/James Stewart gern als das Nonplusultra des „erwachsenen“ Western gesehen. So ist es neben den Klassikern WINCHESTER`73 (1950), BEND OF THE RIVER (1952), THE NAKED SPUR (1953) und THE FAR COUNTRY (1954) auch dieser Film, der zum Urteil beiträgt. THE MAN FROM LARAMIE (1955) ist zugleich der letzte der Koproduktionen der beiden, danach zerstritten sie sich und weitere Projekte kamen nicht mehr zustande.
Fast exemplarisch kann man hier alles begutachten, was die Western der Mann/Stewart-Kollaboration ausmachte, wenn auch in leicht abgeschwächter Form. Lockhart – also phonetisch ein Mann mit verschlossenem Herzen – entspricht den anderen Mann-Helden, allerdings wirkt er in seiner Entschlossenheit nicht derart sadistisch wie Howard Kemp in THE NAKED SPUR und auch nicht so verbissen wie Lin McAdam in WINCHESTER`73. Wo gerade die „Helden“ der Vorgängerfilme wirklich als gebrochene Männer gesehen werden können, liegt der Fall hier etwas anders, möglicherweise versöhnlicher. Und dennoch ist auch Lockhart ein zu allem bereiter Mann, der sein Ziel eisern verfolgt. Er will Rache, er bekommt sie. Dabei läßt er sich nicht ablenken: Nicht von Angeboten wie denen Waggomans oder Kate Canadys und eben auch nicht von der Liebe. Es gibt eine ebenso wunderbare wie traurige Szene zur Mitte des Films, in welcher Barbara versucht, sich Lockhart zu erklären, dieser auch zu ahnen scheint, was gleich kommen wird und ihr dennoch keinen Zentimeter entgegen kommt. Und so bleibt diese Liebe unausgesprochen.
Auffällig an diesem Film ist auch die sehr differenzierte Figurenzeichnung. Sind in WINCHESTER`73 ausgesprochen feige Männer zu besichtigen, in THE FAR COUNTRY mit John McIntires Sheriff-Richter Gannon ein ausgemachter wenn auch charmanter Bösewicht, sieht die Sache in THE MAN FROM LARAMIE anders aus. So haben wir es bei dem alten Alec Waggoman nicht mit einem bösen Großrancher zu tun, sondern mit einem zwar knallharten Geschäftsmann und Patriarchen, doch auch einem Mann, der die Zeit versteht und durchaus zu gerechten Urteilen fähig ist. Vic Hansbro, der der eigentliche Antreiber hinter dem Waffengeschäft mit den Indianern war, ist als ein Mann gezeichnet, der sich für seinen Chef kaputt zu arbeiten bereit ist und dennoch immer hinter dem Tunichtgut von Sohn steht. Dieser wiederum gibt einen guten Bösewicht ab, der sich unmöglich, hysterisch und äußerst gewaltbereit gibt, dann aber eben nicht derjenige ist, der für das Massaker verantwortlich war, bei dem auch Lockharts Bruder starb. Und so sehen wir hier durchaus tragische Zusammenhänge. Darin ist der Film den Begebenheiten in THE NAKED SPUR nicht unähnlich, wo die von Robert Ryan gespielte Figur Ben Vandergroat sich zwar durchweg als unsympathisch erweist , Stewarts Howard Kemp aber mindestens ebenso brutal und herzlos agiert, wie sein Gefangener. Auch in jenem Film bleibt der Zuschauer mit moralischer Ambivalenz konfrontiert, wenn der eigentliche Held in seinen Mitteln dem Antihelden immer ähnlicher wird. Ganz so weit geht Mann hier allerdings nicht. Will Lockhart will Rache, das ja, aber auch nicht mehr. Er zieht keine monetären Vorteile daraus und will sich auch nichts aneignen (auch nichts – wie in Lin McAdam in WINCHESTER`73 – was ihm zuvor genommen wurde). Er ist eigentlich ein Armeeangehöriger, wie es sein Bruder war. Und dahin, in den Schoß dieser Familie, kehrt er zurück.
Die Motive all dieser Männer sind nachvollziehbar: Ein alter Haudegen, der sein Augenlicht (ergo seine Vollwertigkeit, seine Manneskraft) verliert und schließlich auf das Wohlwollen eben jener Frau – Kate Canady – angewiesen ist, die er einst abwies, obwohl sie verlobt waren; der seinen Sohn liebt und bevorzugt, obwohl er weiß, daß dieser nichts taugt und hinter dem „angenommenen“ Sohn Vic Hansbro eigentlich zurückstehen müsste, ist es doch jener, der die Ranch nahezu allein am Laufen hält. Der wiederum möchte in der Rolle des Sohns anerkannt werden, offensichtlich wurde ihm dies auch vom Alten versprochen und dennoch läßt er sich auf Geschäfte ein, die gefährlich sind und nach den Regeln des Genres nicht gut gehen können. Und er möchte einen Teil des Kuchens, den die Ranch darstellt, hat er doch Zeit seines Lebens für Waggoman und die Ranch gearbeitet. Dave wiederum ist der typische „schwache Sohn“ eines Übervaters, der sich gegen eben diesen, den Patriarchen, auflehnen muß, bei dem es aber dann auch nicht zum Vatermord reicht, auch das – wie alles auf der Ranch – überläßt er schließlich seinem „Bruder“ Hansbro. Und Will Lockhart? Er kann im entscheidenen Moment nicht abdrücken und die Rache vollziehen. Anders als sonst bei Anthony Mann, macht ihn das allerdings nicht schwach, sondern stark, es zeigt ihn seinen Gegnern moralisch überlegen. Daß Hansbro dennoch seiner „gerechten“ Strafe zugeführt wird, liegt dann eher wieder in den Regeln des Genres begründet.
In Joe Hembus WESTERNLEXIKON ist nachzulesen, daß der Drehbuchautor Frank Burt einen „reinen Helden“, wie der antiken Tragödie entstiegen, erschaffen wollte, der zugleich einem „common man“ entspricht. Das ist ihm, Mann und Stewart durchaus gelungen. So ist diese Stewartgestalt auch nicht ganz so schlacksig, jungenhaft und ungelenk wie seine sonstigen Figuren es oftmals sind. Viel mehr sieht man in Ansätzen schon den eher gestzten Herren, Ransom Stoddard, den Stewart einige Jahre später in John Fords THE MAN WHO SHOT LIBERTY VALANCE (1962) in der Rahmenhandlung spielte.
Generell muß festhehalten werden, daß dieser Mann/Stewart-Western gemäßigter wirkt als die anderen, früher gedrehten Filme. Das ist jedoch nicht zwangsläufig schlecht. Alles wirkt etwas eingedämpft, man kann dem Film und den Protagonisten zuschauen und sich durchaus auch einfach an den großartigen Landschaftsaufnahmen aus New Mexico erfreuen. Die Geschichte fließt dahin, unaufgeregt und sich ihrer Richtung und des Zieles immer bewußt.
Es ist schade, daß es danach keine weiteren Zusammenarbeiten zwischen Anthony Mann und James Stewart gab. Ein weiterer Western war angedacht – NIGHT PASSAGE (1957) – verwirklicht wurde er dann von James Neilson. Stewart hatte in seiner Karriere immer wieder Kooperationen mit gewissen Regisseuren: Frank Capra war es in den frühen Jahren vorm Krieg, Mann in den 50ern und Alfed Hitchcock ebenso. Mit ihm drehte Stewart vier Filme, in denen er ebenfalls oft verstörte Männer spielte. Doch sind die Figuren, die Anthony Mann für ihn entwickelte und mit ihm inszenierte, die aufregendsten, weil widersprüchlichsten und ambivalentesten. Jede der fünf gemeinsamen Produktionen gehört zu den Meilensteinen des Genres und steht für sich allein recht einsam auf luftigen Höhen des Western.