DIE SCHLANGENPRIESTERIN/COBRA WOMAN

Fingerübungen eines Meisterregisseurs

Prinzessin Tollea (Maria Montez) wird kurz vor ihrer Hochzeit mit Ramu (John Hall) von ihrer Heimatinsel in der Südsee entführt und auf jene Insel verschleppt, von der sie einst kam – die Insel der Schlangenmenschen. Dort angelangt, erfährt Tollea, daß sie einst getötet werden sollte, weil sie, die Enkelin der Königin (Mary Nash), das ihr verabreichte Kobragift nicht vertrug. Tollea ist familiär zur Schlangenpriesterin prädestiniert, die die eigentliche Herrschaft über die Insel ausübt. Tolleas Zwillingsschwester Naja (ebenfalls Maria Montez) habe nun ein Schreckensregime errichtet und hielte mit Hilfe ihres Getreuen Martok (Edgar Barner) die Menschen in Angst und Schrecken. Regelmäßig würden Menschen dem „großen Berg“ – einem feuerspeienden Vulkan – geopfert, um diesen zu beruhigen. Tollea müsse Najas Herrschaft beenden und selbst in den Rang der Schlangenpriesterin aufsteigen, so die Königin.

Währendessen sind Ramu und sein Freund Kado (Sabu) Tollea gefolgt und haben die Insel der Schlangenmenschen betreten. Ramu macht sich auf, seine Braut zu finden und trifft auf die badende Naja, der er sich nähert und die er küsst, in der Annahme, es mit Tollea zu tun zu haben. Doch werden Ramu und  Kado festgesetzt und sollen getötet werden, da kein Fremder die Insel betreten dürfe. Doch es gelingt die Flucht und Ramu trifft schließlich Tollea, die ihn aufklärt, was auf der Insel vor sich geht. Mit der Hilfe des Vertrauten der Königin, Hava (Lon Chaney Jr.) und eines klugen Schimpansen, der mit Kado auf die Insel kam, gelingt den Freunden die erneute Flucht, Martok tötet die Königin, Tollea stellt Naja, zwischen den beiden kommt es zum Kampf, bei dem Naja unglücklich stürzt und stirbt.

Es gelingt Tollea, in die Preisterinnegewänder zu schlüpfen und zur Hinrichtungsstätte Ramus und Kados zu eilen, um die beiden zu retten. Dort muß sie den ein einziges Mal gesehenen Schlangentanz, den sonst Naja aufführte, imitieren, um die Schlange, eine tödliche Kobra, zu beschwichtigen. Der Schimpanse befreit Kado, der kann die Schlange töten und schließlich stirbt Martok, was den Berg beruhigt und alle können zufrieden der Zukunft entgegen blicken.

Blaues Meer, der Dschungel giftgrün, der Schmuck der Einheimischen bunt, die Federn ebenso – wer Lust hat, ein reines, unschuldiges und oberflächliches Technicolor-Abenteuer zu erleben, der ist mit Robert Siodmaks COBRA WOMAN (1944) bestens bedient. Eine Südseeromanze, die in ein gefährliches Abenteuer um entführte Prinzessinnen, Doppelgängerinnen und mutige Helden ausartet, um schließlich, man verrät nicht zuviel, zur allgemeinen Erleichterung in einem Happy End alles rechtens sich entwickeln zu lassen.

Man betrachtet diesen verfilmten Comicstrip, der exakt funktioniert wie jene in den Sonntagsbeilagen der Zeitungen, die in vier Panels eine Kurzepisode zu erzählen wussten, und erinnert sich an ‚Flash Gordon‘ und den ‚Spirit‘ – jene unerschrockenen Helden der frühen Comic-Strips.  Nichts hier ist zuviel und doch immer genau so dosiert, daß keine Langeweile aufkommt. Siodmak gibt seinem Märchen – nichts anderes ist es, spielte das ganze in Persien statt in der Südsee, fiele es unter „Tausendundeine Nacht“ und richtig haben einige der Darsteller, Montez, Hall und Sabu allemal, bereits in ARABIAN NIGHTS (1942) zusammmen gearbeitet – den richtigen Drive, damit aus einem Script, das so zu bezeichnen eine Beleidigung aller ernsthaften Drehbücher darstellt, obwohl der große Richard Brooks (CAT ON A HOT TIN ROOF/1958) daran mitgewirkt hat. Vielleicht ein Beweis, daß aus einer mageren Idee keine fette Story erwachsen kann.

Siodmak tut sein Bestes und weil er nun einmal einer der Regisseure gewesen ist, denen außergewöhnliches Talent beschieden war, gelingen ihm immerhin spannende Momente und durchaus ansehnliche Bilder. Die Aufnahmen der Kobra, solange sie allein im Bild ist, kann durchaus fesseln, weniger hingegen jenes Gummimodell, das dann zum Einsatz kam, wenn die Schlange gemeinsam mit der Hauptdarstellerin im Bild ist. Maria Montez darf zweimal den Schlangentanz aufführen: Einmal als „böse“ Prinzessin Naja, einmal in der Rolle der „guten“ Tollea, deren Tanz naturgemäß ein wenig verhaltener ausfällt, da sie ihn nicht kennt. Höhepunkt ist somit jener erste Schlangentanz, der eher einem solchen in einer Table Dance Bar entspricht und damit endet, daß Naja, imaginär in ihr unfreiwilliges Publikum feuernd, die Opfer des nächsten „Gangs in Feuer“ auswählt. Die Selektion, die hier gezeigt wird, ist zwar ähnlich spannungslos, wie der Rest des Films, doch kommen in dieser Szene erstmals Gedanken daran auf, daß der ganze Budenzauber für seinen Regisseur möglicherweise nicht ganz so lustig gewesen ist, wie er es fürs Publikum war.

Siodmak war 1939 nach Hollywood gekommen, ein europäischer Filmemacher, der unter anderem an MENSCHEN AM SONNTAG (1929) mitgewirkt hatte, dann in Frankreich – da schon auf der Flucht vor den Nazis – einige Filme verwirklichen konnte und in Amerika, nicht gänzlich unbekannt, aber bei weitem auch nicht anerkannt, zunächst Aufträge für Filme wie diesen bekam. Die 20th Century Fox unter Darryl F. Zanuck hatte ihn zuvor SON OF DRACULA (1943) drehen lassen, nach COBRA WOMAN gab es bessere Arbeiten und Siodmak avancierte zu einem der führenden Regisseure des neu aufkommenden ‚Film Noir‘, u.a. mit Arbeiten wie THE SUSPECT (1944) und THE KILLERS (1946).

In COBRA WOMAN kommen immer mal wieder Gespräche zwischen der Königin und Tollea auf, die im Grunde die einzigen ernst zu nehmenden Passagen des Films sind. In diesen Gesprächen erklärt die Königin ihrer Enkelin, daß Naja ein Schreckensregime errichtet habe und es ihr gelänge, mit Hilfe Martoks und des Vulkans, den die Inselbewohner fürchteten, dieses Regime aufrecht zu erhalten. Eindringlich beschreibt sie die Art und Weise, mit der es Naja und ihrem Regime gelänge, die Menschen in Angst und Schrecken zu halten; die Willkür, mit der die Opfer für den Vulkan ausgesucht würden, reiche schon, daß die Menschen Angst hätten. Im Kontext des Films natürlich lediglich eine Erklärung, die dem Zuschauer die Dringlichkeit begreifen lassen soll, weshalb Tollea entführt werden musste, kann man sich recht gut vorstellen, daß die Ansprache der Königin in einem Flüchtling aus Deutschland, dem die Schrecken der Naziherrschaft sehr geläufig waren, ganz andere Reaktionen hervorrufen kann.

Wenn man so will – und man sollte solche Wendungen niemals unterschätzen, wenn man sich mit sogenanntem „Unterhaltungskino“ beschäftigt – ist COBRA WOMAN auch ein Propagandafilm für Einmischung. Früh im Jahr 1944 entstanden, taugt er sicherlich zur Unterhaltung, ja Zerstreuung im besten Sinne des Wortes, entführt er sein Publikum doch in wahrlich exotische Gegenden der Welt, doch liegt ihm auch die Dringlichkeit zugrunde, die eine Intervention in einem anderen Land haben kann, auch wenn man zunächst nichts mit einem solchen Land zu tun hat oder zu tun haben will. Man sollte diese Überlegungen nicht überstrapazieren, doch auch nicht vollends außer Acht lassen, denn Hollywoods gut geölte Unterhaltungsmaschine war auch immer ein Instrument der Propaganda, und wenn es nur der ‚American Way of Life‘ war, der hier propagiert wurde.

In den 1960er und 70er Jahren stieg COBRA WOMAN, wie so viele B- und C-Movies aus denn 40er und 50er Jahren in den Rang eines Kultfilms auf, Kenneth Anger adelte ihn in den 2000er Jahren als ebensolchen Kultfilm, der uns – verdeckt – eine Menge über seine Zeit, die Umstände und vor allem die herrschende Moral erzählen könne. Daß er zweifelsfrei einflußreich gewesen ist, kann man erkennen, wenn man sich bspw. Spielbergs indische Sause INDIANA JONES AND THE TEMPLE OF DOOM (1984) erneut anschaut. Es sind genau diese „serials“, die Spielberg als Vorbild dienten und denen man COBRA WOMAN getrost  zurechnen kann, war er mit seiner Länge von 70 Minuten doch geradezu prädestiniert für die „double bills“ der Vorstadt- und Autokinos.

Ein kleiner, unterhaltsamer Film für den Samstag- oder Sonntagnachmittag, der nicht mehr Beachtung verdient, als nötig, den man aber nicht einfach abtun sollte. Man kann hier einen Meisterregisseur dabei beobachten, wie er sein Handwerk neu einstellt, schärft und für die Ansprüche in Hollywood – sicherlich andere denn in Deutschland und Europa – einstellt und nutzbar macht. Siodmak selbst sagte später, der Film sei vollkommener Unsinn, aber er sei immerhin „ein Spaß“. Dem ist wenig hinzuzufügen.

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