DER RITT ZURÜCK/THE RIDE BACK

Ein fast vergessener Geniestreich

Der Sheriff von Scottsville, Chris Hamish (William Conrad) verfolgt den flüchtigen Bob Kallen (Anthony Quinn) wegen zweifachen Mordes. Kallen ist nach Mexico geflohen und soll sich in dem Örtchen Seralvo aufhalten. Dort angekommen, gelingt es Hamish mit Hilfe des örtlichen Priesters, Kallen zu überwältigen.

Vater Ignatius‘ (Victor Millan) Schwester Elena (Lita Milan) lebt mit Kallen in wilder Ehe, was dem Geistlichen nicht gefallen kann. Dennoch gelingt es ihr, Hamish und Kallen zu folgen, als diese sich auf den viertägigen beschwerlichen Ritt zurück nach Scottsville machen. Sie versucht, Kallen zu befreien, wird jedoch von Hamish überwältigt. Kallen will sie zurückschicken, doch sei folgt ihnen weiterhin bis zur Grenze, wo es Hamish schließlich gelingt, den Grenzbeamten davon zu überzeugen, Elena festzuhalten.

Nachts werden Hamish und Kallen bei einer Rast überfallen, Hamish tötet einen Indianer. Die beiden sind gewarnt. Sie kommen zu einer Farm, wo sie die Familie tot vorfinden, auch dies das Werk der Indianer. Erneut kommt es zwischen Kallen und Hamish zu einer Auseinandersetzung, die Hamish erneut für sich entscheidet. Kallen verlacht sein Gegenüber, nennt diesen einen Feigling und Nichtsnutz.

Da die Pferde von den Indianern fortgetrieben wurden und nur eines am folgenden Tag zurückkommt, müssen die beiden sich nun damit zufrieden geben. Doch als sie die Farm verlassen wollen, finden sie ein Mädchen (Ellen Hope Monroe), die sie ebenfalls mitnehmen und in Sicherheit bringen müssen. Sie spannen das ihnen verbliebene Pferd vor eine Kutsche und wagen den Ausfall. Es gelingt ihnen, die Indianer abzuschütteln. Doch später, sie sind wieder in den Weiten der texanischen Steppe, werden sie erneut angegriffen und Hamish wird schwer verwundet.

Nun muß er Kallen seine Waffe geben, damit dieser alle drei verteidigen kann, was ihm auch gelingt. Doch dann setzt er sich ab und läßt den delirierenden Hamish und die Kleine zurück. Obwohl sie Hamish nicht leiden kann und ihn fürchtet, da sie ihn nur als „bösen Mann“ kennt, der den ihr freundlich gesonnenen Kallen schlecht behandelt hat, nimmt sie die Hand des scheinbar Sterbenden.

Als beide fast ausgedörrt in der Sonne liegen, fällt ein Schatten auf sie: Kallen ist zurück, setzt Hamish aufs Pferd und versichert sich bei ihm, daß er den versprochen fairen Prozeß erhalten wird. Hamish verspricht ihm, daß er sich auf ihn wird verlassen können.

Regisseur Allen H. Miner ist auf der Basis des Drehbuchs von Anthony Ellis ein kleines Meisterwerk in schwarz/weiß gelungen. Nominell ein Western, hat der Zuschauer es bei THE RIDE BACK (1957) eigentlich mit einem Kammerspiel unter freiem Himmel zu tun. Das Psychogramm zweier Männer, von denen wir zunächst nichts wissen, außer die Namen. Kallen lernen wir verhältnismäßig schnell kennen, er entspricht dem Typus des gefühligen, herzensguten Macho-Kerls, das Herz am rechten Fleck und voller Liebe zu seiner Frau, den Menschen, dem Leben. Doch zugleich hat dieser Kerl durchaus ein sensibles Sensorium für die Bedürfnisse seiner Mitmenschen. Quinn spielt das hervorragend. Er verpasst diesem Mann damit die Tiefe, die das Personal eines besseren Western ausmachen. Doch die herausragende Leistung hier erbringt der spätere „Cannon“-Darsteller William Conrad, der den Film auch ausführend produzierte. Hamish ist ein gebrochener Mann, kein Held, auch kein Feigling; jemand, der als Sheriff arbeitet, der dem Gesetz Geltung verschaffen will, der aber auch kein Idealist ist. Schließlich erfahren wir, daß Hamish sich als Versager sieht, dem nie etwas gelungen sei. Sogar sein Kind habe er nicht erziehen können, da es mit drei Jahren starb. Jetzt will er endlich einmal eine Sache zu Ende bringen, weshalb der Transport seines Gefangenen zurück für ihn zur Bewährungsprobe wird. Im Wechselspiel dieser beiden Männer spielen also Verletzungen, Eitelkeiten und auch ein gewisser Wettstreit eine Rolle. Wenn Kallen sich auf der Farm über Hamish lustig macht, ihn als Feigling beschimpft, weil der sich nicht todesmutig an die Verfolgung der durchgehenden Pferde macht, dann trifft er Hamish natürlich direkt an dessen wunden Punkt. Es ist wirklich eine Meisterleistung, wie das sich wandelnde Verhältnis der beiden zueinander hier herausgearbeitet und verdeutlicht wird. Es wird einige geben, denen das alles zu geschwätzig ist, doch selten wurde in einem Westerndrehbuch so realistisch ein Durchschnittstyp wie Hamish dargestellt.

Conrad spielt das mutig: Hamish, der von sich selber sagt, er könne kaum schießen, ist untersetzt, die ersten Rettungsringe an der Hüfte deuten sich an. Man sieht, daß dieser Mann nicht alle Tage auf Pferde springt oder gar um sich schießend Verbrecher verfolgt. Wenn er durch die texanische Wüste reitet, bilden er und sein Pferd eine schwere Einheit, die so ganz anders wirkt, als all die leichten Reiter des klassischen Westerns. Was noch dadurch unterstrichen wird, daß die Kamera ihn oft aus Untersicht erfasst und er sich so als Silhouette gegen den dramatisch bewölkten, schwarz-weißen Himmel abhebt. Dies ist ein Mann in den „mittleren“ Jahren, schwerfällig, offensichtlich müde, meist schlecht gelaunt und wir ahnen schon, bevor es aus ihm herausbricht, daß sich in diesem Menschen viel zu viel angestaut hat. Er ist nicht zur Freundlichkeit in der Lage, er kann dem Kind keine Sicherheit bieten, sie nicht zum Sprechen oder gar dazu bringen, etwas zu essen. Dazu bedarf es Kallens lockeren Gemüts. Und mit jedem kleinen „Sieg“, den dieser erreicht, steht Hamish noch düsterer und depressiver da. Denn genau das ist es, was hier Ausdruck findet: Eine Depression.

Drehbuch und Regie verzichten weitgehend auf Action, was möglicherweise dem sichtbar schmalen Budget dieses Films geschuldet sein mag. Umso gelungener, wie dennoch eine enorme Spannung aufgebaut wird, die sich allerdings aus dem Verhältnis der Männer zueinander speist, daraus, wie sie auf ihre Umwelt reagieren. Wie es Kallen gelingt, sich mit nahezu jedem sofort anzufreunden, weil er ein freundlicher Mensch ist. Wie Hamish versucht, seinem Gegenüber etwas entgegen zu setzen und sei es nur der Rest seiner Würde als Mensch. Und als Mann. All dies spiegelt sich in einer fast feindlichen Umgebung. So eindrucksvoll die schwarz-weißen Aufnahmen der Wüste sind, sie zeigen eine schier endlose Einöde. Eine perfekte Spiegelung von Hamishs Verfassung. So lebensfeindlich wie das Land, das dieser mit seinem Gefangenen durchqueren muß, so lebensfeindlich ist auch Hamishs Geistesverfassung. Es ist die Bedrohung von außen, die die beiden sich annähern läßt und es ist Quinns Spiel, das uns auch Kallen ängstlich zeigt, lediglich bereit, zu tun, was zu tun ist, um am Leben zu bleiben.

Einmal mehr, aber auch exemplarisch für den „psychologischen Western“ der 50er Jahre, wird das Environment, das Surrounding, die Umwelt Abbild der inneren Erzählung, der „mindscape“ der Protagonisten. So, wie sich in der Story kaum etwas tut – rar die Action, keine wilden Verfolgungsjagden, keine Schießereien – so ändert sich die geröllartige Landschaft kaum. Das, was sich abspielt, spielt sich unterschwellig ab, in den Sedimentschichten der Narration, so wie sich dieses Land nur langsam, in seinen tiefen Sedimenten, verändert. Diese Männer können nicht so einfach andere werden. Sie können sich aber wandeln. Der Ritt zurück wird einer in die Zivilgesellschaft (Kallen) ebenso, wie zurück ins Leben (Hamish). Freunde werden diese beiden nicht, dazu läßt der Film zu wenig Raum, ist das Ende zu abrupt. Doch ebenso, wie Hamish eine Entwicklung und letztlich Katharsis durchsteht, entwickelt sich der seine Unschuld beteuernde Kallen zu einem „Bürger“, wenn er bereit ist, dem Prozeß ins Auge zu blicken und auf die Institutionen zu vertrauen, die auch ein übergewichtiger, depressiver und schlecht schießender Sheriff repräsentieren kann.

So bliebe nur ein wenig Kritik an der Darstellung Mexicos als Traumziel, Traumland, als Traum vom unbeschwerten Leben, der freien Liebe und dem Dasein jenseits von Recht und Gesetz. Doch dann zeigt der Film eben eine Wirklichkeit, in der auch im kleinsten Kaff von Mexico zumindest der katholische Glaube und seine institutionellen Vertreter zur Zentralinstanz werdend einem den ganzen Spaß verderben können. Und damit unterläuft der Film das Klischee wiederum gewaltig. Und auch den Indianern, die einmal mehr wie ein Teil des Landes behandelt werden und somit schlicht eine Bedrohung von außen darstellen, die ihr Maß an Druck auf die Kleinstgemeinschaft ausübt, läßt der Film insofern Gerechtigkeit widerfahren, als daß er ihre Lage nicht beschönigt. Zu einem recht frühen Zeitpunkt des Films treffen Hamish und Kallen auf einen Trupp vollkommen betrunkener Indianer, was den beiden lediglich Aufschub in der Gefahr bietet. Dem Zuschauer hingegen bietet diese Szene auch eine tiefe Traurigkeit, ein Bedauern über die Geschichte, die dieses Land genommen hat.

THE RIDE BACK ist ein stiller, kleiner Western, der eine vermeintlich einfache Geschichte erzählt – wie alle guten Western. Und wie allen guten Western gelingt es, in diese einfache Geschichte eine tiefere, wahrere Geschichte einzubetten. Das ist meisterlich.

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