ZÄHL BIS DREI UND BETE/3:10 TO YUMA

Delmer Daves legt einen exemplarischen Erwachsenen-Western vor

Der Rancher Dan Evans (Van Heflin) wird Zeuge, wie der brutale Bandit Ben Wade (Glenn Ford) unter Zuhilfenahme von Evans‘ Viehherde eine Postkutsche überfällt und sowohl den Kutscher als auch einen seiner eigenen Männer erschießt. Wade läßt Evans, der von seinen Söhnen begleitet wird, laufen.

Wade kommt heim und wird von seiner Frau Alice (Leora Dana)angegangen: Die Dürre des Landes droht das Vieh zu vernichten, Wade solle einen anderen, benachbarten Rancher bitten, daß er seine Herde an dessen Tränke treiben dürfe, doch dieser Nachbar verlangt 200 Dollar dafür. Evans ist unschlüssig und reitet in die Stadt.

Dort wird er vom Sheriff, dessen Gehilfen und dem Betreiber des Postkutschenbetriebs, Mr. Butterfly (Robert Emhardt) gebeten, ihnen bei Wades Erfassung zu helfen. Evans gilt als sehr sicherer Schütze. Er möchte nicht – trotz der Gewalt, derer er ansichtig wurde, steht er auf dem Standpunkt, daß er keine Händel mit Wade habe. Als ihm exakt 200 Dollar geboten werden, ergreift er jedoch die Gelegenheit.

Wade wird also mit Evans Hilfe gestellt und der Sheriff fragt sich, wo sie den Mann hinbringen sollen und wie sie das anstellen wollen. Schließlich denken sie sich eine List aus, um Wades Männer zu verwirren. So landen schließlich Wade, Evans und Mr. Butterfly, nach einer Nacht in Evans Ranchhaus, wo Wade nicht nur Gelegenheit hat, Evans‘ Familienleben zu bewundern, sondern auch zu erleben, wie verzweifelt die Stimmung wegen der Dürre dort ist, in einem Städtchen namens Constitution. Dort soll Evans in einem Hotelzimmer mit Wade auf den Zug um 3.10 Uhr nach Yuma warten, wohin Wade gebracht werden und seinen Prozeß erwarten soll.

In diesem Hotelzimmer kommt nun es zu einem kammerspielartigen Katz-und-Maus-Spiel zwischen dem eloquenten und offensichtlich intelligenteren Wade und dem grobschlächtigen und wenig sprachgewandten Rancher Evans. Dieser kommt bei Wades Versprechungen und Lockungen – Geld, Freiheit, eine Familie, nicht sterben müssen – einige Male ins Schwanken, doch letztendlich widersteht er nicht nur Wades Einflüsterungen, sondern auch den Lynchversuchen des Bruders des toten Kutschers.

Als die Zeit gekommen ist, führt Evans Wade durch Hintergassen und versteckte Winkel bis an den Zug, wo er schließlich von Wades Männern gestellt wird. Als deutlich wird, daß Evans letztes Stündchen geschlagen hat, springt Wade auf den anfahrenden Zug, Evans mit ihm und sie fahren gen Yuma. Auf die Frage, warum er das getan habe, sagt Wade, daß Evans ihm im Hotel das Leben gerettet habe und er sich so revanchieren wolle. Außerdem sei er in Yuma schon einmal ausgebrochen.

Sie schauen aus dem fahrenden Zug und sehen Mrs. Evans auf einer Anhöhe warten: Sie wollte sehen, ob ihr Mann es geschafft hat und zu ihr zurückkehren wird. Sie winken einander zu. Es beginnt zu regnen.

1957 in schwarz-weiß von Delmer Daves gedreht, gilt 3:10 TO YUMA (1957) heute nicht nur als absoluter Klassiker des Westerngenres, sondern auch als ein Paradebeispiel dessen, was man später den „psychologischen“ Western nannte. Fragt man Liebhaber, fällt auf, daß jeder sich an die zwanzig Minuten Filmzeit erinnert, die Glenn Ford und Van Heflin in diesem Hotelzimmer verbringen. Was das Drehbuch den beiden dort für Sätze gibt, rechtfertigt diese Konzentration auf das Psychoduell, doch man vergißt schnell, daß es davor einen ganzen Film gibt, der vom Postkutschenüberfall bis ins Hotelzimmer gut und gerne bereits eine Stunde Filmzeit dauert. Ein ähnlicher Aspekt, wie es ihn drei Jahre später bei Hitchcocks PSYCHO (1960)  gab – auch da beginnt der Film ja bei Nachfrage angeblich mit einem Mord unter der Dusche…

Delmer Daves, der heute vor allem für seine beiden Indianerwestern BROKEN ARROW (1950) und DRUM BEAT (1954) sowie den von ihm geschriebenen THE WHITE FEATHER (1955) berühmt ist, ist mit diesem Film ein wahres Meisterwerk der inhaltlichen und filmischen Ökonomie gelungen. Vollgepackt mit Handlung, wundert man sich, bei einem Film, der gerade einmal 88 Minuten Laufzeit aufweist, was man nach einer halben Stunde schon alles geboten bekommen hat. Als Farbfilm geplant, ist man heute froh, es mit diesen klaren schwarz-weißen Kanten und Schattenrissen zu tun zu haben. Jedes Bild, jedes Wort hier sitzt, nichts ist zuviel oder gar verschnörkelt. Daves bietet weite Panoramen und staubige Bilder, durch die die Männer aus Wades Bande reiten und dabei manchmal anmuten wie Geisterscheinungen, wenn sie aus den Staubwolken hervortreten. Die Stadt, in der Wade gestellt wird, als er mit einem Barmädchen (Felicia Farr) anbändeln will, ist eine scheinbar planlos in den Wüstensand gesetzte Siedlung. Hier ist alles noch in der Schwebe, was in einem Film wie HIGH NOON (1952) oder dem ein Jahr später entstandenen „The Big Country“ längst entschieden scheint: Diese Siedlungen tragen noch den Firnis der Wildnis, wo die in den genannten Filmen uns bereits Jägerzäune in den Vorgärten präsentieren.

Wenn also dieser Dan Evans den Verbrecher fängt, bewacht und schließlich ins Gefängnis überstellt, dann tut er dies zunächst für Geld und also aus rein wirtschaftlichen Gründen, die für ihn und seine Familie existenziell werden. Zudem hängt der Verdacht der Feigheit in der Luft, schon zu Beginn, wenn Evans von einem seiner Söhne (dem jüngeren) gefragt wird, warum er nichts gegen den Überfall auf die Postkutsche unternehme, ein Vorwurf, den seine Frau unterschwellig wiederholt, wenn Dan und die Jungs zu Fuß (die Räuber haben ihnen die Pferde genommen) auf die Ranch zurückkehren. Doch wenn Alice schließlich ins Hotel kommt, um Dan zu überreden, sich aus allem herauszuhalten, dann will er diese Sache auch durchziehen, weil sie u.a. dem stadtbekannten Säufer Alex Potter (Henry Jones) das Leben gekostet hat. Und der, so Evans, hätte – von allen verachtet – sein Leben für die Idee von Recht und Gesetz gegeben. Man könnte also sagen, daß Evans stellvertretend für den Western eine Wandlung durchmacht vom harten Rancher, der nur für sich und seine Familie arbeitet, zum „ehrenwerten“ Bürger, der begreift, daß er Pflichten hat, die über das eigene kleine Leben hinaus gehen, soll die Gemeinschaft überleben.

Diese ganze Bewegung, die der Film, bzw. die Protagonisten des Films durchlaufen, gelingt allerdings nur, weil zu einem brillanten Drehbuch die passenden Schauspieler gefunden wurden. Den eloquenten, gut aussehenden und äußerst charmanten Glenn Ford als den brutalen Banditen zu besetzen, der seinem Widersacher intellektuell haushoch überlegen ist, sprachgewandt und gewitzt, v.a. aber psychologisch genau im Bilde, mit wem er es hier zu tun hat (mehrere Male wird angedeutet, daß Evans ein etwas wankelmütiger und unentschlossener Geist ist), war sicherlich schon ein sehr guter Zug der Produzenten; ihm aber mit Van Heflin einen eher grobschlächtigen und auch schauspielerisch nicht unbedingt gewachsenen Gegenpart zu installieren, hat etwas Genialisches. Hinzu kommt, daß beide hier über sich hinauszuwachsen scheinen. Wade linst immer wieder unter seiner Hutkrempe hervor, während er und Evans im Hotelzimmer warten, und die Blicke, die Ford da einsetzt, weisen diesen Ben Wade als etwas Echsenhaftes aus, etwas, das im Schatten liegt und warten kann, einfach warten kann, bis sich seine Gelegenheit ergibt. Dieser Mann ist gefährlich und es ist ihm nicht zu trauen – Glenn Ford verdeutlicht das bei all dem Charme, und auch MIT dem ganzen Charme, den er hier einsetzen darf, immer wieder. Das Drehbuch weißt zudem eine Härte auf, die verdeutlicht, daß man es bei Wade und vor allem dessen Leuten mit wirklich harten Hunden zu tun hat. Der Mord an seinem eigenen Gefolgsmann weißt Wade als brutal aus, deutlicher noch ist, was seine Leute mit dem angeschossenen Alex Potter machen: Sie hängen ihn im Hotel am Kronleuchter auf. In diesen Szenen, da der Leichnam da als Schatten, manchmal deutlich sichtbar, baumelt, bekommt der Film den Flair eines Horrorfilms.

Ein Jahr später drehte John Sturges praktisch ein Remake mit seinem LAST TRAIN FROM GUN HILL (1959), wo Kirk Douglas einen Gefangenen morgens zum Zug bringen will und zuvor dessen Vater, seinen alten Kumpel Anthony Quinn, ausschalten muß. Der Film ist ein Hochglanzprodukt, während dies hier so aussieht, als käme man mit Sand zwischen den Zähnen aus dem Kino. Doch wie das oft so ist, bei großen Filmen: Man sieht sie, man schaut, der Film läuft vor einem ab und plötzlich macht es „KLICK“ – und man begreift, daß man es mit Großem zu tun hat. So ist das bei 3:10 TO YUMA.

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