DJANGO – SEIN GESANGBUCH WAR DER COLT/DJANGO – DER HAUCH DES TODES/LE COLT CANTARONO LA MORTE E FU…TEMPO DI MASSACRO

Ein Italowestern von Lucio Fulci aus der Hochphase des Subgenres

Tom Corbett (Franco Nero; in der deutschen Fassung „Django“) verdingt sich als Goldgräber. Eines Tages erreicht ihn eine Botschaft von daheim: Er solle nachhause kommen, er werde gebraucht. Die Nachricht stammt von seinem Freund Carradine (John Bartha). Tom reitet nachhause.

Dort muß er feststellen, daß die Farm seiner Familie dieser nicht mehr gehört. Er sucht seinen Halbbruder Jeff (George Hilton) auf, der mittlerweile allein, versoffen und recht verkommen nur noch mit der alten Amme Mercedes (Rina Franchetti) zusammenlebt. Beide fordern Tom auf, schnell wieder das Weite zu suchen. Doch der weigert sich. Er will verstehen, was es mit all diesen Dingen auf sich hat.

Jeff erklärt ihm, daß der Großgrundbesitzer Scott (Giuseppe Addobbati) mittlerweile die ganze Gegend beherrscht. Er und sein sadistischer Sohn Scott Junior (Nino Castelnuovo) regieren mit harter Hand, ihren Colts und einer Bullenpeitsche, die Junior gern schwingt. Weitere Auskünfte mag Jeff nicht geben, da er nicht will, daß Tom Opfer der Scotts wird.

Tom reitet in die Stadt. Dort trifft er auf den Totengräber (Yu Tchang), der ihm – gegen Bezahlung – gern Auskunft gibt, wo die Scotts leben und wie sie sich zu Herren der ganzen Gegend haben aufschwingen können.

Tom beobachtet, wie eine Familie die Stadt verlassen will und dabei den Weg der Scotts kreuzt. Wieso er gehen wolle, fragt der Alte, das Land sei doch gut. Ja, so gibt der Patriarch der Familie zurück, aber sie wollten frei sein und nicht als Pächter arbeiten. Aber man habe doch seine Toten hier beerdigt, merkt Senior an, worauf der andere Alte antwortet, sie hätten noch niemanden hier beerdigt. Daraufhin erschießt Junior einen der Söhne der Familie und stellt fest, nun gäbe es ein Grab und somit einen Grund, zu bleiben.

Tom will die Carradines besuchen. Doch er kommt zu spät. Die gesamte Familie – Carradine selbst, seine Frau und die Kinder – wurden brutal ermordet, regelrecht hingerichtet. Der Totengräber nimmt sich der Leichen an, zwingt Tom jedoch, dies zu bezahlen, schließlich gäbe es nichts im Leben – oder im Tode – umsonst.

Tom will nun den alten Scott zur Rede stellen. Der immer betrunkene Jeff erklärt sich nach einigem Hin und Her bereit, Tom zu begleiten. In der Nähe der Hacienda der Scotts treffen sie auf mehrere Männer, die sich ihnen in den Weg stellen. Jeff tötet sie alle. Auch an einer weiteren Sperre tötet Jeff skrupellos seine Gegenüber. Dann aber verabschiedet er sich, er wolle nicht zu Scott reiten. Den verdächtigt er, seinen Vater getötet zu haben.

Tom reitet allein zur Ranch und platzt dort in eine Party. Etliche Gäste befinden sich im Hof der Hacienda und genießen ihre Cocktails. Tom will den Alten zur Rede stellen, doch Junior hat etwas dagegen. Mit seiner Bullenpeitsche malträtiert er Tom, bis dieser blutend und zerschunden zusammenbricht. Schließlich geht der Alte dazwischen.

Tom kehrt zu Jeff und Mercedes zurück. Die verarzten ihn notdürftig und erklären ihm, daß er und Jeff lediglich Halbbrüder sind, sie hätten nicht dieselben Väter. Tom muß diese Erklärung erst einmal verarbeiten. Da gellen Schüsse durch die Nacht und Mercedes bricht zusammen: Hinterrücks hat Junior sie erschossen.

Jeff ist nun bereit, sich Tom anzuschließen und gegen die Scotts vorzugehen.

Auf dem Weg zur Ranch machen sie Halt und Jeff erklärt Tom nun, daß er Scotts Sohn und also Juniors Bruder sei. Tom ist außer sich und schlägt Jeff nieder. Doch dann tauchen der alte Scott und einige seiner Getreuen auf. Der Senior erklärt Tom, daß er den Brief gesendet habe, weil er Tom all sein Hab und Gut vermachen wolle, er könne Junior nicht mehr trauen, kontrollieren erst recht nicht. Doch noch während er sich erklärt, wird der Alte erschossen. Junior macht Nägel mit Köpfen: Er will mit niemandem teilen und seine Macht ausweiten.

Tom und Jeff, der sich zunächst weigert – er habe nichts für den Alten übrig gehabt und wolle ihn nicht rächen, sei der immerhin doch der Mörder seines Vaters – , reiten zur Ranch der Scotts, wo sie von Junior und seinen Männern empfangen werden. Es gibt eine lange und brutale Schießerei, die die meisten Männer, die zu Junior halten, das Leben kostet. Schließlich kann Tom Junior stellen, es kommt zum Kampf und Tom kann seinen Bruder schließlich töten, indem er ihn zu Tode stürzt.

Jeff und Tom sitzen im Hof der Ranch, ein Schwarm Tauben fliegt auf. Jeff legt an, lässt es dann aber gut sein – das Töten muß ein Ende haben.

Wer in den 1960er Jahren im italienischen Film etwas werden wollte und nicht entweder schon dem Neorealismus entwachsen etabliert oder, wie die großen Meister Federico Fellini oder Luchino Visconti, längst weltberühmt war, kam kaum darum herum, sich auf jenen Feldern zu tummeln, die damals besondere Aufmerksamkeit erfuhren. Das waren, neben den Sandalen-Filmen, die gern antike Mythen populär verwursteten, natürlich die Italo-Western. Nachdem Sergio Leone mit seiner Dollar-Trilogie dem Sub-Genre den Impuls gegeben hatte, welchen es brauchte, um internationale Anerkennung zu finden, begann etwa ab dem Jahr 1965 eine Massenproduktion, die etliche Werke hervorbrachte, über die die Zeit gnädig den Mantel des Vergessens gelegt hat. Doch einige jener Produktionen haben die Zeit recht gut überdauert und können auch heute noch bestehen.

Lucio Fulci, heute eher berühmt-berüchtigt für seine Splatterorgien der späten 70er und frühen 80er Jahre, gehörte zu denen, die in den 60ern etliche Genres bedienten. Neben Komödien drehte er harte Kriminalfilme, die dem spezifisch italienischen Genre des Giallo zuzurechnen sind, aber auch Thriller und eben einige Western. LE COLT CANTARONO LA MORTE E FU…TEMPO DI MASSACRO (1966) ist allerdings sein einziger Beitrag, der in der Hochzeit der Gattung entstand. Mitte bis Ende der 70er drehte er mit I QUATTRO DELL´APOCALISSE (1975) und SELLA D´ARGENTO (1978) noch zwei Nachzügler, deren erster schon deutlich auf das verwies, was folgen sollte – die ultraharten Zombie- und Ripperfilme.

LE COLT CANTARONO LA MORTE E FU…TEMPO DI MASSACRO kann man getrost in die Reihe der endlosen Italo-Western der mittleren und späten 60er Jahre stellen, die sich mehr auf Stil und Form, denn auf eine ausgewiesene Story verließen. Obwohl vor Sergio Corbuccis DJANGO (1966) gedreht, erhielt er im Deutschen den vielsagenden Titel DJANGO – SEIN GESANGBUCH WAR DER COLT, womit er unter die etlichen Italo-Western fiel, die in Deutschland in Folge des immensen Erfolgs, den Corbuccis Film hatte, mit dem Etikett „Django“ versehen wurden, um einen Mitnahmeeffekt zu erzeugen. Da sein Held, der im Original Tom Corbett heißt – und interessanterweise in den ersten Szenen, in denen wir ihn sehen, von seinen Freunden auch so genannt wird; offenbar hatte sie Synchronisation schon begonnen, bevor man sich entschied, ihn als DJANGO-Nachfolger zu vermarkten – , günstigerweise von Franco Nero, also dem Darsteller des Django im Originalfilm, gespielt wurde, konnte man den Film sogar noch halbwegs glaubwürdig als weiteren Teil der Saga  anpreisen. Schaut man den Film jedoch genauer an, merkt man, daß die Rolle des Tom Corbett stark von der des Django divergiert und völlig anders angelegt ist.

Dieser Tom Corbett ist offensichtlich – so suggerieren es die ersten Minuten des Films, die in einem Goldgräber-Camp spielen – ein recht geselliger Typ. Er hat eine Geschichte, eine Familie und die Rache, die er übt, ist auch familiär begründet. Wenn er dann in seine Gegend zurückkehrt und seinen (Halb-)Bruder Jeff wiedertrifft, den George Hilton in seiner ersten größeren Westernrolle spielt, ist zunächst dieser der Killer, keineswegs Tom. Bevor wir Corbett auch nur einmal schießen sehen, hat dieser Jeff bereits recht skrupellos sieben Revolvermänner des Gegners umgenietet. Franco Nero gibt seiner Figur vielmehr etwas zutiefst Zweifelndes, gelegentlich auch Verzweifeltes mit. Er lässt ihn als einen Mann erscheinen, der zwischen Fronten gerät, die er nicht versteht. Lange bleibt unklar, wie sich die genauen verwandtschaftlichen Verhältnisse zwischen ihm, Jeff und Scott Junior, den Nino Castelnuovo als sinistren, ja wahnsinnigen Sadisten gibt, eigentlich genau verhalten. Erst spät wird Tom aufgeklärt, daß die drei zwar alle Halb- oder echte Brüder sind, daß aber Jeffs Vater eben nicht der von Tom und Scott Junior ist. Schließlich tritt Tom zur Rache an, nachdem Junior den gemeinsamen Vater kaltblütig erschossen hat. Tom Corbett hat also ähnliche Motive wie Django – Rache – doch sind diese weniger romantischer Natur, als vielmehr mythischer. Vater- und Brudermord antiker wie biblischer Dramen standen hier Pate.

Die zeitgenössische Kritik, aber auch spätere Filmwissenschaftler, haben Fulcis Film gern psychoanalytisches Potential bescheinigt. Und sicher, da schwingt etwas Ödipales mit. Aber man sollte diese Zusammenhänge nicht unbedingt überbetonen. Diese Brüder sind sich spinnefeind und Scott Junior tritt sowieso wie jemand auf, der weder Freund noch Feind kennt, erst recht keine Verwandten, wenn es um seine eigenen Bedürfnisse und Belange geht. Fulci hält sich eher an die damals gängigen „Regeln“ für Italowestern, wenn er in der Figur des Totengräbers chinesischer Abstammung, der zugleich aber auch Ratgeber, Pianospieler im Saloon und Kleinkrämer ist und sich jede dieser Tätigkeiten grundlegend bezahlen lässt, ironische Kapitalismuskritik übt. Das Auftreten von Scott Senior, dem die ganze Gegend zu gehören scheint und der hier mit eiserner Hand regiert, spielt auf die Großgrundbesitzer des klassischen amerikanischen Western an, die ebenfalls nur selten wirklich gut wegkommen. Wo die Kapitalismuskritik in den Originalen allerdings eher subtextuell verhandelt wurde, wird sie in den italienischen Western virulent. Vor allem Regisseure wie Corbucci oder Damiano Damiani (QUIÉN SABE?/1967), aber auch andere, nutzten das Genre für politische Aussagen, die in der Zeit um 1968 herum auf äußerst fruchtbaren Boden fielen.

Fulci lässt all dies in seinen Film einfließen, doch im Kern geht es ihm um eine Rachegeschichte. Ein Sohn rächt den Vater, der auf seine alten Tage – es stellt sich heraus, daß Scott Senior Angst vor Junior hat und diesen nicht mehr kontrollieren kann – Schwäche zeigt und Opfer eines Vatermordes wird. Stilistisch ist LE COLT CANTARONO LA MORTE E FU…TEMPO DI MASSACRO dabei den besseren Werken des Sub-Genres zuzurechnen. Nicht nur hat Fulci mit Nero und Hilton zwei wirklich gute Hauptdarsteller, sondern vor allem die Musik und wie sie zum Einsatz kommt, unterstützen die Handlung. Lallo Gori hat einen eigenständigen, nicht, wie so oft im Metier, an Ennio Morricone erinnernden Soundtrack für den Film geschrieben, der Song A MAN ALONE, von Sergio Endrigo gesungen, kann es mit den klassischen Westernballaden aus den amerikanischen Originalen aufnehmen, setzt aber auch den eher düsteren und melancholischen Ton des Films. Und düster ist diese in der gleißenden Sonne Italiens gedrehte Geschichte allerdings.

Als einer der wenigen Italo-Western wirklich fast ausschließlich in Italien gedreht, kann LE COLT CANTARONO LA MORTE E FU…TEMPO DI MASSACRO mit manchmal atemberaubend schönen, dann wieder fast hässlichen Bildern einer kargen, steinigen und scheinbar verwahrlosten Gegend aufwarten. Fulci und sein Kameramann Riccardo Pallottini fanden gute und passende Locations für ihr Drama, wobei der Film fast ausschließlich am hellen Tag spielt, was die Geschichte eben symbolisch ans Licht zerrt. Nichts kann verborgen bleiben, Schuld und Verbrechen werden gesühnt, selbst wenn es der eigene Bruder oder Sohn ist, der dafür sorgt. Um die Wucht dieser Erzählung zu unterstreichen, greift Fulci auch hier schon auf für die mittleren 60er Jahre ungewohnte Detaildarstellungen von Gewalt und zerstörten Körpern zurück, was später nahezu exemplarisch für seine Filme, eine Art Markenzeichen, werden sollte. Der Film beginnt mit einer wahrlich sadistischen Szene, in der Scott Junior seine Jagdhunde auf einen Gefangenen hetzt und diese den Mann schließlich in einem Fluß zerreißen. Daraufhin folgt die Kamera dem über Steine springenden Gewässer, setzt einen nahezu idyllischen Kontrapunkt und führt so organisch zu Tom Corbett, der in eben diesem Fluß nach Gold schürft. Dies sind Beispiele der stilistischen Mittel, die Fulci nahezu perfekt nutzt.

Doch ist und bleibt es die Gewalt, die den Film bestimmt. Eine Familie wird komplett ausgerottet – womit Fulci das Massaker an den McBains in Leones C´ERA UNA VOLTA IL WEST (1968) vorwegnimmt und bei dem er uns auch keine Großaufnahmen von Einschußlöchern in Kinderköpfen erspart; ein junger Mann, der mit seiner Familie aus der Stadt fliehen will, die die Scotts beherrschen, wird eiskalt von Junior vor den Augen seiner Eltern auf offener Straße erschossen, wobei wir erneut Einschüsse und das Blut genau betrachten können; Tom wird in einer geradezu genüsslich ausgespielten Szene während einer Cocktail-Party im Anwesen der Scotts von seinem Bruder ausgepeitscht und die Kamera ergötzt sich an den extrem realistisch dargestellten Striemen, die Toms Gesicht  durchfurchen; ein Mann, der dem Senior die Treue gehalten hat, endet an ein Kreuz genagelt. Und es gibt jede Menge Schießereien, die sich allerdings – das ist vielleicht die einzige wirkliche Schwäche des Films – gerade am Ende endlos hinziehen und schier zu keinem Ende zu kommen scheinen. Zwischendurch gibt es eine hervorragend gefilmte Saloonschlägerei, bei der Jeff beweist, daß er zwar ein versoffener Kerl, aber immer noch ein hervorragender Kämpfer ist.

Erstaunlicherweise sind all diese Gewaltakte aber dramaturgisch gerechtfertigt. Nie werden sie zum Selbstzweck, sondern unterstützen das emotionale Potential, das den Zuschauer einnehmen muß, damit er auch ohne viele Erklärungen zu den inneren Strukturen dieser Familie bereit ist, den Racheakt, der hier vollzogen wird, zu akzeptieren. Und versöhnlich ist schließlich dann das Ende des Films. Jeff schießt nicht auf die auffliegenden Tauben, es ist genug des Tötens. Da Jeff – was den Film in Bezug auf seine Figuren ausgesprochen zwiespältig, aber auch interessant macht – mit Abstand der Killer mit dem größten Spaß am Töten ist, zeugt diese Haltung von Einsicht und einem letztlich doch friedvollen Charakter. Hier hat ein Mann Rache geübt, nun kann er auf seinen Besitz zurückkehren und von nun an sein Leben ruhig leben. Er und sein Bruder sind vereint, die Familie ist also wiederhergestellt. Die Moral, also Gerechtigkeit, wurde ebenso wiederhergestellt, wodurch gerechtfertigt wird, was zuvor geschah. Das Töten war notwendig, nun ist es vorbei.

So gelingt Fulci einer der wenigen Italo-Western, die neben den echten Klassikern des Sub-Genres wirklich Bestand haben können. Mit Wucht erzählt er eine einfache Geschichte, die so auch jeder klassische amerikanische Western hätte erzählen können. Der Film ist kohärent, er ist gradlinig und schnörkellos erzählt und kann damit über die Laufzeit von knapp 90 Minuten fesseln und unterhalten. Auch heute noch.

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