DON´T BREATHE

Ein zwar gelungener, jedoch sehr vorhersehbarer Psychothriller

Rocky (Jane Levy), Alex (Dylan Minnette) und Money (Daniel Zovatto) sind drei Chicagoer Jugendliche, die in Häuser einsteigen, die Sicherheitscodes überwinden, da Alex´ Vater den Sicherheitsdienst betreibt, der sie ausgibt, und anschließend ihre Beute an einen Hehler verkaufen, der ihnen auch neue Objekte mitteilt, in denen was zu holen ist. Vor allem Rocky ist dringend auf das Geld aus den Raubzügen angewiesen, da sie sich und ihre kleine Schwester aus den Fängen eines lieblosen Elternhauses befreien will, wo der Freund der Mutter ein Terrorregime führt und dabei kräftig von ihr unterstützt wird.

Die drei bekommen einen Hinweis auf das Haus eines blinden Veteranen (Stephen Lang), welches in einer Gegend liegt, in der außer dem Alten praktisch niemand mehr lebt. Leichte Beute, denken die drei. Vor allem, als sie hören, daß der Mann nahezu 300.000 $ bunkern soll, die er einst erhalten hat, nachdem seine Tochter bei einem Unfall getötet wurde.

Nachdem die drei das Haus beobachtet und festgestellt haben, daß der Alte einen scharfen Hund bei sich hat, treffen sie die Entscheidung, als erstes den Hund auszuschalten. Das gelingt ihnen auch. Im Haus verhalten sie sich extrem leise, um den Alten, der offenbar schläft, nicht zu wecken. Doch können sie kein Geld finden. Vor allem Alex wird immer unsicherer, was den Auftrag angeht, nicht zuletzt, weil die drei ursprünglich beschlossen hatten, niemals Bargeld zu klauen.

Als Money sich Zugang zu einem verschlossenen Raum verschaffen will und dabei auf das abgesperrte Schloß zielt, wacht der Alte auf und es beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen ihm und den drei Einbrechern. Doch entpuppt der blinde Mann sich als ein extrem guter Kämpfer. Er mag sein Augenlicht in einem Einsatz verloren haben, doch er ist immer noch gefährlich. Dies stellt er unter Beweis, als es ihm gelingt, Money dessen Pistole zu entreißen. Mit der er den jungen Mann dann erschießt.

Rocky flieht geschockt in einen Wandschrank. Von dort aus beobachtet sie, wie der Alte einen Tresor öffnet, wo er offenbar wirklich die genannte Summe aufbewahrt.

Alex findet Rocky, die sich den Code zum Tresor merken konnte. Die beiden leeren den Tresor und wollen sich nun aus dem Staub machen. Dazu müssen die Umwege machen, da der direkte Weg durch den Mann und den wieder erwachten Hund versperrt sind. Sie dringen in den Keller ein und finden dort eine Gefängniszelle, in die eine junge Frau gesperrt wurde. Es handelt sich dabei um Cindy Roberts (Franciska Töröcsik), eben jene Frau, die einst das Unglücksauto fuhr, das die Tochter des Alten tötete.

Rocky und Alex befreien die Frau und wollen gemeinsam mit ihr fliehen. Doch erneut stellt sich ihnen der Alte in den Weg und schießt nun mit der Pistole, die er Money entwunden und mit der er den Freund der beiden getötet hatte, auf die Fliehenden. Dabei erwischt er seine Gefangene, die stirbt. Der Alte dreht schier durch, als er dies begreift und seine Trauer um die Tote scheint echt zu sein.

Rocky und Alex fliehen erneut, treffen nun aber wieder auf den Hund, der sie verfolgt und angreift. Während Alex von dem Alten überwältigt und eingesperrt wird, klettert Rocky in das Belüftungssystem des Hauses, wohin der Hund ihr allerdings folgt. Sie stürzt in einen Schacht und verliert das Bewußtsein.

Als sie erwacht, findet sie sich in der Zelle im Keller wieder. Dort hat der Alte sie angekettet und will ihr mit einer riesigen Klistierspritze seinen Samen einpflanzen. Denn – so erklärt er ihr – das Geld interessiere ihn nicht, ihm gehe es darum, daß er eine Tochter wolle. Roberts hatte er gekidnapped, damit sie ihm eine neue Tochter gebäre. Er behauptet, sie sei schwanger gewesen und da sie durch die Aktionen von Rocky und ihren Freunden gestorben sei, müsse Rocky nun ihre Stelle einnehmen und ihm ein Kind gebären.

In letzter Sekunde kommt Alex hinzu, der schon für tot gehalten wurde, und prügelt den Alten nieder. Rocky ist außer sich, nach dem Vergewaltigungsversuch und drischt auf den am Boden Liegenden ein, bis sie und Ales überzeugt sind, daß er tot ist.

Erneut versuchen die beiden, das Haus zu verlassen, als der Alte erneut auftaucht. Er konnte sich befreien und erschießt nun Alex. Rocky flieht, verfolgt vom Hund, den sie allerdings im Kofferraum ihres Wagens einsperren kann. Doch der Alte überwältigt sie und schleppt sie zurück ins Haus.

Dort kann Rocky ihn ablenken, indem die die Alarmanlage betätigt. Ein Vorgang, den sie und Alex aufgrund des vielen Blutes im Haus, anhand dessen sie identifizierbar wären, eigentlich vermeiden wollten. Doch nun hilft er, denn der Alte wird schier wahnsinnig bei den grellen Geräuschen.

Rocky schnappt sich ein Brecheisen und prügelt den Alten komplett nieder. Dann flieht sie endgültig mit dem erbeuteten Geld, während die Polizei bereits im Anmarsch ist.

In einer Flughafenlounge warten Rocky und ihre kleine Schwester auf ihren Flug nach Los Angeles, wo sie endlich ein anderes und besseres Leben beginnen wollen. Da wird Rocky auf eine Meldung im TV aufmerksam: Der alte blinde Mann, der Opfer eines Überfalls geworden sei, habe überlebt und sei stabil. Er werde sich vollständig erholen…Rocky ist gewarnt.

Eins ist mal sicher: Wenn man einen deutlichen Unterschied zwischen den gegenwärtigen Horrorfilmen und jenen der Generationen zuvor ausmachen will, dann ist es die Charakterisierung der Bösewichter. Nimmt man die mythischen Gestalten des frühen Horrorfilms – die Vampire, Werwölfe, Mumien, die Riesenaffen oder Kreaturen vom Amazonas – einmal aus, so gab es die psychoanalytischen Erklärungen, weshalb ein freundlicher junger Mann zum Serienmörder werden konnte, was selbstverständlich einem Muttermonster geschuldet war, es gab die Psycho-Erklärungen, nach denen man es eben mit Abnormitäten zu tun habe, gelegentlich und wenn, dann eher subversiv, gab es die soziologischen Erklärungen, wenn bspw. eine Familie von Schlachtern mit dem Sterben der großen Schlachthöfe ihren Lebensunterhalt verlor und daraufhin kreativen Ersatz für ihre Burgerbude finden musste. Nur selten waren die Mörder eindeutig moralische Wesen. Der seltsame Killer in einem Film wie SE7EN (1995) von David Fincher handelt erklärtermaßen aus moralischen Gründen, da er auf den Verfall der Werte und Traditionen hinweisen will. In James Wans SAW (2004) wird das Motiv aufgegriffen. Der Killer Jigsaw will seine Opfer deren Fehler und Schuld aufzeigen, will sie sozusagen durch eine Art Fegefeuer jagen. Mittlerweile geben sich Drehbuchautoren zunehmend Mühe, selbst die abwegigsten Mörder und Serienkiller nachvollziehbar zu erklären.

Vielleicht ist es letztlich einer der positiveren Aspekte an Fede Alvarez´ hochgelobtem Genremix DON´T BREATHE (2016), daß er den Antagonisten und seine Geschichte zu einem integralen Teil der Handlung macht. Von einem Killer oder Mörder, einem herkömmlichen Baddie, kann man im eigentlichen Sinne nicht sprechen. Auch dies nämlich ein gelungener Twist des Drehbuchs: Niemand in diesem Film ist wirklich sympathisch, respektive unschuldfig. Drei jugendliche Profi-Einbrecher wollen einen blinden Mann beklauen und versprechen sich, so hat es ihnen ein Mittelsmann gesteckt, fette Beute, da der Alte eine Menge Bargeld bunkere. Da ein Blinder vermeintlich kein Hindernis darstellt, scheint es ein leichter Coup zu werden. Natürlich entpuppt sich der Blinde als wehrfähiger denn erwartet und die Nacht verläuft für die drei Jugendlichen völlig anders als erwartet. Und da beginnt das Problem des Films: „Natürlich“ erweist sich das vermeintliche Opfer als ehemaliger Spezialkämpfer mit allerlei Fähigkeiten des Nahkampfs und der Waffenkunde. Aber wie auch anders hätte es laufen sollen? Der Zuschauer erwartet genau das.

Der Zuschauer erwartet ab dem ersten Toten allerdings nahezu alles, was da noch kommt. Zwar werden wir mit einer sich in immer dramatischere Ebenen hineinwindenden Hintergrundgeschichte konfrontiert – der Alte hat seine Tochter bei einem Unfall verloren und hält nun die ebenfalls sehr junge Fahrerin des Unfallwagens im Keller gefangen; sie soll ihm ein „neues“ Kind austragen, dann werde er sie gehen lassen – , die uns allerdings sichtlich schocken soll (und in ihren Implikationen natürlich an jene Geschichten von aus Kellern befreiten oder sich befreienden Frauen aus Österreich und den USA erinnert, die die Welt in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder erschüttert haben). Doch bei aller Dramatik dieser Geschichte bleibt sie auf der Bildebene immer nur Behauptung und Vorwand für immer brutalere Vorgehensweisen des alten Mannes, der, nachdem sein Opfer seiner eigene Attacke zum Opfer fiel, die junge Frau unter den Einbrechern, Rocky ihr Name, zwingen will, nun den verwaisten Platz im Keller einzunehmen. Da der Film sich in seinem Kern bemüht, die Einheit von Zeit und Raum einzuhalten und ausschließlich im Haus spielt, in dem der Alte lebt, bleibt der Film auch immer nur auf der Ebene der Action, des Moments, des Schocks. Aber selbst die Schocks sind so gesetzt, daß der Zuschauer sie so oder ähnlich erwartet hatte.

DON´T BREATHE ist ein Film, der sich an einigen Vorbildern orientiert, mehr noch aber an Videospielen. So zumindest der Eindruck. Die Protagonisten betreten einen Raum, dort finden sie etwas vor und dann werden sie gezwungen, sich zur Wehr zu setzen. Kaum ein Moment der Reflektion, gar einer Erklärung. Eingeführt werden die drei Einbrecher nur kurz, das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der jungen Rocky, die für sich und ihre Schwester ein besseres Leben zu verwirklichen sucht. Natürlich ist ihre Mutter alkoholabhängig und der Freund der Mutter eine miese Type und ein Schläger. Das muß reichen, damit wir im Publikum ein wenig Sympathie empfinden können, so etwas wie eine Identifikationsfigur haben, an die wir uns halten können. Denn wer wollte diesen beiden lost Girls nicht ein besseres Leben wünschen? Und wenn Rocky dafür stehlen muß – so what?

Es sind also eher Nebensächlichkeiten, die den Film sehenswert machen. Das Setting ist angemessen unheimlich – der Blinde lebt allein in diesem Haus, das jedem Spukhausfilm zur Ehre gereichen würde, in einer Nachbarschaft, die gänzlich verlassen ist – , das Szenenbild kann überzeugen, auch die Schauspieler füllen ihre Rollen, so weit möglich, gut aus. Manche Wendung kommt zugegeben ein wenig überraschend (auch wenn der Zuschauer sie erwartet und sich lediglich fragt, wie Buch und Regie es hinkriegen, die Kurve zu kratzen), die härteren Effekte können ebenfalls überzeugen. Und spätestens, wenn der Hausherr sich daran macht, nun Rocky als Ersatzmutter zu rekrutieren, wird es auch angemessen eklig. Weniger überzeugend ist dann wiederum das Ende, da auch dieses erwartungsgemäß funktioniert. Unsere Protagonistinnen – Rocky und ihre Schwester – sitzen am Flughafen und wollen endlich in das bessere Leben aufbrechen, als im Fernsehen mitgeteilt wird, der alte blinde Mann, der überfallen wurde, habe überlebt und sei nun stabil. Rocky ahnt, daß diese Geschichte – und damit ihr Leiden – nicht beendet ist und die Filmemacher haben somit die Option, einen Nachfolger hinterherzuschieben, wenn sich der Film als Erfolg entpuppt. Und siehe da – 2021 war es dann soweit und unter der Regie von Rodo Sayagues kam der zweite Teil in die Kinos. Das Drehbuch hatte der Regisseur gemeinsam mit Fede Alvarez geschrieben, der hier auch als ausführender Produzent tätig war.

DON´T BREATHE war ein enormer Erfolg an den Kinokassen, er spielte seine Produktionskosten von ca. zehn Millionen Dollar um ein Vielfaches wieder ein. Kein Wunder also, daß die Macher schnell eine Fortsetzung planten. Es spricht natürlich einerseits für den Film, daß er einen solchen Erfolg feiern konnte, andererseits fragt man sich, wieso es meist Filme wie dieser sind, die wahrgenommen werden, weitaus bessere Horrorfilme jedoch ein Nischendasein fristen. Sicher, es ist ein Mainstream-Produkt. Die Nerven des Zuschauers werden zwar durchaus strapaziert, doch geht DON´T BREATHE nie zu weit, konfrontiert sein Publikum mit nichts – weder inhaltlich noch stilistisch – was es nicht irgendwie bereits kennt oder nachhaltig verstörend wirken könnte. Es sind eben meist solche Produktionen, die kommerziellen Erfolg haben. Horrorfilme für die breite Masse müssen wohl einen schmalen Grat bespielen, immer wissend, wie weit man den Zuschauer provozieren darf und sich immer bewusst darüber, wo die Grenzen des guten Geschmacks liegen. Wenn man die schon überschreitet, muß diese Überschreitung zumindest moralisch irgendwie gerechtfertigt werden. Und das macht Alvarez auf jeden Fall. Zwar verstehen wir den Schmerz des blinden Mannes, seine Methode jedoch können wir natürlich nicht gutheißen. Und um es dem Zuschauer dann nicht ganz so einfach zu machen, werden uns eben „Helden“ präsentiert, die zumindest eine gewisse Ambivalenz ausstrahlen. Das ist aber mit Abstand das Subversivste, was sich über diesen Film sagen lässt.

 

 

 

 

 

 

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