FREQUENZ MORD/FRÉQUENCE MEURTRE

Ein letztlich belangloser Thriller mit einer wie immer betörenden Catherine Deneuve

Die Psychologin Jeanne Quester (Catherine Deneuve) lebt mit ihrer Tochter Pauline (Ines Clayne) in Paris, wo sie als Therapeutin bei einem mobilen Hilfsdienst arbeitet und nachts eine Radiosendung moderiert, die seelische Hilfe anbietet. Mit ihrem Kollegen Roger (Étienne Chicot) unterhält sie eine offene Affäre, daheim kümmert sie sich  um Pauline und trägt Streitereien mit ihren Nachbarn aus.

Das alltägliche, relativ sorgenfreie Leben wird lediglich von Jeannes Kindheitserinnerungen getrübt. Als 12jährige wurde sie Zeugin des Mordes an ihren Eltern, ohne den Täter identifizieren zu können. Sie aber war es, die die Leichen einst fand. Damals wurde ein Mann namens Faber (Philippe Lehambre) verhaftet, der nah des elterlichen Hauses mit der Tatwaffe aufgegriffen wurde. Obwohl er sich an nichts erinnern konnte, verurteilte man ihn und steckte ihn als unzurechnungsfähig für 25 Jahre in eine geschlossene Anstalt. Jeannes Therapeut, der sich aus Altersgründen zurückzuziehen gedenkt, hält sie für austherapiert. Sie könne ihren Dämonen nun allein begegnen.

Eines Nachts meldet sich während ihrer Sendung ein Mann, der sich nicht zu erkennen gibt, jedoch mysteriöse Anspielungen auf eine alte Freundin macht, die er nach einem Vierteljahrhundert wiedersehen wolle. Anderntags findet Jeanne Paulines Papagei tot in der Wohnung. Offenbar ist jemand eingedrungen und hat das Tier getötet. Jeanne verdächtigt zunächst die Nachbarn.

Als in der folgenden Nacht erneut der unbekannte Anrufer sich meldet und von einnem Geschenk spricht, daß er Jeanne hinterlassen habe, ist diese sofort davon überzeugt, daß der Mörder ihrer Eltern frei ist und nun Kontakt zu ihr aufnehmen will.

Jeannne kontaktiert ihren Bruder Frank (André Dussollier), der ein führender Beamter bei der Pariser Kriminalpolizei ist. Schnell hat er herausgefunden, daß Faber tatsächlich nach all den Jahren auf freiem Fuß ist. Frank, der Jeannes Besorgnis für übertrieben hält, bittet seinen Kollegen Lieberman (Martin Lamotte), ein wenig zu recherchieren, was es mit dem Einbruch bei Jeanne auf sich haben könnte und auch einmal  Faber auf den Zahn zu fühlen.

Die Anrufe in Jeannes Sendung häufen sich. Sie beschließt, umzuziehen, da sie sich in der Wohnung nicht mehr sicher fühlt. Als auch ihr Auto mit Müllresten verdreckt wird – ein Delikt, den die Nachbarschaft auf den Rowdy zurückführt, der ein paar Häuser weiter wohnt – steht Jeannes Beschluß fest. Während Pauline vorübergehend zu ihrem Vater zieht, mietet sich Jeanne in einem Hotel ein.

Roger ist sehr besorgt um Jeanne und kann ihr ihre Ängste nicht nehmen, da der fremde Anrufer sie sogar auf ihrer Arbeit beim mobilen Hilfsdienst aufzutreiben versteht.

Jeanne besucht häufiger Frank und dessen Familie, wo sie erfährt, daß ihr Bruder immer häufiger lange weg bleibt, er behauptet, er müsse bis spät nachts arbeiten, seine Frau hingegen verdächtigt ihn, eine Geliebte zu haben. Bei einem ihrer Gespräche kommen Jeanne und Frank auch auf den Mord an den Eltern zu sprechen. Dabeu eröffnet Frank seiner Schwester, daß die Eltern kurz davor standen, sich scheiden zu lassen, der Vater habe damals bereits eine neue Frau gehabt. Er, Frank, habe sie ein oder zwei Mal gesehen.

Faber versucht, Kontakt zu Jeanne aufzunehmen. Er will ihr sagen, daß er damals unschuldig gewesen sei, daß man ihm die Waffe zugesteckt habe und er nicht der Mörder ihrer Eltern sei. Doch Jeanne vertreibt ihn und kurz darauf wird er tot aufgefunden. Seine Schwester Ida (Madeleine Marie) beschuldigt Jeanne, sie nicht in Ruhe gelassen zu haben, ihr Bruder habe lang genug gelitten, Lieberman wirft sie an den Kopf, die Fabers seien immer nur von der Polizei drangsaliert worden.

Da Frank mittlerweile überzeugt ist, daß nach Fabers Tod ernsthafte Gefahr für Jeanne droht, entzieht er Lieberman den Fall und übernimmt ihn selbst. Lieberman ermittelt aber auf eigene Faust weiter. Frank trifft Jeanne spät nachts in ihrem Hotel und es kommt zu einem Disput zwischen den Geschwistern. Er, der Ältere, habe immer nur für sie sorgen müssen, er habe seine Lebensträume aufgegeben und habe einen Beruf ergriffen, mit dem er sie beide habe versorgen können. Nie habe Jeanne sich gefragt, wie es eigentlich ihm nach dem Mord an den Eltern gegangen sei. Jeanne, die sich an den liebevollen Umgang ihres Bruders mit ihr erinnert, ist von Schuldgefühlen erfüllt.

Pauline, die eigentlich bei ihrem Vater sein sollte, verschwindet. Die Stimme am Telefon erklärt Jeanne, daß sie Pauline entführt habe. Sie wolle von Jeanne ein Lösegeld, mehr noch aber wolle sie Jeanne sehen. In Jeannes alter Wohnung soll sie sich mit dem Entführer treffen. Dort angekommen, ist es aber Frank, der Jeanne erwartet. Er ist die mysteriöse Stimme am Telefon. Er gesteht, daß die Frau, mit der er den Vater gesehen habe, die Liebe seines Lebens gewesen sei und dieser sie ihm weggenommen habe. Dafür habe er sterben müssen und ebenso die Mutter, die das alles tatenlos habe geschehen lassen. Und nun wolle er sich an Jeannne rächen für all die verpassten Chancen in seinem Leben.

Jeanne kann ihm zunächst entkommen, sie flieht aufs Dach, verfolgt von Frank. Als er sie stellt und droht, sie hinunterzustürzen, wird er von hinten durch eine Kugel niedergestreckt. Lieberman, der herausgefunden hatte, was es mit Frank und der Frau auf sich hat, konnte gerade noch hinzukommen und Jeanne retten.

Jeanne, glücklich vereint mit Pauline, nimmt den ihr angebotenen Job beim Fernsehen an.

Der kommerzielle französische Film hatte immer eine Affinität zum amerikanischen hard-boiled Thriller, zum Noir. Gern griffen Regisseure wie Bernard Tavernier oder Jean-Jacques Beineix auf Vorlagen von Jack Thompson, James Lee Burke oder David Goodis zurück. Und auch das Catehrine-Deneuve-Vehikel FRÉQUENCE MEURTRE (1988) beruht auf einem Roman des Amerikaners Stuart Kaminsky. Regisseurin  Élisabeth Rappeneau verlegt die Handlung eines der wenigen Werke des Autors, das nicht zu einer Serie um einen seiner diversen Ermittler gehört, ins zeitgenössische Paris und baut den Film rund um ihren Star auf. Die Deneuve, damals 45 Jahre alt, begann auf Rollen zurückzugreifen, die ihrem Alter angemessen waren und sie als selbstständige, selbstbewusste Frau mittleren Alters zeigten, dabei jedoch mehr die Dame denn den Vamp oder die verführerische Sirene hervorkehrten. Die Psychologin und Radiomoderatorin Jeanne Quester, eine alleinerziehende Mutter, die trotz eines dunklen, ihr Leben überschattenden Ereignisses in ihrer Kindheit voll im Leben steht, war eine willkommene Gelegenheit dieses Rollenprofil auszuarbeiten.

Deneuve ist in nahezu jeder Szene des Films zu sehen, die gesamte Story um einen nächtlichen Anrufer in ihrer Radioshow, in der sie Lebenshilfe anbietet, kreist um diese scheinbar so starke Frau. Zunächst hat der Zuschauer den Eindruck, daß Rappeneau die Gelegenheit nutzen könnte, einen durchaus feministischen Film zu drehen. Élisabeth Quester ist eine schöne, selbstständige Frau, die nicht mit Parolen für Gleichberechtigung kämpft, sondern – ganz Pariserin – allein mit ihren Qualitäten, ihrer Persönlichkeit und ihrem Charisma überzeugt. Damit wäre der Film ganz auf der Höhe seiner Zeit gewesen, doch wird diese Hoffnung spätestens dann zerstört, wenn Quester schließlich den Schutz aller möglichen Männer sucht. Sehen wir sie anfangs bei ihrem Analytiker, der mit ihr ihre Kindheitserlebnisse – sie wurde Ohrenzeugin des Mordes an ihren Eltern, deren Leichen sie schließlich fand – aufarbeitet, fällt dies im weitesten Sinne noch unter den Oberbegriff „Supervision“, doch versucht sie im Laufe der Handlung mehrfach, ihn, der sich in Amerika zur Ruhe gesetzt hat, zu erreichen, um ihm von der neuerlichen Geschehnissen zu berichten. Dann ist da ihr Kollege Roger, mit dem Quester eine Affäre hat, die nicht richtig in die Gänge kommen will, weiterhin ihr älterer Bruder, Chef der Polizei, der immer ihr Beschützer gewesen ist und auch in der aktuellen Situation das Heft des Handelns in die Hand nimmt, und schließlich der ermittelnden Kommissar Lieberman, der Quester schließlich aus den Fängen des Mörders befreit, diesen stellt und tötet. So bleibt die feministisch-emanzipatorische Fassade eine Chimäre und Quester letztlich eine auf die Hilfe von Männern angewiesene Frau, die allerdings den Mut aufbringt, sich ihrem Häscher zu stellen, als dieser vorgibt, ihre Tochter entführt zu haben.

Rappeneau inszeniert den Fall durchaus elegant und lange Zeit auch zumindest leidlich spannend, obwohl der Zuschauer infolge der Figurenanordnung und der Ausschließlichkeit des Kosmos, in dem Quester sich bewegt, früh ahnt, daß der Täter wohl aus ihrem Umfeld kommen muß. Da nutzt auch die falsche Fährte um Faber, jenen Mann, der 25 Jahre zuvor für den Doppelmord an ihren Eltern verhaftet und als verrückt diagnostiziert in eine geschlossene Anstalt gesteckt wurde, wenig. Der nach seiner Entlassung nun bei seiner Schwester Lebende kommt, sobald man seiner auf der Leinwand ansichtig geworden ist, nicht mehr als Quälgeist in Frage. Obwohl das Drehbuch von Rappeneau und Jacques Audiard eine beeindruckende Szene im Laden jener Schwester einbaut, wo wir Beispiele der ebenso surrealen wie bedrückenden Kunst Fabers vor Augen geführt bekommen, die uns glauben machen soll, daß er immer noch unter Wahnvorstellungen und inneren Dämonen leidet, wirkt er nie wirklich bedrohlich. Das Script expediert ihn dann auch just in dem Moment per Mord aus dem Film, in dem er sich Quester erklären und ihr einen Hinweis auf den wahren Mörder ihrer Eltern geben will. Daß ihr aktueller Verfolger, der sich Abend für Abend in ihrer Radioshow meldet und mit verzerrter Stimme zu ihr spricht, mit dem lang zurückliegenden Fall zu tun hat, ist offensichtlich.

So läuft, was zunächst umsichtig und eben auch spannend beginnt, im letzten Drittel des Films zu offensichtlich auf die direkte Konfrontation mit dem Mörder hinaus. Die allerdings ist dann vergleichsweise unspektakulär inszeniert. Bleibt für den Zuschauer also nur die Frage, wie der Film dorthin kommt, wo er augenscheinlich hin soll. So sehr Rappeneau Spannung aus dem Horror beziehen will, der in den Alltag einbricht, so sehr sie sich Mühe gibt, diesen Alltag möglichst unaufgeregt und als gänzlich normal zu beschreiben, bleibt FRÉQUENCE MEURTRE dann doch hinter seinen Möglichkeiten zurück. Der erste Anruf vermag uns in Aufregung zu versetzen, doch passen die Indizien, die sich dann mehren – u.a. dringt jemand während deren Abwesenheit in die Wohnung der Questers ein und tötet den Vogel von Tochter Pauline – nicht zur Haltung der Polizei, die das alles herunterzuspielen versucht und Jeanne nicht wirklich ernst nimmt. Hier und da vermag Rappeneau den Zuschauer kurz in echte Aufregung zu versetzen – Roger, der just in jenem Moment in einer Telefonzelle steht, als Jeanne Quester ihre Wohnung erreicht und das Telefon klingeln hört; ihr mit Müll überschüttetes Auto, wofür die Rowdys verantwortlich gemacht werden, die in der Straße wohnen und angemessen rowdyhaft auftreten – doch lässt sie diese Stränge schnell fallen, verfolgt sie nicht weiter und kehrt stattdessen zur Haupthandlung zurück. Der Film wirkt ein wenig unentschlossen, ob er nun ein reiner Psychothriller, ein Familiendrama – Jeannes Bruder wirft ihr an entscheidender Stelle vor, sich nie gefragt zu haben, was der Tod der Eltern für ihn bedeutet haben mag – oder doch die Selbstbefragung einer Frau sein will, die sich ihrer Vergangenheit trotz jahrelanger Therapie noch einmal völlig neu stellen muß. Dadurch wirkt er uneinheitlich. Und ist letzten Endes zu behäbig inszeniert, als daß wirklich atemberaubende Spannung aufkäme. Auch gibt es zu viele Logiklöcher, die den Zuschauer stolpern lassen. So fragt man sich beispielsweise, warum dieser Anrufer immer wieder während einer Livesendung durchgestellt wird, obwohl jeder Beteiligte im Studio weiß, daß er die Moderatorin nur quälen will?

Catherine Deneuve darf ihr edles Profil häufig in die Kamera halten – sie zu bewundern, ist immer wieder eine Freude – doch ist sie schauspielerisch gnadenlos unterfordert. Nach gut 100 Minuten, wenn sich schließlich geklärt hat, wer ihr auf den Fersen war, nimmt man die Auflösung eher erleichtert, denn erregt zur Kenntnis, freut sich schlußendlich, daß Quester das Angebot, zukünftig fürs Fernsehen zu arbeiten, angenommen hat und hat Handlung und Film bereits vergessen, sobald man vom Kino auf die Straße getreten ist. Leider bleibt zu konstatieren, daß dies allzu häufig das Schicksal französischer Thriller der 80er Jahre gewesen ist. FRÉQUENCE MEURTRE ist ein Paradebeispiel für einen zwar leidlich spannenden, letztlich aber belanglosen Beitrag dieses Genres während dieser Periode des französischen Kinos.

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