HORIZON LINE

Ein kleiner, feiner, gemeiner Katastrophenthriller hoch am Himmel

Sara (Allison Williams) hat sich eine Auszeit genommen, die sie bei ihrer Freundin Pascale (Pearl Mackie) auf Mauritius verbringt. In dieser Zeit lernt sie Jackson (Alexander Dreymon) kennen. Doch nun ist ihre Zeit vorbei und sie will zurück nach London, wo ein lukrativer Job auf sie wartet. Um es sich leicht zu machen, verlässt sie die Insel ohne sich ordentlich von Jackson zu verabschieden.

Ein Jahr später. Pascale heiratet und hat sowohl Sara, die eigens aus England angereist kommt, als auch Jackson eingeladen. Sara trifft Jackson am Vorabend der Hochzeit und die beiden verbringen die Nacht miteinander, obwohl Jackson eigentlich sehr verletzt gewesen ist.

Nun haut Sara morgens erneut ab, weil sie noch in ihr Hotel will. Dadurch verpasst sie die Fähre nach Rodrigues, wo die Feier stattfinden soll. Sie chartert sich auf einen Flug bei Freddy Wyman (Keith David), den sie noch von ihrem früheren Aufenthalt auf der Insel kennt und der ein kleines Flugunternehmen besitzt. Auch Jackson will diesen Flug zur Feier nehmen.

Als die beiden am Flugplatz aufeinanderstoßen, zeigt Jackson deutlich, dass er extrem wütend auf Sara ist, da diese erneut das Weite gesucht hat, ohne etwas zu sagen. Die Stimmung im Flugzeug ist dementsprechend frostig.

Kurz nachdem sie abgehoben und die Flughöhe erreicht haben, erliegt Freddy einem Herzinfarkt. Sara und Jackson sind auf sich allein gestellt. Sara, die ein Jahr zuvor ein paar Stunden Unterricht bei Freddy genommen hatte, versucht, die Maschine zu lenken.

Es gelingt den beiden, Kontakt mit einem Fluglotsen auf einem Flugplatz aufzunehmen, doch ist die Verbindung ausgesprochen schlecht. Zudem fliegen sie direkt auf ein Unwetter zu, das sie durchqueren müssen, um auf Festland zu stoßen, wo Sara die Maschine landen zu können hofft.

Das Unwetter ist heftig und so versucht Sara, darüber hinweg zu fliegen, doch erliegt sie einem Höhenkoller und die Maschine schmiert ab. In letzter Sekunde kann sie das Flugzeug abfangen und eine weitere Katastrophe verhindern.

Nun ist allerdings der Kompass beschädigt, weshalb Sara und Jackson keine Ahnung haben, in welche Richtung sie eigentlich fliegen. Zudem stellen sie nun fest, dass ihnen extrem schnell der Sprit ausgeht. Offenbar ist die Leitung, die den Motor mit Benzin versorgt, ebenfalls beschädigt.

Jackson klettert aus dem Flugzeug und außen an der Bordwand entlang, bis er den Motor erreichen kann. Mit allerletzter Kraft gelingt es ihm, die Leitung mit etwas Isolierband, das er mitgenommen hat, zu reparieren. Doch auf dem Weg zurück zur Einstiegsluke rutscht er ab und bricht sich den Unterarm.

Sara zieht Jackson mit aller Kraft in die Maschine, wo sie ihn notdürftig versorgen kann. Sie schient den Arm und legt einen Verband auf den offenen Bruch, doch verliert Jackson viel Blut.

Nun beschließen die beiden, allen Ballast abzuwerfen, auch Freddys Leichnam, was Sara sehr schwerfällt. Schließlich befindet sich nur noch der in großen Flaschen abgefüllte Rum, den sie für die Hochzeit mitgenommen hatten, an Bord. Jackson hat die Idee, diesen in die Treibstofftanks zu füllen, da er mit Ethanol hergestellt wurde und möglicherweise als Sprit funktioniert.

Da Jackson wegen seiner Verletzung nicht mehr aus der Maschine klettern kann, muss diesmal Sara es wagen. Es gelingt ihr, auf die Tragfläche zu steigen und den Rum in die Tanks zu kippen.

Während dieser ausgesprochen heiklen Situation erspäht Jackson eine Insel im Meer, wo man das Flugzeug möglicherweise landen könnte. Als Sara zurück in der Maschine ist, schlägt Jackson ihr vor, die Insel zu suchen und zu versuchen, dort runter zu gehen.

Sie finden die Insel tatsächlich und Sara bringt die Maschine tatsächlich aufs Wasser, doch überschlägt diese sich und geht unter. Sara kommt zu Bewusstsein, als bereits Wasser eindringt. Sie kann sich befreien, schwimmt an die Wasseroberfläche, taucht dann aber sofort wieder ab, um den bewusstlosen Jackson zu befreien.

Sie erreichen das Eiland, das sich allerdings eher als Sandbank entpuppt. Mit einsetzender Flut steigt das Wasser und überflutet den Sand. Jackson, der mittlerweile sehr schwach ist, bittet Sara, die Rettungsweste, die sie ihm angelegt hat, zu nehmen und ihn dem Tod zu überlassen. Doch Sara lehnt das ab. Sie seien ein Team, sie renne nicht mehr weg. Jackson gesteht ihr seine Liebe und Sara erwidert, dass sie ihn ebenfalls liebe.

Die beiden verlieren zusehends den Boden unter den Füßen. Doch dann taucht im letzten Moment ein Fischerboot auf, welches sie an Bord nimmt.

Erinnert sich noch jemand an OPEN WATER (2003)? Ein kleiner, gemeiner Thriller über ein Pärchen, das während eines Karibik-Urlaubs auf einem Tauchgang vergessen wird und langsam dem eigenen Ende entgegen dümpelt. Regisseur Chris Kentis erzählte ein beklemmendes Kammerspiel mitten im Ozean, bei dem die Protagonisten exemplarisch durch alle Stadien der Verzweiflung glitten, von Angst über Wut zu Resignation, sich ebenso Vorwürfe machten, wie sie sich aneinanderklammerten. Kentis fand bedrückende Bilder, die erschreckend verdeutlichten, was es bedeutet, vollkommen allein im Meer zu treiben. Und er gönnte seinem Paar kein Happyend.

Mikael Marcimain hat sich Kentis´ Prinzip offenbar zum Vorbild genommen. Doch anstatt des Meeres wählt er die Luft als Element, in welchem ein Pärchen verloren geht. HORIZON LINE (2020) wirkt wie eine OPEN WATER-Variante hoch am Himmel. Zwei sehr schöne Menschen – Allison Williams und der in manchen Einstellungen an den jungen Brad Pitt erinnernde Alexander Dreymon spielen das verhinderte, in Nöte geratene Liebespaar – treffen sich nach einer kurzen Affäre wieder, weil beide zur Hochzeit einer gemeinsamen Freundin eingeladen sind. Diese Hochzeit findet auf Mauritius statt, weshalb ein Flugzeug gechartert wird, um auf die Insel Rodrigues zu fliegen. Dummerweise stirbt der Pilot unterwegs an Herzversagen und die beiden müssen nun versuchen, die Propellermaschine nicht nur durch ein Gewitter zu steuern, sondern auch sicher zu landen.

Marcimain lässt jegliches Brimborium beiseite, gibt dem Publikum eine kurze Einführung wie Sara und Jackson – so die Namen der beiden Protagonisten – sich ein Jahr vor den Ereignissen kennen gelernt haben, lässt sie dann im Vorfeld der Hochzeit erneut aufeinandertreffen, wobei für Konfliktstoff gesorgt ist, da Sara seinerzeit einfach verschwand, ohne Jackson zu erklären, warum und wieso. Doch sobald die beiden bei ihrem Freund Freddy Wyman im Flugzeug sitzen, kommt Marcimain zur Sache und erzählt seine durchaus spannende Story in knackigen 90 Minuten.

Es tut dem Film gut, dass das Drehbuch auf alle möglichen Verwicklungen verzichtet. Es gibt eine Konfliktlinie – zwischen den ehemaligen Liebhabern herrscht eine gewisse Kälte – aber daraus macht der Film nie mehr, als es braucht, um eine Grundspannung zu erzeugen. Sobald die Katastrophe eingetreten ist, arbeiten die beiden zusammen. Und diese Zusammenarbeit hat es in sich. Zunächst müssen sie das Flugzeug durch einen Sturm lenken, wobei Sara, die einige Flugstunden auf dem Konto hat und deshalb als Pilotin fungiert, versucht, über das Gewitter hinweg zu fliegen und dabei einem Höhenkoller erliegt. Dann ist die Benzinleitung beschädigt, weshalb die Maschine über dem offenen Meer abzustürzen droht. Also muss Jackson außen an der Maschine entlangklettern, um die Leitung notdürftig zu reparieren. Doch verletzt er sich bei dieser Aktion, weshalb beim nächsten Mal Sara aus dem Flugzeug steigen muss. Denn nun ist der Sprit aufgebraucht, weshalb die beiden beschließen den Ethanol-Rum in den Tank zu kippen, den sie eigentlich für die Hochzeit dabeihaben.

Diese Expeditionen außen am Flugzeug entlang und – in Saras Fall – auf die Tragflächen, wo sich die Einfüllstutzen des Tanks befinden, sind – das sei an dieser Stelle warnend vermerkt – definitiv nichts für Menschen mit Höhenangst oder schwachen Nerven. Beeindruckend gefilmt, bekommt der Zuschauer ein sehr eindringliches Gefühl dafür, was es bedeutet, an einem in großer Höhe fliegenden Flugzeug zu hängen. Es sind Momente wirklich nervenaufreibender Spannung, die der Regie ausgesprochen gut gelungen sind. Ebenso sind die momentweise sehr emotionalen Stimmungen der beiden jungen Menschen im Flugzeug authentisch inszeniert. Ihr Chargieren zwischen Angst, Hoffnung, Wut. Irgendwann beschließen sie, allen Ballast abzuwerfen. Auch die Leiche von Freddy. Sara bringt sie in Position und schmeißt sie dann aus der offenen Tür des Flugzeugs. Dass ihr das nicht leichtfällt, dass sie gar in einem moralischen Dilemma steckt, nimmt man ihr unumwunden ab.

Allerdings lassen sich anhand dieser Szene einige Probleme aufzeigen, die der Film dann eben auch hat. Hier bspw. stellt sich die Frage, weshalb man zwar die Leiche eines angeblichen Freundes aus dem Flugzeug wirft, zuvor aber nicht die (schwere) Kiste aus Holz, in der der Rum für die Hochzeit gelagert ist. Dramaturgisch erklärt sich die Sache von selbst: Man braucht das Zeug als Spritersatz. Doch kommen die beiden im Flugzeug erst in dem Moment auf die rettende Idee. Da hätte das Drehbuch möglicherweise etwas vorausschauen und dies früher in die Dialoge einbauen sollen. Es wäre glaubwürdiger.

Auch an anderen Stellen merkt man der Produktion an, dass es definitiv kein sonderlich „großer“ Film gewesen ist. So scheint niemandem am Set aufgefallen zu sein, dass die Blutspuren in Saras Gesicht nach Freddys Ableben und den daraus entstehenden Turbulenzen mal sichtbar sind, mal nicht. Klassischer Continuity-Fehler, auf dem man nicht rumreiten wollte, wäre es nicht so offensichtlich.

Doch will man in diesen Dingen penibel sein, sollte man andere, positive Seiten ebenso herausstellen. Denn was man HORIZON LINE definitiv hoch anrechnen sollte, ist die Selbstverständlichkeit, mit der hier ein Mann und eine Frau gleichgestellt gezeigt werden. Wenn man so will liegt der rettende Fokus des Films sogar auf seiner weiblichen Protagonistin. Die mag vielleicht im Sozialleben etwas feige sein und einfach gehen, ohne sich zu verabschieden. Aber wenn es drauf ankommt, weiß sie, was zu tun ist und tut es. Letztlich ist es Sara, die die Maschine fliegt, an Bord die wirklich gefährlichen Aufgaben übernimmt, landet, Jackson rettet und ihn schließlich nicht aufgibt, als es Spitz auf Knopf steht. In diesen Dingen erweist sich Marcimains Film als ausgesprochen modern. Vor allem, weil er es nicht nötig hat, diese Umstände besonders zu betonen. Er zeigt sie einfach so, er nimmt sie hin.

HORIZON LINE ist ein gut gemachter, kleiner Thriller, der seine Stärken auszuspielen weiß und am Ende sogar noch einen kleinen Gruß an sein Vorbild OPEN WATER sendet, wenn die beiden zwar den Absturz der Maschine überleben, dann aber im Wasser treiben und – da Jackson stark blutet – sogar Haie anziehen, deren einer kurz durchs Bild gleitet. Marcimain und sein Team kommen zur Sache, brauchen vielleicht einen Tick zu lang für die Exposition, die nicht interessant genug ist, um so ausführlich behandelt zu werden. Denn in der Einführung der Figuren werden uns einfach zwei schöne, offenbar sehr erfolgreiche junge Menschen präsentiert, die sich ineinander verliebt haben, sich nun aber wieder trennen und die im Grunde für den Betrachter nichts Interessantes zu bieten haben. So entwickelt der Film seine Vorzüge definitiv in dem Moment, in dem das Unglück passiert und bei den daraus resultierenden Ereignissen.

Ein kleiner, gemeiner Thriller, der exakt für die 90 Minuten, die er läuft, seinen Zweck erfüllt, spannend unterhält und danach schnell wieder vergessen ist.

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