DIE HÖLLENFAHRT DER POSEIDON/THE POSEIDON ADVENTURE
Mit großer Bugwelle voranschießendes Drama - durchaus mit Anleihen beim zeitgenössisch modernen Kino
Die MSS Poseidon soll in Griechenland abgewrackt werden. Sie befindet sich auf ihrer letzten Fahrt. Der Kapitän (Leslie Nielsen) befindet sich in einem andauernden Disput mir dem Vertreter der Reederei, welcher das Schiff gehört und die darauf besteht, es möglichst mit Höchstgeschwindigkeit nach Athen zu befördern. Doch hat es nicht genügend Tiefgang, da die Mannschaft die Gewichttanks nicht befüllen konnte. Aufziehendes schlechtes Wetter kommt hinzu, doch schlußendlich beugt sich der Kapitän den Anweisungen.
An Bord bereitet man sich auf den bevorstehenden Silvesterabend vor. Der Polizist Mike Rogo (Ernest Borgnine) muß seine Frau Linda (Stella Stevens) beruhigen, da diese als ehemaliges Callgirl befürchtet, unter den Passagieren ehemaligen Kunden zu begegnen. Mr. Martin (Red Buttons), ein etwas schüchterner, allzu eingefleischter Junggeselle, wird von Belle Rosen (Shelley Winters) und ihrem Gatten Manny (Jack Albertson) ein wenig unter ihre Fittiche genommen, da Mrs. Rosen das Unglück oder auch nur die Einsamkeit anderer nicht ertragen kann. Das Geschwisterpaar Robin (Eric Shea) und Susan (Pamela Sue Martin) streiten sich um allerlei Nichtigkeiten, wobei Susan die Verantwortung für ihren jüngeren Bruder trägt, obwohl sie selber noch ein Teenagermädchen ist.Die beiden reisen ohne Eltern, weshalb Robin bei Personal und Besatzung wohlgelitten ist, er wird auch in die abgelegenen Gegenden des Schiffs eingelassen, wie jene Kammer, wo die Schraubenwelle verläuft. Beide stehen ein wenig unter dem achtenden Auge von Reverend Scott (Gene Hackman), einem Priester, der eine neue Stelle in Afrika antreten soll, offenbar von der Kirche als Strafe gedacht, von ihm aber keineswegs so wahrgenommen.
Im Gegenteil, wie er dem mitreisenden Kaplan (Arthur O´Connell) erklärt, begreift er doch alles als eine Herausforderung, die er zu meistern habe. Und eine Herausforderung sei immer dem Leben zugewandt. Er lebe gern und freue sich auf seine Arbeit und er wisse, Gott stehe ihm bei, wenn er ihn wirklich brauche – aber Gott liebe eben letztlich die, die sich selbst zu helfen wüssten. Deshalb will er da, wo er hingeht, nicht missionieren, sondern Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Der Kaplan als Vertreter der konservativen Amtskirche steht diesen fast revolutionären Gedanken angemessen skeptisch gegenüber. Scott, aufgefordert eine Predigt auf dem Vorschiff zu halten, lässt auch gegenüber den Besuchern der Messe keine Zweifel an seinen Überzeugungen aufkommen.
All diese Menschen sitzen am Abend im großen Festsaal während des Diners am Tisch des Kapitäns oder am direkten Nebentisch. Es wird gelacht, gesungen und getanzt, eine Combo spielt und eine junge Frau, Nonnie (Carol Linley) singt einen wunderschönen (extra für den Film komponierten) Folksong, das Neue Jahr rückt unaufhaltsam näher. Begrüßt wird es mit einem zünftigen „For Auld Lang Syne“, als der Kapitän auf die Brücke gerufen wird, wo er erfährt, daß eine durch ein Seebeben ausgelöste sogenannte „Monsterwelle“ auf das Schiff zurollt. Er versucht, das Schiff so zu legen, daß es in die Welle hineinkreuzt, doch es ist zu spät: Unvermittelt trifft die gewaltige Wasserwand auf die Poseidon. Das Schiff beginnt zunächst langsam, dann immer schneller zu kippen, bis es schließlich kentert und kieloben auf dem Ozean zu liegen kommt.
Im Festsaal herrscht Chaos. Etliche Passagiere und Mannschaftsmitglieder sind tot, viele andere schwer verletzt. Die überlebenden Offiziere fordern alle auf, sich ruhig zu verhalten und an Ort und Stelle zu bleiben, Hilfe sei bald zu erwarten. Reverend Scott, unterstützt von dem schiffskundigen Robin, weist darauf hin, daß der Druck des Wassers früher oder später die Außenscheiben der Säle zum bersten bringen würde, zudem wird das Schiff von einigen Explosionen in den Maschinenräumen erneut erschüttert. Scott fordert die Leute auf, mit ihm in die Tiefe des Schiffes hinauf zu klettern. Robin erklärt ihm, daß dort, wo die Schraubenwelle der Schiffsschraube austrete, der Verkleidungsstahl des Schiffes nur zweineinhalb Zentimeter dick sei. Wenn überhaupt, könne man dort nach außen dringen. Das Unternehmen wird von den Offizieren und einigen Männern unter den Gästen als aussichtslos abgetan.
Scott macht sich daraufhin mit einer kleinen Gruppe von Menschen – eben den oben näher beschriebenen – auf den Weg durch das Schiff. Kaum haben sie den „Boden“ des Festsaals mit Hilfe eines gigantischen Tannenbaums, durch den sie hindurchklettern müssen, erreicht, passiert das von Scott befürchtete erneute Unglück: Die Scheiben geben nach und die im Saal Verbliebenen werden von herumschleudernen Möbelstücken erschlagen oder ertrinken in den hereinbrechenden Wassermassen. Nun beginnt ein wahrer Wettlauf mit der Zeit: Hinter der Gruppe beginnt das Wasser zu steigen, der Rumpf des Schiffes wird immer wieder von dumpfen Explosionen erschüttert und sie müssen ein Hindernis nach dem anderen meistern.
Es müssen brennende Räume durchquert, Leichen überstiegen, Schächte emporgeklettert werden und unter Wasser stehende Treppenfluchten sind zu durchtauchen. Unterwegs kommt es immer wieder zu Auseinadersetzungen zwischen Rogo und Scott über die Führung der Gruppe, doch letztlich schließt sich die Mehrheit immer Scott an. Sogar Linda stellt sich gegen ihren Mann. Mr. Martin kümmert sich um Nonnie, die bei dem Unglück ihren Bruder, den Leader der Band, verloren hat. Als es darum geht, eine lange Strecke zu tauchen, wächst Martin über sich hinaus und kann so Nonnie retten. Doch nicht alle Mitglieder der Gruppe haben so viel Glück. Nach und nach verlieren sie einige Mitglieder, so rutscht der Steward Acres (Roddy McDowall) der sich angeschlossen hatte, in einem Versorgungsschacht ab und stürzt in kochendes Wasser, Mrs. Rosen hilft Scott, als dieser sich unter Wasser verfangen hat und büßt das mit ihrem schwachen Herzen, schließlich verliert Linda den Halt, als die Gruppe kurz vor ihrem Ziel ist und sie stürzt ab. Um ein Ventil zu schließen, opfert sich nun auch Reverend Scott, nicht, ohne eine letzte leidenschaftlihe Zwiesprache mit seinem Gott gehalten zu haben. Die anderen können dafür zur Schraubenwelle gelangen, wo sie schließlich auf Rettung treffen.
1970 war der berühmte Bericht des ‚Club of Rome‘ erschienen, der den westlichen Industrieländern erstmals verdeutlichte, daß ihr stetes Wirtschaftswachstum nicht auf ewig garantiert, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar schon innerhalb eines Zeitraums von 50 bis 80 Jahren an sein gleichsam natürliches Ende gelangt sein könnte. Diese Erkenntnis traf vor allem die U.S.-amerikanische Öffentlichkeit zu einem Zeitpunkt, als diese durch den stark umstrittenen und von einer wachsenden Mehrheit abgelehnten Vietnamkrieg, die Bürgerrechtsbewegung, die Attentate auf die Kennedybrüder 1963 und ´68 und jenes auf Martin Luther King im April 1968 bereits stark verunsichert und in Teilen auch tief gespalten war. Konnte es sein, daß „god´s own country“ seine Verheißungen, gebündelt im Wahrzeichen des ‚american dream‘, nicht mehr erfüllen konnte? Verblich seine Strahlkraft, versagte gar seine moralische Integrität?
Hollywood reagierte seit der Mitte der 1960er Jahre mit einer immer kritischeren Haltung und auch zunehmender Härte auf gesellschaftliche Tendenzen, junge Regisseure reüssierten mit frühen Meisterwerken, das neue Kino, das Hollywood auch aus einer schwachen Dekade voller Selbstzweifel in Anbetracht der Herausforderungen durch Fernsehen und neue Freizeitgestaltung gerade junger Leute half, wurde von Kritikern bald als ‚New American Cinema‘ bezeichnet oder schlicht unter dem Oberbegriff ‚New Hollywood‘ subsumiert. Inhaltliche Merkmale waren eine Auseinandersetzung mit der Gegenwart und ihren Problemen (wie die Bürgerrechtsbewegung oder der Vietnamkrieg) oder auch alltäglicher Erzählungen aus dem Leben ganz durchschnittlicher Menschen. Stilistisch änderte dieses Kino die Produktionsbedingungen, indem es die Studios verließ und auf die Straße ging. ‚On location‘ lautete die Zauberformel. Ästhetisch zeichnete sich das ‚New Hollywood Cinema‘ vor allem dadurch aus, daß nicht mehr Technicolor in seinen satten, fast psychedelisch unwirklichen Farben genutzt wurde, sondern das blasser wirkende, grobkörnigere Panavision, wodurch gerade Außenaufnahmen eine andere Qualität erhielten.
Diese Entwicklungen zeigten jedoch auch ihre Wirkung im herkömmlichen Hollywoodkino, das immer noch vor allem an der Genreerzählung interessiert war. Doch auch in reinen Groß- und Prestigeproduktionen waren die Neuerungen spürbar. Eines der jüngsten Genres, das es so zwar immer schon gegeben, das sich aber bisher nicht so eindeutig als eigenständig herausgebildet hatte, war der Katastrophenfilm, der seine eher pessimistische Weltsicht schon im Titel trägt. 1970 war mit AIRPORT (1970) von George Seaton eine Art Prototyp entstanden. Was hier eine drohende Flugzeugkatastrophe war, sollten in den kommenden Jahren – neben etlichen AIRPORT-Nachfolgern – Hochhäuser, ganze Städte wie in EARTHQUAKE (1974) oder eben Schiffe werden. Wobei Schiffe metaphorisch den Untergang natürlich schon evozieren, wonach die krisengeschüttelten 1970er Jahre geradezu zu schreien schienen.
1972 kam mit THE POSEIDON ADVENTURE der maßgebliche Katastrophenfilm zum Thema „Schiff“ in die Kinos. Ronald Neame, der einige Abenteuerfilme und Komödien gedreht hatte und dessen nächster Film, THE ODESSA FILE (1974), zu den besseren Politthrillern der Dekade zu zählen ist, liefert eine Art Prototyp für Aufbau und Dramaturgie nachfolgender Katastrophenfilme wie den erwähnten EARTHQUAKE oder auch THE TOWERING INFERNO (1974), der so etwas wie die All-Star-Variante des Genres werden sollte. Dabei griff Neame natürlich selber auf die Rezeptur von AIRPORT zurück: Ein Ensemble vergleichsweise grob skizzierter und schnell eingeführter Charaktere, die man allerdings gut genug kennen lernen sollte, um mit ihnen zu bangen; eventuelle Spannungen zwischen einzelnen Mitgliedern der Gruppe(n), die in der nicht zu langen, keinesfalls aber zu gering ausfallenden Exposition bereits angerissen werden müssen; der Einbruch der Katastrophe muß tricktechnisch angemessen umgesetzt sein und im Verlauf der Rettungsaktion(en) muß es genug Opfer geben (die sich auch opfern), um das Drama tragisch werden zu lassen, zugleich dürfen aber nicht zu viele aus der maßgeblichen Gruppe sterben, da sich sonst die ganze Aktion und die Opfer schließlich kaum gelohnt hätten.
THE POSEIDON ADVENTURE konzentriert sich allerdings auf einen einzigen Ort, den Bauch des kieloben treibenden Schiffes, wodurch er Sprünge zwischen wechselnden Schauplätzen und unterschiedliche Handlungsstränge meidet, was der Narration gut tut; der Film ist ein gutes Beispiel erzählerischer Ökonomie und Zielstrebigkeit. So werden uns auch keine von außen kommenden Rettungsversuche gezeigt. Das Gefühl von Klaustrophobie, das den Film prägt, die Verlorenheit, von der Außenwelt abgeschnitten zu sein, bleibt dem Zuschauer ununterbrochen erhalten, da der Film sich ab Einbruch der Katastrophe rigide an die eine Gruppe hält, die den Aufstieg in den Rumpf des Schiffes wagen will. Gene Hackman, der mittlerweile durchaus in der Lage war, einen Film allein zu tragen, jedoch als ganz Kind des ‚New Hollywood‘ oft in Ensemblefilmen auftrat, die ihn mit anderen, oftmals hervorragenden Charakterdarstellern zusammenführten, gibt den an seiner Kirche und ihren Dogmen (ver)zweifelnden Reverend Scott als typische Hackman-Figur: intelligent, zupackend, im entscheidenden Moment voller Tatendrang und rebellisch.
Es ist eine Figur, die stark durch die neueren Entwicklungen im amerikanischen Kino geprägt wurde. Dieser Mann, die Haare etwas zu lang, die Faust geballt wider einen Gott, der nicht so will, wie er, Reverend Scott, es will, ein Prediger des Existenzialismus, der seine Schäfchen auffordert nur und ausschließlich sich selbst zu vertrauen, könnte so aus einem Film von Arthur Penn (mit dem Hackman bei BONNIE AND CLYDE/1967 zusammen gearbeitet hat) oder William Friedkin (mit dem Hackman THE FRENCH CONNECTION/1971 drehte) stammen. Dieser Reverend Scott wird so etwas wie der natürliche Anführer der Gruppe, deren Schicksal der Film verfolgt. Sein rebellischer Geist, den er uns zuvor in der für einen Katastrophenfilm durchschnittlicher Länge (112 Minuten) lang ausfallenden Exposition im Widerstreit mit einem Kaplan vorführen durfte, prädestiniert ihn geradezu für diese Rolle. Damit setzt er sich auch von den offiziell Verantwortlichen, den Offizieren und Mannschaftsmitgliedern des Schiffes ab. Seine Aufforderung, ihm durch das Schiff zu folgen, erinnert nicht von ungefähr an den Auszug aus Ägypten. Drehbuch und Regie implizieren durchaus, daß Reverend Scott hier vor einer Prüfung durch seinen Gottes steht. Sein Glaube wird auf die Probe gestellt.
Der grundlegende Konflikt, den THE POSEIDON ADVENTURE von vornherein thematisiert, ist das Spannungsfeld zwischen dem Individuum und einer höheren Gewalt/Macht: Sei es Reverend Scott und sein Gott; sei es der Kapitän und der Reeder, wobei die Machtverteilung zwischen den beiden so heute nicht mal in einem Drehbuch denkbar wäre; sei es eben der zwischen Scott und den Schiffsoffiziellen nach der Katastrophe; sei es – und da kommt der Film gleichsam zu sich selbst – das Schiff selbst und die Naturgewalt dieser gigantischen Welle, die natürlich für „höhere Mächte“ steht und, wenn man so will, sogar impliziert, daß Scotts frevlerisches, modernistisches Gerede Strafe nach sich zieht, denn auch in seiner Rede klingt an, daß der Mensch unendlich groß ist, sich selbst genügen muß, damit Gott ihn lieben und unterstützen mag. In diese Interpretation fiele auch der Umstand, daß Scott es gerade nicht schafft, er ist von denen, die das Unglück in dieser Gruppe nicht überleben derjenige, der sich eindeutig opfert, ja, geradezu opfern muß und letztlich sehenden Auges in den eigenen Tod geht, um die anderen zu retten. Eine fast reaktionäre Sicht. In diesem Sinne steht THE POSEIDON ADVENTURE stellvertretend für all jene Filme, die durchaus den neuen Stil des ‚New Hollywood‘ reflektieren, sich seiner Elemente bedienen, zugleich aber einer eigenen, eher herkömmlich-konservativen Agenda folgen. Durch diese Wendung entwickelte sich ein ganz eigenes Spannungsfeld, vor allem dann, wenn die Ideologie, oder besser: die ideologischen Momente eines Films deutlicher zutage traten als hier und virulent wurden, wie in Don Siegels DIRTY HARRY (1971), der deutliche Einflüsse des ‚New American Cinema‘ aufweist.
Roland Neame versteht es, Zeitgeist und die Wünsche des klassisch-konservativen Hollywood geschickt zusammen zu führen, indem er sein Grüppchen um den widerspenstigen Prediger als eine Ansammlung von Schwachen, Kranken, Außenseitern und Verlierern zeigt. Das ist die klassische Dramaturgie eines John-Ford-Films. In STAGECOACH (1939) sitzen Spieler, Huren und Verbrecher in der berühmten Kutsche, die gemeinsam mit den ehrenwerten Bürgern den Grundstock einer demokratische Gesellschaft bilden. Neame zitiert das, indem er neben Reverend Scott als Antipoden einen ebenso störrischen und widerspenstigen Polizisten zeigt, der eine Kreuzfahrt mit seiner Frau, einem ehemaligen Callgirl macht, hinzu stoßen ein pillenschluckender Nerd, der sich selbst als Schwächling bezeichnet, ein Geschwisterpaar, das ohne Eltern unterwegs ist und ein wenig unter Scotts Kuratel steht, ein ältliches Ehepaar, das seinen Enkel in Israel besuchen will, eine junge Hippiefrau, die auf dem Schiff für die Überfahrt mit ihrer Band spielte und um ihren Bruder trauert, der bei dem Unglück starb, sowie ein Steward des Schiffes. Kaum wollte man diesem Haufen zutrauen, sich als einzige Überlebedende aus dem Schiffswrack zu befreien. Und all die schmucken Kerle in ihren Galauniformen? Ihnen bleibt nichts weiter als der schreckliche Tod im eiskalten Wasser. Das hat durchaus subversive Kraft und findet doch Entsprechung im klassischen Hollywoodfilm. Für jeden dieser Charaktere, die nicht ganz zu Unrecht als holzschnittartig bezeichnet wurden, stehen Neame hervorragende Charakterdarsteller zur Verfügung. Ob Ernest Borgnine, Stella Stevens, ob Shelley Winters oder Red Buttons, Roddy McDowall oder der nur in einer kurzen Nebenrolle auftretende Leslie Nielsen – eine ausgewählte Riege von Darstellern tritt hier auf und macht diese Figuren glaubwürdig und nachvollziehbar.
Eine jede dieser Figuren wird sich im Laufe des Aufstiegs, der ja, da das Schiff auf dem Kopf treibt, im Grunde ein Abstieg ist – eine Metapher, die Neame nur dezent nutzt, die er sich aber auch nicht gänzlich entgehen lässt – beweisen, wird Wissen, Fähigkeiten, Mut oder einfach Menschlichkeit zeigen und damit der Gruppe entscheidend helfen. Die Botschaft ist natürlich allzu simpel: Jeder kann es schaffen! Jeder ist etwas wert! Ein jeder hat die ihm eigenen Fähigkeiten! Doch nimmt der Film damit subtil Stellung für den Reverend, den das Publikum, das jüngere zumal, nicht zuletzt dank der Darstellung von Hackman, längst als Helden akzeptiert hat. Typische Ambivalenz eines Films dieser Zeit, dieser Dekade. Da das Zweifeln, die Auseinandersetzung mit Obrigkeit und Institution Grundthema des Films sind, wirkt er auch vor der eigentlichen Katastrophe nicht unbedingt beschwingt. Es ist der Silvesterabend, man macht sich für das Festbankett zurecht, aber gezeigt werden uns meist Konflikte: Mike und seine Frau zanken sich, Belle Rosen sorgt sich, ihr Mann Manny müht sich, sie zu beruhigen, Scott und sein Reisebegleiter streiten sich über Glaubensfragen und wie sich die Kirche dazu verhält, das Geschwisterpaar Susan und Robin streitet sich, wie sich Geschwister eben streiten, und auf der Brücke kommt es wiederholt zu Auseinandersetzungen zwischen Reeder und Kapitän, da das Schiff zu wenig Gewicht hat und eine „volle Fahrt voraus!“ so eigentlich nicht möglich ist, genau das aber vom Eigner des Schiffes verlangt wird. Nebenbei liefert der Film damit auch eine technische Erklärung dafür, daß das Schiff komplett kentern kann. Angeblich beruhte der Plot vage auf einer reellen Vorlage.
Die konfliktbeladene Grundstimmung des Films scheint eine direkte Reaktion auf seine Zeit zu sein und das kenternde Schiff symbolisiert dies nur allzu genau. Die Allegorie, die in Neames Drama liegt, drängt sich nur allzu deutlich auf: Eine zutiefst verunsicherte Gesellschaft, der nicht nur das „Ende des Wachstums“ sondern erstmals auch ernsthafte Probleme mit der Umwelt und ihrer Zerstörung prognostiziert werden, die in ihrer jüngsten Vergangenheit schon den ein oder anderen „Schiffbruch“ erlitten hatte, steht kurz vorm Kollaps. Neame zeigt die Institutionen als unfähig und greift auf den uramerikanischen Topos zurück, nach dem ein jeder es schaffen kann, ist er nur mutig, risikobereit und tatkräftig. Allerdings geht es eben nicht mehr darum, „es zu schaffen“, sondern es geht ums nackte Überleben. Von Stimmung, Personal und dem Konfliktstoff her, sind die Spuren des ‚New Hollywood‘ selbst in einem solchen Hochglanzprodukt wie THE POSEIDON ADVENTURE leicht zu entdecken. Zugleich wird diese Reflektion auf die Gegenwart des Films an ein für Hollywood typisches religiöses Untergangs- und Bestrafungsmotiv gekoppelt. So bleibt der Film ambivalent, was die Begründung für all das Grauen betrifft: Des Menschen Gier? Oder ist die fürchterliche Welle (=Sintflut) nicht doch eine direkte Strafe Gottes? Eine Strafe für unser aller Dekadenz und unsere Zweifel und eben unsere Gier?
Doch Neame versteht es eben auch, das Spektakel zu bedienen. Einen guten und spannenden, also sehr unterhaltsamen Film zu schaffen, der sein Publikum bannt. Lange bevor James Cameron die TITANIC (1997) für nahezu 250 Millionen Dollar in Mexiko erneut untergehen ließ, konnten die Special Effects, die hier spärlich, dafür aber effektiv eingesetzt wurden, überzeugen. Die Unterwasseraufnahmen des gekenterten Schiffes, das dreimal von außen gezeigt und ein jedesmal von fürchterlichen Explosionen erschüttert wird, die Feuerwalzen aus den Schornsteinen schießen lassen, sind spektakulär und vermitteln absolut den Ernst der Lage. Dazu korrespondieren sie jedes Mal direkt mit den Geschehnissen im Innern des Schiffes. So wird der Schrecken durch diese kurzen aber prägnanten Außenansichten noch gehörig gesteigert. Man spürt, wie hilflos die im Innern Eingeschlossenen diesen unkontrollierbaren Gewalten augeliefert sind. Auch die Innenausstattung des Schiffes ist liebevoll gestaltet; soweit es möglich ist, dies in den Bildern zu erfassen, muß man Set Designer Raphael Bretton hervorragende Arbeit attestieren, oblag es ihm und seiner Crew doch, das gesamte Schiff, zumindest die Teile, die die Gruppe durchwandert und die also ersichtlich sind, exakt, aber auf dem Kopf stehend, für das Set zu kreieren.
Mit einem Budget von gut 5 Millionen Dollar für damalige Zeiten ein extrem teurer Film, entpuppte sich THE POSEIDON ADVENTURE an den Kinokassen als der Hit, der er hatte werden sollen. Im Dezember 1972 gestartet, toppte der Film auch noch die Einnahmen des Jahres 1973 und wurde zu einem der erfolgreichsten Katastrophenfilme seiner Zeit. Natürlich liegt es an der Spannung, die er erzeugt, an seinen Schauwerten und vor allem den sehr guten Darstellern. Doch mag es auch ein wenig an seinem pessimistischen Grundton liegen, an der Auswahl seiner Figuren, der Anordnung dieser Gruppe, der Ernsthaftigkeit, mit der er seine Geschichte erzählt, daß der Film durch die Bank weg bei Zuschauern aller Altersgruppen gleichmäßig gut anzukommen schien.
Roland Neame hat ihn sehr stringent einem straffen Drehbuch entsprechend inszeniert, er bietet eine gute Einführung und ab dem Moment, da die Katastrophe eingetreten ist, folgt er vollkommen unbeirrbar und zielgerichtet dem Weg durch das Schiff. Mit der nötigen Tragik in den entscheidenden Momenten und einem packenden Showdown ist THE POSEIDON ADVENTURE sicher auch einer der besten Katastrophenfilme seiner Zeit. Vielleicht der beste. Ganz sicher weiß er auch heute noch, über 40 Jahre nach seinem Erscheinen, zu überzeugen und das wird in Zeiten überwältigender Computertechnik ein immer größeres Kompliment für Filme, die ein gewisses Datum bereits überschritten haben.
Großes Kino, ganz im Zeichen seiner Zeit.