JENNY/PORTRAIT OF JENNIE

William Dieterle bietet einen spannenden Mix aus Melodrama, Geistergeschichte und Kunstmeditation

New York zu Beginn der 30er Jahre. Es sind harte Zeiten für alle, erst recht für mittellose Künstler, die noch keinen Ruhm erringen konnten. Der Zeichner und Maler Eben Adams (Joseph Cotten) streift durch die Straßen, immer seine Mappe unter dem Arm, und versucht hier und da eine seiner Zeichnungen zu verkaufen. Adams leidet darunter, daß er sich zwar berufen fühlt und sein Handwerk auch durchaus beherrscht, doch findet er selten bis nie die Inspiration, die ihm zu echter Schaffenskraft, zu wirklicher künstlerischer Erweckung verhilft.

Die Galeristin Miss Spinney (Ethel Barrymore), die mit ihrem Kompagnon Mr. Matthews (Cecil Kellaway) immer mal bereit ist, Adams für ein paar Dollar eines seiner Stillleben abzukaufen, weist ihn auf seine Defizite hin. Sie mag Adams, ist sich aber nicht sicher, ob er jemals wirklich zu einem inneren Durchbruch gelangen wird.

Adams wandelt durch die Straßen. Eines Tages trifft er im Central Park ein junges Mädchen. Es ist Jennie Appleton (Jennifer Jones), die ihm sofort sympathisch ist, die aber auch seltsam distanziert wirkt, fast unnahbar. Sie singt ein Lied für Adams, dessen Text davon kündet, sie käme aus der Unendlichkeit und ginge in die Ewigkeit. Adams ist tief berührt. Doch ebenso plötzlich, wie sie aufgetaucht ist, verschwindet Jennie wieder. Allerdings bittet sie Adams zuvor, auf sie zu warten, sie sähen sich bald wieder.

Adams lebt sein Leben, zeichnet, malt und trifft sich mit seinem Kumpel Gus (David Wayne), einem Taxifahrer, der immer darum bemüht ist, Adams Aufträge zukommen zu lassen, da er dessen Unbedingtheit, die Überzeugung, zu tun, was er tun möchte, bewundert und sich fragt, ob er sein eigenes Leben nicht allzu leicht vergeudet. So gelingt es ihm bei einem Mittagsessen in einer irischen Bar, Adams mit einer Finte den Auftrag für ein Wandgemälde des irischen Freiheitskämpfers Michael Collins zu besorgen.

Adams nimmt den Auftrag nur allzu gerne an, doch geht ihm vor allem Jennie nicht mehr aus dem Kopf. Und eines Tages steht sie im Park wieder vor ihm – deutlich gealtert. Nun entspricht sie einer jungen Frau. Sie erzählt, ihre Eltern arbeiteten in einem Varieté am Broadway als Artisten. Doch Adams weiß, daß es dieses Etablissement seit mindestens 20 Jahren nicht mehr gibt. Jennie gibt Adams zu verstehen, daß sie sich in ihn verliebt hat und ihn wiedersehen möchte, doch kann sie nicht sagen, wann und wo. Doch ist sie sicher, daß die beiden einander wieder begegnen werden.

So kommt es auch. Nun ist aus Jennie in kürzester Zeit eine fast Zwanzigjährige geworden, die aufgrund des Todes ihrer Eltern in einem Kloster untergebracht ist und bald ihre Abschlußprüfungen machen soll. Adams zeigt ihr seine Zeichnungen, als sie ihn darum bittet, doch als sie seine Bilder des Leuchtturms an Land´s End auf Cape Cod sieht, scheint sich ihr Gemüt zu verfinstern. Zudem wird Adams klar, daß Jennie offenbar nicht zwischen Gestern und Morgen, Zukunft und Vergangenheit, unterscheiden kann. Doch erneut entzieht sie sich ihm. Zum Abschied bittet sie ihn darum, ein Portrait von ihr zu malen, wenn sie sich wiedersähen.

Adams ist nahezu besessen von Jennie, doch da außer ihm niemand die junge Frau je zu Gesicht bekommen hat, sind sich weder Gus noch Miss Spinney sicher, ob es die junge Frau wirklich gibt.

Bei einem weiteren Treffen besucht Adams Jennie in dem Kloster, in dem sie seit einer Weile schon lebt – obwohl nur einige Monate zwischen ihrer ersten Begegnung mit Adams und dem Zeitpunkt, an dem sie nun in die Welt hinaus tritt, vergangen sind. Jennie zeigt Adams ihre Lieblingslehrerinnen, darunter Schwester Maria Illuminata (Lilian Gish).

Wieder läßt Jennie Adams mit der Versicherung zurück, daß sie ihn liebe und er nur noch eine kleine Weile warten müsse, dann seien sie für immer vereint. Doch zuvor beginnt er das Portrait von ihr, an dem er in den kommenden Wochen weiterarbeitet, immer in der Hoffnung, sie bald wieder zu sehen.

Als Miss Spinney und Mr. Matthews das Bild erstmals sehen, sind beide begeistert. Miss Spinney erklärt Adams, daß man sähe, daß er nun wahre Inspiration gefunden habe und beseelt sei. Adams ist glücklich.

Erneut trifft er Jennie, als sie eines abends in seiner Wohnung sitzt und sich seine Zeichnungen anschaut. Wieder ist sie seltsam berührt von den Bildern des Leuchtturms. Adams und Jennie verbringen die Nacht miteinander, gehen spazieren, küssen einander auch erstmals inniglich und im Morgengrauen vollendet Adams das Portrait. Doch dann muß sie gehen. Entgegen Adams´ Annahme, nun sei die Zeit angebrochen, in der die beiden nicht mehr voneinander getrennt werden – Jennie hat u.a. ihre Abchlußprüfungen abgelegt – kündigt sie ihm an, den Sommer mit ihrer kranken Tante auf einer Reise verbringen zu müssen. Sie fühle sich der alten Dame verpflichtet, hatte die doch damals, nach dem Tod ihrer Eltern, dafür gesorgt, daß Jennie gut untergebracht wurde und ihre Ausbildung genießen konnte.

So verbringt Adams den Sommer allein. Er leidet schwer unter der Trennung. Als der Herbst kommt, kommt Jennie nicht zurück. Schließlich unternimmt Adams Nachforschungen. Er versucht, herauszufinden, wo genau das Varietétheater stand, wo Jennies Eltern auftraten, er trifft einen der ehemaligen Pförtner des Theaters und mit Clara Morgan (Maude Simmons) sogar eine Frau, die Jennie als Kind kannte. All diese Nachforschungen beweisen allerdings nur, daß zwischen der Jennie, die Adams kennen gelernt hat und der Jennie, die all diese Menschen einst kannten, Jahre, wenn nicht Jahrzehnte liegen.

Schließlich fährt er aus der Stadt in das Kloster, wo Jennie ihre Schulzeit verbracht hat. Hier erfährt er von Schwester Maria Illuminata, die sich gut an Jennie erinnert, daß diese im Jahr 1928 vor Cape Cod, in der Nähe von Land´s End bei einem fürchterlichen Sturm ums Leben kam, als sie allein mit einem Segelboot aufs Meer hinausgefahren war. Adams ist wie vor den Kopf gestoßen. Doch nun kommt ihm eine Idee: er muß am 5. Oktober, dem Jahrestag des Orkans, selbst vor Cape Cods segeln, dann werde er Jennie wiedertreffen.

So kommt es, daß er am betreffenden Tag ein Boot mietet und schließlich von einem gewaltigen Sturm überrascht wird. Mit letzter Kraft gelingt es ihm, den Leuchtturm zu erreichen, das Boot zerschellt an den Klippen. Er erklimmt den Leuchtturm und ruft nach Jennie. Von der Plattform des Leuchtturms aus kann er schließlich ihr Boot auf dem Meer erkennen. Sie schafft es ebenfalls auf die Klippen und die beiden laufen im Sturm aufeinander zu. Sie fallen sich in die Arme und beide schwören, einander nie wieder loszulassen. Doch Adams will sie in Sicherheit bringen, Jennie ihrerseits fragt mehrfach, wogegen er denn so kämpfe? Als eine gewaltige Welle die kleine Insel überschwappt, wird Jennie schließlich aus seinem Arm und ins Meer hinaus mitgerissen. Sie ruft ihm zu, daß ihre Liebe unendlich sein werde – und bis in die Ewigkeit anhalte.

Anderntags wacht Adams in einem Bett auf. Er befindet sich im Haus des Arztes des kleinen Ortes. Einige Männer hatten ihn gesucht und schließlich auf Land´s End gefunden. So konnte er gerettet werden. Miss Spinney ist an sein Lager geeilt und so kann er ihr sagen, daß er nun frei sei und sich auf sein Leben und seine Arbeit konzentrieren könne.

Im Metropolitan Museum of Art schauen sich einige Mädchen das Portrait von Jennie an, das nun hier hängt. Sie philosophieren darüber, wie der Künstler empfunden haben muß, um solch ein schönes Bild zu malen. Da nähert sich ihnen eine ältere Dame. Es ist Miss Spinney, die eine der jungen Damen darauf hinweist, sie habe etwas sehr kluges gesagt: Wahre Kunst sei zeitlos. Sie habe kein Morgen und kein Gestern, sondern sei immer im Jetzt.

Hollywood war immer offen für Innovationen, auch das klassische Studio-System. Aber sie durften nicht allzu schräg sein, das Publikum überfordern, zu sehr die Kunst bedienen und den Kommerz vernachlässigen. Hollywood war immer eine Industrie, das sollte man bei aller Romantik über jene „goldenen Jahre“, als es in der Traumfabrik „mehr Stars als Sterne am Himmel“ gab – ein beliebter Slogan jener Jahre – nicht vergessen. Einzelne, meist unabhängige Produzenten konnten aus den Mustern, den Stereotypen, den vorgegebenen Rastern ausbrechen, die vor allem die kleineren Studios bedienten, weil sie gewisse Rezepte, die einmal erfolgreich gewesen waren, wieder und wieder reproduzierten, da sie genau damit Gewinne machten. Zu diesen unabhängigen Produzenten gehörte ohne Zweifel David O. Selznick, der enorm erfolgreiche Filme produzierte – allen voran natürlich GONE WITH THE WIND (1939), inflationsbereinigt wohl immer noch der erfolgreichste Film aller Zeiten – , der es sich aber auch erlauben konnte, immer mal wieder Risiken einzugehen, thematisch wie formal. Er holte Alfred Hitchcock aus England und ließ ihn die ersten Filme in Amerika drehen, er produzierte INTERMEZZO, A LOVE STORY (1939), zu seiner Zeit ein Skandal, weil er eine außereheliche Affäre nicht vollends verurteilte, und er produzierte einen Film wie PORTRAIT OF JENNIE (1948).

William Dieterle, der Regisseur des Films, hatte bereits mit Selznick zusammengearbeitet, er hatte zuvor auch schon Filme gedreht, die nicht unbedingt der Hollywood-Norm entsprachen – vor allem THE DEVIL AND DANIEL WEBSTER (1941) – und war prädestiniert, einen Film zu realisieren, der als seltsam anmutender Genre-Mix daherkam. Eine komplizierte, als Melodrama angelegte Liebesgeschichte, die deutliche Fantasy-Elemente aufweist, ein Künstlerdrama, das um die Frage von Inspiration und Muse kreist, eine Geister-Story um eine Frau, die scheinbar in mehreren Zeitebenen zugleich zuhause ist – das auf einem Roman von Robert Nathan basierende Drehbuch von Paul Osborn und Peter Berneis bot eine wilde Mischung. Dieterle setzte den Stoff mit großem Aufwand, Stars und einer Reihe spezieller visueller Effekte um, wofür Selznick ihm ein für damalige Verhältnisse enormes Budget – man sprach von nahezu vier Millionen Dollar – zur Verfügung stellte. Und er ließ Dieterle zudem für seine, Selznicks, Verhältnisse ungewöhnlich freie Hand, was u.a. die Drehzeit beinhaltete – fast anderthalb Jahre dauerte es, bis der Film fertiggestellt war. Das Ergebnis konnte sich – und kann sich immer noch – dann allerdings auch sehen lassen.

Joseph Cotten gibt den grüblerischen Maler Eben Adams, der eines Tages ein junges Mädchen im Central Park trifft. Es ist die später von ihm portraitierte Jennie, der Jennifer Jones Leben einhauchen durfte. Wobei der Begriff „Leben“ hier natürlich nicht einer gewissen Ironie entbehrt, ist dieses Mädchen, bzw. die Frau, zu der sie extrem schnell heranzuwachsen scheint, längst tot, als Adams sie kennenlernt. Das ahnt der Zuschauer auch bald, weswegen man den Aspekt der Geistergeschichte, obwohl der Film genau eine solche ist, nicht zu sehr betonen sollte. Es ist kein Gruselfilm und erst recht kein Horrorfilm, nicht einmal ein Gespensterfilm ist dies im eigentlichen Sinne. Daß Jennie nicht mehr lebt, ist die Grundbedingung für die zu erzählende Geschichte, sonst nichts. Diese Geschichte handelt im Kern von einem Künstler, der sein Handwerk zwar versteht, dem es aber an Inspiration mangelt, in dem kein Feuer, keine „Liebe zu seiner Sache“ brennt, wie es ihm eine befreundete Galeristin, Miss Spinney, erklärt. Erst Jennie wird ihm zur Inspiration und es stellt sich die Frage – die das Drehbuch nie beantwortet, weshalb man auch ins Grübeln gerät, worin eigentlich die Motivation der jungen Frau liegt, sich genau diesen Mann „auszusuchen“ – ob sie ihm als eine Art Muse „geschickt“ wurde oder er sie sich tatsächlich – wie es ihm nicht nur Miss Spinney, sondern auch andere, u.a. sein Freund Gus, nahelegen – nur eingebildet hat.

Geschickt vermeidet der Film es, Jennie jemals mit ihm und anderen gemeinsam zu zeigen, was den Eindruck, sie ein Hirngespinst, verstärkt. Andererseits wird die ganze Geschichte konsequent aus Adams´ Sich erzählt, so daß der Zuschauer dessen Wahrnehmung notgedrungen als – filmisch – objektiv annehmen muß. Lediglich in einer Szene sehen wir Spinney, die Adams zufällig im Park trifft, wie sie seinem Blick folgt, dorthin, wo zumindest er eben noch Jennie gesehen hat. Aber Miss Spinney ist Adams´ Mentor und Mäzenin, sie versteht sein Sehnen nach künstlerischem Ausdruck und künstlerischer Erfüllung, sie verfügt selbst über einen künstlerischen Blick, die nötige Sensibilität sowohl für das Übernatürliche, wenn es denn hier am Werk sein sollte, oder aber für Adams´ Imagination und deren Kraft.

Das Portrait, welches schließlich in Adams Dachatelier von Jennie entsteht, wird ihm eines Tages Ruhm einbringen, es hängt im New Yorker Metropolitan Museum of Art und wird von Menschen bewundert, die „von weit herkommen, nur um es zu sehen“, wie Spinney es ihm einmal prophezeiht. Dies ist der Kern der Geschichte: Der Künstler, der liebt und dessen Liebe ihn erst zu einem vollendeten Künstler werden lässt. Adams liebt Jennie, er liebt aber eben auch die Kunst. Er ist bereit, für diese Liebe, die schließlich in eins fällt, weit zu gehen, ja, sein Leben zu riskieren. So wird PORTRAIT OF JENNIE ein reines Künstlerdrama. Alles an dieser Geschichte kann man als konkrete Handlung aber ebenso als Metapher oder allegorisch begreifen. Auch die Abwesenheit des Künstlers in der letzten Szene, in welcher Spinney, kaum verändert, den jungen Frauen im Museum erklärt, was es mit der Zeitlosigkeit der Kunst auf sich hat – anhand des von Adams gemalten Bildes – hebt einmal mehr den allegorischen Gehalt der Geschichte hervor. So wie Spinney, gespielt von der fantastischen Ethel Barrymore, schon bei ihrem ersten Auftritt im Film deutlich älter als Adams ist, so scheint sie im Museum über einen Künstler zu sprechen, der lange schon tot ist, sie selbst aber scheint um keinen Tag gealtert. Möglicherweise – der Film gibt uns immer mal wieder Hinwiese, daß es so sein könnte – versteht Miss Spinney sehr viel mehr von dem Wesen, der Wesenheit, namens „Jennie“, als Adams – oder der Zuschauer – ahnt. Vielleicht ist sie ihr sogar wesensverwandt.

PORTRAIT OF JENNIE setzt immer wieder die Zeit außer Kraft, womit der Film ihn in den Bereich der Fantasy vordringt. Doch nutzen Buch und Regie diese Tatsache, ebenso wie das Geister-Motiv, geschickt, um eben etwas über die Zeitlosigkeit der Kunst und ihrer Objekte – letztlich also auch über den Film als Kunstwerk – auszusagen. Doch gelingt es Dieterle ebenso, von einer tief empfundenen Liebe zu erzählen. Dies tut er dann mit den Mitteln des Melodramas. Er schrammt dabei – 1948 mag man da weniger empfindlich gewesen sein, mehr die romantische Seite eines Mannes, der wartet, gesehen haben – sehr knapp an einer Pädophilen-Geschichte vorbei. Denn der erwachsene, durch die Härten der „Großen Depression“ – der Film spielt zu Beginn der 30er Jahre – gezeichnete Adams verliebt sich eindeutig in ein Kind. Es mag ein ungewöhnliches Kind sein, das sich ihm da im Central Park vorstellt, doch verfällt er eben diesem Kind, seinem Charme, seinem Liebreiz. Er werde auf sie warten, versichert er ihr auf ihre Bitte hin. Und er wundert sich zwar, daß sie – obwohl die Abstände, in denen sie sich sehen, Wochen, bestenfalls Monate umfassen – immer deutlich älter ist, als sie nach allen Erkenntnissen der Biologie und der Entwicklungspsychologie überhaupt sein könnte, doch ist die Liebe, die er empfindet, ist die Inspiration, die Jennie in ihm entfacht, wesentlicher und wichtiger. Und Liebe macht ja bekanntlich blind, Man sollte also wirklich eher auf den allegorischen Gehalt der Geschichte setzen, als auf die konkrete Story, denn in der bleibt ein fader Geschmack hängen.

Dieterle hatte, wie erwähnt, ein großes Budget zur Verfügung und er setzte es vor allem für großartige visuelle und teils spektakuläre Spezialeffekte ein. Immer wieder sehen wir atemberaubende Flugbilder von New York, wir sehen Wolkengebilde, die sich in majestätischen Bewegungen ineinanderschieben, aufblähen, den Himmel pathetisch einnehmen. Zum Schluß des Films muß Adams in einem aufsehenerregenden Sturm zu einem Leuchtturm auf Land´s End auf Cape Cod segeln, um ein letztes Mal mit Jennie in Kontakt treten zu können. All diese Bilder sind überwältigend, sie füllen die Leinwand, sie ziehen den Zuschauer mit ungeheurer Gewalt in ihren Bann. Obwohl ein in Schwarz-Weiß gedrehter Film, nutzt Dieterle schließlich sogar das Technicolor, um das Außergewöhnliche der Situation zu betonen und färbt die Bilder des Sturms erst giftig grün, dann blau ein. Im Schlußbild schließlich nimmt das Portrait von Jennie endlich Farbe an und wir sehen das wunderbare Gemälde – für den Film von Robert Brackman gemalt – in seiner ganzen Pracht. Joseph H. August hatte für Dieterle die Kamera geführt und war wesentlich an diesen beeindruckenden Bildern beteiligt.

Aber es gibt auch weniger aufwendige, dennoch das Geschehen hintergründig und subtil unterstreichende und kommentierende Effekte. Gerade zu Beginn des Films weisen die Bilder gelegentlich eine seltsame Struktur auf. Sie wirken wie Leinwände, auf denen sich jedoch die Motive bewegen: Straßenszenen, Szenen im Park im tiefen Schnee, Momente in Adams´ Atelier. Nach einigen Sekunden dann, meist durch eine Schnitt markiert, wechseln die Bilder dann in den „normalen“ Filmmodus. Und auch die Begegnungen mit Jennie werden immer wieder durch visuelle Effekte verfremdet. Zweimal sehen wir sie in einem nahezu unwirklichen Licht im Park verschwinden; wenn sie Adams schließlich Modell sitzt, scheint sie von einer Aura umgeben, als sei sie hinter eine Wand aus Rauchglas entrückt. Auch diese Effekte verweisen in den Bereich der Fantasy.

Anders als ein Horrorfilm und anders als die meisten Geisterfilme der Zeit, verweigert sich PORTRAIT OF JENNIE recht konsequent jeglicher Erklärung. Das kann man ihm als Schwäche auslegen – noch einmal: Wieso sucht sich der Geist dieser jungen Frau, die nach den Zeitangaben, die der Film liefert, schon tot sein muß, bevor Adams sie in der von ihm empfundenen Zeit erstmals trifft, gerade diesen Mann aus? – , man kann es aber auch als eine wirklich mutige Entscheidung der Filmemacher sehen. Eine Entscheidung für den erwachsenen Zuschauer, eine Entscheidung, die Mut zur Lücke, zur Auslassung ausweist – und damit außerordentlich modern anmutet.

So wird der Zuschauer mit einem Mystery-Movie, einem Melodrama, einer großen, tiefen Leinwand-Liebe und einer hintergründigen Meditation über das Wesen der Kunst, den Künstler und seine Stellung in der Gesellschaft belohnt. PORTRAIT OF JENNIE kann auf nahezu allen Ebenen überzeugen und er weist sogar Humor auf, wenn er Adams gemeinsam mit seinem Freund Gus in einem irischen Lokal essen lässt und Gus seinem mittellosen Freund gleich mal einen Auftrag für ein Wandgemälde des irischen Rebellen Michael Collins vermittelt, indem er dem Wirt gegenüber an den Patriotismus der Iren appeliert. Auch über 70 Jahre nach seiner Veröffentlichung kann William Dieterles Film überzeugen – und zeugt zugleich davon, daß auch das klassische Hollywood durchaus schräge, andere Filme abseits des damaligen Mainstreams hervorbringen konnte.

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