LAWMAN

Beachte die Regeln!

Nach einem Viehtrieb haben sich der Farmer Bronson (Lee J. Cobb) und einige seiner Männer in einer kleinen Stadt vergnügt, dabei wurde es wild und ein alter Mann ließ sein Leben.

Monate später taucht der Marshal Jered Maddox (Burt Lancaster) in der Kleinstadt Sabbath auf, welche von Bronson abhängig ist, diesem jedoch auch viel zu verdanken hat. Maddox wendet sich mit einer Liste der Tatverdächtigen an den örtlichen Sheriff Cotton Ryan (Robert Ryan), welcher offen zugibt, von Bronson gekauft zu sein. Maddox verlangt, daß sich die Männer bis Mittag des folgenden Tages zu stellen hätten, um einem Gericht vorgeführt zu werden. Ryan lacht ihn aus, reitet dann jedoch zu Bronson, um diesen von den Vorkommnissen zu unterrichten.

Bronson möchte gern einen finanziellen Ausgleich mit den Angehörigen des Opfers, nicht möchte er, daß seine Männer verhaftet werden. Auch möchte er keinen Kleinkrieg mit dem „Lawman“ Maddox, dem Ryan attestiert, gefährlich zu sein. Bronsons Vorarbeiter Harvey (Albert Salmi) reitet mit einem Kumpel, dem Cowboy Choctaw in die Stadt, sie werden von Maddox gestellt, der Choctaw deutlich macht, sich aus allem rauszuhalten, auf ihn habe er es nicht abgesehen. Harvey überlebt diese Begegnung nicht.

Maddox stellt fest, daß seine alte Geliebte Laura Shelby (Sheree North) mit einem der Cowboys, Hurd Price (J.D. Cannon) befreundet ist. Der und sein Kumpel Vernon Adams (Robert Duvall) fliehen. Shelby will vermitteln, Maddox läßt sich nicht darauf ein. Er verfolgt die Männer, nachdem es ihm und dem Sheriff gelungen ist, einen weiteren der Tatverdächtigen dingfest zu machen. Maddox fängt Adams ein, Price flieht. Maddox und sein Gefangener kommen zu Shelbys Haus, Adams will Laura überreden, ihn zu befreien, sie weigert sich und sagt dies auch Maddox: Sie will keine weiteren Toten, dafür will sie ihn, in ihrem Bett. Sie erklärt sich bereit, ihm wohin auch immer zu folgen, wenn er seinen Job aufgibt. Maddox erklärt sich einverstanden.

Als er in die Stadt zurückkommt, um sich abzumelden und dem Sheriff mitzuteilen, daß er niemanden mehr mitnehmen will, haben sich Bronson und seine verbleibenden Männer eingefunden, um die Sache zu Ende zu bringen. Maddox will nicht kämpfen, doch als der Kampf ausbricht, tötet er praktisch jeden auf der Straße, außer Bronson. Dieser – gebrochen, da sein Sohn unter den Toten ist – richtet sich schließlich selbst, der feige Price ist in Lauras Armen gestorben, nachdem ihm Maddox in den Rücken geschossen hat. Maddox reitet davon, allein.

LAWMAN (1971) war Michael Winners vierter Film, der ihn erstmals wirklich auf die Agenda des Publikums setzte. Und er definierte schon, wodurch Winner dann im Laufe der Zeit berühmt und berüchtigt werden sollte – knallharte, brutale und schnörkellose Action, dabei mitunter eine fragwürdige Moral vertretend. Letzteres spielte in diesem Spätwestern noch keine so große Rolle. Der Film kommt fast wie die Neuverfilmung eines Robert-Mitchum-Vehikels der späten 50er Jahre daher: In THE MAN WITH THE GUN (1955) wird nahezu diesselbe Story erzählt, allerdings etwas weniger blutig. Dort „reinigte“ Robert Mitchum mit versteinerter Mine ein Kaff von den dort ansässigen Banditen, hier ist es ein nahezu maskenhafter Burt Lancaster, der allerdings schon in seiner Funktion als Marshal in die Stadt Sabbath kommt, während Mitchum sich dazu er machen ließ, um seine Aufgabe erfüllen zu können. Beiden ist gleich, daß sie vollkommen gefühlskalte Männer sind, die ihren Sadismus und ihre Gewalttätigkeit auf legalem Wege ausleben. Und beiden wird von einer Frau klar gespiegelt, was sie sind.

Mitchum war es am Ende seines Films 1955 noch vergönnt, zwar verletzt, dafür aber in den Armen einer schönen Frau ein neues Leben anzufangen. Für Lancaster gibt es hier keine Erlösung. Maddox muß allein davonreiten. Das hat unter anderem den Grund, daß der Film, der nahezu zwei Drittel seiner Laufzeit hervorragend funktioniert, plötzlich enorm unentschlossen ist und aufgrund dessen in den letzten 20, 25 Minuten ins Schlingern gerät. Gerade das Verhältnis zwischen Maddox und seiner Exgeliebten, die zuvor – glaubwürdig – versichert hatte, nichts mehr von ihm wissen zu wollen und ihn nahezu vergessen zu haben, dafür aber ihren jetzigen Mann, Hud Price, der eine kleine Farm betreibt, wirklich zu lieben, verändert sich innerhalb von Minuten derart häufig – sie will Adams helfen, dann doch nicht, weil sie keine Gewalt mehr ertragen kann, eigentlich aber will sie mit Maddox schlafen, sogar fortgehen  will sie mit ihm, dann aber, in der Stadt, als sie Zeugin des Shoot-outs wird und der Gewalt, zu der Maddox fähig ist, nimmt sie doch lieber ihren feigen sterbenden Kerl in den Arm, was Maddox beweist, daß er nicht auf sie zählen kann – , daß man dem als Zuschauer nur noch staunend folgen kann. Das ist der eine Schwachpunkt, der andere ist Maddox´ arg schneller und weder dramaturgisch noch psychologisch sehr nachvollziehbarer Meinungsumschwung hinsichtlich seiner Zukunft.

Lancaster war vorgeworfen worden, die Rolle gehöre zu seinen schlechtesten Leistungen ob der Maskenhaftigkeit, mit der er Maddox spielt. Doch im Rahmen der Rolle und dessen, was Winner verlangt, ausgehend davon wie er Maddox inszeniert, ist es völlig folgerichtig, daß dieser Mann nahezu gar keine Mimik hat. Winner gelingt es fast – fast, weil die letzten 20 Minuten des Films so gar nicht funktionieren – einen neuen Typus eines mythischen Helden einzuführen, der viel mit Eastwoods „Mann ohne Namen“ aus den Leone-Dollar-Western gemein hat. Im Jahr 1971 hatte der klassische Westernheld vom Schlage eines John Wayne längst ausgedient, der „gebrochene“, „psychologische“ Held – wie Ethan Edwards in THE SEARCHERS (1956) oder Anthony Manns von Jimmy Stewart dargestellte Männer – hatte ebenfalls seinen Auftritt gehabt, mit dem „Mann ohne Namen“ war der Zyniker geboren, jener Held, der keiner mehr ist, der für Geld arbeitet, ein „professional“ eben, dem egal ist, wer ihn beauftragt solange das Geld stimmt.

Dieser „Lawman“ ist eben vom Typ her mit dem Eastwoodcharakter verwandt, jedoch ist er ein Mann des Gesetzes. Er tötet, doch tut er es nicht für Geld, sondern für das Gesetz. Würde Maddox nicht Laura treffen, hätten wir es zwar mit einem Mann mit Namen zu tun, dafür aber mit einem ohne jede Geschichte. An einer Stelle erklärt Maddox seine Beweggründe: Es gebe Regeln und die müssten befolgt werden, sonst könne die Gesellschaft nicht bestehen. Und es müsse Männer wie ihn geben, die bereit wären, diese Regeln ohne Wenn und Aber durchzusetzen. Dieses Beharren auf den Regeln macht aus ihm fast eine mythische Gestalt. Sein Ziel, sein Vorhaben, das, was er als seine Aufgabe betrachtet, verfolgt er nahezu monolithisch graniten, ohne sichtbare Regung. War es zuvor entweder der Bandit – Jesse James, Billy the Kid oder der fiktive Ringo – oder einer der namenlosen Cowboys, die als Helden der Prärie galten, kam erst relativ spät der Marshal/Sheriff als positive Figur hinzu (HIGH NOON/1952). Winners LAWMAN hätte das Zeug, eine Mythologie dieses Typus zu begründen. Lancaster arbeitet diesen Mann – gnadenlos, brutal aber bereit, sich innerhalb des Rahmens des Gesetzes zu bewegen – sehr gut heraus. Maddox macht immer klar, daß er nie zuerst zieht, daß er aber – der Cowboy Choctaw will es unbedingt von ihm wissen, weil er sich für schneller hält als Maddox – immer zuerst tötet, weil zum Töten eben mehr gehöre als schnell zu ziehen. Wenn Maddox dann im abschließenden Shoot-out Price einfach von hinten erschießt, nachdem dieser zum zweiten Mal einfach wegrennt und andere allein kämpfen läßt, dann ist dies eine für Maddox weitreichende Handlung: Er bricht nicht nur seine ehernen Grundsätze, sondern stellt sich mit dieser Tat auch außerhalb all dessen, was im Film seine Welt, also sein Handeln ausmacht und bestimmt. Er reitet also allein davon, allerdings nicht nur verlustig seiner Liebe (Laura), sondern auch verlustig seiner Würde als „Lawman“. Möglicherweise auch verlustig seines Berufs.

Michael Winner hat das alles recht rasant und stringent inszeniert. Und anders als in seinem berühmt-berüchtigten DEATH WISH (1974) mit Charles Bronson (sic!), der nur drei Jahre später entstand, gelingt ihm hier, was ihm auch in CHATO`S LAND (1972) und mehr noch in dem Agententhriller SCORPIO (1973) gelang: Er gibt dem Film subtextuell durchaus kritische Untertöne. Der Vergleich mit SCORPIO ist interessant, den nicht nur ist es auch dort Burt Lancaster, der eine der Hauptfiguren spielt, sondern wie hier, geht es um Männer, die möglicherweise längst verstanden haben, daß ihre innere Motivation und das, wofür sie kämpfen nicht mehr übereinstimmen, die jedoch unbedingt im Rahmen dessen,was sie „Regeln“ nennen, funktionieren müssen, sonst funktioniert ihre Welt nicht mehr.

Hier in LAWMAN gibt es neben Maddox noch die Figur des Großranchers Bronson, der dies zum Ausdruck bringt, gleich zweimal. Einmal, als er die Indianer lobt und sich verächtlich über jene Weißen äußert, die die Indianer nicht ernst nähmen. Zugleich jedoch erzählt er davon, wie er und seine Brüder einst einen ganzen Stamm Komantschen ausgemerzt hätten: Nur innerhalb der Regel, daß der Indianer zu „besiegen“ sei und dazu eben getötet werden muß, kann man gleichberechtigt über ihn reden. Das zweite Mal – und dieses Mal wird es interessanter, weil es den Tod für Bronson und einige Männer bedeutet – wird das Sichhalten an Regeln überdeutlich, als Bronson und seine Männer losreiten in die Stadt um Maddox zu töten. Zuvor wollte Bronson einen friedlichen Ausgleich, nach dem Tod seines Vorarbeiters will er davon nichts mehr wissen. Die „Regel“ des Weste(r)ns verlangt Rache. Wir haben Bronson zuvor im Gespräch mit Harvey gesehen, dabei wurde deutlich, daß dieser für seinen Boss mehr als „nur“ ein Vorarbeiter ist. Deshalb muß nun „Blut für Blut fließen“. Bronson sagt das auch klar und deutlich: Harveys Tod habe alles verändert.

LAWMAN ist ein guter Western, dem auf den letzten Metern die Luft ausgeht. Dennoch ist er in all seiner Härte und Stringenz unterhaltsam und deutlich über dem Durchschnitt dessen, was zum Beispiel der späte John Wayne und sein Hausregisseur Andrew V. McLaglen in diesen Jahren auf die Leinwand brachten. Lohnt sich.

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