MESSER AN DER KEHLE/WESTBOUND
Eine Kooperation von Budd Boetticher und Randolph Scott, die nicht dem Ranown-Zyklus zuzuordnen ist
Im Jahr 1864 ist der Bürgerkrieg in den USA an einem toten Punkt angekommen. Für beide Seiten wird der Konflikt immer teurer. Die Union fördert Gold in Kalifornien und lässt es im großen Stil gen Osten transportieren. Leider werden die Kutschen immer wieder Opfer allerlei Banditen und vor allem von Südstaatlern, die den Geldfluß unterbrechen wollen.
Das Kommando der Union bittet Captain John Hayes (Randolph Scott), in seine Heimatstadt Julesburg in Colorado zurückzukehren und dort die Leitung der Overland Stagecoach Line zu übernehmen. Diese Postkutschengesellschaft soll zukünftig den reibungslosen Transport des Goldes übernehmen. Hayes soll ein System aus Stationen aufbauen, wo die Kutschen mit frischen Pferden etc. versorgt werden.
Auf der Reise gen Westen, die er selbst in einer der Kutschen unternimmt, lernt Hayes den Unionssoldaten und Kriegsversehrten Rod Miller (Michael Dante) kennen. Der junge Mann hat im Gefecht einen Arm verloren. Trotzdem ist er bester Dinge und freut sich auf seine Verlobte Jeannie (Karen Steele). Als die Kutsche am Anwesen der Millers, einer kleinen Farm, die Jeannie momentan allein bestellt, hält, bietet Hayes den beiden an, seine erste Station zu werden.
In der Stadt selbst führt Clay Putnam (Andrew Duggan) das große Wort. Er, der einst für die Overland Stagecoach Line gearbeitet hatte, ist nun ein glühender Vertreter der Sache des Südens, hat seinen Job gekündigt und geschworen, den Goldfluß für die Union zu unterbinden. Mit Hilfe des Revolvermanns Mace (Michael Pate) kann Putnam Angst und Schrecken verbreiten. Zu allem Überfluß muß Hayes feststellen, daß Putnam mit Norma (Virginia Mayo) verheiratet ist. Hayes und Norma waren einmal ein Paar.
Mace verwickelt Rod in ein Handgemenge, beleidigt den Ex-Soldaten als „halben Mann“, der nichts mehr wert sei und trifft damit Rods geheime Ängste. Mace will auch Hayes töten und so kurzen Prozeß machen, doch Putnam weiß dies zu verhindern. Nicht nur waren er und Hayes einmal Freunde, vielmehr fürchtet er, daß Hayes´ Tod zu fürchterlichen Vergeltungsschlägen der Union führen würde.
So müssen sich Mace und seine Männer damit begnügen, die Kutschen zu überfallen, das Gold zu stehlen und – je mehr sich Hayes´ Netz ausweitet – immer wieder die Poststationen anzugreifen und die Pferde zu stehlen oder zu vertreiben.
Zwischen Putnam und Hayes gibt es aber auch einen unausgesprochenen Kampf um Norma, die von Putnam verdächtigt wird, heimlich immer noch Hayes zu lieben.
Bei einem Attentat soll Hayes nun doch getötet werden, doch erwischt es Rod, der mittlerweile mit der Winchester und seinem Colt gut genug umgehen kann, um auch einhändig wehrhaft zu sein.
Bei einem weiteren Überfall auf eine der Kutschen, eskaliert die Situation, als der Wagen außer Kontrolle gerät und eine Schlucht hinabstürzt. Alle Insassen, darunter ein Kind, sterben.
Nun wendet sich einer der Offiziellen der Stadt an Hayes und verdeutlicht ihm, daß man zwar gewisse Sympathien für den Süden hege, von Putnam und dessen Methoden und erst recht von Mace aber angewidert sei. Hayes solle versichert sein, daß eine beträchtliche Anzahl von Bürgern hinter ihm stünde, wenn es zu einem offenen Kampf käme.
Zwischen Putnam und Nora kommt es zu einem Streit. Nach dem Tod des Kindes und der anderen Insassen der Kutsche, ist auch sie weit davon entfernt, Putnams Kampf noch nachzuvollziehen. Als Putnam ihr schwört, daß er den Angriff auf die Kutsche weder gewollt noch angeordnet habe, macht Nora ihm klar, daß sie ihn so oder so verlassen werde, sollte jedoch Hayes, den sie immer noch liebt, etwas zustoßen, werde sie dafür sorgen, daß Putnam dafür hänge. Der hofft, mit einer waghalsigen Aktion Mace von dessen Mordkomplott gegen Hayes abbringen zu können und damit seine Ehe zu retten.
Doch Mace, der Putnam bei ihrem letzten Gespräch gesagt hatte, daß ihm persönlich der Ausgang des Krieges vollkommen egal sei, nur seine Kasse müsse stimmen, hat es in der Stadt nun drauf ankommen lassen. Es kommt zu einem Feuergefecht mit Hayes. Putnam gerät zwischen die Linien und wird von Mace tödlich verwundert. Hayes tötet Mace und wird im Kampf gegen dessen Männer wie abgesprochen von den Bürgern der Stadt unterstützt.
Der im Sterben liegende Putnam bittet Hayes, sich um Nora zu kümmern, was dieser verspricht. Doch schnell wird auch Nora klar, daß Hayes nicht mehr an ihr interessiert ist. So zieht sie von dannen, um ein neues Leben im Norden zu beginnen. Hayes seinerseits bittet Jeannie, weiterhin die Poststation zu führen, was ihm Grund böte, ab und an mal vorbei zu kommen. Jeannie sagt ihm zu.
Es sind ja meist einzelne Filme, die einen Regisseur in einen gewissen Rang erheben. Selten, daß ein Regisseur mit nahezu jedem Film ein Meisterwerk abliefert. Im Falle von Budd Boetticher sind es die Filme, die als Ranown-Zyklus in die Geschichte Hollywoods eingegangen sind und ihm zeitlosen Ruhm eingebracht haben.
Je nach dem Grad an Purismus, dessen sich der Betrachter rühmt, werden dazu sechs oder sieben Filme gezählt, die Boetticher gemeinsam mit dem Schauspieler Randolph Scott gedreht hat, wobei Scott auch Produzent der Filme war. Er hatte sich mit dem Produzenten Harry Joe Brown zusammengetan – Ranown war ein Konglomerat aus Scotts Vor- und Browns Nachnahmen – und eine eigene Firma gegründet, die ihn zu einem der reichsten und unabhängigsten Schauspieler in Hollywood machte. Hinzu kam der Drehbuchautor Burt Kennedy, der die Drehbücher für die meisten dieser Filme verfasste.
Während der erste Film des Zyklus – SEVEN MEN FROM NOW (1956) – bereits dazu gezählt wird, obwohl Brown noch nicht mit an Bord war, da er alle Zutaten enthält, die so wesentlich für die Zusammenarbeit des Trios wurde, wird WESTBOUND (1959) gern aus der Gleichung gestrichen. Weder Brown als Produzent, noch Kennedy als Drehbuchautor waren an dem Projekt beteiligt. Viel deutet darauf hin, daß der Film eine Gefälligkeit Boettichers war, um die Zusammenarbeit mit Scott nicht zu gefährden. Und vergleicht man den Film mit jenen, die dem Ranown-Zyklus de facto zugeordnet werden, dann weist er wirklich nur wenige Ähnlichkeiten auf. Nichts von dem manchmal kalten Spiel Scotts, von jenen traumatisierten Männern, die mit stoischer Ruhe ihrer Rache nachgehen oder sich bemühen, nach einem Schicksalsschlag die Contenance zu bewahren und ihr Leben weiter zu führen. Viel eher erinnert WESTBOUND an Werke, die Scott zu dieser Zeit abseits seiner Zusammenarbeit mit Boetticher drehte. Filme wie SEVENTH CAVALRY (1956), in dem er, wenn auch in einem anderen Setting, ebenfalls einen Oberst der Kavallerie spielte.
WESTBOUND ist dennoch zumindest im Ansatz ein interessanter Western, da sein Sujet ein eher seltenes ist: Der amerikanische Bürgerkrieg. Da der andauert und beide Seiten, der Norden wie der Süden, große Probleme haben, ihre Unternehmungen zu finanzieren, soll Captain John Hayes, gespielt von Scott, dafür sorgen, daß die Postkutschen aus dem Westen durchkommen, da sie das Gold aus Kalifornien transportieren, welches die Union so dringend benötigt. Natürlich warten im Westen allerhand Schwierigkeiten auf Hayes, die er aber allesamt recht flott – der Film hat eine Spielzeit von gerade einmal knapp 70 Minuten – bereinigen und so dafür sorgen kann, daß seine Vorgesetzten sich keine Sorgen mehr machen müssen. Der Sezessionskrieg, man hätte es kaum geglaubt, wurde also auf den staubigen Pisten des Westens gewonnen, nicht auf den Schlachtfeldern von Gettysburg oder Manassas/Bull Run.
Sobald Hayes im Westen angelangt ist, also nach ca. 3 Minuten Spieldauer des Films, hat man den Bürgerkrieg allerdings vergessen und hat es ab hier mit einem herkömmlichen – leider allzu herkömmlichen – Western zu tun. Daß die miesen Typen, die in Julesburg/Colorado, wo das Hauptquartier der Overland Stagecoach Line liegt, für die Hayes offiziell arbeitet, angeblich alle für die Sache des Südens kämpfen, bleibt im Film lange Zeit reine Behauptung – bis der Oberschurke Mace seinem Auftraggeber Clay Putnam in einer entscheidenden Szene mitteilt, daß es ihm persönlich vollkommen egal ist, wer den Krieg gewinnt, solange er seinen Schnitt mache. Und den macht Mace mit den Überfällen auf die Kutschen mit dem Unionsgold. Spätestens an diesem Zeitpunkt lässt WESTBOUND den Kriegsschauplatz gänzlich hinter sich und offenbart seine für den Western typischen Zusammenhänge.
Der Postkutschenräuber ist letzten Endes ein schnöder Bandit, sonst nichts. Hingegen muß man Putnam zugutehalten, daß er zwar für die falsche Sache – die des Südens – kämpft, sich im entscheidenden Moment aber als Ehrenmann erweist, der für seine Fehler einsteht und dafür – auch dies typisch für einen herkömmlichen Western – mit seinem Leben bezahlt. So ist die einzige Überraschung des Films das Ende, wenn die von Virginia Mayo gespielte Norma Putnam, von der wir wissen, daß sie und Hayes einmal ein Paar waren, nicht in die Arme dessen zurückkehrt, den sie heimlich immer noch zu lieben scheint, sondern mit der Postkutsche in den Norden fährt, während Hayes in Julesburg bleibt und die letzte Szene des Films zumindest andeutet, daß er sich demnächst mit der jungen Jeannie zusammentun könnte. Glücklicherweise hat der Konflikt auch ihren Mann das Leben gekostet, so daß auch in diesem Verhältnis moralisch alles einwandfrei zugeht.
Das Drehbuch von Berne Giler versteht es zwar, alle für einen durchschnittlichen Western wesentlichen Ingredienzien zusammenzutragen – der vordergründige Konflikt, der sich in dem persönlichen um die Liebe zu einer Frau spiegelt und damit privatisiert wird; ein Held, der hier recht ungebrochen (und damit eher untypisch für den Western der 50er Jahre) seinem Heldenhandwerk nachgehen darf; zwei Frauen, die nicht offen konkurrieren, aber offensichtlich denselben Mann lieben; mit Mace einen echten Schurken, dem Michael Pate hinreichend schurkische Aura verleiht; einen Oberschurken, der Mace zwar angeheuert hat, ihn aber nicht kontrollieren kann und schließlich geläutert für seine Fehler stirbt – , doch gelingt es Giler eben nicht, daraus irgendeinen Zugewinn zu erzielen, dem Script irgendeinen Mehrwert zu verpassen, sei es die nötige Dramatik oder gar Tragik, die so viele der wesentlichen Rollen von Randolph Scott ausmachte. Boetticher seinerseits inszeniert routiniert, aber ohne sonderliche Attraktionen. Dies war eine Auftragsarbeit und das merkt man ihr dann eben auch an.
WESTBOUND bleibt immer bei sich, bietet kaum eine zweite Ebene an, nicht einmal eine subtextuelle Ebene ist wirklich auszumachen. So erfüllt der Film recht genau die Vorgaben, die B-Western der 50er Jahre zu erfüllen hatten. Ein gerüttelt´ Maß an Action, eine gewisse Grundspannung (die hier allerdings wirklich nur am Grunde des Films zu spüren ist, so eindeutig ist Hayes allen seinen Kontrahenten überlegen), hier und da ein wenig Erotik und ansonsten ein rasantes Tempo, damit die Story in einer guten Stunde erzählt ist. Massenware, die an Freitagabenden in Double-Bills in Autokinos verfeuert wurde. Filme, die der Zuschauer vergessen hat, bevor der zweite beginnt. Damit ist er wirklich meilenweit von allem entfernt, wofür das Siegel Ranown-Zyklus steht.