NIGHTCRAWLER – JEDE NACHT HAT IHREN PREIS/NIGHTCRAWLER

Dan Gilroy liefert eine bissige Mediensatire ab und hält dem Zuschauer einen nur wenig verzerrenden Spiegel vor

Der Kleinganove Louis Bloom (Jake Gyllenhaal) wird auf einem seiner Streifzüge durch das nächtliche Los Angeles Zeuge eines Unfalls. Mehr als das Geschehnis selbst, fasziniert ihn die Arbeit der sogenannten Nightcrawler, jener freien Filmteams, die den Polizeifunk abhören und sich dann schnellstmöglich am Tatort oder der Unfallstelle einfinden, um möglichst exklusives Material zu erstellen und an die vielen kleinen Lokalsender der riesigen Stadt zu verkaufen.

Louis, der eine Art Junkie der Selbstoptimierung ist und jede Menge Ratgeber und Websites studiert, in denen man errfährt, wie man sich verhalten muß, welche Dinge es zu beachten gilt, will man etwas aus sich machen, am Markt bestehen, kauft sich eine Kamera und ein billiges Funkgerät und macht sich selbst auf die Jagd nach Bildern. Joe Loder (Bill Paxton) ein alter Hase auf dem Markt der schnellen Bilder, gibt Louis zwar Tipps, verdeutlicht ihm drohend aber auch, wie umkämpft dieser Markt in Wirklichkeit ist.

Louis verkauft seine ersten Bilder an Nina Romina (Rene Russo), die Nachrichtenredakteurin beim vergleichsweise wenig erfolgreichen Sender KWLA ist. Nina ist selbst recht skrupellos, was das Material angeht, sie ist bereit, auch wirklich explizite Bilder zu senden, da sie weiß, daß ihr das Quoten bringt. Louis und Nina gehen eine Allianz ein, in der sie ihn zunächst fördert, ihm Tipps gibt, wie er seine Ausrüstung verbessern kann und ihm auch mal einen Vorschuß gewährt.

Nach und nach etabliert Louis sich, weil er besonders heftige Bilder besonders schnell liefert. Er engagiert in Rick (Riz Ahmed) einen Assitenten, der ihn nachts, wenn sie auf den Freeways und Boulevards der Stadt unterwegs sind und den Polizeifunk abhören, zu den Unfallstellen und Tatorten dirigieren soll. Außerdem soll Rick die zweite Kamera führen, wodurch Louis´ Material noch wertvoller, weil vielseitiger wird. Rick hat gelegentlich Zweifel an dem, was sie tun, will auch mehr Geld, doch wird er von Louis immer wieder darauf hingewiesen, daß er erst noch lernen müsse, wie ein Nightcrawler zu denken und seine Skrupel zu überwinden. Er müsse sich beweisen, so sei das in der freien Marktwirtschaft, dann erhalte er auch mehr Prämien und ein anderes Standing.

Je erfolgreicher er wird, desto fordernder wird Louis gegenüber Nina: Er will mehr Geld, er will seinen Namen in den Berichten genannt wissen und er will sie. Im Bett. Obwohl sie sich zunächst sperrt, weiß sie auch, daß sie von Louis´ Material nahezu abhängig ist. Loder wiederum, der die Konkurrenz durch Louis immer deutlicher spürt und seinen Status als exklusivster Lieferant von Bildern gefährdet sieht, bietet Louis an, in seine Firma einzusteigen, was dieser aber ablehnt. Eines Morgens geht Louis zu Loders Haus und manipuliert dessen Wagen.

In der gleichen Nacht hat Loder einen fürchterlichen Unfall, den er nur knapp überlebt. Louis und Rick sind an der Unfallstelle und filmen hemmungslos das Unglück des Kollegen. Doch dann hören sie einen Notruf ab, der sie sofort elektrisiert. Sie rasen durch das nächtliche Los Angeles und es gelingt ihnen, vor der Polizei und den Rettungskräften am Tatort eines Mehrfachmordes in einer Villengegend einzutreffen. Louis filmt die flüchtenden Täter, dringt in das Haus ein und filmt die toten und sterbenden Bewohner, die teils fürchterlich zugerichtet sind.

Nina nimmt das Material sofort und sendet die Bilder. KWLA tritt eine Kampagne los, das Verbrechen sei nun also auch in die vornehmeren Bezirke vorgedrungen und es fielen ihm immer häufiger auch unbescholtene Bürger zum Opfer. Auch das FBI wird auf Louis aufmerksam. Er übergibt sein Material an die Beamten, hält jedoch jene Aufnahmen zurück, die die Täter zeigen. Nicht nur ist ein hohes Kopfgeld auf diese ausgesetzt, das er gern einsacken würde, mehr noch interessiert es ihn, die Killer selber zu stellen, die Polizei zu informieren und damit exklusives Material der Verhaftung drehen zu können.

Mittlerweile ist klar geworden, daß es sich bei dem Mehrfachmord nicht um einen tragischen Raubmord gehandelt hat, sondern vielmehr um einen Vergeltungsakt im Drogenmilieu. Offensichtlich war der Vater der Familie, die komplett ausgelöscht wurde, tief in Geschäfte mit Kartellen verstrickt. Das hindert Nina jedoch nicht daran, weiterhin die Kampagne zu fahren, Los Angeles leide unter ebenso zahllosen wie wahllosen Übergriffen auf ganz normale Bürger.

Louis hat derweil per Kennzeichenerkennung herausgefunden, wo die Verbrecher leben und verfolgt diese. Rick, der Louis Verhalten zunehmend gefährlicher und auch verwerflicher findet, fordert ein höheres Gehalt und weigert sich, die zweite Kamera zu führen, als Louis anonym die Polizei informiert, daß sich die Gangster in einem Diner aufhalten. Da er die verschiedenen Perspektiven unbedingt braucht, erklärt Louis sich plötzlich nicht nur mit einem höheren Gehalt einverstanden, sondern verspricht Rick auch, Teilhaber der Firma zu werden, die Louis mittlerweile gegründet hat und die bei jeder Ausstrahlung seiner Bilder genannt oder als Logo eingeblendet wird.

Rick übernimmt daraufhin die zweite Kamera und die beiden filmen, wie es im Diner zu einem Schußwechsel zwischen den Gangstern und den Polizisten kommt, bei dem einer der Vebrecher, ein Polizist und zwei Unbeteiligte ihr Leben lassen. Anschließend hängt sich Louis an die Verfolgung der Banditen durch die Polizei. Rasant geht es über die nächtlichen Boulevards von Los Angeles, mehrere Polizeiwagen verunglücken dabei, schließlich kommt es zu einem heftigen Unfall, der den Wagen des Fliehenden abrupt stoppt. Louis nähert sich dem im Wagen eingeklemmten Gangster, der auf ihn zielt. Louis bittet Rick, eine Nahaufnahme zu machen und als Rick sich dem Mann nähert, erschießt dieser ihn. Dann rappelt er sich auf und geht den umstehenden und sich in Deckung aufhaltenden Polizisten entgegen, die schließlich ihn erschießen.

Louis nähert sich dem sterbenden Rick, der erkannt hat, daß sein vermeintlicher Partner ihn offen in eine Falle hat laufen lassen. Louis bittet Rick, das zu verstehen, es sei der freie Markt, jeder müsse das Beste für sich rausholen und er, Rick, habe einfach  zu viel zu schnell gefordert. Dann verlässt Louis den Tatort, fährt zur Sendezentrale von KWLA, wo Nina das Material sofort über den Sender gehen lässt.

Da das FBI keine Beweise dafür erbringen kann, daß Louis etwas zurückgehalten oder gar selber in die Ermittlungen eingegriffen hat, wird er weder angeklagt, noch verurteilt.

Louis, der nun zu den führenden Nightcrawlern gehört, hat zwei neue Vans angeschafft, neue Praktikanten eingestellt und hält diesen eine Rede, die an ihr Berufsethos und ihren Willen appelliert, immer nur das Beste Mateerial zu liefern und dafür alles zu tun. Dann fahren die Wagen in die Nacht hinaus.

Im Großraum Los Angeles gibt es Dutzende, wenn nicht gar Hunderte, unabhängiger Rundfunk- und TV-Stationen, Sender, die vor allem von lokalen Nachrichten leben. Viele davon sind mehr oder weniger darauf spezialisiert, über Unfälle, Raubüberfälle, Morde, Polizeieinsätze im Allgemeinen zu berichten. Action bringt Quote, je derber, je heftiger die Ereignisse und die sie zeigenden Bilder, desto eher ist man im Gespräch. Um diese Sender mit Material zu füttern, gibt es wiederum unzählige Teams unabhängiger Kameramänner und Tonleute, die, das Ohr immer am Polizeifunk, die Straßen und Boulevards dieses flachen Molochs durchstreifen, um möglichst als erste an einer Unfallstelle oder einem Tatort zu erscheinen, exklusives Material von Opfern, manchmal einer Verhaftung, O-Töne der Beteiligten oder ermittelnden Beamten zu erhaschen und schnell an die Sender weiter zu leiten, die damit ihre „Breaking News“ füttern. Nightcrawler nennt man jene Hyänen der Freeways, die vornehmlich nachts, wenn naturgemäß am meisten passiert, auf ihren Einsatz lauern.

Dan Gilroys NIGHTCRAWLER (2014) nimmt genau diese Situation als Ausgangspunkt für einen Thriller, der aber genauso gut als beißende Medien-Satire genommen werden kann. Exemplarisch dekliniert Gilroy, der auch für das Buch verantwortlich zeichnet, die Arbeit eines solchen Nachrichtensuchenden durch, bis an die Grenze des Statthaften und weit darüber hinaus. Die Arbeit an sich erfordert schon eine hohe Bereitschaft, sich über moralische Standards hinwegzusetzen, man muß bereit sein, das Leid von Menschen relativ schamlos auszunutzen, indem man es gnadenlos digital bannt und möglichst sofort weiter verwertet. Im Fall des von Jake Gyllenhaal mehr als überzeugend gespielten Louis Bloom, sind es zunächst kleine Eingriffe, die er an Tatorten vornimmt – mal schiebt er die Leiche eines Unfallopfers besser ins Bild, mal geht er unangenehm nah an Leidtragende heran, um sie in besserem Licht aufnehmen zu können – , doch mehr und mehr weitet er die Grenzen des Machbaren aus, verletzt sie immer deutlicher, dringt bspw. ungefragt und ungebeten in Häuser ein, um mehr Informationen über Opfer zu erhalten, bis schließlich gänzlich die Trennung zwischen Ereignis und Inszenierung verschwimmt. Skrupellos nutzt dieser Louis Bloom seine Möglichkeiten aus, um Nachrichten nicht nur als erster zu finden und zu filmen, sondern um sie zu produzieren. Und er kommt damit durch, weil er sich auf die Sensationsgeilheit eines zunehmend gelangweilten Publikums verlassen kann, das stete Erhöhung der Dosen braucht, mit denen es gefüttert wird,  und damit auch auf die Protektion durch eine etwas abgehalfterte Redakteurin, die ihrerseits bereit ist, immer expliziteres Material zu senden, um am Markt bestehen zu können. Rene Russo gibt diese Nina Romina als nicht einmal mehr zynische alte Dame im Nachrichtenzirkus, die alles gesehen hat, alles erlebt hat und mit Klauen und Zähnen um ihren Platz im Mediengeschäft kämpft.

Gilroy gelingt ein realistisch anmutendes Szenario, obwohl er den Zuschauer auf unterschiedlichen Ebenen mit atemberaubend bösartigen menschlichen Eigenschaften und Ausprägungen dieser Eigenschaften konfrontiert, die man aber sofort zu glauben bereit ist. Blooms – der Name evoziert nicht  von ungefähr den von Michael Bloomberg, der mit einer freien Nachrichtenagentur einst seine Millionen scheffelte – Fähigkeit, jeden Skrupel auszuschalten, sich als ständig sich selbst optimierendes Ein-Mann-Unternehmen zu betrachten, dessen Mittel einfach nur den Ansprüchen und Erfordernissen des Marktes entsprechen, scheint phänomenal. Wie ein wandelnder Ratgeber der Selbstökonomisierung trägt er seine autodidaktisch angelesenen Lebensweisheiten vor sich her, erklärt seiner Umwelt – vornehmlich seinem Assistenten Rick – wie man sich im Haifischbecken der freien Wirtschaft und erst recht der Medienwelt zu verhalten und zu bewegen habe, bleibt dabei nahezu immer freundlich und wirkt umso bedrohlicher, wenn er doch einmal die Contenance verliert. Louis Bloom ist der amerikanische Aufsteiger par excellence. Er bringt es vom kleinen Gauner, als der er anfänglich gezeigt wird, zum anerkannten Nachrichtenlieferanten. Anhand der Autos, die er fährt, begreifen wir den jeweiligen Grad  seines finanziellen Aufstiegs. Wie etliche Gangster, Halbseidene und Hasardeure, hat es Bloom in einem Amerika der unbegrenzten Möglichkeiten zu etwas scheinbar Großem gebracht. Daß er dabei durchaus schon pathologische Züge eines Psychopathen aufweist, mag oberflächlich dem Plot eines Thrillers geschuldet sein. Doch Gilroy lässt keinen Zweifel daran aufkommen, daß eine solche Psycho-Struktur nur hilfreich sein kann, wenn man in einem Land bestehen will, in dem alles zur Ware wird und man alles dafür tun muß, an einem freien, hart umkämpften Markt, eben im Raubtierkapitalismus zu partizipieren. Man darf nur nicht zu wählerisch bei den Möglichkeiten sein, darf keine Skrupel haben, wenn es um das Ausschöpfen dieser Möglichkeiten geht. So erscheinen selbst jene Taten, die Bloom in deutlich verbrecherischer Absicht begeht – die Manipulation an Loders Wagen sei hier stellvertretend genannt – , auch oder gerade dadurch, daß sie nur angedeutet werden, zwar als jenseits des Erlaubten, werden aber in der Logik des Films so in Blooms Weltbild eingebettet, daß sie folgerichtig und eher als Kavaliersdelikte erscheinen. Wer etwas werden will, muß eben bereit sein, weit zu gehen. Ein bitterer Kommentar auf ein Land, das sich immer viel auf seinen „Traum“ eingebildet hat. Die Ware heute ist das menschliche Leid, der Blutverlust und die Exklusivität dieser Informationen.

Doch auch der beste Lieferant ist nichts ohne Abnehmer, Auftraggeber, ohne  den, der für Informationen zu zahlen bereit ist. Dafür ist Nina Romina verantwortlich, die ihre besten Tage sichtlich hinter sich  hat, von Russo nahezu ohne Maske gespielt, wofür man dieser Ausnahmeschauspielerin großen Respekt zollen muß, und in Bloom eine letzte Chance sieht, ihren Posten beim Sender KWLA zu sichern, der ununterbrochen vor der Pleite steht und mit Blooms Material plötzlich ungemein in den Zuschauerzahlen zulegt. Sie setzt sich über jedweden Einwand ihrer Redaktionskollegen hinweg, schützt Bloom aber auch, als er vom FBI befragt werden soll, weil er vor der Polizei an einem Tatort eingetroffen ist und möglicherweise die Täter identifizieren könnte. Sie ist auf Bloom angewiesen – wie er es zunächst auf sie ist. Beide sind Wesen einer Industrie, die Nachrichten produziert – zunehmend im Wortsinne. Beide kennen keine Skrupel und beide wissen um ihre Macht und auch, wann sie sich der Macht des anderen zu beugen haben. Nina Romina ist ein alter Hase im Geschäft und sie kämpft um ihre Pfründe ebenso, wie sie ihre Reputation seit Beginn der Beziehung zu Bloom vergessen zu haben scheint.

Gilroy thematisiert entsprechend das Verhältnis von Bloom und Romina zueinander. Blooms Wille, Nina sexuell besitzen zu können, die Chuzpe, die ihn auszeichnet, wenn er, seinen Charme, seine Ausstrahlung und seinen Einfluß zunächst gnadenlos überschätzend, glaubt, ihr den Hof machen zu können, sind atemberaubend. Dann aber, als sie ihn mit der ganzen Eleganz der Dame mittleren Alters abblitzen lässt und lächelnd anmerkt, sie könne seine Mutter sein, bricht sich sein größenwahnsinniger Wille Bahn, indem er bereit ist, jedwedes Mittel einzusetzen, um sich ihrer zu bedienen und sich gefügig zu machen. Er erpresst sie, macht ihr ihre Abhängigkeit von seinem Material deutlich, glaubt sich zunehmend in einer Position, die es ihm erlaubt, die Bedingungen, Konditionen und Preise zu bestimmen, und fordert von ihr persönlichen – sprich körperlichen – Einsatz. Und kommt damit durch. Da Gilroy den Sex zwischen den beiden allerdings nie zeigt und sie eher distanziert darüber sprechen lässt, verdeutlicht er auch, daß es nicht um Sexualität im engeren Sinne geht. Es geht um Macht, immer. Der stärksten emotionalen Beteiligung, die Bloom im ganzen Film zeigt, werden wir ansichtig, wenn erstmals sein Name, bzw. der seiner Firma in einem Beitrag genannt wird. In diesem Moment scheint er ein Ganzes zu werden – auch er existiert nur durch und in den Medien. Das ist bitterböse und durch Gyllenhaals Spiel nicht nur äußerst bedrohlich bis verstörend, sondern schon im Bereich der Satire, obwohl der Zuschauer all die Wendungen der Story glaubt, die nachvollziehen kann. Dieser Typ, Louis Bloom, ist äußerst glaubwürdig. Und das ist äußerst bedenklich.

Gilroys hyper-realistisches Setting, die Aufnahmen des nächtlichen Los Angeles, der Freeways und Boulevards, der Diner und Tankstellen, aber auch die brutale Realität der Tatorte und Unfallstellen, das Blut, die zerschundenen Körper, die immer wieder eingespielten Bilder aus Blooms Kamera, das grelle Licht der von den Helfern schnell aufgestellten Strahler und das blinkende rot-weiß-blaue Licht der Streifenwagen, die die nächtlichen Szenerien in eine fast surreale Atmosphäre tauchen, wirken derart reell, daß man sich momentweise in einer Real-Life-Dokumentation wähnt. Und genau damit erreicht Gilroy, daß der Zuschauer früher oder später auf sich selbst zurückgeworfen wird. So irre Blooms Herangehensweise, so rücksichtslos seine Mittel auch wirken mögen, weit von der Realität entfernt scheinen sie nicht zu sein. Daß er schließlich Material zurückhält – auch vor dem FBI zurückhält – um selber auf Verbrecherjagd gehen zu können und dabei eiskalt seinen Assistenten opfert, nicht zuletzt, um dessen unangenehmen Fragen aus dem Weg zu gehen, mag der Dramaturgie eines Thrillers geschuldet sein, doch nicht einmal diese Wendung im Plot wirkt sonderlich übertrieben oder gar unglaubwürdig. Dieser Mann, der schließlich zu einem der führenden Nightcrawler aufsteigt und am Ende des Films gleich mehrere Teams in schicken neuen Wagen mit dem Logo seiner Firma in die Nacht hinausschickt, um weitere, bessere, härtere „Breaking News“ einzufangen, ist das nahezu perfektes postmoderne Produkt einer Mediengesellschaft, die bereits weit, sehr weit fortgeschritten ist. Nie macht Bloom den Eindruck, daß ihn berühre, was er sieht. Die Welt für Bloom und nach Bloom ist eine, die man ausschließlich durch den Sucher oder eben über die Mattscheibe wahrnimmt, eine, die fragmentiert aus Satzfetzen im Polizeifunk und Bildfetzen im Fernsehen besteht. Was  nicht gesendet wird, existent nicht. NIGHTCRAWLER lässt keinen Zweifel aufkommen, daß es genau diesen Typus braucht, um die Schaulust, die Sensationsgier zu befriedigen, die die Zuschauer an den heimischen Geräten lange schon befallen hat und die ununterbrochen gefüttert werden will.

Der Film ist momentweise derart zynisch und kalt, daß dem Zuschauer wirklich nur noch das Lachen als Ausweg bleibt, um dieser Story Herr zu werden, um das, was sich da auf der Leinwand abspielt, begreifen und verarbeiten zu können. Selten hat Hollywood so eindringlich das Wesen und den Wert der Bilder reflektiert, und selten hat es diesen so eindeutig gegen den Wert menschlichen Lebens verrechnet. Klar, daß das Leben dabei schlecht wegkommt, denn von ihm ist viel da, die Bilder aber, die Bilder rar, sie sind am Markt reines Gold. Sie gilt es festzuhalten. Selbst im Tod kann der Mensch schließlich noch seine paar Minuten Ruhm bekommen. Ein Bild aber ist tot, wenn es die Konkurrenz zuerst hat.

NIGHTCRAWLER ist eine wunderbare Ergänzung zu all jenen Filmen der jüngeren Zeit – Steven Spielbergs THE POST (2017) oder James Vanderbilts TRUTH (2015) seien stellvertretend genannt – die sich mal wertschätzend, mal kritisch mit der Haltung der Medien beschäftigt haben. Er erweitert das Spektrum auf ebenso unangenehme wie entlarvende Weise, indem er mehr als andere die Haltung der Konsumenten reflektiert und dadurch die der Medienmacher als reine Dienstleister in einem hart umkämpften, hoch ökonomisierten Markt denunziert. Daß er dabei übertreibt, mag sein. Daß er dabei aber einen wunden Punkt trifft, den Zuschauer selbst trifft, ist mindestens genauso wahr. Dan Gilroy hat einen nominellen Thriller vorgelegt, der wirklich weh tut.

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