SMILE – SIEHST DU ES AUCH?/SMILE
Ein ausgesprochen gelungenes Langfilm-Debut von Parker Finn
Dr. Rose Cotter (Sosie Bacon), Psychiaterin in einer Notaufnahme, wird mit der jungen Laura Weaver (Caitlin Stasey) konfrontiert, die behauptet, seit dem Selbstmord ihres Professors, den sie mit ansehen musste, von einer ominösen Kreatur verfolgt zu werden. Diese zeige sich in unterschiedlichen Gestalten, manchmal auch in der lebender Personen, und immer lächle sie. Als Rose Laura eine Diagnose erteilt, welche ihr Halluzinationen attestiert, gerät Laura in Panik und schneidet sich, als sie die Kreatur im Raum vermutet, die Kehle durch.
Nun glaubt auch Rose, die Kreatur sehen zu können, unter anderem in einem ihrer Patienten. Rose´ Chef, Dr. Morgan Desai (Kal Penn), schickt daraufhin sie wegen Überarbeitung in bezahlten Urlaub.
Doch Rose Erscheinungen und die Ungereimtheiten setzen sich fort: Als sie ihrem Neffen dessen Geburtstagsgeschenk überreicht, enthält der Karton keineswegs das Präsent, sondern den Kadaver von Rose´ Katze, die sie bereits vermisst hatte.
Rose sieht sich zunehmend isoliert, vor allem, da sowohl ihre Schwester Holly (Gillian Zinser) nach dem Vorfall auf der Geburtstagsfeier, als auch Rose´ Verlobter Trevor (Jessie Usher) ihr nicht glauben und sich sogar von ihr zurückziehen.
Rose wendet sich an ihre ehemalige Therapeutin, Dr. Madeline Northcott (Robin Weigert), bei der sie einst nach dem Selbstmord ihrer Mutter in Behandlung war. Diese allerdings gibt Rose zu verstehen, daß sie die Erscheinungen auf das Trauma zurückzuführe, welches sie damals erlitten hatte und somit als posttraumatisches Stresssyndrom betrachtet werden müssten.
Rose recherchiert nun auf eigene Faust und versucht herauszufinden, womit sie es zu tun hat. Sie trifft die Witwe des Professors, von dessen Suizid Laura erzählt hatte, und erfährt so, daß auch dieser zuvor Zeuge eines Selbstmords wurde.
Rose meint, ein Muster zu erkennen. Alle, die in dieser Kette Selbstmord begangen haben, wurden offenbar Zeugen eines anderen Selbstmords. Rose, die unter fürchterlichen Schuldgefühlen hinsichtlich ihrer Mutter leidet, da sie die letzte war, die die Frau lebend gesehen hat und ihr, als sie darum bat, Hilfe verweigerte, beginnt zu glauben, daß die ganze Geschichte, die ihr widerfährt, mit diesem Kindheitserlebnis zusammenhängt, da sie besonders sensibilisiert sei für Suizide.
Rose wendet sich an ihren Ex-Freund Joel (Kyle Gallner). Dem, einem Polizisten und Ermittler, stehen eindeutige Mittel zur Verfügung, um über Tote Auskünfte einzuholen. Gemeinsam erkennen sie, daß sie es mit einer schier endlosen Kette von Selbsttötungen zu tun haben. Allerdings gibt es eine Abweichung vom Muster: Robert Talley (Rob Morgan) müsste nach den Berechnungen der beiden ebenfalls Teil der Kette sein, doch lebt er noch. Er sitzt wegen Mordes im Gefängnis, wo Rose ihm einen Besuch abstattet.
Talley erklärt ihr, was es mit dem Fluch auf sich hat: Sie müsse sich töten, es sei denn, sie würde einen Unbeteiligten öffentlich, also vor Zeugen, ermorden. Nur so könne man den Fluch auf einen Fremden übertragen. Als Talley begreift, daß Rose offenbar selbst Teil der Kette ist, gerät er in Wut und verlangt, man möge ihn in seine Zelle zurückbringen. Er wolle nicht erneut „infiziert“ werden.
Rose überlegt ernsthaft, einen ihrer Patienten vor den Augen ihres Chefs umzubringen. Der wiederum ist sehr besorgt, daß Rose trotz des von ihm angeordneten Urlaubs immer wieder in der Klinik auftaucht. Rose ihrerseits traut niemandem mehr, auch nicht Morgan, da sie in wenigen Tagen mehrfach mit dem Wesen konfrontiert gewesen ist, das sich ihr in unterschiedlichen Gestalten – darunter der von Dr. Northcott – präsentiert und sie auch bedroht hat.
Rose besinnt sich schließlich eines Besseren und beschließt, ihren Patienten nicht zu töten sondern stattdessen die Kette zu durchbrechen, das seltsame Wesen zu stellen, sich it ihm zu konfrontieren und wenn möglich das Ganze an ein Ende zu bringen.
Sie fährt in das Haus, in dem vor Jahren ihre Mutter starb. Rose muß sich nun einigen ihrer Erinnerungen stellen und begreifen, daß das Kind, das sie einst war, keine Verantwortung für die Krankheit und letztlich den Tod der Mutter trägt. Die Kreatur allerdings versucht, sich Rose´ Ängste zunutze zu machen und Rose mit Schuldgefühlen zu fluten, die die junge Frau nun ihrerseits zum Selbstmord treiben sollen.
Rose hat das Haus jedoch mit Kerosin präpariert in der Hoffnung, ihren Gegner vielleicht in einem Feuerritual oder etwas ähnlichem besiegen zu können. Als das Wesen sich schließlich zeigt, lässt Rose die Kreatur in sich eindringen. Dies ist jedoch keinesfalls ein Sieg, wie es Rose ursprünglich erhofft hatte. Ihr ist klar, daß sie nun sich selbst wird vernichten müssen, um den Fluch zu bannen.
Gerade als Joel zur Hütte kommt, um seine Ex-Freundin zu retten, zündet Rose sich und die Hütte an. Da Joel Zeuge des Freitods wurde, muß er davon ausgehen, daß der Fluch nun an ihm hängt.
Vorweg: Parker Finn ist mit seinem ersten Langfilm SMILE (2022) ein solider bis guter Horrorfilm gelungen, der sein Publikum fast bis zur letzten Minute zu bannen versteht. Und das ist allerdings mehr, als man über das Gros der zuletzt die Leinwände, mehr noch den DVD-Markt flutenden Welle an Beiträgen zum Genre des Abseitigen bis Abartigen sagen kann.
David Robert Mitchell nutzte für seinen Genre-Beitrag IT FOLLOWS (2014) eine Bedrohung, die sich zwar in vielen Filmtiteln wiederfindet, deren wahres Potential allerdings bisher sträflich vernachlässigt wurde: Den Fluch, respektive den Dämon. Parker Finn übernimmt für SMILE das Prinzip, daß einer Person etwas angehängt wird, das sie entweder tötet oder aber durch einen Tötungsakt weitergegeben werden kann. Mitchell konnte dieses Schema recht einfach und sehr direkt umsetzen, wodurch sein Film Wucht und Relevanz erhielt. Finn muß sich etwas ausdenken, damit die Sache einen neuen Dreh erhält. So ist es nun nicht einfach ein Fluch (obwohl man das, was der jungen Protagonistin in SMILE widerfährt durchaus auch als Fluch betrachten kann), der umgeht, sondern eine Art Selbstmordkette, die durch den Mord an einer außenstehenden Person durchbrochen werden kann. Und Dr. Rose Cotter, mit einer gelungenen Mischung aus Wissensdurst, Mitgefühl, Zerbrechlichkeit und Furcht von Sosie Bacon dargestellt, kommt nur durch ihren Beruf – sie ist Therapeutin in der Notaufnahme einer Psychiatrie – überhaupt erst mit dieser Verkettung in Berührung, als eine junge Frau eingeliefert wird und sich vor ihren Augen ausgesprochen brutal und blutig das Leben nimmt. Ab diesem Moment versteht Finn es, den Zuschauer in ein immer bizarreres Szenario zu entführen, dessen Atmosphäre zunehmend furchteinflößend ist. Weniger gelingt ihm das durch Schocks – obwohl es auch die gibt und sich das FX-Team und die Maske große Mühe geben, dann auch zu liefern – als durch eine manchmal subtile, manchmal durchaus brachiale Kameraführung, ungewöhnliche Winkel und extreme Gegensätze von Nah- und Fernaufnahmen bestimmter Gegenstände und Personen. Damit erzielen Finn und sein Kameramann Charlie Sarroff erstaunliche Effekte. Der Film entfaltet einen Sog aus seiner Nähe zur Hauptfigur und eben der Entfremdung, die sie zunehmend empfindet und welche die Bilder bestätigen.
Der Film hält das durch, was hervorgehoben werden sollte, da genau dies selten genug der Fall ist in Horrorfilmen jüngeren Datums. Allerdings hat Finn seinen Film auch in ein Setting gesetzt, welches an sich schon das Bizarre bevorzugt und es ihm erlaubt, atmosphärisch dicht vorzugehen. Denn Rose arbeitet ja in einer Psychiatrie, wo das Abnorme Alltag ist. So ist sie schnell mit denselben Problemen konfrontiert, die sie selbst ihren Patienten beschert hatte: Es glaubt ihr niemand. Burnout, Posttraumatische Stressstörungen, Depression – Rose Kollegen diagnostizieren genau jene Krankheiten und Krankheitsbilkder, die auch Rose jener Patientin ausgestellt hatte, die sich dann vor ihren Augen tötete. Die Idee, daß Arzt und Patient die Rollen tauschen, ist so neu nun auch nicht mehr, Matthieu Kassovitz hat seinen Psychothriller GOTHIKA (2003) auf exakt dieser Idee aufgebaut. Doch wie in Bezug auf IT FOLLOWS, weiß Finn auch diesen Einfall auf ganz eigene Art und Weise auszuschlachten. Ebenso nutzt er das nicht mehr ganz taufrische Motiv der falschen Beschuldigung. Niemand glaubt Rose, daß keineswegs sie es war, die die tote Katze in das Paket für ihren Neffen gelegt hat. Vielmehr wird der Vorfall zu einer Bestätigung dessen, was ihre Verwandten und engsten Vertraute als ihren geistigen Zustand betrachten. Rose wirkt immer isolierter, immer einsamer und auch immer verängstigter. Es entsteht ein anwachsendes Gefühl von Paranoia und Furcht, das durch den gesamten Film hindurch aufrecht erhalten wird.
Zu kritisieren bleibt, wie so oft, das Ende des Films. Daß Rose die Sache ausfechten will und dabei ein hohes Risiko eingeht, ist klar, doch schließlich fällt auch Parker Finn nicht viel mehr ein, als ein furioses Finale in Flammen, das man so oder ähnlich erwarten konnte. Und auch schon etliche Male so oder ähnlich gesehen hat. Doch jeder Film, jede Geschichte muß ja einmal an ein Ende kommen, insofern sei es dem Regisseur und Autor nachgesehen, wenn er also hier auf konventionelle Methoden zurückgreift. Weniger nachsichtig sollte man damit sein, daß er dieses Finale dann erstaunlich konventionell inszeniert und gefilmt hat. Und dann auch noch eine Kreatur zeigt, die zwar imposant ist und in ihrer Erscheinung überzeugt, die aber einmal mehr so offensichtlich CGI-generiert ist, daß sie uns kaum zu ängstigen in der Lage ist. Seit man mit dem Rechner nahezu alles hyperrealistisch darstellen kann, sollte vielleicht wieder mehr die Tugend des Weg- und des Auslassens geachtet, dem Mut zur Lücke gefrönt werden. Umso höher ist es Finn anzurechnen, daß er konsequent in der Logik seiner Geschichte bleibt und den Zuschauer nicht mit einem aufgesetzten Happyend verärgert.
Für die Logiklöcher, die auch diese Story aufweist (welche Horror-Geschichte tut das nicht?), entschädigt Finn das Publikum dafür mit einigen etwas versteckten Schmankerln; kleinen Kommentaren zum Zeitgeschehen. Da wird ein Patient – weiß und älteren Datums – der ebenfalls von dem Dämon besessen scheint, von einigen ausschließlich schwarzen oder dunkelhäutigen Pflegern überwältigt und zu Boden gedrückt. Selten hat man ein schöneres Bild für den „bösen, weißen, alten Mann“ gesehen, der sich ja seit geraumer Zeit unter Dauerbeschuss und somit als jüngstes Opfer einer linken Verschwörung sieht, die nur ausgeheckt wurde, um ihn von der Landkarte zu wischen. Und auch am Ende des Films, wenn Finn den einen echten Fehler begeht, der seinem Film anhaftet, und das Wesen in Szene setzt, gönnt er sich eine kleine politische Unkorrektheit, wenn er zumindest ansatzweise zeigt, wie dieses in sein Opfer, hier Rose, eindringt. Denn dieses Eindringen kann man nur als komplett pervertierte orale Penetration bezeichnen. Diese und ein paar ähnliche Momente geben Finns Film einen leicht subversiven Touch, den man goutiert und der einem Horrorfilm auch zusteht. Denn wo, wenn nicht im Horrorfilm, werden Tabus genussvoll gebrochen, wird politisch unkorrekt gehandelt und geredet und wo kann man auch eher abseitige Ideen besser unterbringen? Eben…
SMILE ist ein solider bis guter Horrorstreifen, der dem Genre zwar nichts bahnbrechend Neues hinzuzufügen weiß, der seine Versatzstücke aber gut zu kombiniert und vor allem – sein wichtigster Verdienst – spannend und fesselnd zu unterhalten versteht. Man sollte von Parker Finn noch einiges erwarten, hoffentlich bleibt er seinem Fach treu.