SYRIANA

Ein in jeder Hinsicht mutiger Film

Bob Barnes (George Clooney) arbeitet für die CIA überall im Nahen und Mittleren Osten. Bei einem Einsatz in Teheran, bei dem 2 Stinger-Raketen als Köder genutzt werden, um Teroristen auszuschalten, verliert er eine davon, die in unbekannte Hände fällt. Bob kehrt in die USA zurück, wo sein „Fehlverhalten“ nicht goutiert wird und seine Vorgesetzten überlegen, wie man den eigenwilligen und oft schwer steuerbaren Agenten mit einem Bürojob zermürben könnte. Bob trifft seinen Sohn, den die Frage umtreibt, an welches College er gehen soll.

Die Ölkonzerne Connex und Killen möchten fusionieren, da Connex in einem arabischen Land eine Bohrkonsession nicht bekommen hat, die stattdessen an chinesische Investoren gefallen ist. Der kleinere Killen-Konzern verfügt seinerseits über Bohrrechte an einem Ölfeld in Kasachstan, das als äußerst lukrativ angesehen wird.

Die Anwaltskanzlei von Dean Whiting (Christopher Plummer) wird mit der Abwicklung der Fusion beauftragt. Whiting gibt die konkrete technische Handhabe an seinen Mitarbeiter Bennett Holiday weiter (Jefffrey Wright), der bei seinen Recherchen auf allerhand Ungereimtheiten, Anzeichen von Korruption und den Widerstand des Kartellamts stößt.

Holiday steht unter enormen Druck von allen Seiten, zudem wird er mit seinem Vater konfrontiert, einem harten Trinker, der sich bei ihm einnistet und damit für zusätzliche Spannungen in Holidays Leben sorgt.

Bryan Woodman ist Finanzexperte bei einem großen Investment-Fond. Er arbeitet von der Schweiz aus, wo er mit seiner Frau und den zwei Söhnen ein manchmal anstrengendes, ansonsten aber recht beschauliches Leben in Wohlstand führt. Er wird zu einer Party im spanischen Malaga eingeladen, die vom Emir jenes Landes ausgerichtet wird, in dem Connex-Killen nicht bohren darf.

Auf der Party kommt es zu einem schrecklichen Zwischenfall, bei dem Woodmans älterer Sohn stirbt. Der Sohn des Emirs, Prinz Nasir Al-Subaai (Alexander Siddig), will sich großzügig zeigen. Er lädt Woodman in sein Land ein und bietet ihm für die Dienste seiner Firma eine enorme Summe an. Woodman ist zunächst angewidert von der Vorstellung, das Leben seines Sohnes sei in Geld aufzuwiegen. Doch Nasir lässt nicht locker und so wird Woodman zu seinem persönlichen Berater. Woodman hat eine ganze Reihe von Ideen, die Nasir gefallen.

Nasir selbst strebt Reformen für sein Land an. Er will es unabhängig vom Öl machen, demokratisieren, die Frauenrechte stärken und für Bildung und Infrastruktur sorgen.

Diese Bestrebungen gefallen weder seinem Bruder, Prinz Meshal Al-Subaai (Akbar Kurtha), noch den Amerikanern, die ein selbstbewusstes Land im Nahen Osten nicht gebrauchen können, da ein von ihnen und ihrem Geld abhängiges Land weitaus einfacher zu steuern ist. Zudem braucht man das Land, um massive Militärpräsenz in der Region zu zeigen. Nasir würde diesen Plänen entgegenstehen, will er sein Land doch dauerhaft unabhängig vom amerikanischen Einfluß machen.

Als die CIA Wind davon bekommt, daß Nasir einen Staatsstreich plant, um seinen Bruder zu entmachten, wird Barnes damit beauftragt, Nasir in Beirut eine Falle zu stellen und ihn zu töten. Barnes trifft sich mit seinem Freund und Kollegen Stan (William Hurt) aus alten Tagen im Libanon. Barnes fragt ihn, ob dies eine Falle für ihn sei und ob er mit seiner Vergangenheit überhaupt in den Libanon reisen könne? Stan empfiehlt ihm, sich mit der Hizbollah zu treffen und deren Segen für seine Anwesenheit in Beirut einzuholen.

Vor Ort trifft sich Barnes mit Mussawi (Mark Strong) , einem Agenten eines befreundeten Geheimdienstes und bittet ihn um Hilfe bei der Ermordung des Prinzen. Doch Mussawi spielt ein eigenes Spiel, entführt Barnes und foltert ihn. Er will herausbekommen, für wen Barnes seine Pläne schmiedet, wer genau sein Auftraggeber ist und was damit beabsichtigt wird. Bevor er Barnes schließlich töten kann, kommt der lokale Hizbollah-Führer hinzu und teilt Mussawi mit, daß er ebenso wie Barnes nur Gast im Libanon sei. Barnes überlebt schwer verletzt.

Zurück in Washington wird ihm von seiner Dienststelle vorgeworfen, auf eigene Faust gearbeitet zu haben und eine eigene Agenda zu verfolgen. Er gilt als unsicher. Als Mussawi die Pläne der Amerikaner veröffentlicht, wird Barnes endgültig fallen gelassen.

Während in den USA Holidays Recherchen dazu führen, daß Jimmy Pope (Chris Cooper), Chef bei Connex, bereit sein muß, einige seiner Mitarbeiter fallen zu lassen und dem Kartellamt zum Fraß vorzuwerfen, damit die Beamten eine Art Ausgleich, ein vorzeigbares Ergebnis, für die Erlaubnis einer Fusion haben, spitzen sich die Entwicklungen an allen Fronten zu. Whiting, der massiv gegen Barnes vorgeht, da er diesen als einen Unsicherheitsfaktor ausmacht, wird von dem Agenten gewarnt, daß dieser dafür sorgen würde, ihn und seine gesamte Familie zu töten, wenn ihm etwas geschehe oder Whiting ihm auch nur weiter in die Quere käme.

Zugleich ermittlet Barnes auf eigeen Faust weiter und versteht nun, daß Nasir nicht der von der CIA behauptete Terrorist ist, sondern ein durchaus demokratisch gesinnter Mann mit Ideen. Barnes reist auf eigene Rechnung in das Land des Scheichs, um ihn zu warnen: Die CIA plane einen Drohnenangriff auf ihn und seine Familie. Doch Barnes kommt zu spät: Zwar kann er den Konvoi des Prinzen – in dem auch Bryan Woodman sitzt – in der Wüste stoppen, doch bevor er seine Warnung aussprechen kannn, schlägt die Rakete ein. Der Prinz, dessen Familie, etliche Sicherheitsmänner und Bob Barnes sterben. Woodman, der überlebt hat, geht zu Fuß in die Wüste und kehrt zu seiner Familie zurück.

Während all dieser Ereignisse, leben Wasim Khan (Mazhar Munir) und sein Vater Arash (Kayvan Novak), die aus Pakistan in das Land Nasirs gekommen sind, um auf den Ölfeldern zu arbeiten, in bitterer Armut. Der Willkür und dem Drangsal durch die örtlichen Behörden und Polizeieinheiten ausgeliefert, bald ohne Arbeit und damit auch ohne Aufenthaltserlaubnis, begeben sich Wasim und sein Freund Farooq (Sonnell Dadral) zusehends in die Hände eines undurchschaubaren Mannes, der sich als Kopf einer ultrareligiösen Gruppe ausgibt, die sich gegen den amerikanischen Imperialismus, aber auch für die Errichtung wirklicher Gottestsaaten islamischen Glaubens im gesamten arabischen Raum einsetzt. Schließlich sind die beiden jungen Männer bereit, ihr Leben für eine Anschlag auf einen Öltanker zu geben. In einem Fischerboot, bestückt mit der von Barnes verlorenen Stinger-Rakete, rasen sie auf einen Tanker des Connex-Killen-Konzerns zu, der hier nach etlichen rechtlichen Problemen endlich wieder Öl laden darf.

Wenige geopolitische Themen sind derart komplex, wie die Lage im Nahen und Mittleren Osten. Sich dieser Komplexität fiktional zu nähern, gelingt hier und da literarisch, wo man auf Hunderten von Seiten komplizierte Sachverhalte darlegen, erklären und verarbeiten kann. Meist sind es Spionage- und Agententhriller, die sich des Themas annehmen. Manche werden verfilmt, doch meist arten solche Adaptionen in mittelprächtige Action-Streifen aus, da es ihnen nicht gelingt, die politischen Zusammenhänge angemessen darzustellen und filmisch umzusetzen. Original-Drehbücher schaffen dies erst recht nur in den seltensten Fällen. Man setzt an einzelnen Punkten an – Terrorismus, Krieg, Geiselnahmen, Ölförderung – und arbeitet sich daran ab. Damit werden die Konflikte auf der Leinwand zwar überschaubar, meist aber eindimensional und oberflächlich.

Alle paar Jahre gibt es dann aber doch Autoren, die sich an größere Zusammenhänge wagen. Mark Boal tat dies für Kathryn Bigelows Agenten-Thriller ZERO DARK THIRTY (2012), Jez Butterworth für Doug Limans Polit-Thriller FAIR GAME (2010), William Monahan tat es für Ridley Scotts Spionage-Thriller BODY OF LIES (2008). Und die Aufzählung verrät schon, daß sie dennoch alle im Bereich der Geheimdienste angesiedelt sind und sich bemühten, der Komplexität beizukommen, indem sie das ebenfalls komplizierte Geflecht dieser „Welt hinter der Welt“ nutzten. Bereits 2005 drehte Stephen Gaghan nach seinem eigenen Buch den Polit-Thriller SYRIANA (2005). So gekonnt die zuvorderst genannten Filme das Thema umgesetzt haben, es ist Gaghan gewesen, dem es gelang, der Gesamtthematik zwischen ökonomischen, geopolitischen, geostrategischen und zutiefst persönlichen Gründen und Motiven zumindest ansatzweise gerecht zu werden, sie in ihrer Gesamtheit zu erfassen und fiktional, dramatisch, packend und dennoch hochkomplex in einen Film zu transferieren.

Gaghan geht einen komplett anderen Weg, als die meisten anderen Autoren und Regisseure. Er versucht erst gar nicht, wirklich zu erklären und zu analysieren, was nicht zu durchdringen ist, viel mehr wagt er es, ein Metathema zum eigentlichen Gegenstand seines Films zu machen: Er nimmt die Komplexität und Undurchschaubarkeit selbst und thematisiert sie. So ist ein Film entstanden, in dem es im Grunde keine Hauptfiguren und nur rudimentäre Handlungsfäden gibt, die sich kaum berühren, in welchem zeitliche Uneinheitlichkeit herrscht, das Personal kaum überschaubar ist und jede Menge angerissene, aber nie näher erläuterte Motive geboten werden, die der Zuschauer sich selbst erschließen muß. Ein solcher Film stellt für ein Publikum, das seit vielen Jahren Filme gewohnt ist, die kaum mehr anstrengend, fordernd, sondern eher schlicht sind, nicht mehr und nicht weniger als eine Zumutung dar.

Da geht es um einen CIA-Agenten, der Stinger-Raketen an Terroristen in Teheran liefert, um diese mit eingebauten Sprengsätzen auszuschalten, dann aber gewärtigen muß, daß eine der Raketen auseinander genommen und an einen unbekannten Ort verbracht wird; da geht es um eine Anwalts-Kanzlei in Washington, D.C., die die Fusion zweier Ölgesellschaften bewerkstelligen soll, dabei das Kartellamt besticht und zugleich in eine Menge dunkler Geschäfte verwickelt ist; da geht es um einen Wirtschaftsberater, der sich in der Welt des Großkapitals bewegt, bei der Feier eines Scheichs aus einem nie näher benannten Land des Nahen Ostens bei einem Unfall seinen Sohn verliert und als Entschädigung in die Dienste des Scheichs genommen wird, wo er beginnt, den Lockungen ökonomischer Großinvestitionen zu erliegen, was langsam seine Familie zerstört; da geht es um eben jenen Scheich, der versucht, sein Land zu demokratisieren und dabei an die Grenzen seiner innerfamiliären, wie der engen konservativen Strukturen einer teils rückständigen Gesellschaft stößt; da geht es um zwei junge Männer aus dem Mittleren Osten, die unter Sklavenbedingungen auf den Raffinerien des nicht genannten Landes arbeiten und Opfer eines innerarabischen Rassismus werden, was sie in die Arme extremistischer Glaubensgemeinschaften treibt. Und das sind lediglich die leicht überschaubaren Fäden der Handlung.

Es geht um die Verflechtung von Geschäft, Recht, Politik, militärischer Strategie. Es geht um die Brutalität, mit der Männer, die die einschlägigen Weltgegenden nie besucht haben und sich auch nicht dafür interessieren, soweit es nicht um die Erschließung von Öl- oder Gasfeldern geht. Männer, die mit blankem Zynismus, mit einer Machtfülle, die auf finanziellen Einfluß und Informationsvorsprung gründet, in das innere Gefüge ihnen fremder Gesellschaftenn eingreifen und im Notfall eben auch Gewalt anwenden, um ihre Interessen durchzusetzen. Vieles in Gaghans Buch wird lediglich angerissen, angedeutet, in Gesprächen erwähnt, die manchmal nur im Hintergrund einer Szene geführt werden. Vieles wird nie erläutert, erklärt sich bestenfalls aus dem Zusammenhang. Der Zuschauer muß bereit sein, dem Film mit enormer Aufmerksamkeit zu folgen, er muß sich durch sechs verschiedene Sprachen hindurch lauschen, die mit Untertiteln vermittelt werden. Darunter Arabisch, Urbu und Chinesisch. Es gelingt Gaghan dadurch allerdings, seine Nicht-Geschichte glaubwürdig wirken zu lassen, mehr noch: Sein ganzer Film wirkt oftmals nahezu dokumentarisch.

Gedreht wurde der Film an etlichen Schauplätzen: In den USA  zwischen Washington, D.C. und Texas, in Marokko, Ägypten, Dubai und an verschiedenen Orten in der Schweiz. Dies trägt zu der Authentizität bei, die er vermittelt. Gaghan stand zudem eine erlesene Schauspielerschar zur Verfügung, die seinen Anspruch unterstützt. Bis in fast unbedeutende Nebenrollen hinein ist der Film hochkarätig besetzt. George Clooney, Matt Damon, Amanda Peet, Christopher Plummer, William Hurt oder Mark Strong füllen ihre manchmal wirklich nur angedeuteten Rollen perfekt und glaubwürdig aus. Auch die Ausstattung ist hervorragend. Die Figuren bewegen sich zwischen 5-Sterne-Hotels, ausladenden Anwesen, Washingtoner Vororten, Geheimdienstzentralen, Vorstandsetagen, Anwaltskanzleien und holzverkleideten Clubs, in deren Hinterzimmern Deals abgeschlossen werden, und den verödeten Camps in der Wüste, wo die Arbeiter aus Pakistan, Afghanistan oder dem Irak ein karges Dasein fristen. Der Look des Films wirkt echt. Die Anzüge, Thawbs, die Freizeitkleidung, George Clooneys abgetragene Aufmachung, in der er durch Teheran streift und später in Beirut gefoltert wird, die Interieurs der verschiedenen Wohnhäuser, die Wagen, die gefahren werden – bis ins letzte Detail sind die Sets sehr genau gestaltet, wodurch die authentische Wirkung nochmals unterstützt wird. Auch vor Produkt-Platzierung sind die Set-Designer nicht zurückgeschreckt, doch entsteht gerade dadurch oft der Eindruck, es mit dokumentarischen Aufnahmen und Einstellungen zu tun zu haben. Zudem wird auf subtile Art und Weise verdeutlicht, wie durchweg kommerzialisiert und mit westlich-ökonomischen Interessen verflochten auch die entlegensten Ecken der Welt längst sind.

Es ist genau dieser Eindruck, der es ermöglicht, dem Publikum diese verworrene Geschichte auf diese Art zu präsentieren. Gaghans Film ist anschlußfähig an abendliche Dokumentationen, die komplizierte Sachverhalte in durchaus vertrackten Reportagen und investigativen Hintergrundrecherchen präsentieren. Und doch erzeugt Gaghan Spannung, auch Dramatik. Sein Film wirkt nie didaktisch oder gar belehrend, er enthält sich jedweder moralischer Bewertung, die der Zuschauer vielmehr selbst leisten muß. Stattdessen gelingt es dem Autor und Regisseur, darzustellen, wie in vornehmen Restaurants bei mondänen Mittagessen getroffene Entscheidungen mittelbar Auswirkung auf Menschen etliche Tausende Kilometer entfernt haben. Hier wird spürbar, wie das Finanzkapital, die Wirtschaft, die Politik und die geheimen Dienste unterschiedliche Agenden verfolgen, wie sich Paradigmen sehr plötzlich ändern können und wie dabei im Notfall eben Menschen geopfert werden müssen. Dafür greift Gaghan dann eben auch auf die Mittel des Spionage-Thrillers zurück. In der Figur des Bob, den George Clooney als leicht verfetteten, etwas abgeratzten Eigenbrötler spielt, einen Agenten alter Schule, dessen Motive nicht durchschaubar sind, der sich irgendwann in die Gegenden und Kulturen verliebt hat, in denen er Informationen für sein Heimatland sammeln soll, der aber vollkommen skrupellos Tötungen anordnet und Sprengfallen auslegt, wird genau diese Spannung und auch die Ambivalenz der ganzen Handlung spürbar. Seine Vorgesetzten möchten ihn eigentlich loswerden, und in dem Moment, in dem er stört, lassen sie ihn eiskalt über die Klinge springen. Es ist sein Pech, daß er eben genau in dem Moment im Einsatz ist, in dem die oben erwähnten Paradigmen sich ändern und man keine Rücksicht mehr auf ihn und sein Leben nehmen kann.

Gaghan bietet aber auch in diesem Handlungsstrang keine Kohärenz. Bob bleibt undurchschaubar und was ihm widerfährt – es gibt eine kaum erträgliche Folterszene, in der ihm u.a. die Fingernägel ausgerissen werden – wirkt wie die Rückseite dessen, was er selber anderen widerfahren lässt. Auch hier schimmert eine tödliche, eiskalte Logik durch. Realistisch wird das dadurch, daß Gaghan seine Figuren – oft in nur kurz angerissenen Momenten seines Films – mit alltäglichem Leben ausstattet. Bob trifft in Washington seinen Sohn, der auf ein College will und die ganz alltäglichen Probleme eines Heranwachsenden hat; der von Jeffrey Wright gespielte Bennett Holiday, der für die Kanzlei die Hintergründe der Fusion der Ölgesellschaften durchleuchten soll, muß sich mit einem alkoholabhängigen Vater auseinandersetzen, der immer wieder, äußerst aggressiv, in seinem Leben auftaucht; Matt Damons Figur Bryan Woodman, dessen Sohn im Pool des Emirs zu Tode kommt, vermengt Persönliches und Berufliches am unmittelbarsten, indem er letztlich bereit ist, dem Emir zu dienen, der ihm als Entschuldigung für das Unglück ungeheure finanzielle Angebote macht. Und dann gibt es natürlich Wasim Khan und seinen Vater Arash, die von Mazhar Munir und Kayvan Novak sehr überzeugend dargestellt werden und ihren Figuren – die mit Abstand schwierigsten im Film, da sie komplett untertitelt sind und nur wenige Szenen haben, um komplizierte Sachverhalte zu vermitteln – differenzierte und nachvollziehbare Charaktere angedeihen lassen. Sie sind im Grunde die ärmsten Schweine in der gesamten Kette, die dieser Film andeutet und an ihnen wird exemplarisch durchgespielt, wie Armut, Perspektivlosigkeit und ein tiefsitzendes Ungerechtigkeitsgefühl zu Radikalisierung und schließlich Gewaltbereitschaft führen können.

All diese Figuren sind korrumpierbar, niemand in diesem Film ist nicht käuflich, nirgends Helden, keine aufrechten Kämpfer für Gerechtigkeit. So, wie es sich in der Realität meistens leider darstellt. Die Realität ist zu komplex, zu verführerisch in der Masse der Versuchungen. Die Interessen von Konzernen, Agenturen und Kanzleien kennen kein menschliches Maß. Sie sind längst sich selbst befeuernde Systeme, die ihre eigene Dynamik entwickeln und schließlich keine Rücksicht nehmen können. Die, die in dieses Systemen tätig sind, die in ihnen wachsen und lernen, den Teil der Macht, den sie erhaschen können, zu nutzen, müssen zwangsläufig Skrupel und Zurückhaltung aufgeben, weil das System sie sonst frisst. Bob, der eben noch die Tötung (Ermordung) des liberal denkenden Prinzen Nasri angeordnet hat, sieht seinen Irrtum (zu spät) ein und will diesen warnen, was ihn schließlich selbst das Leben kostet. Er ist ein Kollateralschaden in einem zwar tödlichen Akt, der aber auf der Metaebene als geschäftlicher Akt betrachtet werden muß: Nasris Anliegen – die er letztlich selbst  mit Unrecht, nämlich einem Staatsstreich gegen den eigenen Bruder, durchsetzen will – stehen den Anliegen amerikanischer Ölkonzerne im Weg, die nicht daran interessiert sein können, daß im Nahen Osten Staaten und Nationen entstehen, die nicht mehr reine Öl-Lieferanten sind, sondern über funktionierende gesellschaftliche Systeme, Infrastruktur, Bildung, Rechtsstaatlichkeit und eine eigene Stimme im Chor freier Nationen verfügen. Und so werden Spiralen in Gang gesetzt – Spiralen finanzieller Erpressung, Spiralen gegenseitiger EInflußnahme und schließlich Spiralen der Gewalt.

Gaghans Film endet mit einem Fischerboot, das, mit jener verschwundenen Stinger-Rakete und etlichen Kilo Sprengstoff beladen, auf einen Öltanker zurast. Gesteuert wird es von Wasim und seinem Freund Farooq, die sich in Gottes Hand begeben in dem festen Glauben, in eine bessere Welt einzugehen, wenn sie ihre jungen Leben opfern, um die amerikanischen Imperialisten zu bekämpfen. Sie sind Täter und Opfer zugleich. In einem die Leinwand ausfüllenden, grellen Blitz endet Stephen Gaghans Film und hinterlässt nichts als Ratlosigkeit. Man wird nicht alle Zusammenhänge begriffen haben, wenn man aus dem Kino stolpert, man wird nicht sämtliche Handlungsstränge durchschaut und verstanden haben. Man wird diesen Film mehrfach sehen müssen, um zu lernen, daß einige Handlungsstränge, einige Zusammenhänge, nie offengelegt werden und einiges immer nur Vermutung, Spekulation und Annahme bleibt. So, wie im wirklichen Leben. Das ist mutig in einem letztlich kommerziellen Film. Und es funktioniert.

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