HAUS DES GRAUENS/THE OLD DARK HOUSE

Ein fast vergessenes kleines Juwel aus den frühen Jahren der Universal Studios

In einer stürmischen Nacht irgendwo in Wales landen Margaret (Gloria Stuart) und Philip (Raymond Massey) Waverton mit ihrem Freund Roger Penderel (Melvyn Douglas) in einem abgelegenen Haus in einem Tal. Hier haust die Familie Femm, bzw. das, was von dieser übrig ist: Horace (Ernest Thesiger) und Rebecca (Eva Moore) Femm nebst deren Butler Morgan (Boris Karloff). Vor allem Rebecca macht von Anfang an deutlich, daß sie die ungebetenen Gäste nicht im Haus haben will. Während man zu Tische sitzt, klopft es erneut an der Tür, Sir William Porterhouse (Charles Laughton) und seine Begleiterin Gladys DuCane (Lilian Bond) hat es ebenso durch das Unwetter hierhin verschlagen. Es entspinnen sich zarte Bande zwischen Penderel und Gladys, während Porterhouse zu verstehen gibt, daß er schrecklich unter dem Verlust seiner früheren großen Liebe leide, die einst verlacht wurde, weshalb er angefangen habe, „Geld zu machen“, das einzige, was er könne. Doch bei aller freundlichen Annäherung bleiben sowohl die Unterkunft als auch ihre Gastgeber den Reisenden unheimlich. Rebecca erzählt Geschichten über eine Schwester, die einst einen „Unfall“ hatte, Horace deutet an, daß er auch deshalb so abgelegen hier lebe, weil er polizeilich gesucht werde. Die Femms haben offenbar Angst vor Morgan. Als dieser trinkt und Margaret zu bedrohen scheint, schlägt Philip ihn nieder und flieht mit seiner Frau in den Salon. Philip soll mit Horace eine größere Leuchte aus dem obersten Stockwerk besorgen, doch Horace will dort nicht hingehen, da es dort gefährlich sei. Schließlich stoßen Philip und Margaret in einem der oberen Stockwerke auf den uralten Sir Roderick Femm (Elspeth Dudgeon), der ihnen nicht nur von dem Wahn der Familie und der Gefährlichkeit Morgans berichtet, sondern auch, daß unterm Dach Saul hause, ein dritter Bruder, der die eigentliche Gefahr darstelle, wolle er doch das Haus abbrennen und alle Bewohner darin umbringen. Schließlich befreit Morgan Saul und dieser bedroht Penderel, dem es aber schließlich gelingt, den Mörder zu überwältigen.

James Whales kleiner Horrorfilmklassiker von 1932 ist heute eigentlich nur noch Liebhabern zu empfehlen. Es ist ein – an Whales eigenen Großwerken FRANKENSTEIN (1931) und dem drei Jahre später entstandenen BRIDE OF FRANKENSTEIN (1935) gemessen – eher eindimensionaler Film, zwar voller Humor und irrer Dialoge, gespickt mit hervorragenden Schauspielern und ausgestattet mit treffenden Schocks, doch erzählt er eine Geschichte, die so heute nicht mehr erzählbar ist – es sei denn, man erzählte sie ironisch gebrochen oder als reine Parodie.

So ging das 1932: Ein bärtiger Butler, der nicht spricht, lediglich grunzt, zwei äußerst exzentrische Gastgeber und ein Irrer, der unterm Dach haust, ein wildes Gelächter ausstößt und sich als genau der entpuppt, der er sein soll: Eben ein irre lachender Irrer. Die Geschichte ist schnell und schnörkellos erzählt, aus heutiger Sicht geschieht alles exakt so, wie man es erwarten würde. Was also macht diesen Film zu einem Klassiker, zu einem Werk, daß man auch nach mehr als 80 Jahren noch goutieren sollte?

Allem voran die Besetzungsliste. Und da sind es weniger die bekannten Laughton, Douglas oder Karloff (der hier im Grunde eine reine Nebenrolle spielt), die uns überzeugen (zumal Laughton wirklich eher routiniert einen lauten und leicht provokanten Neureichen verkörpert), sondern vor allem Eva Moore und Ernest Thesiger. Sie machen das Herzstück des Films aus. Dabei sticht Thesiger noch einmal gesondert hervor. Sein atheistischer Horace Femm ist eine Meisterleistung darstellerischer Möglichkeiten, gelingt es ihm doch, diesen Mann zugleich verängstigt und bedrohlich erscheinen zu lassen. Wenn er Raymond Massey auf der Treppe klar zu machen versucht, daß er nun keinesfalls die Treppe hochzugehen und die Lampe dort zu holen gedenke, spürt man nicht nur deutlich die Angst vor…irgendwas…was auch immer da oben hausen mag, sondern zugleich auch, daß es diesem Mann keineswegs darum zu tun ist, irgendwen zu schützen, schickt er sein Gegenüber doch recht unbekümmert hinauf.

Doch was sind die besten Darsteller ohne ein gutes Buch? Und die Dialoge – vor allem jene Zeilen, die Eva Moores Rebecca Femm in den Mund gelegt werden – haben es in sich. Wenn sie immer wieder „Kein Bett, ihr bekommt kein Bett“ vor sich hin murmelt und den ungebetenen Gästen ihre Abscheu damit deutlich kundtut, hat das etwas Verstörendes. Doch auch die anderen Darsteller dürfen sich gelungener Dialoge erfreuen. Laughton, der weinerlich die Liebe zu seiner toten Frau gesteht und wie er Geld verdienen musste, weil er sonst nichts könne, die Anbändelei zwischen Douglas und Lilian Bond, die nebenbei zeigen darf, daß sie auch in viel zu großen Schuhen steppen kann, Sauls Verrücktheiten, wenn er Douglas zunächst weiszumachen versucht, daß er eigentlich eben der einzige nicht Verrückte im Hause sei – das hat Klasse und vor allem viel Witz. Die Drehbuchautoren Benn W. Levy und R. C. Sherriff haben sehr genau verstanden, daß Grauen und Humor meist Hand in Hand gehen.

Zu den Pluspunkten des Films gehören zudem die Bauten, die mit viel Liebe zum Detail dieses Haus labyrinthisch wirken lassen, man kann sich hier ohne weiteres verlieren; hinzu kommt eine Atmosphäre, die das Unwetter und das drohende Unheil, daß über den Reisenden zu hängen scheint, durchaus glaubwürdig wirken läßt. Whales Inszenierung (die allerdings im Vergleich zu den Frankensteinfilmen eher routiniert wirkt) und die Kamera von Arthur Edeson, der sich ein paar Extravaganzen erlaubt – Zerrbilder und sehr weit ausgestellte Kamerawinkel – tragen wie die Dialoge viel zum Grauen des Films bei.

Schwächen allerdings hat der Film ebenfalls. Karloff wankt wie Frankensteins Monster durch den Film, muß dann aber ohne blank all dessen Tragik schlicht böse sein. Doch wirkt er eigentlich selten bedrohlich, bestenfalls ausgefallen. Daß diese Art von Story und Plot heute nicht mehr überzeugen können, ist natürlich dem Alter des Films geschuldet. Hinzu kommt,  daß Whale es eben mit einer heute wohl zurecht vergessenen Vorlage zu tun hatte, welche  in ihrer ganzen Schauerlichkeit des Grand Guignol des 19. Jahrhunderts nur bedingt funktioniert. Das macht dann eben den maximalen Unterschied zu seinem  Frankensteinfilmen aus – da hatte er es mit einer wirklich weltliterarischen Vorlage zu tun, die einfach verfängt, komplett überzeugt und eine Metaebene offenbart, die weit über das Werk selbst hinausweist.

So bleibt hier ein schöner, atmosphärisch dichter Horrorfilm der frühen Universaljahre, der mit einem guten Buch voller Humor, teils ausgezeichneten Schauspielern und einem guten Setting zu überzeugen weiß.

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