VERRÄTER WIE WIR/OUR KIND OF TRAITOR

Susanna White liefert einen sehr guten Thriller nach einer Vorlage von John le Carré

Das Ehepaar MacKendrick – Perry (Ewan McGregor), ein Professor für Literatur, und seine Frau Gail (Naomie Harris), eine Anwältin – ist nach Marrakesch gereist, um in einem Kurzurlaub die Beziehung zu retten. Nachdem Perry eine Affäre mit einer Studentin hatte, kann sich Gail ihm nicht mehr öffnen, sie hat das Vertrauen zu ihrem Gatten verloren.

Eines Abends muß Gail entgegen der Absprache zu einem Video-Meeting, weshalb Perry allein im Restaurant zurückbleibt. Hier spricht ihn ein russischer Geschäftsmann an. Es ist Dima (Stellan Skarsgård), der für einen russischen Mafiaboss arbeitet und dafür verantwortlich zeichnet, dessen Geld zu waschen. Nun fürchtet Dima um das Leben seiner Familie, da ein anderes Mitglied der Organisation, sein Freund Misha, der ähnliche Aufgaben hatte, mitsamt seiner ganzen Familie umgebracht wurde. Lediglich die zwei jüngsten Kinder, Zwillinge, haben das Massaker überlebt und leben nun bei Dimas Familie.

Dima übergibt Perry einen USB-Stick, auf dem Namen und Verbindungen sowohl von Mitgliedern der Mafia, vor allem aber von hochrangigen Mitgliedern der britischen Regierungsadministration, Staatssekretären und Referenten, die mit der Russenmafia kooperiert haben, befinden. Perry solle daheim in London Kontakt zum MI6 aufnehmen, den Stick übergeben und damit dafür sorgen, daß Dima und seine Familie gerettet werden. Für eine gelungene Aufnahme in Großbritannien stellt Dima weitere Informationen in Aussicht.

Auf dem Londoner Flughafen bittet Perry sofort darum, mit einem Mitarbeiter des MI6 sprechen zu dürfen. So lernen er und Gail, die wenig begeistert davon war, daß Perry sich auf das Spiel des Russen eingelassen hat, Hector (Damian Lewis) kennen. Der verhört Perry und Gail, kann aus ihnen aber nicht mehr herausholen als das, was die beiden erlebt haben.

Perry ist sich sicher, daß ihre Aufgabe damit erledigt sei.

Doch einige Wochen später steht Hector plötzlich in Perrys Vorlesung. Er eröffnet ihm und Gail, daß Dima um ein Treffen in Paris gebeten habe, allerdings nur unter der Bedingung, daß die MacKendricks anwesend sind. Offenbar hat Dima Vertrauen zu Perry und seiner Frau gefasst.

Hector hat sich mit seinem Vorgesetzten Billy Matlock (Mark Gatiss) kurzgeschlossen, von diesem aber kein OK für die Operation erhalten, obwohl u.a. auch ein hoher Regierungsbeamter – Aubrey Longrigg (Jeremy Northam), ehemals direkter Vorgesetzter der beiden und von beiden zutiefst verachtet, steht kurz davor, sein Amt aufzugeben und in den Aufsichtsrat einer nach London transferierten und dort neu gegründeten Bank aus Zypern berufen zu werden – auf der Liste steht. Hector entschließt sich entgegen der Anordnungen seines Chefs, auf eigene Faust weiter zu machen. So setzt er Gail und Perry mit suggestiven Methoden – u.a. zeigt er ihnen Aufnahmen der toten Mitglieder jener Familie, die Dimas Auftraggeber bereits zum Opfer fielen – derart unter Druck, daß sie sich der Bitte, in Paris dabei zu sein, nicht entziehen können.

Hector macht auch deshalb solchen Druck, da Dima ihm mitgeteilt hat, daß er nach Bern fahren soll, um dort die Gelder, die auf den Listen der auf dem Stick angegebenen Konten liegen, an die in London neu gegründete Arena Bank zu überweisen. Eben jene Bank, der Longrigg als Aufsichtsratsmitglied vorstehen soll. Dima weiß, daß er nach dieser Transaktion keinen Wert mehr für seinen Boss, den „Prinz“ genannten Chef der Mafiaorganisation (Grigory Dobrygin), hat. So, wie der „Prinz“ Dimas Freund und Kollegen Misha und dessen Familie töten ließ, wird er auch Dimas Familie auslöschen. Davon ist der Russe überzeugt.

Perry und Gail können sich der Bitte Dimas – und damit auch Hectors – nicht entziehen.

In Paris wird ein „zufälliges“ Treffen in einer Modeausstellung arrangiert. Hector und seinem Mitarbeiter Luke (Khalid Abdalla) wird schnell klar, daß sich Dima bereits unter der permanenten Überwachung durch die Männer des „Prinzen“ befindet. D          ima hat dies allerdings bedacht und deshalb einen an bestimmten Tagen nur nach Voranmeldung besuchbaren Tennisclub mit Massagedienst vorgeschlagen. Hier haben er und Hector zumindest ein wenn auch kurzes Zeitfenster, um über die Bedingungen zu verhandeln. Allerdings wird sowohl Dima als auch Perry und seiner Frau hier schnell klar, daß Hector offenbar keine Rückendeckung seiner Vorgesetzten hat. So muß sich Dima einverstanden erklären, die Transaktion in Bern durchzuführen, da er nur so an die neuen Nummernkonten der Namen auf den Listen gelangen kann.

Da die Sicherheitsleute des „Prinzen“ dem zufälligen Wiedersehen zwischen Dima und den MacKendricks nicht trauen, setzen sie den vermeintlichen Chauffeur der Organisation, Niki (Alec Utgoff), auf die beiden an. Der bringt sie entgegen der vorherigen Absprache in einen Vorort von Paris und dort in eine Wohnung, die offenbar Drogendealern gehört. Hier werden die MacKendricks Zeugen, wie ein anwesender Mann ohne Grund eine Frau schlägt. Perry greift ein, womit er sich nach langer Zeit wieder den Respekt seiner Frau verdient. Niki hingegen weiß immer noch nicht, ob er es mit einem besonders naiven Engländer oder einem ausgebildeten und furchtlosen Angehörigen der britischen Geheimdienste zu tun hat.

Perry und Gail erklären sich nun bereit, an der schwierigen und gefährliche Operation in Bern teilzunehmen, auch weil sie begreifen, daß Hector zwar zynisch wirkt, aber durchaus menschliche Regungen kennt. Sein Sohn sitzt seit geraumer Zeit – durch ein Komplott Longriggs – wegen Drogenbesitzes im Gefängnis. Er kennt also durchaus die Sorgen, die ein Vater um seine Familie oder die Kinder haben kann.

Hector und Luke, der seinem Vorgesetzten folgt, obwohl er weiß, daß er sich damit auf illegales Terrain begibt, planen eine komplizierte Aktion in Bern, um sowohl die Familie als auch Dima selbst zu retten.

Die Transaktion findet statt und der „Prinz“ beschenkt Dima – wie zuvor Misha – als Dank für seine Dienste mit einer wertvollen Pistole. Zugleich ein Zeichen für das, was er mit seinem nun überflüssigen Finanzchef vorhat. Während es Gail gelingt, Dimas Frau und die Kinder in einem Museum in Empfang zu nehmen, aus dem Gebäude und damit in Sicherheit zu bringen, soll Perry Dima aus dem Hotel bringen, in dem die Transaktion stattfindet. Doch Niki ahnt, was vor sich geht und folgt Dima, der vorgibt, auf die Toilette zu müssen. Dima tötet Niki, er und Perry können entkommen.

Billy Matlock teilt Hector, von dessen Aktion er mittlerweile erfahren hat, mit, daß Longrigg die Aufnahme der Familie Dimas in Großbritannien verhindert hat. Hector schickt alle in ein Safe House in den Alpen, wo sie auf seine Anweisungen warten sollen, während er nach London fliegt und die Situation klären will.

Hector erklärt in London vor Vertretern des Finanzministeriums und der Steuerbehörden, daß die Arena Bank lediglich eine Strohbank sei, um russisches Mafiageld zu waschen. Man erklärt sich bereit, Dima und der Familie Aufenthaltsrecht einzuräumen, wenn Dima die Kontonummern preisgibt, die die entsprechenden Politiker belasten. Doch Dima, der über ein fotografisches Gedächtnis verfügt, hat diese nirgends aufgeschrieben, er kennt sie auswendig. Deshalb soll er nach London geflogen werden, die Konten preisgeben, dann werde die Familie geholt.

In der Hütte in den Alpen ruft Dimas leibliche Tochter ihren Freund an, von dem sie schwanger ist. Dieser arbeitete als Dimas Leibwächter, gehört aber auch der Organisation des „Prinzen“ an. Er kann den Anruf nachverfolgen, wodurch er den Aufenthaltsort der Flüchtigen erfährt. Bei einem Angriff auf die Hütte, gelingt es Dima und Perry, die Angreifer auszuschalten. Dima folgt seinem Ex-Beschützer in den Wald, wird von diesem aber überwältigt und fast getötet, bevor Perry hinzukommt und seinerseits den Leibwächter töten kann.

Perry bringt Dima zu dem Hubschrauber, mit dem dieser nach London geflogen werden soll. Doch kaum ist der abgehoben, reißt eine offenbar in der Maschine angebrachte Bombe alle in den Tod. Perry, der eigentlich mitfliegen sollte, wurde von Dima, der Gefahr witterte, dringlich aufgefordert, nicht mitzufliegen, sich aber um seine Familie zu kümmern. So beobachtet Perry das Unglück und kann Hector live am Handy mitteilen, daß alle Pläne zunichte gemacht wurden.

Er, Gail und Dimas Familie, die mittlerweile in ein anderes Versteck gebracht wurden, dürfen nach London ausreisen.

Die Bank wird wie geplant eröffnet, Longrigg steigt zum Minister für Außenhandel auf. Hector sucht ihn abends bei einem Empfang auf und droht ihm, ihn irgendwann zur Strecke zu bringen.

Perry besucht Hector in dessen Haus. Er übergibt Hector ein Paket, daß Dima ihm mit dem Auftrag, es an Hector weiterzugeben, hinterlassen hatte. Dann verabschiedet sich Perry und kehrt in sein Leben, seine Ehe und die Arbeit an der Universität zurück.

Hector weiß zunächst nichts mit dem Inhalt des Pakets anzufangen. Es ist eben jene Pistole, die der „Prinz“ Dima für dessen geleistete Dienste geschenkt hatte. Doch als Hector die Waffe genauer untersucht, findet er im Lauf einen Zettel, auf dem die Klarnamen und Kontonummern aller an dem Transfer und der Neugründung der Arena Bank Beteiligten stehen, womit sich die Zusammenhänge, die der Gründung der Bank zugrunde lagen, beweisen lassen. Da auch Longriggs Name hier auftaucht, kann Hector seine Drohung wahrmachen.

 

Wird auf einem literarischen Produkt als Autor John le Carré angegeben, geht der geneigte Leser davon aus, einen gehobenen Agententhriller jenseits der Bond-Action eines Ian Fleming geboten zu bekommen. Obwohl beide wirklich im Auslandsgeheimdienst tätig waren und im Grunde wussten, wovon sie sprachen, attestieren wir le Carré gern die tiefergehende Analyse, die authentischere Beschreibung und die zwar fiktionale, jedoch eher an der Realität angelehnte Erzählung. Und so setzt sich das in den filmischen Umsetzungen der Werke der Autoren fort: Während aus Flemings Figur eben jener James Bond wurde, der uns in seinen unterschiedlichen Inkarnationen von Sean Connery bis Daniel Craig actionreich zeigt, wie man, mal mit Charme und Eleganz, mal mit Brutalität und Skrupellosigkeit, die Welt rettet, repräsentiert George Smiley, le Carrés Meisterspion, eine tiefergehende, auch philosophischere Variante des Agenten per se.

So kommt es, daß wir Filme, die das Gütesiegel „nach einer Geschichte von John le Carré“ tragen, schnell als anspruchsvoll und bedenkenswert wahrnehmen. Eigentlich können Verfilmungen von Werken le Carrés nur gelungene Polit- und Agententhriller sein. Ob es der heute als Klassiker gehandelte THE SPY WHO CAME IN FROM THE COLD (1965) ist, ob es die berühmten BBC-Serien TINKER TAILOR SOLDIER SPY (1979) oder SMILEY´S PEOPLE (1982) mit Alec Guinness in der Rolle des George Smiley sind, ob es sich um THE RUSSIA HOUSE (1990), THE CONSTANT GARDENER (2005) oder A MOST WANTED MAN (2014) handelt – immer sind dabei hervorragende und nicht nur spannende, sondern auch anspruchsvolle Filme entstanden. Auch wenn nicht in allen George Smiley vorkommt. Dann allerdings fällt einem Tomas Alfredsons Neuverfilmung von TINKER TAILOR SOLDIER SPY (2011) ein und man erinnert sich an die nicht enden wollenden 127 Minuten, die man im Kino verbrachte und gegen die gähnende Langeweile ankämpfte, die dieser Film vermittelte, und denkt: Nee, nicht alle le Carré-Verfilmungen sind gelungen.

Nun also OUR KIND OF TRAITOR (2016). Erstmals nahm mit Susanna White eine Frau auf dem Regiestuhl einer Verfilmung des Meisters des Spionageromans Platz und man konnte gespannt sein, wie sie einen Stoff bewältigt, der typisch ist für den späten le Carré. White hatte zuvor vor allem fürs Fernsehen gearbeitet und zumeist klassische Stoffe – BLEAK HOUSE (2005) nach Charles Dickens und JANE EYRE (2006) nach dem Roman von Charlotte Brontë – bearbeitet. Nun hatte sie es mit einer internationalen Produktion und den entsprechenden Standards zu tun. Stars wie Ewan McGregor, Stellan Skarsgård und Naomie Harris spielten die Hauptrollen, der Film zielte direkt auf ein Publikum, dem spannende Ware geboten werden musste. Und White lieferte.

Es sind hier weniger professionelle Spione und Agenten, die im Mittelpunkt der Handlung stehen, es ist auch nicht die Action, die es zwar in geringem Maße gibt, die aber eher zurückhaltend präsentiert wird, und die Spannung generiert sich auch nicht aus Verfolgungsjagden oder Entdeckungen. Vielmehr setzen Buch und Regie auf zwischenmenschliche Verästelungen, auf psychologische Genauigkeit und durchaus auch moralische Aspekte, die dazu führen, ganz „normale“ Menschen erpressbar und damit auch gefügig zu machen.

Die Hauptfiguren sind ein von McGregor und Harris gespieltes Paar – er Literaturprofessor, sie Anwältin – , dessen Ehe etwas kriselt. Im Urlaub, der die Krise beenden soll, lernen sie einen Russen kennen, der den englischen Literaturprofessor MacKendrick bittet, für ihn einen USB-Stick an den MI6 zu überbringen. Er wolle Asyl in England, da er – Geldwäscher für die russische Mafia – um das Leben seiner Familie fürchtet. MadKendrick erfüllt dem Mann seinen Wunsch, hält die Sache damit aber für erledigt. Doch weit gefehlt – er gilt dem Russen Dima fortan als Vertrauensperson, weshalb der MI6 in Gestalt des undurchschaubaren Agenten Hector, den Damian Lewis in einer Mischung aus Zugewandtheit und unterschwelliger Härte sehr überzeugend spielt, erneut auf das Paar zukommt, um sie um weitergehende Hilfe bei der Kontaktaufnahme mit dem Russen zu bitten.

Schon in der Anlage der Story sieht man, daß le Carré mit der Zeit geht: Nicht mehr die Russen als Vertreter einer feindlichen Macht und dessen Ideologie sind der Gegner, sondern jene Leute, die aus dem Untergang des Sowjetreiches als Profiteure hervorgegangen sind. Mafiabosse, Oligarchen, die sich in den wilden 90er Jahren einen Teil des Staatsvermögens sicherten, und mit äußerster Brutalität ihre Pfründe und ihre „Reiche“ jedem Zugriff staatlicher Organe entzogen. Daß Hector und damit der britische Auslandsgeheimdienst nahezu im Dunkeln tappen, nicht wissen, mit wem sie es bei Dima wirklich zu tun und darüber hinaus kaum Einblick in die Machenschaften der russischen Mafia haben, gibt eine wahrscheinlich realistische Einschätzung le Carrés hinsichtlich des heutigen Wissenstands westlicher Geheimdienste in einem unüberschaubaren Geflecht neuer Gegner und Feindschaften wieder. Man hat es eben nicht mehr mit einer feindlichen staatlichen Institution zu tun, sondern mit Organisationen, die entsprechend den Gesetzen des freien Marktes funktionieren, in ihrem Auftreten Konzernen ähneln und darum bemüht sind, einen Großteil ihrer Geschäfte durchaus legal durchzuführen.

Natürlich bietet White – auch um des Suspense´ Willen – Szenen, die ganz konkret Spannung erzeugen und den Zuschauer packen. Ein Treffen in Paris und die finale Flucht der Familie Dimas, die unter reger Mithilfe von MacKendrick und seiner Frau schließlich gelingt, sind durchaus jedes Thrillers würdig und durch Kameraführung und vor allem Schnitt und Montage auch genauso angelegt, daß der Zuschauer sich im Sog des Moments verliert. Und sie funktionieren hervorragend. Kameramann Anthony Dod Mantle fängt erlesene, oft wie Hochglanz wirkende Bilder ein, in die diese Geschichte eingebettet wird, wodurch der Charakter einer Urlaubsreise des wohlhabenden Ehepaars unterstrichen und der Gegensatz zwischen einer harmlosen Reise und dem Ereignis, in das sie hineingezogen werden, betont wird.

Seine eigentliche Spannung bezieht der Film aus den ruhig gefilmten Begegnungen zwischen dem MI6-Mitarbeitert Hector und dem Ehepaar MacKendrick. Durch die Position der Kamera wird dabei meist die Hierarchie der Sprechenden verdeutlicht, die diese Treffen bestimmt und dazu beiträgt, das Ehepaar moralisch unter Druck zu setzen. Das Wissen um Hectors Entschluß, auf eigene Faust, ohne Einverständnis seiner Vorgesetzten, zu handeln, und die Streitereien der Eheleute, ob man sich auf die gefährliche Mission einlassen soll, machen den Reiz dieser Szenen aus. Die zwischenmenschlichen Konflikte werden zum eigentlichen Motor der Geschichte und des ganzen Films. White versteht es, diese Momente ausgesprochen intensiv und mit einer gewissen Wahrhaftigkeit zu inszenieren. Wir verstehen und spüren das Dilemma, in dem sich die MacKendricks befinden. Zudem erschafft die Regisseurin – erneut mit der Hilfe der Bilder Dod Mantles – gelegentlich eine klaustrophobische Stimmung, in der das Ehepaar die Orientierung darüber verliert, wem man eigentlich trauen kann und darf – und wem nicht. Allerfeinster Agentenstoff.

Das Gelingen eines solchen Films liegt natürlich immer auch in der Hand des Ensembles. Durchgehend hervorragend besetzt, kann der Zuschauer in fast jeder Figur die ihr jeweils innewohnende Dramatik und die Zerrissenheit spüren, die sie ausmachen. Auch Skarsgårds Dima, der – vielleicht gewollt, vielleicht weil es sein Naturell ist – wie ein Proll auftritt, laut und unflätig, nimmt man die Sorge um das Leben, um Wohl und Wehe seiner Familie, durchgehend ab. Daß dieser Mann, der vieles weiß, der durchaus bereit gewesen ist, die Dinge laufen zu lassen und damit wissentlich den Tod anderer in Kauf genommen hat, nun, in Anbetracht der Gefahr, plötzlich die Seiten wechselt, dabei immer das Heft des Handelns in der Hand hält, die Bedingungen bestimmt, unter denen der Austausch von Menschen gegen Informationen stattfinden soll, ist ebenso glaubwürdig und nachvollziehbar. Es macht ihn zu einer ambivalenten Figur, die nicht unbedingt die Sympathien des Zuschauers gewinnen kann, doch umso ernsthafter wirkt sein Bemühen, zumindest seine Frau und die Kinder zu retten.

Eigentlich fällt nur McGregors Perry MacKendrick, auch was die Glaubwürdigkeit angeht, im Vergleich zu den anderen ein wenig ab. Das ist in der Figur aber bereits so angelegt. Perry, sich seiner Verantwortung für das mögliche Scheitern seiner Ehe bewußt, agiert eher passiv, vorsichtig, lässt einiges geschehen, bis er von sich aus Initiative ergreift. Dies vor allem aber dann, wenn er Unrecht, vor allem gegen Frauen, wahrnimmt. Allerdings agiert er dann wie ein herkömmlicher Held, zeigt im Grunde keine Angst – was jene Szene, in der die MacKendricks gegen ihren Willen in einen Parier Vorort und dort in eine Drogenhöhle verfrachtet werden, ein wenig unglaubwürdig wirken lässt, zeigt dieser ansonsten offenbar so friedliebende englische Professor doch ein gewaltiges Aggressionspotential in einer Umgebung, in der ihm alle anwesenden Herren aufgrund ihrer Erfahrung und der Techniken, die sie erlernt haben, im Kampf wahrscheinlich überlegen sein dürften – , ist kampfbereit und schreckt nicht zurück, was McEwan allerdings ganz gut überspielt. So ist es schließlich auch seiner Schauspielkunst zu verdanken, daß wir einer Figur wie Perry abnehmen, daß sie schlußendlich zum Mörder wird.

OUR KIND OF TRAITOR gesellt sich einer ganzen Reihe hervorragender Spionage-, Agenten- und Politthriller der vergangenen Jahre hinzu und bietet deutlich mehr als reines Spannungskino. Wie man es von einer le Carré-Verfilmung erwarten kann, werden die moralischen und psychologischen Aspekte der Geschichte gut herausgearbeitet. Sie erfüllen aus sich heraus schon den Anspruch, den Zuschauer zu fesseln und zu bewegen, darüber nachzudenken, in wessen Namen die Dienste ihre modernen Aufgaben durchführen und ihre Methoden anwenden. Gerade indem sich die Roman-Vorlage und der Film eines „zivilen“ Paars bedienen, um in die Geschichte einzuführen und sie voranzutreiben, wird belegt, wie nah wir alle an diesem Vorgehen eigentlich dran sind – und daß sich keiner von uns der Verantwortung entziehen können. Denn es geschieht in unserem Namen.

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