WOLFEN

Michael Wadleighs Horrorfilm mit Öko-Botschaft

Der Immobilienmakler und Bauunternehmer Christopher van der Veer und seine Frau, sowie deren Chauffeur, werden eines Nachts an der Südspitze Manhattans, wo eine Nachbildung der Windmühle die van der Veers Urahn dort einst gebaut hatte, bestialisch umgebracht.

Die Ermittlungen soll Detective Dewey Wilson (Albert Finney) übernehmen. Sein Chef, Chief Warren (Dick O´Neil), ist sich der politischen Implikationen des Falles bewusst, weshalb er sich nicht dagegen wehrt, daß ein privates Sicherheitsunternehmen, das für van der Veer gearbeitet hat, in die Ermittlungen eingeschaltet wird. Die Firma verfügt vor allem über technische Ressourcen, die die Polizei nicht hat. Unter anderem einen Verhörraum, der anhand allerlei Daten genau bestimmen kann, ob jemand lügt. Hier befragt die Psychologin Rebecca Neff (Diane Venora), die für die Polizei arbeitet, Verdächtige.

Wilson arbeitet lieber mit herkömmlichen Methoden. So erhofft er sich vor allem Aufklärung durch den Pathologen Whittington (Gregory Hines), der die Leichen obduziert. Doch der kann nur das Offensichtliche feststellen: Die Körper wurden auf grässliche Weise verstümmelt, ohne daß man die Tatwaffe feststellen könnte.

Während Neff die Nichte des Bauunternehmers verhört, die sich in den 70ern einer extremistischen Untergrundgruppe angeschlossen hatte und sofort bereit ist, die Tat auf ihre Kappe zu nehmen, bittet Whittington seinen Freund Professor Ferguson (Tom Noonan), einen Biologen und Zoologen, um Rat. In der Wunde haben sich Haare gefunden, die definitiv nicht von einem Menschen stammen. Wilson seinerseits erinnert sich an Eddie Holt (Edward James Olmos), einen indianischen Aktivisten der 70er Jahre.

Wilson sucht Eddie auf seiner Arbeitsstelle – der ist Brückenbauer und befindet sich zu diesem Zeitpunkt auf der Spitze der Manhattan Bridge – auf und befragt ihn. Eddie erklärt, er könne fliegen wie ein Vogel, schwimmen wie ein Fisch und laufen wie ein Wolf. Denn er habe die Fähigkeit der Gestaltwandlung. Mehr gibt er aber nicht preis. Unverrichteter Dinge muß Wilson die Brücke wieder verlassen.

Ferguson hat derweil herausgefunden, daß die Haare von den Leichen zwar Wölfen zuzuordnen sind, er kann sie aber keiner bekannten Wolfsart zuordnen. Als in der South Bronx bei Abrißarbeiten in der Nähe einer alten Kirche Leichenteile und stark verweste Körper gefunden werden, deren Verletzungen Ähnlichkeiten mit denen an den Leichen aus Manhattan haben, wird der Fall immer mysteriöser.

Wilson und Neff sehen sich in der Bronx um, was auch deshalb interessant ist, weil van der Veer das gesamte Gebiet rund um die Kirche aufgekauft hatte und dort ein Luxusressort für Reiche errichten wollte. In der Kirche haben Wilson und Neff eine unheimliche Begegnung im Turm. Sie spüren, daß dort etwas auf sie lauert, können es aber nicht näher ausmachen.

Ferguson, ein Kauz und Liebhaber der Tiere, der Whittington und Wilson einen grausigen Film über die Jagd auf Wölfe gezeigt hat, spürt eines Nachts eine Präsenz vor seinem Bürofenster. Er folgt seinem Instinkt und fährt mit seinem Mofa in den Central Park. In einer Unterführung hört er das Knurren eines Wolfes, das er freudig begrüßt. Doch dann sieht er die Tiere und es wird ihm bewußt, daß sie ihm nicht freundlich gesonnen sind. Er wird angegriffen und getötet.

In der gleichen Nacht werden Wilson und Neff, die sich nähergekommen sind und die Nacht gemeinsam in Neffs Wohnung verbringen, von den Tieren durch das Fenster des Schlafzimmers beobachtet.

Whittington hat die Entdeckung gemacht, daß die Leichenteile aus der Bronx alle eine Ähnlichkeit aufweisen: Soweit nachprüfbar, waren alle Getöteten krank, meist sogar sterbenskrank.

Wilson geht abends in die Stammkneipe, wo sich Eddie mit seinen Vertrauten trifft. Nach anfänglicher Skepsis ist der älteste Indianer vor Ort (Dehl Berti), offenbar der Anführer, bereit, daß Eddie Informationen an Wilson gibt. So erfährt der Detective, daß es einen Wolfskult gibt, der auf dem Mythos fußt, die Wölfe seien Götter, die einst den Menschen alles gaben: Sprache, den aufrechten Gang und vor allem Land. Da der Mensch diese Gaben nicht zu schätzen gewusst habe, müssten nun die Anhänger des Kults dafür sorgen, daß die Jagdgründe der Götter verteidigt würden. Mit dieser Aussage macht Eddie sich einmal mehr sehr verdächtig. Die Tiere, so Eddie, kehrten zurück in die Stadt und hätten hier ihre neuen Jagdgründe. Sie töteten die Schwachen und Kranken, um sie zu fressen.

Wilson folgt ihm als er sich aufmacht, um eine Gestaltwandlung vorzunehmen. Am Meer in Coney Island verfolgt der Polizist, wie Eddie auf allen Vieren läuft, aus einer Pfütze trinkt und wie ein tollwütiger Wolf durch die Brandung des Meeres springt. Schließlich stellt Eddie Wilson und schlägt diesem sogar die Pistole aus der Hand. Er knurrt den Detective mit Schaum vor dem Mund an und für einen Moment sieht es aus, als wolle er ihn wirklich angreifen. Dann aber lacht Eddie Wilson aus und lässt ihn gehen.

Wilson und Whittington legen sich mit Nachtsichtgeräten und Flinten ausgerüstet bei der Kirche in den Abrißhäusern auf die Lauer. Während Wilson die Kirche noch einmal inspiziert, beobachtet Whittington ihn aus dem oberen Stockwerk eines Hauses und macht allerlei Scherze über Funk. Bis Wilson ihn nicht mehr hört. Er sucht nach ihm, findet an der Stelle, wo der Pathologe sein Lager eingerichtet hatte, aber lediglich eine Blutspur.

Wilson dringt nachts in das Büro van der Veers ein und betrachtet gedankenverloren das Gipsmodell der zu bauenden Anlage in der South Bronx. Langsam bringt er die Einzelteile, die so gar nicht zusammenpassen wollen, in Einklang. Wenn in den Abrisshäusern eine neue Wolfsart haust, die dort Schwache und Kranke – Junkies u.a. – jagt, wäre der Bau eine reelle Bedrohung ihrer Jagdgründe. Dann wäre der Mord an van der Veer eine Notwehrmaßnahme gewesen. Der Abriß in der South Bronx müsste verhindert werden.

Chief Warren hatte ein anderes Team auf eine andere Spur angesetzt. Diese scheint gefruchtet zu haben, es wurde jemand ermittelt, der als Täter in Frage käme. Der Verdächtige wird verhaftet und scheint bei der Befragung durch Neff zu lügen. Nun ist sich die Polizei sicher, den Täter gefasst zu haben.

Warren und Neff fahren zu van der Veers Büro, um Wilson die frohe Botschaft zu überbringen. Der bleibt zwar skeptisch, ist aber bereit, zunächst beizugeben. Gemeinsam verlassen sie das Gebäude. Unten auf der Plaza zeigen sich plötzlich die Wölfe. Wilson fordert seinen Chef auf, sich nicht zu rühren, vor allem solle er nicht zur Waffe greifen. Doch Warren verliert die Nerven und wird angefallen. Mit einem einzigen Hieb wird ihm der Kopf vom Rumpf getrennt.

Wilson und Neff fliehen zurück in das Gebäude. Im Büro, ganz oben im Penthouse gelegen, stehen sie allerdings erneut den Wölfen gegenüber. Zwischen all den schwarzen Tieren fällt das Leittier, ein weißer Wolf, besonders auf. Die Wölfe zeigen sich aggressiv. Da nimmt Wilson eine Schaufel, die hier steht, und beginnt, das Modell zu zerschlagen. Er zertrümmert die Gipsbauten bis zum letzten Stein. Jetzt nehmen die Wölfe eine ruhigere Position ein. Der weiße Wolf beginnt zu heulen und die Tiere verschwinden – scheinbar lösen sie sich auf.

Der Tag bricht an und während Wilson und Neff sich langsam aufraffen und der Tatort untersucht wird, laufen die Wölfe durch die Straßenschluchten Manhattans nach Norden, in Richtung Bronx. Auf einem Brückenpfeiler hockt Eddie und stößt ein Geheul aus.

Eine alte Indianer-Prophezeihung soll davon berichten, daß die Rückkehr der wilden Tiere in die Städte den Weltuntergang ankündige. Die Stadt New York im Jahr 1981 könnte eine gute Kulisse für den Weltuntergang gewesen sein. Es war eines der gewalttätigsten Jahre, die diese an Gewalt nie arme Stadt erleben musste. Weite Teile der South Bronx glichen verwüsteten Landschaften, die Schere zwischen arm und reich begann, weit auseinander zu klaffen. Und mitten in diese Melange hinein kam Michael Wadleighs Film WOLFEN (1981) und machte Ernst mit Prophezeihungen, wilden Tieren und der Mystik uralter Vorhersagen.

Wadleigh war elf Jahre zuvor zu Weltruhm gelangt, als er eine der wichtigsten Musikdokumentationen auf die Leinwände der westlichen Welt brachte: WOODSTOCK (1970). Danach zog er sich weitestgehend aus dem Filmgeschäft zurück, bis er mit dem nominell als Horrorfilm gehandelten Drama um einen Immobilienhai und seine Entourage, die an der Südspitze Manhattans auf fürchterliche Weise umgebracht werden, auf die Leinwände zurückkehrte. Ein Horrorfilm? Man sollte WOLFEN besser als Kriminalfilm mit mysteriösem Hintergrund werten, als Öko-Thriller. Heute würde einem solchen Film das Label eines Mystery-Thrillers aufgepappt. Tatsache ist: Wadleigh, der auch maßgeblich am Drehbuch beteiligt war, schickt seinen ebenso abgehalfterten wie engagierten Ermittler Dewey Wilson, gespielt von einem angemessen zotteligen Albert Finney, auf eine Reise durch die Nacht, an deren Ende der abgebrühte New Yorker mit den zynischen Sprüchen Dinge akzeptieren muß, die ein rational denkender Mensch nicht ohne Weiteres akzeptieren will. Zum Beispiel, daß sich Wolfsrudel in jenen Teilen der Stadt ansiedeln, die der Mensch verlassen und aufgegeben hat. Hier sind Jagdgründe, wo die Tiere die Schwachen und Kranken hetzen – Junkies und Versehrte, Obdachlose mit offenbar eindeutigen Leiden.

Wadleigh legt nicht zwingend Wert auf letzte Logik. So ist es u.a. kaum glaubwürdig, daß die Polizei einem privaten Sicherheitsunternehmen gestattet, aktiv an den Ermittlungen teilzunehmen. Da die Opfer – Christopher van der Veer, dessen Frau und der Chauffeur – aber den oberen Zehntausend angehören, wobei der Immobilienhai stark an den letzten U.S.-Präsidenten erinnert, der zu Beginn der 80er Jahre ganz groß in die New Yorker Immobilienbranche einstieg, bietet diese Volte die Möglichkeit, gleich den Klassenunterschied zwischen diesem Opfer und etlichen anderen, schwächeren, herauszuarbeiten, die im Laufe der Handlung auftauchen. Zugleich ist dies dem Detective ein Hinweis, daß van der Veer aus anderen Gründen getötet wurde, als die später gefundenen Opfer. Wilson muß sich immer tiefer in die Mythologie amerikanischer Ureinwohner hineinwühlen, um zu begreifen, daß er es offenbar mit etwas Mysteriösem, wenn nicht gar etwas Übernatürlichem zu tun hat. Tatsächlich treiben Wölfe ihr Unwesen in der South Bronx – und sie verteidigen ihr Jagdrevier, welches durch die Pläne von van der Veer bedroht ist. Der nämlich will aus der South Bronx, wo der Film zu großen Teilen auch gedreht wurde, ein Wohnreservoir für Superreiche machen, mit eigener Anlegestelle am Fluß und jeder Menge Schnickschnack, den Superreiche eben brauchen.

Daß zunächst Voodoo-Sekten und politische Extremisten in Verdacht geraten, liegt einerseits nahe, da der Chauffeur mittels eines Rings als Anhänger einer solchen Sekte ausgewiesen wird, der Immobilienhai seinersrits viele politische Gegner hatte, verweist andererseits jedoch auf die Kämpfe der 70er Jahre, die Weathermen, den politischen Kampf jener, die aus der Woodstock-Generation kommend direkt in den Untergrund gegangen sind. Wadleigh macht sich damit einerseits über die Terroristen selbst lustig, wenn er sie im Jargon jener Jahre vom antiimperialistischen Kampf schwafeln lässt, zugleich gibt er aber auch die darob herrschende Hysterie in den Institutionen ein wenig der Lächerlichkeit preis. Mit diesem Handlungsstrang, der nich allzu viel Raum einnimmt, markiert das Drehbuch aber auch den Übergang aus dem „roten Jahrzehnt“, wie die 70er gern tituliert werden, in die hedonistische Dekade aus Chrom und Glas, die die 80er werden sollten – und die Wadleigh erstaunlich treffend antizipiert.

Die Indianer, die Wilson zunächst ebenfalls aus politischen Gründen kontaktiert – atemberaubend jene Szenen, die in luftigen Höhen auf den Pfeilern der Manhattan Bridge gedreht wurden – führen ihn in das mythische Weltbild ein, nach dem die Wölfe einst den Menschen die Welt gegeben hätten, denn sie seien Götter gewesen. Und die Indianer, zumindest jene, die noch mit dem alten Glauben in Verbindung stehen, seien jederzeit in der Lage, ihre Gestalt zu wandeln – in einen Vogel, einen Bären oder eben einen Wolf. Doppeldeutig, ob dies auf etwas wirklich hindeutet, das außerhalb menschlicher Erfahrung liegt, oder ob es ein Euphemismus ist, der ein Geständnis ummantelt. So oder so scheinen diese Männer, die am Rande der amerikanischen Gesellschaft leben und dennoch die gefährlichsten Aufgaben erledigen, die diese Gesellschaft zu bieten hat, tiefere Wahrheiten begriffen zu haben. Und sie scheinen einem Kult – dem Wolfskult – anzugehören, der sich zur Aufgabe macht, die Jagdgründe der Wolfs-Götter zu schützen.

WOLFEN beginnt und verläuft lange nach dem Muster eines herkömmlichen, wenn auch harten Kriminalfilms. Ein Mord und die Ermittlungen werden gezeigt, es werden Experten hinzugezogen – eine Psychologin, ein Zoologe – die helfen sollen, die Hinweise und Indizien einzuordnen, der Detective und sein Kumpel aus der Pathologie begeben sich auf heimliche Beobachtung jener Orte, die sie für ihre Ermittlungen als zentral ausgemacht haben. Nur die gelegentlich eingestreuten Negativaufnahmen, die offenbar einen subjektiven Blick wiedergeben, stören dein Eindruck eines reinen Kriminalfilms. Es sind rasende Steadycam-Fahrten über Ruinentrümmer und durch die Straßen der Stadt, immer aus einer verfremdenden Perspektive und in glitzernden Farben gezeigt. Der Zuschauer begreift recht schnell, daß er hier durch die Augen von etwas blickt, das nicht menschlich ist, dafür aber umso tödlicher. Allerdings wird uns erst später bewußt, daß wir durch die Augen jener Wölfe blicken, die entweder Mutationen darstellen oder aber sich so an die Großstadt angepasst haben, daß sie hier existieren können – oder aber Götter sind. Die Schlußszenen des Films, wenn Wilson den Wölfen direkt gegenübersteht und unter deren Geheul das gipserne Modell der Marina und der Hochhäuser in van der Veers Büro, hoch oben über der Stadt gelegen, zerstört, deuten die übernatürliche Natur der Tiere zumindest an, wenn diese einfach aus dem Büro verschwinden.

Wadleighs Film wurde als Öko-Thriller gedeutet. Dieser Deutung lässt sich durchaus zustimmen. Es waren oftmals Science-Fiction- und Horrorfilme, die sich des Themas Umweltzerstörung in den 70er Jahren annahmen. Angefangen mit Saul Bass PHASE IV (1974), über John Frankenheimers PROPHECY (1979) führt eine direkte Linie zu Wadleighs Film. Interessant ist nebenbei die Verbindung mit Bass, der ebenfalls nur einen einzigen Spielfilm realisierte, nämlich eben seinen Schocker über Ameisenarten, die sich von Arizona aus aufmachen, ein neues Herrschaftssystem über die Welt zu verbreiten. Doch ist Bass´ Film eindeutig der Science-Fiction zuzuordnen und berührt das Thema Umweltzerstörung eher indirekt. Es ist ein im Grunde misanthropischer Film, der dem Menschen generell ein schlechtes Zeugnis ausstellt. Frankenheimers Werk wiederum ist ein Horrorfilm, der zwar eine eindeutige Botschaft hat, die aber unter Spektakel und Schauwerten – unter anderem bekommen wir jede Menge grässlich entstellter Tiere zu sehen – zu verschütt zu gehen droht. Wadleighs Film ist, da unaufgeregter und weniger an Effekten interessiert, glaubwürdiger in seinem Anliegen und lange um ein äußerst realistisches Szenario bemüht, das ihm auch gelingt. Da uns Buch und Regie den Fall aus Wilsons Perspektive präsentieren, einem Skeptiker und Rationalisten, ist es für uns einfacher, in die Bereiche des Unnatürlichen zu folgen, da wir immer an seiner Seite sind und seine Vorbehalte teilen.

WOLFEN bietet allerdings – neben den bereits erwähnten Negativaufnahmen aus der Perspektive der Wölfe – auch einige für 1981 durchaus angemessen harte Effekte. Der Mord an van der Veer und seiner Frau – ebenfalls aus Sicht der Wölfe dargestellt – zeigt Verstümmelungen, später bekommen wir Leichenteile zu sehen und Wilsons Vorgesetzter verliert buchstäblich seinen Kopf bei einem Angriff der Tiere und wir können beobachten, wie der Mund weiterhin versucht, Worte zu formen. Eine Korrespondenz zu einer früheren Szene, in der Wilson und der Pathologe, von Gregory Hines als früher Vorläufer heutiger New Yorker Hipster gespielt, darüber fachsimpeln, daß während der Französischen Revolution so mancher abgeschlagene Kopf noch versuchte, weiterhin zu reden. Allerdings setzt Wadleigh diese Effekte vorsichtig und eher zurückhaltend ein. Sein Film ist weder ein Splatterfilm, noch, im engeren Sinne, ein Horrorfilm der damals gängigen Art. Weshalb er zunächst auch an den Kinokassen floppte. Was man sieht, steht immer in Bezug zur Handlung und macht dramaturgisch Sinn. Wenn Wilson die Indianer in einer ihrer Kneipen trifft, erklären ihm diese, daß Wölfe keine Monster seien, daß sie nur Schwache und Kranke jagen und töten – was die Anzahl der getöteten Junkies erklärt. Van der Veer zu töten, muß also andere Gründe gehabt haben. Und diese Gründe sind entweder Vergeltung – oder eben eine Warnung, nicht zu weit in die Jagdgründe der Tiere vorzudringen. Teile der Stadt, so die Message des Films, Teile unserer Zivilisation, die wir bereits wieder aufgegeben und hinter uns gelassen haben, werden von den Tieren zurückerobert. Wir müssen unsere Welt mit ihnen Teilen. Die Gewalt erscheint also angemessen.

Eine ganze Reihe von indianischen Weisheiten und Sprichwörtern wird hier verwurstet, um die Grundstimmung des Films zu betonen und zu verifizieren. Und diese ist sehr düster. 1981 ist auch ein Jahr gewesen, in dem Punk noch eine virulente Jugendbewegung, der „No future“-Slogan noch relevant war. Etwas Apokalyptisches grundiert WOLFEN dementsprechend. Die Aufnahmen der Bronx als verödete Stadtlandschaft aus Ruinen und Abrisshäusern im Kontrast zu den Straßenschluchten Manhattans und den gediegenen Wohnungen in Staten Island, Queens und Brooklyn, in denen Wilson und vor allem die Psychologin Rebecca Neff leben, verdeutlicht nicht nur den Gegensatz von reich und arm, den diese Metropole bietet, sondern deuten auch auf etwas Endgültiges, etwas zutiefst Verrohendes und unwiederbringlich Vergehendes hin. Der geschützte Raum der wohlhabenden Gegenden wird fragil, die Fassade brüchig, die gebotene Sicherheit hinfällig.

WOLFEN verzichtet auf ein Happyend im herkömmlichen Sinne. Er bietet keine Sicherheit. Wir sehen, wie Eddie, jener Indianer, der Wilson entscheidende Hinweise gibt, ihn aber auch eines Nachts bedroht, als der Detective ihm folgt und Zeuge seiner „Verwandlungen“ wird, einem Wolf gleich heult, während sich die Tiere, die wie Schemen im Büro van der Veers aufgetaucht sind, zurückziehen und durch die Straßen Manhattans zurück gen Bronx streifen. Vielleicht wurde Burgfrieden geschlossen, vielleicht ein fragiles Gleichgewicht hergestellt. Doch wir wissen, daß die Zerstörung der Umwelt keineswegs aufgehört hat, wir wissen, daß die Bronx heutzutage längst aufgepeppt wurde, wir wissen, daß die Tiere einerseits immer bedrohter sind und zugleich wirklich immer mehr wilde Tiere in die Städte vordringen und sich hier ihren Lebensraum schaffen. Waschbären, Vogelarten, Füchse – ja, sogar Wölfe sind mittlerweile auch nach Deutschland und teils in bewohnte Siedlungsgebiete zurückgekehrt.

WOLFEN setzt selbst einen Ton für das aufkommende Jahrzehnt. Der Film ging damals unter, bekam dann aber – vor allem durch Video und TV-Ausstrahlungen – mehr und mehr Kultstatus. Zurecht, wie man sagen kann. Es ist nicht nur ein hervorragender – auch hervorragend gemachter und gespielter – , äußerst spannender Thriller, sondern eben auch ein Film, der gerade in der Zeit, die seit seiner Veröffentlichung vergangen ist, gezeigt hat, wie recht er hatte, wie genau er auf das blickte, was kommen sollte. Er funktioniert auch mit seinen aus heutiger Sicht veralteten Spezialeffekten immer noch gut. Wadleigh vergisst auch nicht die goldene Regel, daß Horror und Komödie nah beieinander liegen, und baut immer wieder Lacher in seinen Film ein. Zumindest in die Dialoge. Doch sind sie nie aus sich selbst heraus zynisch, eher charakterisieren sie die zynische Lebenshaltung der Protagonisten. Lustig macht sich WOLFEN gelegentlich über die politischen Implikationen des Falles und über den bürokratischen Ermittlungsapparat, in dem Vorgesetzte und Vertreter der Stadt vor allem besorgt sind um Bauvorhaben und die Gelder, die fließen sollen, sowie die eigene Reputation. All diese oft nur in Andeutungen und kurzen Szenen gezeigten Verwicklungen sind ebenso überzeugend, wie Wilsons Ermittlungen im Milieu der Indianer und der Superreichen. Dadurch deckt der Film ein weites Spektrum von New York ab und zeigt auch deutlich die Bruchstellen und Unmöglichkeiten dieser Metropole, die wie keine andere den Größenwahn, aber auch die Möglichkeiten der Moderne und damit des 20. Jahrhunderts symbolisiert.

Lediglich die immer wieder in der Stadtlandschaft auftauchenden Türme des World Trade Center, mittlerweile durch die Angriffe von 9/11 selbst Geschichte, irritieren. Und sind zugleich – aus heutiger Sicht – ein perfektes Symbol der Vergänglichkeit und der Vergeblichkeit allen menschlichen Strebens, welches in Wadleighs Film immer mitschwingt.

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