AD ASTRA – ZU DEN STERNEN/AD ASTRA

Ein hervorragender Science-Fiction-Film von James Gray

Roy McBride (Brad Pitt) arbeitet als Ingenieur für die Weltraumbehörde SpaceCom. Unter andrem bei einem Unfall an einer Weltraumantenne zeigt sich, daß dieser noch recht junge Mann von erstaunlicher Ruhe und Gelassenheit ist. Auch die physischen wie psychischen Tests der Behörde besteht Roy meist als einer der Besten. Kaum, daß sein Puls einmal steigt, bleibt er in nahezu allen Belastungssituationen ruhig.

Die Kehrseite dieser inneren Ruhe ist eine äußere Distanz. Im Umgang mit Menschen wirkt Roy meist unbedarft, er bleibt distanziert. Dies hat ihn auch die Beziehung zu seiner Frau Eve (Liv Tyler) gekostet, mit der er sich gelegentlich über Videochats unterhält. Auch sein Kind sieht er nur selten.

Der Unfall an der Antenne wurde durch eine elektromagnetische Welle ausgelöst. Diese Energiewellen beobachtet SpaceCom schon über längere Zeit. Sie können für die Erde, gar das Sonnensystem, zu einer wirklichen Bedrohung werden und haben in ihrer unmittelbaren Auswirkung auf er Erde schon Tausende das Leben gekostet. Als Auslöser der Wellen wird die Raumstation Lima ausgemacht. Sie gilt seit über 20 Jahren als verloren. Einst wurde sie gen Neptun geschickt, an den äußersten Rand des Sonnensystems, um von dort Forschungen zu außerirdischem Leben zu betreiben. Leiter der Station war Roys Vater Clifford, ein Held, ja eine Legende, in den Annalen der Behörde.

Nun also braucht man eine Besatzung, um zur Lima zu fliegen und eventuell das, was die elektromagnetischen Wellen auslöst, abzustellen oder zu zerstören. Dafür wird aufgrund seiner hervorragenden Ergebnisse bei allen Tests Roy ausgesucht. Zur Seite gestellt wird ihm Thomas Pruitt (Donald Sutherland), ein alter Haudegen der Behörde, vor allem aber ein früherer Freund von Clifford.

Die Mission beginnt und soll über zwei Zwischenstopps – auf dem Mond und dem Mars – zum Neptun führen, wo man die verschollene Station Lima nach wie vor vorzufinden glaubt. Unterwegs zum Mond erklärt Pruitt Roy, wie es damals um dessen Vater bestellt war.

So wird Roy, der sich nur vage an den Mann erinnern kann, klar, daß Clifford immer schon ein heller Geist und zugleich komplizierter Charakter gewesen ist. Die Behörde weiß, daß er wahrscheinlich das Kommando auf der Lima mit äußerster Härte geführt hat. Und man ahnt, daß  das Verschwinden der Station mit Cliffords fast fanatischem Geist und seinem Glauben an fremdartiges Leben im All zu tun haben könnte. Pruitt erklärt Roy, daß Clifford, der vielleicht ein Verrückter ist, von der Behörde bewußt zu einem Helden aufgebaut wurde, damit ihre Berechtigung nicht in Frage zu stellen war.

Auf dem Mond sollen Roy und Pruitt zur eigentlichen Raumstation transferiert werden. Unterwegs werden sie von Weltraumpiraten angegriffen, wobei Pruitt verletzt wird. Deshalb kann er die Weiterreise zum Mars nicht mehr antreten.

Mit dem Schiff Cepheus reist Roy nun also allein weiter. Unterwegs erhält er Nachrichten von SpaceCom. Offensichtlich ist man sich nicht mehr so sicher, daß es wirklich eine gute Idee war, ausgerechnet Roy auf diese Reise zu schicken. Der jedoch ignoriert die Informationen.

Unterwegs muß die Cepheus einem Notfallsignal folgen, an Bord des fremden Schiffes finden sie die Besatzung tot, offenbar von extrem aggressiven Forschungsprimaten getötet. Auch der Kapitän der Cepheus, mit dem gemeinsam Roy an Bord des fremden Schiffes gegangen ist, fällt den Affen zum Opfer.

Vom Mars aus sendet Roy vorbereitete Nachrichten zum Neptun, doch erst als er eine persönliche und emotionale Botschaft sendet, zeitigt dies eine Reaktion. Roy wird nicht mitgeteilt, worin diese Reaktion besteht, doch wird die Mission daraufhin abgebrochen, er solle zurückkommen.

Die Leiterin des Mars-Stützpunkts, Helen Lantos (Ruth Negga) hilft ihm aber, an Bord der Cepheus zurück zu gelangen. Sie will, daß Roy den Flug antritt, da sie einerseits erhofft, daß sich das Verschwinden ihrer Eltern, die sich einst mit Clifford auf der Lima befanden, endlich restlos aufklärt, andererseits sinnt sie auch auf Rache, zumindest auf ein Verfahren gegen Clifford McBride. Denn sie ist im Besitz von Filmaufnahmen, die zeigen, wie Clifford die anderen Besatzungsmitglieder tötet. Wahrscheinlich in Folge einer Meuterei, vielleicht aber auch aus reinem Wahn. Roy wird klar, daß Pruitts Andeutungen einen wahren Kern haben. SpaceCom hat Clifford, um seine Verbrechen zu decken und selbst nicht in die Schußlinie zu geraten, zum Helden stilisiert.

Roy fliegt nun als eine Art blinder Passagier auf der Cepheus mit. Als er entdeckt wird, kommt es zu einem Unfall. Roy will sich dagegen wehren, festgesetzt zu werden, wie der Befehl von SpaceCom lautet. Die Besatzungsmitglieder sterben allesamt, Roy fliegt nun allein mit dem Schiff zum Neptun.

Schließlich erreicht die Cepheus den Neptun. Roy kann auch die Raumstation lokalisieren. Mit einer Raumkapsel dockt er an und dringt ein. Auf der Station findet er etliche Leichen – und seinen Vater, Clifford McBride (Tommy Lee Jones). Der ist stark gealtert und schwer krank. Seit nunmehr sechzehn Jahren allein auf der Station, sucht er weiterhin nach Kontakt mit fremdem Leben. Er erzählt Roy, daß es auf der Station zu einer Kernschmelze gekommen sei, als die übrigen Besatzungsmitglieder gemeutert haben und daß diese Kernschmelze für die Energiewellen verantwortlich sei, die die Erde träfen und dort so großes Unheil anrichten.

Zwischen Vater und Sohn kommt es zu mehreren Aussprachen, bei denen deutlich wird, daß Clifford obsessiv sein Ziel verfolgt, obwohl er nie, in seiner ganzen Missionszeit, ein Signal erhalten hat, das wirklich auf außerirdisches Leben hindeutet. Es wird deutlich, daß Clifford nicht nur seine eigenen Hoffnungen in eine solche Begegnung gelegt hat, sondern auch die der Menschheit, Erst durch eine solche Begegnung sei der Mensch fähig, wirklich höhere Geistesebenen zu erreichen und sich so zu reflektieren, daß er ein besseres Wesen werde.

Zugleich wird aber auch deutlich, wie wenig Roy und seine Mutter Clifford bedeutet haben. Der sagt das auch ganz offen. Seine Mission, seine Forschungen, sein Glaube waren immer wichtiger für ihn, als die eigene Familie. Roy erkennt sich selbst und die eigene Unfähigkeit zu sozialer Nähe in Clifford wieder.

Roy versteht, daß die Station wahrscheinlich nicht mehr lange zu halten ist. Zwar gelingt es den beiden Männern, eine Katastrophe abzuwenden, doch müssen sie den Rückzug antreten. Roy aktiviert einen Nuklearsprengkopf, um die Station schließlich kontrolliert zu zerstören, und zwingt seinen Vater mehr oder weniger, mit ihm zur Cepheus überzusetzen.

Doch da die Raumkapsel nicht mehr einwandfrei funktioniert, müssen sie dies in einem gewagten Manöver in Raumanzügen versuchen. Dabei greift Clifford Roy an, es kommt zu einem Gerangel und Roy kappt, um das eigene Überleben zu sichern, die Verbindungsleine zwischen ihnen. So driftet Clifford hilflos ab und treibt seinem sicheren Tod entgegen. Doch Roy begreift, daß seinem Vater dies lieber ist, denn als Gescheiterter in die Zivilisation der Erde zurückzukehren.

Roy rettet sich an Bord der Cepheus und nutzt dann die Welle der Explosion auf der Lima als Antriebsschub für sein eigenes Schiff, das er gen Erde ausrichtet.

Zurück auf der Erde, bemüht Roy sich, wieder richtigen Kontakt zu seiner Frau und seinem Kind herzustellen.

Wenn man so etwas wie einen roten Faden in den Werken des Regisseurs James Gray sucht, dann stößt man vor allem auf Familiengeschichten unter besonderer Berücksichtigung der Vater-Sohn-Verhältnisse. Gelegentlich sind es auch Vaterfiguren, an denen sich Zieh-Söhne abarbeiten. Gray hat diese Verhältnisse und Beziehungen in ganz unterschiedlichen Genres untersucht und mit seiner ruhigen, manchmal bedächtigen Art der Inszenierung immer besondere Aspekte der spezifischen Umgebungen, in denen die Geschichten spielten, herausgearbeitet.

In dem Gangsterfilm LITTLE ODESSA (1994) war es das Viertel Brighton Beach in Coney Island, wo ukrainisch-stämmige Einwanderer leben; in THE YARDS (2000) war es die Stadt New York und die Korruption, gegen die ein junger Kerl antritt und in dieser Konfrontation auch gegen den eigenen Mentor; in WE OWN THE NIGHT (2007) ist es der Zwiespalt, in den ein russischstämmiger Mann gerät, der sich für die lokalen Gangsterbosse verdingt, dessen Familie jedoch bei der New Yorker Polizei eine Art Familiendynastie erbaut hat; in THE LOST CITY OF Z (2016), formal einem Abenteuerfilm, treibt die Bewunderung für den Vater einen jungen Engländer anfangs des 20. Jahrhunderts zu immer waghalsigeren Ausflügen in den südamerikanischen Dschungel. Und nun also AD ASTRA (2019).

Ein junger, ein wenig autistisch wirkender Ingenieur, der für die Weltraumbehörde arbeitet und sich auch bei gefährlichen Einsätzen immer wieder bewährt, weil es ihm gelingt, die Ruhe zu bewahren, wird ausgesucht, um einen gewagten Flug zum Neptun zu unternehmen. Dort lokalisiert man den Ursprung elektromagnetischer Wellen, die nicht nur die Erde bedrohen. Wichtiger für den von Brad Pitt gespielten Roy McBride ist jedoch, daß er die Möglichkeit hat, dem Schicksal seines Vaters nachzuspüren. Der nämlich ist vor über 20 Jahren irgendwo beim Neptun verschollen. Clifford McBride war auf einer Mission, die außerirdischem Leben nachspüren sollte. Und irgendwie, so die Überzeugung der Behörde, stehen die Energiewellen mit ihm und der Raumstation Lima in Zusammenhang, die Clifford einst betreute.

Also erneut ein Vater-Sohn-Drama, diesmal im Gewande einer Science-Fiction-Erzählung. Waren seine frühen Filme vordergründig klare Genrebeiträge, die die Familientragödien im Hintergrund abhandelten, bis sie dann in der Handlung aufgingen und solange vorantrieben, bis die eine Handlungsebene die andere durchdrang und sie nicht mehr voneinander zu trennen waren, steht bei AD ASTRA scheinbar das Abenteuer des langen Flugs zum Neptun, die Einsamkeit, die der Astronaut dabei empfindet, und die Lakonie des Protagonisten im Vordergrund. Roy hat den Kontakt zu Frau und Kind fast verloren, gelegentlich kommunizieren sie über Videochats. Roy wirkt unbeteiligt und doch ahnen wir, daß er selbst unter seiner Unfähigkeit, Gefühlen Ausdruck zu verleihen – vielleicht sogar der Unfähigkeit, diese nicht nur als diffuses inneres Chaos wahrzunehmen – , leidet. Nun sind es genau diese Fähigkeiten, mit den die genannten Defizite fast zwangsläufig einhergehen, die Roy für die Reise zum äußersten Planeten des Sonnensystems prädestinieren. Der Verlauf des Films wird zeigen, wie im System der Weltraumbehörde das Ausbeuten von Beziehungen Methode hat – aber daß sich dieses Muster in fast allen Beziehungen spiegelt, die der Film beschreibt, wird ebenso deutlich. Und erst recht ist es ein Muster, daß sich durch die Beziehung von Vater und Sohn McBride zueinander definiert – und speist.

Gray spielt zunächst einmal ein versiertes Spiel mit dem Genre, das er bedient und nutzt. AD ASTRA ist kein verkapptes Psycho-Drama, wie es vielleicht Tarkowkis SOLARIS (1972), nach dem gleichnamigen Roman von Stanislaw Lem, gewesen sein mag, sondern ein wirklicher Science-Fiction-Film. Gray bietet Versatzstücke dessen, was die moderne Science-Fiction ausmacht. Und das trotz eines Inszenierungsstils und eines Tempos, das momentweise meditative Züge annimmt und damit an Kubricks 2001: A SPACE ODDYSSEY (1968) erinnert, einem Film, dem sich der Regisseur ganz offensichtlich auf unterschiedlichen Ebenen verpflichtet fühlt. So gibt sich AD ASTRA in Ausstattung und Technik enorme Mühe, realistisch zu wirken und das, was er zeigt, als machbar erscheinen zu lassen. Da ist er den modernen und postmodernen Filmen verwandt, die das Genre ernstnehmen und zugleich aufladen, weil sie darin die Möglichkeit einer fundierten Aussage über die Gegenwart erkennen.

Wenn Roy und seine Begleiter bei einem Transfer auf dem Mond – auf dem Weg zum Neptun muß er zweimal zwischenlanden, einmal auf dem Mond, das andere Mal auf dem Mars – von Weltraumpiraten angegriffen werden, ermöglichen es Buch und Regie, auch jenen Filmen Tribut zu zollen, die die Science-Fiction als modernes Märchen und Abenteuerspielfeld betrachten. Es wird Action auf einem technisch hohen Niveau geboten, aber auf eine völlig eigene, für Gray typisch distanzierte Art inszeniert. Der Zwischenfall mit den elektromagnetischen Wellen zu Beginn des Films, bei dem wir beobachten können, wie ruhig Roy auch in einer lebensbedrohlichen Situation zu bleiben vermag, wirkt wie ein Relais zwischen verschiedenen Ebenen des Science-Fiction-Films: Technisch hervorragend gemacht, in der Darstellung glaubwürdig und doch auch voller Action und Spannung, bietet diese Sequenz ein astreines Beispiel, was moderne Aufnahmeverfahren, was moderner Schnitt und moderne Montage auf der Leinwand ermöglichen. Kino, das ganz bei sich selbst ist; Bewegung und – im wahrsten Sinne des Wortes – Raum, die zueinander in Bezug gesetzt werden.

Der Film selbst hingegen wirkt, als sei er erst ganz bei sich, wenn Roy wirklich allein unterwegs ist. Bis es dahin kommt, hat das Buch noch eine Episode auf dem Mars eingebaut, die ebenfalls ein wenig Action bietet. Ohne daß der Eindruck entstünde die Regie sei am Vorlauf weniger interessiert, kommt es dem Betrachter doch so vor, als wären die meisten dieser Einschübe nicht notwendig. Es bräuchte weder die Piraten, noch den etwas verwickelten Plot auf dem Mars, um die Geschichte voran zu treiben, bzw. dorthin zu bringen, wo Gray sie haben will. Ein wenig entsteht der Eindruck, daß es auch Zeitfüller sind, um den Film etwas in die Länge zu ziehen. Natürlich dienen sie auch dazu, Roy zu charakterisieren und ihm – und uns – bspw. in der Figur des von Donald Sutherland gegebenen Thomas Pruitt – Informationen über Clifford McBride an die Hand zu geben. Dessen wohl genialer Geist, zugleich aber auch schwieriger Charakter, werden so zu einem bedrohlichen Hintergrundszenario aufgebaut. Wen wird Roy am Ende seiner Reise treffen, wenn er wirklich auf den Mann trifft, an den er sich nur schwach erinnern kann?

Worauf es Gray letztlich also ankommt, ist die Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn McBride. Denn Roy findet den Alten wirklich auf der Station. Und wie ihm zuvor – eben als Teil der Mars-Episode – schon anvertraut wurde, hat Clifford offenbar wirklich alle anderen Teilnehmer der Mission getötet. Aus Gründen einer Meuterei? Oder aus Wahn? Es ist Grays Inszenierungsgeschick zu verdanken, daß diese Frage bis zum Ende des Films offenbleibt. Es ist allerdings Tommy Lee Jones zu verdanken, daß dieser Mann, Clifford McBride, undurchschaubar und damit sehr ambivalent bleibt. Denn Roy trifft so oder so auf einen Fanatiker, der der Suche nach außerirdischem Leben sein eigenes gewidmet hat. Doch ist es nicht blinder Fanatismus, der Clifford treibt, sondern ein grundtiefer Glaube, daß erst in der Begegnung mit den anderen, dem definitiv Fremden, die Menschheit ihrer eigentlichen Erfüllung entgegenstreben könne. Und im Umkehrschluß erhofft Clifford sich höhere Weisheit, die die Menschheit wiederum voranbringen könne. Vielleicht also werden Opferbereitschaft, Disziplin und Wahn an dieser Stelle auch deckungsgleich. In einer erschütternden Szene erklärt Clifford seinem Sohn, daß er nie wirkliches Interesse an ihm oder auch nur seiner Frau gehabt habe. Folgerichtig will Clifford auch nicht zurück zur Erde. Der Film zeigt im wortwörtlichen Sinne eine Abnabelung, als Roy, um sich im Kampf mit dem Vater zu retten, die Verbindungsleine zu diesem kappt. Und ihn dem sicheren Tod überantwortet. Den jener wiederum einer Rückkehr um jeden Preis vorziehen würde. So entsteht der Eindruck, daß Clifford auf einer metaphorischen Ebene all die vielen, vielen Jahre im All ausgeharrt hat, um durch seinen Sohn erlöst zu werden. In einer seltsamen Dialektik sind diese beiden Männer zwingend aufeinander angewiesen.

Gray erzählt also eine ganz klassische Geschichte: Wie der Sohn dem Vater nacheifert, dann aufbegehrt, sich abwendet, sich abnabelt und den Vater schließlich überwindet. Ein Thema in der Mythologie ebenso, wie in der Psychoanalyse. Ein Grundmotiv männlichen Daseins. Wie im direkten Vorgänger, THE LOST CITY OF Z, spielen die Frauen – Gattinnen oder Mütter – kaum eine Rolle in diesen Dramen. Es sind spezifische Vater-Sohn-Konflikte, die Gray aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet, unter verschiedenen Bedingungen. Daß er, anders als in einem Gangsterdrama, diesen Konflikt in einem Science-Fiction-Film eindringlicher, analytischer, auch philosophischer untersuchen kann, führt zu anderen Erkenntnissen, bzw. anderen Auflösungen. Die Science-Fiction neigt von sich aus schon zu philosophischen Überlegungen, zumindest in ihrer reiferen Form. Diese oft gesellschaftspolitisch und utopisch (oder dystopisch) motivierten Überlegungen mit psychoanalytischen Motiven zu kreuzen, ist zwar auch nicht vollends neu – siehe SOLARIS – hat aber fraglos seinen Reiz, auch, weil es noch nicht allzu oft probiert wurde.

Gray gelingt es deshalb, weil er sich als wirklicher Filmemacher erweist. Er findet die Bilder, um den Subtext mit zu erzählen. In der besten Manier des Genrekinos, übersetzt er das Innenleben seiner Figuren ins Äußere – in Aktion und Setting. Daß ein Mann wie Roy McBride, der den Vater mehr er-ahnt, als daß er sich an ihn erinnert, in einer Art Wiederholungsschleife dessen (soziale) Fehler reproduziert und aufgrund dessen mehr und mehr abzustumpfen scheint gegenüber seiner Umwelt, spiegelt sich kongenial in der Leere des Raums, durch den er sich auf seiner Reise bewegt. Die Reise selbst entspricht natürlich jener inneren Bewegung, mit der Roy zu sich kommt. Je mehr er sich dem Vater nähert, desto mehr muß er sich mit den eigenen Verfehlungen auseinandersetzen. Und eigene Verantwortung erkennen. Das Reisemotiv teilt die Science-Fiction mit dem Roadmovie. Und wie ein Roadmovie mutet gelegentlich auch AD ASTRA an.

Allerdings könnte man Gray auch vorwerfen, daß er einen sehr langen Vorlauf braucht, der uns natürlich etwas über das Wesen dieses Roy McBride erzählt, um auf den Punkt zu kommen. Und man könnte auch die Frage stellen, ob die Erkenntnis, die sich ihm und uns dann am Ende des Films offenbart, für solch einen Vorlauf nicht ein wenig banal ist? Wenn Roy, zurück auf der Erde, zaghaft Kontakt zu Frau und Kind aufnimmt, damit die Familie – symbolisch also die Ordnung – wiederhergestellt ist, trifft einen die Banalität des Ganzen noch einmal mit besonderer Wucht. Ein wenig trägt zu diesem Eindruck auch das Spiel von Brad Pitt bei. In seinen ernsthaften Rollen scheint er zunehmend darauf zu setzen, enigmatisch zu wirken. Sein Minenspiel beschränkt sich oftmals auf minimale Bewegungen, Starren ist eins seiner bevorzugten Ausdrucksmittel. Pitt ist ein begnadeter Schauspieler, das hat er in ganz unterschiedlichen Rollen bewiesen, vielleicht ergeht es ihm, wie es einst Stars wie Jack Nicholson oder auch Robert De Niro ergangen ist – einmal einen gewissen Kniff herausgefunden, haben auch die sich allzu oft darauf verlassen, daß es reicht, ihn in verschiedenen Rollen und Geschichten zu wiederholen. Auch Pitt ist in seinem Spiel kaum mehr variantenreich. Was sehr schade ist. So aber ist seine Rolle in diesem Film kaum von jener in THE ASSASSINATION OF JESSE JAMES BY THE COWARD ROBERT FORD (2007) zu unterscheiden. Zwei depressive Männer, die zwar aus unterschiedlichen Gründen den Kontakt zum Leben verloren haben mögen, aber in beiden Fällen ähnliche Blessuren davontragen.

Trotz solcher kritischen Anmerkungen, ist James Gray ein hervorragender Science-Fiction-Film gelungen. Indem er die Konventionen des Genres ernst nimmt, sich aber die Freiheit gönnt, sie auf seine eigene Art zu nutzen und aufzubereiten, indem er Bilder von außergewöhnlicher Schönheit und manchmal überwältigender Wucht bietet, indem er seine Geschichte mit einer gewissen Grundspannung erzählt und doch auch immer bemüht ist, ihrem tieferen Gehalt nachzuspüren, packt AD ASTRA den Zuschauer und kann als Genrebeitrag ebenso überzeugen, wie er als eine weitere Variante eines Vater-Sohn-Konflikts/Verhältnisses überzeugt.

Zum zweiten Mal hat Gray die gewohnte urbane Umwelt verlassen und nicht aus einem Setting heraus erzählt, das er kennt. In THE LOST CITY OF Z hat er sich in die Vergangenheit begeben und seinen Protagonisten in eine unerforschte, fremde Welt eintreten lassen, in AD ASTRA begibt er sich in die Zukunft und die Hauptfigur der Erzählung dringt erneut in nahezu unbekanntes Territorium vor. In beiden Fällen werden diese Männer letztlich mit sich selbst konfrontiert. Läuft Percy Fawcett, die Hauptfigur des älteren Films, vielleicht vor etwas davon – der Enge des spätviktorianischen Englands, der Verantwortung für die Familie, dem Krieg – so scheint Roy McBride auf etwas zuzulaufen. In der Konfrontation mit dem eigenen Vater hat er die Möglichkeit, letztendlich zu sich selbst zu kommen, er selbst zu werden. Wie auch einigen Figuren früherer Filme, lässt James Gray diesem Mann am Ende des Films Hoffnung angedeihen. Fawcett hingegen – der allerdings auch ein reales Vorbild hatte – verliert sich in seinen Träumen und auf der Suche irgendwo im Urwald. So schreibt Gray seinem Buch zu AD ASTRA auch eine gewisse utopische Hoffnung ein. Die Zukunft, die er beschreibt, bietet noch Möglichkeiten. Eben eine Zukunft.

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