ALLES ÜBER EVA/ALL ABOUT EVE

Ein böser Seitenhieb auf das Theater

In New York wird ein bedeutender Theaterpreis verliehen. Gewinnerin ist Eve Harrington (Anne Baxter). Während der Vorsitzende des Komitees seine Rede hält, erinnern sich drei Menschen, die Eve bei ihrem Aufstieg begleitet haben. Es sind der Kritiker Addison DeWitt (George Sanders), Karen Richards (Celeste Holm), die mit dem Bühnenautor Lloyd Richards (Hugh Marlowe) verheiratet und gut mit dem Broadway-Star Margo Channing (Bette Davis) befreundet ist, die sich ebenfalls an Ihre Bekanntschaft mit Eve erinnert, während alle der Rede des Komitee-Vorsitzenden lauschen.

Es war Karen, die Eve eines Abends in Margos Garderobe mitgenommen und damit die ganze Geschichte um Eve angestoßen hatte. Ihr war die junge Frau, die Abend für Abend vor dem Theater stand, aufgefallen. Eve ist eine glühende Verehrerin von Margo Channing und hat nahezu jede Vorstellung des aktuellen Broadway-Hits der Diva gesehen. Nun kann sie ihre neuen Bekannten mit ihrer Geschichte berühren: Wie sie, eine trauernde Witwe, die eben erst ihren Mann verloren hatte, sich mit den Bühnenauftritten der Channing trösten konnte, wie sie immer mehr in Bewunderung für die Schauspielerin verfiel und ihr folgte, wie sie entdeckt hat, daß sie das Theater liebt und am liebsten selbst dort arbeiten möchte.

Schneller als erwartet, geht ihr Traum in Erfüllung, denn Margo Channing, die mit der ganzen Grandezza einer Bühnen-Diva agiert, braucht dringend eine Assistentin, da sie dauernd Dinge verlegt und Termine vergisst. Ihre Freundin und rechte Hand Birdie Coonan (Thelma Ritter) ist nicht bereit, auch diesen Dienst noch zu verrichten. So also gehört Eve bald zum Kreis um Channing.

Eve erweist sich schnell als Glücksgriff. Oft weiß sie schon, was Margo will, bevor diese ihre Wünsche äußert. Zwar sieht sich Eve durch Birdie angefeindet, doch Margo wischt deren Einwände gegen ein Engagement der jungen Frau beiseite.

Margo, deren Liebhaber Bill Sampson (Gary Merrill), zugleich ihr Hausregisseur, einem Ruf nach Hollywood folgen will, was in der Theaterszene nicht gut ankommt, sieht man im Film doch eher einen kleinen Bastard-Bruder, schlimmstenfalls die Konkurrenz, bangt um ihre Attraktivität. Gerade vierzig geworden, spürt sie das für Bühnendarstellerinnen schon jetzt beginnende Alter. Zudem ist sie für die Rollen, die Lloyd für sie schreibt, im Grunde zu alt.

Mit Dauer des Engagements als Margos Sekretärin, spürt diese sich durch Eve zunehmend eingeengt. Als Eve einen Anruf bei Bill, der mittlerweile an der Westküste für Darryl F. Zanuck bei der 20th Century Fox einen Film dreht, managt, da dieser Geburtstag hat und Margo diesen vergessen hätte, reicht es der Diva. Schon zuvor hatte sie Eve dabei entdeckt, wie diese sich ihre Bühnenkostüme anzog und in die Rolle schlüpfte, die Margo momentan spielt. Deshalb spricht Margo den Direktor des Theaters an, an dem sie meist spielt. Max Fabian (Gregory Ratoff) soll Eve einstellen und ihr möglichst viel Arbeit in der Verwaltung geben.

Doch es kommt anders. Als Margo eines Tages mal wieder Stunden zu spät zur Sprechprobe kommt und alle andern, einschließlich Lloyds, wütend auf sie sind, weil sie ihren Allüren frönt, muß sie gewärtigen, daß Eve eingesprungen ist – und es damit zur ersten Ersatzdarstellerin gebracht hat, sollte Margo einmal ausfallen. Die Diva ist außer sich, doch alle sind begeistert von Eves Talent, auch wenn die beteuert, nur deshalb so gut gewesen zu sein, weil sie das Stück so oft gesehen und sich ganz und gar an Margos Darstellung orientiert habe.

Margo ist nun erst recht wütend und verletzt. Das lässt sie Eve zunehmend spüren, wird in ihren Anfeindungen immer deutlicher und holt sich nach langer Zeit mal wieder Rat bei Birdie ein, die ihr unmißverständlich zu verstehen gibt, daß sie Eve immer für eine Schwindlerin gehalten habe, die sich bei dem Star Margo Channing eingeschleimt hat.

Karen, die ihre Freundin zwar versteht, aber auch so ziemlich die Einzige außer Birdie ist, die Margo Widerworte gibt und ihr von Zeit zu Zeit ihr Fehlverhalten anderen gegenüber vorhält, hat Mitleid mit Eve, die wirklich zu verzweifeln scheint ob Margos Kälte und Zurückweisung. Auf einem Ausflug lässt Karen es so aussehen, als habe ihr Wagen einen Schaden, weshalb Margo nicht rechtzeitig zur Aufführung kommen kann. Damit verschafft sie Eve die Möglichkeit, wirklich einmal selbst auf der Bühne zu stehen. Als Karen und Margo zurück nach New York kommen, wird Eve bereits gefeiert.

Doch so leicht gibt Margo nicht auf. Sie lädt die Kritiker der Stadt zur nächsten Vorstellung ihres Stückes ein und kann erneut überzeugen. Die Blätter überschlagen sich in ihren Huldigungen des alten und neuen Stars.

Bei der anschließenden Party in Eves Wohnung, zu der u.a. der Kritiker Addison DeWitt eingeladen ist, der in Begleitung eines jungen Starlets namens Claudia Caswell (Marilyn Monroe) erscheint, die sich von der Bekanntschaft zu dem berühmten und mächtigen Mann Vorteile für die eigene Karriere verspricht, kommt es fast zum Eklat, als Margo sich betrinkt und erneut danebenbenimmt. Obwohl Bill aus Hollywood zurückgekehrt ist und ihr versprochen hat, bei Lloyds nächstem Stück wieder die Regie zu übernehmen, ist Margo unglücklich und fühlt sich von all ihren Freunden mißverstanden und verraten.

Eve versucht an diesem Abend ernsthaft, Bill zu verführen, der ihren Reizen jedoch widersteht. Für Eve, die durch Margos neuerlichen Triumph ernüchtert ist, wird die Demütigung dadurch nahezu komplett. DeWitt, der Ohrenzeuge einiger Auseinandersetzungen an diesem Abend wurde und so die Zusammenhänge versteht, die es Eve ermöglicht haben, Margos Rolle auf der Bühne zu spielen, nimmt sich Eves an.

Er trifft sich mit ihr zu einem Interview, bei dem er Eve manipuliert und sie anstachelt, ihrem Idealismus hinsichtlich des Theaters freien Lauf zu lassen. Aus ihren teils enthusiastischen Äußerungen, daß eine junge Generation nun das Zepter übernehmen müsse, damit das Theater wieder Feuer habe, bastelt DeWitt ein Interview, welches der Leser nur gegen Margo Channing gerichtet verstehen kann. Margo – und auch Karen – ist erwartungsgemäß außer sich vor Wut.

Bill bittet Margo um deren Hand – eine Geste, auf die die Diva schon lange gewartet hat. Um den Anlass zu feiern, gehen die Richards mit den Verlobten in einen Club. Dort isst Eve mit DeWitt zu Abend. Sie bittet Karen um eine Unterredung und trifft sich mit ihr in den Toiletten. Als Karen ihr signalisiert, daß sie ihr vergeben kann, ihr jedoch rät, sich zunächst von Margo und ihren Freunden fernzuhalten, schlägt Eves Haltung um: Sie erpresst Karen. Durch DeWitt hat sie erfahren, wie es dazu kam, daß sie, Eve, an jenem bestimmten Abend in den Genuß eines Auftritts kam. Wenn Karen nicht bereit sei, ihr zu helfen, die Rolle in Lloyds neuem Stück zu bekommen, werde sie Margo alles über den Verrat erzählen. Glücklicherweise überrascht Margo alle damit, daß sie Lloyd erklärt, sie wolle die Rolle im neuen Stück nicht, stattdessen spiele sie weiter im momentanen Hit.

Der Weg für Eve ist frei. Sie bekommt die Rolle, Bill führt Regie. Am Abend der Premiere des Stücks sucht DeWitt Eve in ihrem Hotelzimmer auf. Eve erklärt, sie wolle später am Abend mit Lloyd ausgehen. Sie habe vor, ihn zu verführen und dazu zu bringen, sich von Karen zu trennen und dann ihr anstatt Margo Stücke zu schreiben. Doch DeWitt reagiert anders als erwartet: Er erklärt Eve, daß er alles über sie wisse, er habe ihre Geschichte nachgeprüft, nichts daran sei wahr. Weder sei sie verheiratet gewesen, noch, wie sie einst behauptete, habe sie Margo in San Francisco auf der Bühne gesehen. Vielmehr sei sie einst der Stadt verwiesen worden. Auch sei ihr wahrer Name nicht Eve Harrington. Sie werde keinesfalls Lloyds und Karens Ehe zerstören, sondern genau das tun, was er ihr auftrage. Denn sie sei nun sein Werk, gehöre ihm und habe ihm zu folgen.

Monate später ist Eve auf dem Weg zur Hollywood-Karriere. Sie wird für den Preis nominiert und hält nun eine Dankesrede, in der sie „allen ihren Freunden“ – namentlich Margo, Karen, Lloyd und Bill, nicht aber DeWitt – dankt, die, mit ihren Gedanken nun wieder in der Gegenwart angelangt, fast teilnahmslos verfolgen, wie Eve mit dem Preis posiert.

Später kehrt Eve allein in ihr Appartement zurück. Dort findet sie eine junge Frau in einem Sessel, schlafend. Es ist Phoebe (Barbara Bates), eine junge Verehrerin, die sich in die Wohnung geschlichen hatte und dort eingeschlafen ist. Phoebe versichert Eve ihrer Hochachtung und Verehrung. Ob sie Eve nicht helfen dürfe beim Packen? Eve, durch die Schmeicheleien eingenommen, lässt die junge Frau gewähren und ruht sich selber aus. DeWitt taucht auf und bringt Eve die Preistrophäe, die sie bei der Veranstaltung vergessen hat. Er trifft auf Phoebe und stellt diese zur Rede. Was sie hier wolle, weshalb sie in das Appartement eingedrungen sei? Eve nimmt sie in Schutz. DeWitt stutzt und erkennt dann, daß Phoebe auf dem besten Wege ist, in Eves Leben die Rolle zu spielen, die diese in Margos Leben eingenommen hatte. Er geht. Später, Eve nimmt ein Bad, hängt Phoebe sich eine von Eves Roben um, nimmt den Preis an sich und posiert vor dem Spiegel in Eves Ankleidezimmer.

Eins der Themen, die Hollywood immer brennend interessiert haben, war Hollywood. Früh bereits begann die Traumfabrik, Glanz und Elend ihrer eigenen Verführungskraft zu reflektieren. A STAR IS BORN (1937) wird wohl für immer der Stoff sein, der dafür exemplarisch steht. Aufstieg und Fall jener Götter der Leinwand, der Moment des Triumphs und der lange Niedergang, wenn die Gazetten sich einem anderen, neuen Stern am Himmel zuwenden. Hollywood verstand es aber auch immer schon, über den Tellerrand hinauszublicken und das Showgeschäft als Ganzes in den Fokus zu nehmen. Seien es die unzähligen ZIEGFELD FOLLIES (ab 1907), eine Jahresrevue am Broadway, die ab den 30er Jahren auch in Hollywoods Musicals ihren Widerhall fanden. Aber auch das Theater selbst wurde von Hollywood gelegentlich beäugt, wenn auch skeptisch.

Der Broadway blickte immer mit einem gewissen Snobismus auf den Verwandten an der Westküste, der als ein wenig anrüchig betrachtet wurde. Das Theater, das sei das „Echte“, hier bekam ein Schauspieler direkten Kontakt zum Publikum, hier konnten Diven den Applaus noch selbst entgegennehmen. Hollywood hingegen – obwohl in frühen Jahren oftmals selbst eher abgefilmtes Theater denn eine Kunstform eigenen Rechts – war das Instantgericht, der billige Abklatsch, wo für die Massen, wenn nicht den Pöbel, produziert wurde. Hollywood nahm es hin – und rächte sich spätestens mit Joseph L. Mankiewicz´ Tragikomödie ALL ABOUT EVE (1950), indem es Ränke und Intrigen abbildete, aufgeplusterte Diven und von Ehrgeiz zerfressene Möchtegerns vorführte und vermeintlich bewies, daß es am ach so vornehmen Broadway keinen Deut besser zuging als an der Westküste.

Mankiewicz, der das Drehbuch für seinen Film selbst verfasst hatte, erzählt eine klassische Geschichte über Aufstieg und Fall, mehr aber noch darüber, wie weit jemand zu gehen bereit ist, der – oder die – sich entschieden hat, um jeden Preis an die Spitze zu gelangen, das Scheinwerferlicht auf sich zu ziehen und Ruhm und Ehre einzustreichen. Es ist im Film die titelgebende Eve Harrington, die es nach ganz oben schaffen will und für deren Darstellung Anne Baxter eine Oscar-Nominierung als Beste Hauptdarstellerin erhielt. Sie begibt sich in den Dunstkreis von Margo Channing, einen gefeierten Bühnenstar, und lange fragen wir uns, ob sie dies wirklich aus Verehrung tut, wie sie sagt, oder alles, was sie sagt und tut, lediglich Teil eines groß angelegten Plans ist? Reine Berechnung? Margo Channing ihrerseits ist die eigentliche Hauptfigur des Films. Eine alternde Diva, die selbst weiß, daß sie für die Rollen in den Stücken, die ihr Freund Lloyd Richards für sie schreibt, längst zu alt ist.

Nach langer Suche, gepflastert mit etlichen Absagen von namhaften Aktrissen wie Claudette Colbert bis Gertrude Lawrence, deren Stern gerade am realen Broadway aufstieg, fragte die 20th Century Fox bei Bette Davis an, ob sie die Rolle der Margo Channing zu spielen bereit wäre. Davis galt zu diesem Zeitpunkt als erledigt, nachdem sie sich mit einem Quasi-Streik aus ihrem Vertrag mit Warner Bros. befreit hatte. Ihr eilte der Ruf voraus, auch am Set schwierig zu sein. So war es eher Not denn Tugend, als Darryl F. Zanuck, Mastermind bei der 20th Century Fox, sie bat, einen alternden Theater-Star zu spielen. Aber es war ein Glücksgriff. ALL ABOUT EVE wurde zu einem großen Erfolg, auch für Bette Davis, die hier ein ganz Neues Geschäftsfeld für sich entdeckte und zukünftig immer mal wieder in die Rolle einer alternden Diva schlüpfte – oder in die einer solchen, vom Glück verlassenen. Hier legt sie für Mankiewicz eine ihrer besten Leistungen hin und erhielt dafür ebenfalls eine Nominierung als Beste Hauptdarstellerin bei den Oscars, womit sich die Filmrollen als Rivalinnen zwischen ihr und Baxter in der Realität spiegelten, gleichsam wiederholten.

Mankiewicz baut früh im Film einen bösen Monolog ein, in welchem zunächst die Entourage um Margo Channing sich über deren Liebhaber Bill Sampson echauffiert, weil dieser nach Hollywood, namentlich zu „Zanuck“ gehen will. Daraufhin fällt Sampson ein tödliches Urteil über das Theater und die Menschen, die am Theater arbeiten. Dieser Monolog, den er der erstaunten Eve hält, nachdem alle anderen ausgeflogen sind, setzt den Ton des Films – und ist ein Frontalangriff des Films auf das Theater. Es ist ein böser, manchmal schon zynischer Ton, der ALL ABOUT EVE zunächst als Komödie markiert. Mankiewicz baute einige der besten Zeilen ein, die Bette Davis je auf der Leinwand äußern durfte. So antwortet sie auf die Frage, ob sie Bill, als der in Hollywood weilt, vermisse, daß dem so sei, vor allem zwischen dem Abend und dem Morgen. Reinster Lubitsch-Touch. An anderer Stelle – es gibt eine Party in ihrer Wohnung und wir dürfen davon ausgehen, daß es zum Skandal kommen wird – warnt sie ihre Freunde sich gut anzuschnallen, es werde eine ruckelige Nacht („It´s gonna be a bumpy night“).

Doch gelingt es Mankiewicz, aus der Komödie eine Tragödie erwachsen zu lassen, zumindest ein Drama. Denn Davis stellt das Schicksal des Alterns, das Begreifen, den Aufgaben nicht mehr gewachsen zu sein, den Rollen nicht mehr zu entsprechen, überzeugend dar. Margo Channing weiß sich recht lang dadurch zu wehren, indem sie mit ihrem Zynismus aufbegehrt, doch darunter – und das macht die außergewöhnliche Leistung der Schauspielerin Bette Davis aus – spürt man die Verletztheit, die Sorge und Angst, die den Star umtreiben. So steckt in ALL ABOUT EVE auch ein wenig eine Hommage an die großen Rollen, die Bette Davis einst berühmt gemacht hatten und die sie vor allem in Melodramen spielte. Denn Mankiewicz´ Film erinnert in seiner Unbedingtheit an ein Melodrama. Die Figuren sind überlebensgroß und sie gehen ausnahmslos aufs Ganze. Ironischerweise tritt u.a. eine junge Schauspielerin auf, die selbst Ambitionen hat und sich an den Kritiker DeWitt hält in der Hoffnung, daß dieser sie protegiert. Tatsächlich behandelt er sie jedoch nur von oben herab und aufgrund ihrer Rundungen dürfen wir annehmen, daß sein Interesse an der Dame deutlich speziellerer Natur ist. Gespielt wird die junge Dame von einer ebenfalls langsam dem Himmel Hollywoods entgegenstrebenden Schauspielerin, deren Karriere und Leben ebenfalls äußerst dramatisch, wenn nicht gar tragisch, verlaufen sollte: Marilyn Monroe. Doch das nur am Rande.

Der wesentliche Konflikt entsteht zwischen Margo Channing und Eve Harrington. Die junge, naiv wirkende Frau, die durch Margos Freundin Karen Richards in den Kreis um die Diva aufgenommen wird, kann die gebannten Theatermenschen, die die Dramen des Lebens nur von der Bühne kennen, dadurch für sich einnehmen, daß sie ihnen eine bittere Geschichte über ihren Mann erzählt, der als Flieger abgestürzt ist. Sie berichtet von ihrer Kindheit in Armut, irgendwo im mittleren Westen, von der tiefen Liebe fürs Theater, die sie empfinde, und wie sehr sie die Channing, seit sie sie in San Francisco auf der Bühne gesehen habe, verehre. Was bei der Diva selbstredend verfängt. Eve gehört bald selbst zum engeren Kreis um Margo Channing und macht sich zunehmend unentbehrlich, bis sie es sogar zur ersten Zweibesetzung schafft. Und dann – nicht ohne die Unterstützung von Karen und Lloyd Richards sowie Bill Sampson – sogar in die Erstbesetzung. Ihr Auftritt überzeugt wiederum Lloyd Richards so sehr, daß er sein nächstes Stück nicht mehr für die Channing, sondern für Eve schreiben will. Eine Wachablösung steht an. Der alternde Star wird von der jungen Aufsteigerin verdrängt.

Nur der Kritiker DeWitt durchschaut Eves Spiel. Er hat sie belauscht, er hat ihr nachspioniert und die Wahrheit hinter ihrer Geschichte entdeckt. Und somit hat er sie in der Hand. Denn nichts stimmt an ihren herzergreifenden Schicksalsstorys. Im Gegenteil, DeWitt weiß, daß Eve in anderer Verkleidung, an anderer Stelle, ähnliche Betrügereien versucht, daß sie sich zuvor bei anderen eingeschmeichelt hat usw. Er macht ihr dies in einer eines Horrorfilms oder eines Psychothrillers würdigen Szene klar, als er ihr verdeutlicht, wie sehr sie in seiner Hand ist, daß er sie vernichten kann, wenn ihm danach ist. Und daß er mehr von ihr verlangen wird, wobei jeder sofort versteht, was er damit meint. Er erklärt ihr aber auch, daß sie beide allein schon deshalb füreinander bestimmt seien, weil sie vom gleichen Schlag sind. Mankiewicz zeichnet hier und in etlichen anderen Momenten und Szenen ein wahrlich düsteres Bild vom Showbiz, in dem die Hierarchien nicht allzu eindeutig sind, auch wenn sie es scheinen, und wo ein jeder sein eigenes Süppchen kocht. Und am Ende alle in den Händen der Kritiker sind, die hochjubeln und skrupellos fallen lassen, wen sie wollen und wie es ihnen beliebt. Daß Eve in der letzten Szene des Films dann selbst auf eine Verehrerin trifft, die sich ihr ähnlich anbiedert, wie sie es einst bei Margo Channing tat, rundet die Geschichte ab, da sie sie in den Rang der Parabel erhebt.

ALL ABOUT EVE ist also ein Sittengemälde der Welt der Eitlen, Schönen, der Reichen und vor allem Erfolgreichen. Hier kommt im Grunde niemand gut weg, Einzig Margos Freundin Karen kann man von dem Verdikt ausnehmen. Zwar wird auch sie in die Intrigen und Kabale verwickelt und gerät in ein echtes moralisches Dilemma, doch bleibt sie weitestgehend sauber. Ihre Anliegen – angefangen damit, daß sie es ist, die Eve vor dem Theater aufgreift und mit zu Margo nimmt – nimmt man ihr ab. Eine gewisse Menschenfreundlichkeit, ein soziales Bewußtsein und wahre Empathie zeichnen sie aus. Und es ist echte Empathie, denn sie macht nicht halt bei ihren Freunden, sie kennt auch keine Klassenschranken (von Rassenschranken lieber nicht zu reden, Schwarze oder Hispanics kommen hier, wie in den meisten Hollywood-Filmen seinerzeit, nicht vor) oder Geschlechtergrenzen. Sie ist loyal gegenüber ihrem Gatten, dem Bühnenautor, sie bemüht sich, es auch gegenüber Margo zu sein und weiß doch um deren Unarten und stellt sie auch hin und wieder zur Rede. Sie hat aber auch einen moralischen Kompass und weiß, wann sie sich von Margo abwenden muß. Allerdings verhilft sie Eve mit einem kleinen Trick zu deren erstem Bühnenauftritt und gerät damit in eben jenes oben erwähntes moralisches Dilemma, welches der Film zwar halbwegs elegant löst, das jedoch von ihr immerhin als ein solches auch wahrgenommen wird.

Schwächen hat der Film kaum. Sicher, daß ein Theaterstar einen Fan einfach so in die Garderobe lässt, sich dessen Geschichte anhört und der- oder diejenige praktisch sofort in den Rang einer Assistentin aufsteigt, ist unwahrscheinlich und dürfte es 1950 noch mehr gewesen sein. Aber gut, irgendwie muß die Geschichte ins Rollen kommen. Die Konstruktion ist eine typische für Hollywood, zur Not hilft der Zufall – anders als durch einen solchen wäre DeWitt nicht an die Informationen gekommen, die ihm überhaupt erst zu seiner Machtposition in dieser Geschichte verhelfen. Auch kann man dem Film nicht den Vorwurf machen, misogyn zu sein, was bspw. eines der heutzutage unerfreulich aufstoßenden Merkmale der Filme von Billy Wilder ist. Mit dessen SUNSET BOULEVARD (1950), im selben Jahr erschienen, wurde ALL ABOUT EVE gern verglichen. Allerdings ist der Vergleich heute, anders vielleicht als zur Zeit des Erscheinens der beiden Werke, nicht ganz fair. Natürlich arbeitet Wilder mit den ausgefeilteren filmischen Mitteln. Mankiewicz´ Film wirkt rückständiger, altbackener. Aber Wilder beschäftigt sich explizit mit Hollywood und dessen Geschichte, Mankiewicz mit dem Theater, was seine Herangehensweise, die Form des Films, erklärt und sinnstiftend wirken lässt.

Anders als Wilder sieht Mankiewicz in einer Frau auch nicht ein schon in einem biblischen Sinne vom Bösen befallenes Wesen. Obwohl auch er (zwei) Frauen in den Mittelpunkt der Handlung stellt, dabei auch eine als typisch weiblich wahrgenommene Rivalität ausschlachtet und einen Teil des Witzes daraus bezieht, ist sein Film nicht frauenfeindlich, was ihm gelegentlich vorgeworfen wurde, allein schon aufgrund des Titels. Denn dieses Sittengemälde lebt auch davon, daß es alle Protagonisten, gleich ob weiblich oder männlich, gleich ob jung oder alt, wohl situiert oder arm, jämmerlich aussehen lässt. Eve können wir lange nicht einschätzen, spät im Film wird sie durch den teuflischen DeWitt entlarvt, danach wird die Figur flach bis zum Finale, in dem der Film an seinen Ausgangspunkt zurückkehrt, den Abend, an dem Eve Harrington einen bedeutenden Theater-Preis erhält. Hier darf Anne Baxter noch einmal groß auffahren und dem Film in ihrer Dankesrede, tief bewegt, eine zutiefst ironische Note geben, wenn sie aufzählt, wem sie auf immer zu danken hat – und damit, wen sie dabei nicht erwähnt.

Vielleicht keine Schwäche im eigentlichen Sinne ist die Figur der Eve Harrington selbst. Anne Baxter spielt die ehrgeizige junge Frau hervorragend, sie kann sogar Bette Davis, die die vitalere Rolle hat, mit mehr Verve spielen kann, die besseren Zeilen hat, Paroli bieten. Vor allem aber gelingt es ihr, die Figur offen zu halten. Wir glauben ihr, wie es Margo Channing und ihr Gefolge tun, wir werden aber auch mißtrauisch, wirkt diese Frau doch zu gut, zu zugewandt. Der Film, Mankiewicz´ Inszenierung, die Ausstattung, die Maske und die Kostüme verstehen es brillant, diese Ambivalenz zu unterstützen. Eves Entwicklung, ihr wachsendes Selbstbewußtsein, spiegelt sich in ihrem Aussehen, der Kleidung, ihren Frisuren. Wir begreifen, daß Eve die Bekanntschaft zu Margo Channing ausnutzen will, sie erklärt ganz offen, daß sie spielen wolle. Auch ihren Ehrgeiz verstehen wir. Wie berechnend sie allerdings ist, wird kaum je angedeutet. Diese Ambivalenz hält das Drehbuch jedoch nicht durch. Eve Harrington schließlich als Betrügerin und Hochstaplerin darzustellen, zerstört den Nimbus, den sie hat, zerstört das Geheimnis, das sie umgibt. Das hätte Wilder möglicherweise eleganter gelöst. Und auch mutiger. So wird diese Eindeutigkeit lediglich ausgespielt, um DeWitt die Mittel der Erpressung an die Hand zu geben. Der aber ist so mephistophelisch angelegt, daß seine Erpressung, die Nötigung, wie immer man es nennen will, durchaus auch allein mit seiner Macht als Kritiker zu erklären gewesen wäre. Er ist intelligent, er hat Charme, er besitzt Charisma, wichtiger aber ist diese Macht, die ihn auszeichnet und die der Film durchaus bewußt übertreibend als übermächtig darstellt – und damit natürlich der Kritik als solcher eine enorme Macht einräumt.

George Sanders spielt diesen Addison DeWitt mit einer eiskalten Präszision. Obwohl er uns in den Film, in die Geschichte an jenem Abend der Preisverleihung einführt, und wir einen Moment brauchen, um seine Position als Außenstehender und dennoch Beteiligter zu begreifen, bleibt er uns schon hier fremd. Sanders versteht es auf brillante Weise, all das, als was DeWitt sich entpuppt, von Beginn an in der Figur anzulegen. Spätestens wenn er mit dem Starlet Claudia Caswell – aka der Monroe – auf der Party in Margo Channings Wohnung auftaucht und wir Zeugen werden, wie er sie abserviert, begreifen wir, wie tiefgreifend bösartig dieser verbitterte, vielleicht auch nur abgrundtief gelangweilte Mann mit den Menschen spielt. Daß George Sanders den Oscar als Bester Nebendarsteller erhielt, fügt sich exakt in das Bild des allmächtigen Kritikers, denn die beiden Hauptdarstellerinnen gingen leer aus.

ALL ABOUT EVE funktioniert über 70 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung auch deshalb noch so gut, weil er vor allem ein brillantes Drehbuch hat, ein Script, das nahezu exemplarisch für das stehen kann, wozu Hollywood unter den sehr spezifischen Bedingungen des Studio Systems und seiner manchmal industriell, sehr technisch anmutenden Produktionsmechanismen fähig war. Es ist witzig, tief- wie hintergründig, ist voller böser Anspielungen und kleiner, kaum merklicher Schlüpfrigkeiten. Es entwirft großartige Charaktere, die zu spielen den Schauspielern sichtbar Freude bereitete. Und der Film selbst bietet Leistungen vor wie hinter der Kamera, die sicherlich zum Besten gehören, was die Betreffenden – ob Schauspieler, Regisseur, Kostüm- und Maskenbildner – in ihren jeweiligen Karrieren geleistet haben.

Betrachtet man den Film heutzutage, kann man darüber hinaus aber auch etwas erkennen, das heute kaum mehr existiert. Es ist diese besondere Aura eines Films, es ist eine Aura, die noch einmal spüren lässt, was gemeint war, wenn man davon sprach, daß die Traumfabrik Geschichten erzähle, die bigger than life seien. Daß Mankiewicz es fertig bringt, zugleich diese Träumereien zu bedienen und zu hinterfragen, kritisch gegenüber dem Showbiz ist und dennoch seinen Reiz, die Anziehungskraft, die von ihm ausgeht, vermittelt, das ist die außergewöhnliche Leistung dieses Klassikers aus den goldenen Zeiten Hollywoods.

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