DER ELEKTRISCHE REITER/THE ELECTRIC HORSEMAN

Eine altmodisch anmutende und dennoch herzerwärmende Kommerz-Kritik von Sidney Pollack

Norman Steele (Robert Redford) ist ein ehemaliger Rodeoreiter, dessen Körper den Ansprüchen des gefährlichen Jobs nicht mehr genügt. Obwohl einst ein Star seiner Branche, macht er mittlerweile Werbung für die Frühstücksflocken eines Lebensmittelkonzerns. Mit einer Lichterkette behangen, tritt er meist vor Rodeoshows auf und preist das Produkt an. Er selber kann diese Art von – durchaus gut bezahlter – Arbeit aber nur noch im Suff ertragen.

Eines Tages soll er in Las Vegas das Rennpferd Rising Star auf der Bühne eines der großen Casinos reiten. Bei den Vorbereitungen fällt ihm auf, daß der Hengst lahmt und zudem mit Beruhigugnsmitteln vollgepumpt wurde. Seine Einwände werden weder von den Machern der Show, noch von der Konzernführung beachtet. So beschließt er, das Tier zu entführen.

Bevor sein Auftritt stattfinden soll, lenkt er das Pferd auf die Bühne, von dort in den Saal des Hotels und schließlich auf die Straßen der Spielerstadt. Dann schaltet er die Lichterkette ab und galoppiert in die Wüste hinaus.

Die Journalistin Hallie Martin (Jane Fonda), die Sonny schon auf einer Pressekonferenz, zu der er zu spät und offensichtlich angetrunken erschienen war, mit seinem Tun konfrontiert und kritisch befragt hatte, setzt sich auf seine Spur. Sie wittert einen echten Scoop. Auch die Konzernleitung um den Chef Hunt Sears (John Saxon) ist natürlich hinter dem Pferd her. Sears weist seine Leute an, den „Gaul“ um jeden Preis zurück zu holen, denn der sei sozusagen eins mit dem Image des Konzerns.

Sonny gelingt es, das Bein des Pferdes zu stabilisieren und mit Kräutermischungen und Dampfbädern die Chemie aus dem Körper des wunderschönen Tiers zu vertreiben. Mit Hilfe eines Freundes, der ihm ein Wohnmobil leiht, in dem er das Tier unbemerkt aus der Gegend schaffen kann, gelingt Sonny die Flucht. Unterwegs ruft er Hallie im Hotel in Las Vegas an, weil er sich Hilfe durch eine faire journalistische Berichterstattung erhofft.

Hallie macht eine heimliche Aufnahme von Sonny, als der ihr in einem abgelegenen Canyon erklärt, was man dem Pferd angetan habe. Dann erstellt sie ein „offizielles“ Statement des Cowboys, lässt ihrem Sender aber den inoffiziellen Teil zukommen. Obwohl Sonny sich wehrt, setzt sich Hallie bei ihm fest und begleitet ihn in die wilde Bergwelt Utahs, wo das Pferd seine Freiheit finden soll. Sonny nennt ihr sogar den vermeintlichen Ort, wo dies geschehen soll.

Polizei und Journaille nehmen die Verfolgung auf und es gelingt Sonny nur mit Mühe und Not, seinen Häschern zu entkommen. Hallie entpuppt sich dabei als kenntnisreiche Helferin. Zudem machen ihre Berichte von der Flucht Furore und Sonny, der dies nicht ahnt, wird zu einem Fernsehstar. Bei Gelegenheit helfen ihm auch Wildfremde, die sein Tun richtig finden, Polizeiabsperrungen zu umgehen, etc. Und selbst Sears begreift, daß Sonnys Flucht ihm hiilft, weil die Verkaufszahlen seiner Frühstücksflocken exorbitant ansteigen.

Zwischen Sonny und Hallie entwickelt sich eine leise Romanze. Die Großstädterin und der Cowboy, die aus scheinbar so unterschiedlichen Welten kommen, finden Gefallen aneinander. Gemeinsam ziehen sie durch die Berge Utahs, Hallie entdeckt die Schönheit dieses nahezu unberührten Landes.

Je näher sie sich jedoch jener Hochebene nähern, wo Sonny das Pferd laufen lassen will, desto schlimmere Gewissensbisse plagen Hallie , denn sie hat den Ort ihrem Chef preisgegeben. Sonny reagiert gekränkt auf ihr Geständnis, schickt sie jedoch nicht fort. Als sie den Ort schließlich erreichen, finden sie ihn einsam vor. Hallie ist erstaunt, hatte sie doch mit Polizei, FBI und der Medienmeute gerechnet. Sonny wusste aber, was er tat, als er den Namen des Ortes preisgegeben hatte – es war der falsche. Er, Hallie und Rising Star sind gut Hundert Meilen nördlich davon.

Sonny und Hallie lassen das Pferd laufen und es schließt sich einer Herde an.

Schließlich trennen sich Sonny und Hallie. Er setzt sie in einen Bus gen Los Angeles, wo sie in ihr Leben zurückkehrt.

Er selber macht sich zu Fuß auf den Weg in die Weiten des Westens.

 

Man kann guten Gewissens behaupten, daß Sidney Pollack, der bereits seit Mitte der 1960er Jahre als Regisseur arbeitete, einige wesentliche Werke dessen ablieferte, was man filmhistorisch als ‚New Hollywood‘ oder auch ‚New American Cinema‘ bezeichnet. THEY SHOOT HORSES, DON`T THEY? (1969), JEREMIAH JOHNSON (1972) und auch THE THREE DAYS OF THE CONDOR (1975) sind alle dieser Spielart des kommerziell wie künstlerisch anspruchsvolleren Hollywood-Films zuzurechnen, der in den späten 60er und den 70er Jahren das amerikanische Kino dominierte und dessen Spuren bis in die Gegenwart zu verfolgen sind. Pollack war es dabei gelungen – wie bspw. auch seinem Kollegen William Friedkin – , jene Merkmale, die als typisch für die Entwicklung angesehen wurde, in das Genre-Kino zu überführen. Und so könnte man auch THE ELECTRIC HORSEMAN (1979) durchaus noch dem ‚New Hollywood‘ zuschlagen, obwohl er schon deutlich auf die Entwicklungen des Hollywood-Kinos der 80er Jahre hinwies.

Pollack hatte zuvor mit Jane Fonda und mehrfach mit Robert Redford gearbeitet und brachte hier beide Superstars der 1970er Jahre in einem Post-Western zusammen. Seinem Rollenprofil als eher romantischer Held entsprechend, bietet Redford die Darstellung eines zunächst versoffenen Rodeo-Reiters, der ein zu Werbemitteln für einen Großkonzern genutztes Pferd, welches er auf einer Promo-Show in Las Vegas reiten soll, entführt und in der Wildnis frei lässt. Fonda gibt eine Journalistin, die den richtigen Riecher hat, dem Cowboy folgt, sich an seine Fersen heftet und schließlich auf dessen Weg in die Berge begleitet. Natürlich will sie zunächst eine gute Story und ebenso natürlich verliebt sie sich in den kernigen, aber herzensguten Kerl. Pollack bietet im Zusammenspiel dieser beiden Protagonisten und der Natur, in die sie sich flüchten, reine Romantik und versteht es dennoch, einen kritischen Blick auf zunehmende Kommerzialisierung, die Werbebranche, das Verhalten von Konzernen und den american way of life, wenn er sich in der Form von Las Vegas darstellt, zu werfen. Vor Ort gedreht, bietet THE ELECTRIC HORSEMAN jede Menge Americana, wenn er – trotz aller Kritik – die neonbeleuchtete Nacht der Spielerstadt feiert und ebenso die staubigen Highways des Südwestens, die heruntergekommenen Burger-Joints und Diners an eben diesen Highways, und später die unberührte, freie Natur der Rocky Mountains, wo das Pferd schließlich in Zeitlupe in die Freiheit galoppieren darf.

Sam Peckinpah hatte in seinem Spät- oder Neo-Western JUNIOR BONNER (1971) bereits das Leben eines Rodeoreiters thematisiert und dabei einen höchst klugen Kommentar auf den Westen und was davon übrig geblieben ist abgeliefert. Damals war es Steve McQueen, der in die Rolle eines Cowboys schlüpfte, der ein gewisses Retro-Gefühl auf den Rodeo-Shows bediente, dem Publikum dabei wilde Ritte und gefährliche Action bot, zugleich aber wusste, daß er trotz aller Sehnsucht nach dem „alten Westen“ lediglich Teil des Showbiz ist. Diese Diskrepanz zwischen eigenem Anspruch und der Realität dessen, was aus der reellen Arbeit eines Cowboys geworden ist, konnte dieser Junior Bonner nur durch eine gewisse Stoik ausgleichen; Redfords Sonny Steele, dessen Karriere dem Publikum während des Vorspanns erläutert wird, ist bereits einen Schritt weiter. Er ist nicht mal mehr Teil des Showbiz, er reitet keine Rodeos mehr, sondern macht Werbung für Frühstücksflocken, die er, mit einer Neongirlande behangen, vor den eigentlichen Wettbewerben ankündigt. Diese von ihm so empfundene Degradierung kann er zusehends nur noch im Suff ertragen. Begleitet von zwei Freunden, die als Manager und Betreuer auftreten – unter anderem von Willie Nelson dargestellt, der auch die Songs des Films beisteuerte – reist er durch den Südwesten und redet sich und den anderen ein, daß sie ein hervorragendes Leben hätten – gute Hotelzimmer bewohnten, tolle Autos führen und angemessen bezahlt würden. Wenn er den gedopten und mit Beruhigungsmitteln vollgepumpten Hengst Rising Star schließlich entführt und in die Freiheit entlässt, ist dies vor allem das Aufbegehren eines Geschundenen gegen ein Schicksal, das für Männer wie ihn eigentlich keinen Platz mehr hat. Im Freiheitsdrang des Pferdes symbolisiert sich der Freiheitswille des Mannes – oder umgekehrt.

Allerdings ist Pollack weit weniger resigniert und verbittert, wie es Sam Peckinpah bereits war, als er JUNIOR BONNER drehte. Im Gegenteil. Obwohl er seinen Film realistisch enden und die Liebenden in ihre jeweiligen Welten zurückkehren lässt, ist es ihm eben auch um eine gewisse Romantik zu tun. Er will, daß diese Geschichte irgendwie „gut“ ausgeht und das geschieht auch, indem das Pferd seine Freiheit erlangt. Anders als Peckinpah, bedient Pollack auch keinen sarkastischen Macho-Humor, sondern behandelt seine Geschichte mit einem gewissen, manchmal hintergründigen, manchmal  plakativen Witz. So stöckelt Fonda in hohen Stiefeln durch die Wildnis, schleppt eine komplette Kameraausrüstung mit sich herum und Redford darf angemessen einfache Lebensweisheiten von sich geben, die er schon im Moment, da er sie äußert, selber nicht mehr glaubt. Pollack – man darf nicht vergessen, daß der Film 1979 entstand und damit den Beginn einer Entwicklung reflektierte, die heute zu Hunderten von TV-Kanälen, Digitalisierung und einem Journalismus geführt hat, der als solcher oft nur noch in Spurenelementen zu finden ist – nimmt sowohl den Großstädter und seine Eitelkeiten auf den Arm, wie er sich auch über den männlichen Westerner, der sich in einer Welt wähnt, die mindestens seit Hundert Jahren überholt ist, lustig macht. Er unterläuft damit natürlich auch den romantischen Ansatz. Und doch kann man darüber streiten, welche Sichtweise am Ende die Überhand gewinnt.

Trotz des manchmal etwas rüden Humors kann man in THE ELECTRIC HORSEMAN auch schon erahnen, wohin die Reise für Pollack gehen sollte – der Film markiert einen Übergang in seinem Werk. Die Verbindung zwischen Redford und Fonda dient als eine Art Blaupause für jene, die dann in Pollacks OUT OF AFRICA (1985) vollends zum Tragen kommt. Die romantische Liebe vor einem spektakulären Hintergrund, scheinbar Fremde, die zueinander finden, wenn diese dann auch im Kontext der historischen Bedingungen realistisch betrachtet wird. Diese romantische Perspektive auf eine politische Welt nahm der Regisseur auch in HAVANNA (1990) und, ohne politischen Hintergrund, in SABRINA (1995) – wenn auch mit qualitativ äußerst unterschiedlichen Ergebnissen – wieder ein.

THE ELECTRIC HORSEMAN überzeugt auch lange nach seinem Erscheinen, wenn man bereit ist, über die manchmal holprige Dramaturgie hinwegzusehen und sich einige Klischees bieten zu lassen, die erst in den vergangenen 40 Jahren zu solchen wurden. Am besten überzeugt der Film als reines Americana, das sich bei aller Kritik an der gesellschaftlichen Entwicklung einen unabhängigen, manchmal bewusst naiven Blick auf die Schönheiten des Landes und auch die der amerikanischen („Kommerz-)Kultur bewahrt hat, ein Blick, der ein Gestern herbei träumt, das es nie gegeben und von dem jeder der Protagonisten auch weiß, daß es so nicht existiert hat. Ein Teil des Charmes des Films rührt genau daher, daß diese Figuren alle schon wissen (oder zumindest ahnen), daß sie Teil eines Spiels sind, eines kommerziellen Spiels um Macht, EInfluß, Meinungshoheit. Der Zuschauer kann sich für zwei Stunden in dem – ihm ebenfalls als vollkommen unrealistisch bekannten – Traum einnisten, daß man mit ein wenig Chuzpe, Mut und Willen, Sand ins Getriebe dieser Mechanismen streuen könnte. So gesehen, erfüllt Pollack sogar die Funktion des klassischen Hollywood-Films, der uns immer in solche Träume eingebettet hat – und die Wirklichkeit damit erträglicher machte. Ein heimlicher Verbündeter dieser Wirklichkeit war er dennoch auch immer, der klassische Hollywood-Film, allein schon, weil er nach exakt den gleichen ökonomischen Mustern funktionierte, die er in einem Film wie diesem anprangert und manchmal der Lächerlichkeit preis gibt.

Was soll´s – manchmal will man sich eben einfach so für zwei Stunden aus der Realität weg und auf einen staubigen Highway träumen, der einen in ein fernes, besseres, freieres Land und Leben tragen kann.

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