DER PLAN. STRATEGIE UND KALKÜL DES RECHTSTERRORISMUS
Justus Bender bringt dem Leser fünf Strategien rechten Terrors nah
Justus Bender ist ein verdienstvoller Journalist der FAZ, er beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit der AfD und deren Entwicklung, hat vor einigen Jahren auch ein gut zu lesendes und recht informatives Buch zur Partei[1] geschrieben. Nun hat er einen sehr schmalen Band vorgelegt, in welchem er sich mit Terroranleitungen des rechten Spektrums beleuchtet: DER PLAN. STRATEGIE UND KALKÜL DES RECHTSTERRORSISMUS (Berlin, 2021).
Bender stellt fünf maßgebliche Anleitungen zu Terror und Untergrundkampf für rechte Terroristen vor, angefangen bei jenen Anleitungen, die noch von der SS an die sogenannten „Werwölfe“ ausgeteilt wurden. „Werwölfe“ sollten – nicht unähnlich jenen Partisanen, die die deutsche Wehrmacht mit äußerster Härte immer und überall hinter der Front bekämpft hatte, ganz besonders übel in der Sowjetunion und auf dem Balkan – sich von der Roten Armee überrollen lassen und dann hinter der Front Sabotageakte u.ä. begehen.
Es folgen der „Westmar-Plan“, der „Mason-Plan“, der „Blücher-Plan“ und der „Beam-Plan“, alles in Nuancen voneinander abweichende Anleitungen zum Terror, Bombenbau, der Zersetzung und Destabilisierung eines liberalen, pluralistischen Staates. Abschließend wendet er sich dann den berüchtigten „Turner-Tagebüchern“ zu. Die gehören seit den 80er Jahren in jede Bibliothek eines gestandenen Neo-Nazis, beschreiben sie doch in Form eines fiktiven Tagebuchs den Rassenkampf in den USA in einer nahen Zukunft. Nicht nur die Verblendeten des NSU beriefen sich auf dieses Machwerk.
Wirklich interessant, bzw. aufschlußreich ist das alles nicht, allein schon deshalb, weil man von den meisten dieser Pläne und Anleitungen schon gehört hat. Einmal mehr hat man hier also das Problem, welches Literatur wie diese immer hat: Es lesen letztlich eh nur die, die bereits Bescheid wissen. Der „Werwolf-Plan“ ist historisches Grundwissen, wenn man sich mit dem Ende des 2. Weltkriegs und der unmittelbaren Nachkriegszeit beschäftigt, der dänische Regisseur hat schon im Jahr 1991 in seinem extrem stilisierten Kunstfilm EUROPA (1991) eine Geschichte um das „Werwolf“-Phänomen herumgebaut. Die übrigen Pläne, einmal von den TURNER DIARIES abgesehen, bieten im Grunde immer nur das gleiche in leicht unterschiedlichen Ausführungen. Letztlich läuft es eben auf einen Krieg der „Rassen“ hinaus, immer ist das Narrativ das einer Notwehr, in welchem sich Weiße gegen barbarische Horden aus dem Osten, dem Süden oder sonst woher erwehren müssen.
Wirklich interessant ist deshalb vor allem Benders Einleitung, im Übrigen der längste Text dieses Bandes. Denn hier macht Bender noch einmal deutlich, daß die Öffentlichkeit oft dazu neigt, rechten Terror zu marginalisieren, als „Einzeltätertaten“ abzutun. Allerdings neigt die Öffentlichkeit leider auch dazu, rechte Terroristen als Knallköppe oder vollends Verblendete einzustufen und damit den politischen Hintergrund herunter zu spielen. Nicht zuletzt die Tatsache, daß rechte Terroristen zumeist keine Bekennerschreiben hinterlassen, wird bereits als Hinweis darauf gelesen, es mit intellektuell eher Bescheidenen zu tun zu haben. Daß dem aber keineswegs so ist, belegen eben die von Bender vorgestellten „Pläne“ zum Umsturz, Bürgerkrieg und der Destabilisierung. Terror in der rechten Diktion soll eben genau das verbreiten: Terror und Angst, soll von einer Gewalt künden, die jederzeit und überall möglich ist gegen die, die der Terrorist als „Bedrohung“ oder einfach nur „andersartig“ begreift.
Aber wer, der sich ernsthaft mit der politischen Entwicklung beschäftigt, glaubt denn wirklich noch an Einzeltäter? Eben, kaum jemand. Martin Steinhagen hat soeben mit RECHTER TERROR. DER MORD AN WALTER LÜBCKE UND DIE STRATEGIE DER GEWALT (2021) einen Band vorgelegt, der sich – entlang der Ermittlungen zum Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke – sehr genau mit der Geschichte und Entwicklung des rechten Terrors in Deutschland seit dem 2. Weltkrieg beschäftigt. Dort ist weitaus detaillierter nachzulesen, wie sich die Szene entwickelte, wie sie aus der Ecke der Wehrsportgruppen, später der Skinhead-Szene ausbrechen und teils in der Mitte der Gesellschaft Fuß fassen konnte.
Benders Band wirkt dagegen leider etwas rudimentär. Er ist also gut als Ergänzungsband zu lesen, für sich stehend, wirft er die Frage auf, wozu das gut sein soll? Ein Überblick über rechte Terror-Strategien? Wirklich wesentlich, wirklich erhellend ist das nämlich leider nicht. Es bleibt allerdings grundlegend wichtig, sich vor Augen zu führen, daß es da Gruppen und Gruppierungen gibt, die sich wirklich Gedanken darüber machen, wie man dieses Land, diesen Staat, diese Gesellschaft angreifen und zersetzen kann. Das sollte man sich schon immer wieder einmal klar machen.
[1] Bender, Justus: WAS WILL DIE AfD? EINE PARTEI VERÄNDERT DEUTSCHLAND. München, 2017.