DIE DOLMETSCHERIN/THE INTERPRETER
Ein wenig gelungener Politthriller von Altmeister Sidney Pollack
Silvia Broome (Nicole Kidman) arbeitet als Dolmetscherin für die UN in New York. Sie selbst stammt aus dem afrikanischen Land Matobo, dessen Staatspräsident Dr. Zuwanie (Earl Cameron) vor der Vollversammlung sprechen soll. Zuwanie war einst die große Hoffnung des Landes, hat sich aber mittlerweile zu einem grausamen Despoten entwickelt, dem weite Teile der Bevölkerung zum Opfer gefallen sind.
Silvia muß eines Abends spät noch einmal in ihre Dolmetscherkabine, da sie hier nach einer Evakuierung ihre Utensilien zurückgelassen hat. Zufällig hört sie so ein Gespräch mit, in dem von einem Anschlag auf Zuwanie die Rede ist. Sie flieht aus dem Gebäude, fühlt sich ab nun aber verfolgt.
Als Silvia dem Sicherheitsdienst der UN Bericht erstattet, wird der Secret Service eingeschaltet. Agent Tobin Keller (Sean Penn) und dessen Kollegin Dot Woods (Catherine Keener) nehmen sich des Falles an. Zunächst schenken sie der jungen Frau jedoch wenig Glauben. Erst recht nicht, nachdem Keller herausgefunden hat, daß Broome selbst aus Matobo stammt und ihre Familie durch eine Landmine verloren hat, die von Anhängern des Regimes gelegt wurden.
Broome verwehrt sich gegen die Vorwürfe. Als sie nachts in ihrer Wohnung bedroht wird, sind auch Keller und Woods schnell zur Stelle. Obwohl man keine direkten Einbruchsspuren findet, glauben die Leute vom Secret Service Broome nun eher. Gegenüber dem Haus, in dem sie lebt, wird in einer leeren Wohnung ein Observationspunkt eingerichtet.
Broome, die zunächst nichts von der Beobachtung weiß, verlässt das Haus und sucht die Nähe zu einem Oppositionellen aus Matobo, der sich ebenfalls in New York aufhält. Bei einer anderen Gelegenheit trifft sie den Mann erneut. Durch Zufall finden sich sowohl sie, der Politiker, als auch ein weiterer Mann, den der Secret Service beobachtet, und zwei Agenten des Dienstes alle in einem Linienbus wieder. Der fremde Mann, der beobachtet wurde, deponiert hier eine Bombe, die den Bus auseinanderreißt. Broome entkommt dem Anschlag nur knapp.
Broome erfährt durch einen Freund, daß ihr Bruder in Afrika verschollen sei. Dieser Freund, ein Fotograf, bringt sich später in seinem Appartement um. Zwar ist der Secret Service nun vor allem dafür zuständig, Dr. Zuwanie zu schützen, doch fallen Keller die Unterlagen des Fotografen in die Hände, die er Broome zur Verfügung stellt. So erfährt sie durch einen Brief, den ihr Freund ihr hinterlassen hat, daß er sie angelogen habe – Broomes Bruder ist nicht verschollen, er ist tot. Getötet wurde er durch Anhänger einer weiteren Oppositionsgruppe in Matobo. Keller vermutet, daß der Mann, den der Service beobachtet hatte und der für die Bombe im Bus verantwortlich gewesen ist, zu dieser Gruppe gehört. Da er selber gerade erst seine Frau durch einen Autounfall verloren hat, kann er Silvia Broomes Schmerz nachvollziehen.
Durch einen Anruf teilt sie ihm mit, daß sie „nach Hause“ zurückkehren wolle. Keller bittet einen Kollegen, sie am Flughafen abzufangen, da er mit ihr reden müsse.
In der UN sind mittlerweile Dr. Zuwanie und seine Entourage eingetroffen. Während der Rede versucht ein Attentäter, der sich in der Dolmetscherkabine verschanzt hatte, den Politiker zu erschießen. Doch der Sicherheitschef von Zuwanie kommt gerade noch rechtzeitig und tötet den Mann.
Als Keller und seine Leute hinzukommen, stellt sich schnell heraus, daß das Attentat nur vorgetäuscht war. Wie der im Bus ums Leben gekommene Oppositionspolitiker einmal anmerkte, sei nichts besser, als Opfer eines Anschlags zu werden und diesen zu überleben. Das gäbe Glaubwürdigkeit. Und Glaubwürdigkeit sei für einen Mann wie Dr. Zuwanie, der einige Verbrechen begangen habe und eigentlich vor das Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gehöre, die beste Währung. Zumal habe er damit auch sein brutales Durchgreifen gegen die Opposition, die er samt und sonders zu Terroristen erklärt hat, rechtfertigen können.
Zuwanie wird von Agenten des Secret Service in einen gesicherten Raum gebracht. Keller erfährt derweil von seinem Kollegen, daß Broome nie am Flughafen aufgetaucht ist und in keinem der Flieger sitzt, die für sie in Betracht gekommen wären. Keller schwant Übles.
Derweil hat sich Broome der Waffe von Dr. Zuwanie bemächtigt. Sie hat den ganzen Tag in dem sicheren Raum verbracht, wohl wissend, daß der Mann, sollte ein Attentat stattfinden, genau hierher in Sicherheit gebracht würde. Nun will sie ihn erschießen. Zuvor soll er aber aus seinem eigenen Buch vorlesen – ein Buch, das für Menschen wie Silvia Broome einmal von großer Bedeutung war, da Zuwanie hier sein Bekenntnis zur Demokratie und dem Freiheitskampf abgelegt hatte. Aber auch vom Sieg des Wortes, der Diplomatie, über die Gewalt schrieb.
Keller verschafft sich Zutritt zu dem Raum und bittet Broome inständig, Zuwanie nicht zu erschießen. Der sei dann einfach tot, sie aber habe ihr Leben vertan. Schließlich gelingt es Keller, die Frau zu überzeugen.
Zuwanie wird abgeführt, ebenso sein Sicherheitschef.
Bei einem letzten Treffen erklärt Broome Keller, daß sie ausgewiesen würde und in ihr Heimatland zurückkehre. Zwischen den beiden hat sich ein emotional dichtes Verhältnis entwickelt. Man wisse nie, wen man wann treffe, sagt Broome, bevor sie geht.
Dr. Zuwanie wird nach Den Haag überstellt und muß sich dort vor dem Internationalen Strafgerichtshof verantworten.
Was macht die Magie eines Films aus? Woraus bezieht er seine Spannung? Woraus seine Emotionalität, den Reiz, ihm zu folgen? Ist es die Summe der Einzelteile – Plot, Darsteller, Musik, Kameraarbeit – oder ist da ein Mehr, etwas, das darüber hinaus geht?
Wenn man sich solche Fragen stellt, kann man sie natürlich auch umgekehrt anführen: Woran scheitern manche Filme? Erst recht, wenn die Einzelteile eigentlich alles versprechen, was – sagen wir – einen guten Politthriller ausmacht? Ist dann eine der Zutaten für ein etwaiges Scheitern verantwortlich oder liegt es daran, daß auch eine Reihe guter Einzelteile, passender Ingredienzien, am Ende nicht zwingend zusammenfinden müssen?
Sidney Pollack, der mindestens mit THE THREE DAYS OF THE CONDOR (1975) bewiesen hatte, daß er nicht nur Thriller, sondern auch Politthriller kann, kehrte mit THE INTERPRETER (2005) ins Metier zurück – und scheiterte. Und das, obwohl die Einzelteile eigentlich stimmen. Ein recht guter Plot um eine bei der UN angestellte Dolmetscherin, die auf eigene Faust versucht, ihr Land gegen einen ruchlosen, nicht zufällig an Robert Mugabe erinnernden Autokraten zu verteidigen, dabei von einem Mann des Secret Service beschützt wird, der ihr nach und nach auf die Schliche kommt; mit Nicole Kidman und Sean Penn zwei der besten Schauspieler ihrer Generation, um diesen Figuren Leben einzuhauchen; mit Darius Khondji ein Mann an der Kamera, der die Story in packende, elegante Bilder zu fassen versteht; mit James Newton Howards Score eine musikalische Begleitung, die sowohl die Spannung der Geschichte, als auch die teils dramatischen, gar tragischen, Ereignisse, die die Figuren beschäftigen, unterstreicht.
Woran liegt es also, daß das Ganze dennoch nicht zündet?
Vielleicht liegt es an genau der Zutat, die oben nicht erwähnt wurde, deren Beitrag zu Filmwerken gern heruntergespielt wird und die doch so wichtig fürs Gelingen ist: dem Drehbuch. Eine gute Story, ein packender Plot, ist das eine – etwas ganz anderes ist es, eine solche Story in ein angemessenes Drehbuch zu fassen, die Figuren so auszustatten, daß sie den Zuschauer interessieren, Szenen so zu gestalten und aneinander zu reihen, daß sie einerseits Sinn ergeben, andererseits Spannung erzeugen, nicht zu viel, aber eben auch nicht zu wenig preisgeben. Im Falle von THE INTERPRETER ist die Liste der am Drehbuch Beteiligten lang und wird abgeschlossen von dem Namen Steven Zaillian, womit zumindest ein ausgewiesener Fachmann mitgeschrieben hat. Und doch – oder gerade deshalb? – gelingt es dem Buch nicht, genau jene Spannung zu erzeugen, von der eben die Rede war. Und die für einen Politthriller so zwingend nötig ist.
Zu früh werden hier Geheimnisse preisgegeben, zugleich wird zu wenig über die Figuren verraten, um sie uns lebensnah zu präsentieren und um sie zittern zu lassen. Die Figur der Silvia Broome, der titelgebenden Dolmetscherin, ist uns schnell suspekt, aber wirklich unser Interesse wecken kann sie nicht. Dazu wissen wir zu wenig über sie, ihre Geschichte, ihr Leben, ihre Gefühle. Was wir später herausfinden – oder was uns später präsentiert wird – reicht dann nicht mehr, um uns zu überzeugen. Zumal es rein funktionalistisch in diesem Plot wirkt. Wie überhaupt viele Einzelheiten hier reine Funktion sind, nicht immanenter Teil des Geschehens. Kidman gibt diese Frau als unabhängige, selbstbewußte, leider aber auch etwas zickige Dame, die sich ungern etwas sagen lässt – weder von ihrem Arbeitgeber, noch von den Männern des Secret Service. Der für sie zuständige Agent, Tobin Keller, dem Sean Penn nicht unbedingt eine seiner überzeugendsten Leistungen angedeihen lässt, ist selbst ein trauernder Mann, hat er doch eben erst seine Frau bei einem Autounfall verloren. Das soll ihn wahrscheinlich menschlich machen, tut hingegen nichts zur Sache und ist zudem ein Klischee, das in jedem zweiten Thriller genutzt wird: Der trauernde Mann (Held), der über sich hinauswachsen muß und in seiner Aufgabe Erlösung findet.
Was man dem Drehbuch vielleicht am ehesten anrechnen kann, ist eine unterschwellige Anziehung, die es zwischen Broome und Kellen gibt, die aber letztlich nicht ausgespielt wird. Zu unterschiedlich sind diese beiden und zu verwickelt in ihre Geschichten. Doch ist diese emotionale Ebene des Films auch deswegen nicht überzeugend, weil man nicht versteht, daß ein Mann wie Kellen, der mehrfach von der Liebe zu seiner verstorbenen Frau spricht, sich nur Wochen, nachdem sie starb, gleich neu verlieben sollte. So bleibt seine Motivation, sich für Broome bis über die Schmerzgrenze hinweg einzusetzen, eher Behauptung, denn psychologisch nachvollziehbar.
Daß Broome nicht einfach nur die unschuldige Lady ist, die zufällig Pläne eines tödlichen Komplotts mithört und nun mit gefährlichem Wissen durch die Welt geht, ahnen wir schnell und der Film schiebt dann auch ebenso schnell Erklärungen hinterher. Diese Frau sitzt, wo sie sitzt, weil sie selbst Pläne hat. Hinzu kommt ein nahezu undurchsichtiger Handlungsstrang um Vertreter eines fiktiven afrikanischen Landes, dessen Staatschef – wir erinnern uns: Mugabe – vor der UN sprechen will, jedoch im Fadenkreuz verschiedener Gegner steht, die scheinbar Allianzen gebildet haben. Was dann aber auch wieder nicht stimmt, weil das geplante Attentat lediglich ein Fake ist, welcher die Reputation des Mannes stärken soll. Kompliziert.
Eines der Probleme des Drehbuchs ist sicherlich, daß uns die Geschichte des Landes kaum berührt – ebenso wenig, wie sie irgendwen im Film berührt, von Silvia Broome einmal abgesehen, die als sehr weiße Frau einen tiefsitzenden Hass gegen sehr schwarze Männer hegt, was natürlich nur und ausschließlich darauf zurück zu führen ist, daß sie alle ja aus einem schwarzafrikanischen Land stammen. Doch das Leiden der Bevölkerung wird uns nie glaubhaft vermittelt. Wir sehen zu Beginn des Films eine Art Prolog, in dem Broomes Bruder von Kindersoldaten erschossen wird, ohne daß wir zu diesem Zeitpunkt wissen, daß dies ihr Bruder ist. So bleibt ihre Motivation ebenfalls brüchig: Ist es ihr Land, um das sie weint, oder ist es ihr Bruder, um den sie trauert? Welches der Motive treibt sie dazu, in den Räumlichkeiten der UN ein Staatsoberhaupt mit einer Waffe zu bedrohen?
Der Film erstarrt in zu vielen Klischees, die er aber weitestgehend nicht der Realität, sondern anderen Filmen entlehnt. Da sind die bereits erwähnten, aber es setzt sich fort. Kellen, der, um sein eigenes Seelenheil bemüht, Broome unbedingt davon überzeugen muß, nicht auf den Mugabe-Verschnitt zu schießen und seine dazu vorgetragene Rede aus etlichen ähnlichen Momenten in schlechten Fernsehserien und mittelprächtigen Filmen geklaut zu haben scheint, ist da nur das augenfälligste. Um ihn herum arbeiten eine Menge Kollegen, von denen wir nichts erfahren und die deshalb vollkommen blass bleiben, reine Abziehbilder etlicher Geheimagenten aus etlichen Filmen ähnlicher Machart. Ebenso blass bleiben die diversen Attentäter, die es wahlweise auf den Afrikaner oder Broome abgesehen haben, die eine blutige Spur quer durch New York hinterlassen, deren Tun wir aber meist nicht verstehen und die – das ist der eigentliche Sündenfall des Films – trotz ihrer Taten nicht sonderlich bedrohlich wirken.
Hinzu kommen Logiklöcher, über die Buch und Regie großzügig hinwegsehen. Wieso fährt der Secret Service eine enorme Observation einer Frau auf, der man eben noch gar nicht glauben wollte, daß sie Ohrenzeugin eines Attentatsplans geworden ist? Wieso wissen die Männer, die da über dieses Attentat reden, daß Broome, die eine der wenigen ist, die die Sprache, die da gesprochen wird, überhaupt versteht, zuhört? Sollte sie das Gesagte hören? Oder war es doch Zufall? Wenn es aber Zufall war, dann leistet Kellen ganze Arbeit, uns an einen solchen nicht glauben zu lassen. Auch die Tatsache, daß wir leider nicht verstehen, was gesagt wird, sorgt eher für Verunsicherung, denn für Spannung. Da Broome ihr Geheimnis mindestens noch drei Szenen lang mit sich herumträgt, bevor sie sich bequemt, mit einem Verantwortlichen zu sprechen, verstehen wir weder die Dringlichkeit, noch wissen wir überhaupt, worum es geht. Ein Attentat, aha. Was auch sonst, könnte man sagen, bei der UN?
So setzt sich das Ganze fort. Kidman und Penn tun ihr Bestes, um die Sache am Laufen zu halten, aber auch ihre Möglichkeiten stoßen an Grenzen, wenn die Figuren, die man ihnen andient, eindimensional und undurchschaubar bleiben. Und zumindest Penn meint man die ganze Zeit anzusehen, daß er um die Schwächen des Drehbuchs weiß und irgendwann einfach aufgegeben hat. Dann sitzt er mit seinem durchschnittlichen Dackelblick und Sorgenfalten auf der Stirn in der Gegend herum, betrachtet Kidman und man meint, ihn darüber nachdenken zu sehen, wo man abends, nach Drehschluß, essen gehen könnte. Pollack gelingen leider kaum spannende Szenen, die Action ist gut gefilmt, aber nicht überzeugend inszeniert. Das Ende, wenn es sich dann endlich, nach über zwei Stunden Laufzeit, ankündigt, ist durchschaubar, nahezu banal.
Da hilft weder, daß ein Meister des Fachs wie Sidney Pollack Regie führte, noch, daß es dem Team erlaubt wurde, überhaupt erstmals in den Räumlichkeiten der UNO zu filmen. Hier ist einfach zu vieles zu oberflächlich, zu durchschaubar und eben zu banal. Mag Pollack auch behaupten, sein Film wolle die Möglichkeiten der Diplomatie darstellen – die Hintergrundgeschichte um das afrikanische Land bleibt Staffage. So kann man auch mit nachgeschobenem Anspruchsdenken nicht mehr retten, was eher an filmischen Details scheitert.
THE INTERPRETER hätte wohl ein packender Film werden können, hier und da deutet er an, welches Potential er gehabt hätte, wenn….ja, wenn. So bleiben die besten Szenen jene, in denen Broome Kellen Nachhilfe in Sprachgenauigkeit gibt und ihm erklärt, warum man die Namen der Toten nicht aussprechen soll. Ein wenig afrikanische Philosophie – oder doch nur Folklore? – die dem armen Mann helfen könnte, über seine Trauer hinwegzukommen. Und uns helfen, irgendeinen Mehrwert aus diesem Film mitzunehmen. Unterhaltsam ist er leider nur bedingt, weshalb man ihn schon beim Verlassen des Kinos zur Hälfte wieder vergessen hat. Dann schaut man ihn nach Jahren mal wieder und denkt sich: Ach so, deshalb. Deshalb habe ich das vergessen. Und ist so enttäuscht wie beim ersten Mal.