DIESES LAND IST MEIN LAND/BOUND FOR GLORY

Ein Road Movie, ein Bio-Pic, eine Aufforderung, den amerikanischen Geist weiterleben zu lassen: Hal Ashbys Ausflug in die jüngere Historie

Texas in den 1930er Jahren. Wie überall im Mittelwesten herrscht bittere Armut und vor allem eine große Dürre, die die Felder und Gemeinden vertsauben lässt. Immer mehr Menschen machen sich auf den Weg nach Westen, wo sie in Kalifornien auf den Obstplantagen Arbeit zu finden hoffen.

Woody Guthrie (David Carradine), ein eher verträumter, immer hilfsbereiter Mann, den gewisse künstlerische und musikalische Talente auszeichnen, mit denen er sich die Zeit vertreibt, beschließt eines Tages unvermittelt, ebenfalls aufzubrechen. Er verlässt seine Frau Mary (Melinda Dillon) und und die gemeinsamen Kinder und trampt nach Kalifornien.

Unterwegs wird er der Ungerechtigkeit gewahr, die überall im Lande herrscht. Die Menschen sind kalt und ignorant gegenüber dem Leid, Gewalt wird als probates Mittel angesehen, Regeln und Gesetze durchzusetzen und die Ärmsten zu kontrollieren. Guthrie reist zu Fuß, er schläft am Rand der Highways, er trampt. Oft springt er wie die Hobos auf fahrende Züge. Doch auch unter den Ärmsten herrschen Gewalt und Niedertracht. Er erlebt wüste Schlägereien zwischen den Tramps, aber vor allem, mit welcher Wucht sie aus den Zügen getrieben werden, weil die Bahngesellschaften die blinden Passagiere nicht schätzen. Selbst vor kaltblütigem Mord scheuen sie nicht zurück.

Dennoch gelingt es ihm, sich bis an die Westküste durchzuschlagen. Er wird von einer Familie mitgenommen, der Vater, Luther Johnson (Randy Quaid), wird ihm ein Freund. So erfährt Guthrie auch Solidarität und daß man zusammenhalten muß, um sich durchzusetzen. Im Großraum Los Angeles landen sie in einem Camp für die Neuankömmlinge. Hier ist es eng und unhygienisch. Für viel zu viele Pflücker ist viel zu wenig Arbeit auf den Obstplantagen der großen Kompanien vorhanden. Unter den Arbeitern werden  Mißgunst, Neid und Konkurrenz geschürt, so daß sie für immer niedrigere Löhne  zu arbeiten bereit sind.

Der Sänger und Radiomoderator Ozark Bule (Ronny Cox) kommt regelmäßig in die Camps und unterhält die Leute mit seiner Musik, allerdings agitiert er auch: Er will, daß sie sich geewerkschaftlich organisieren und so für ihre Rechte kämpfen können. Genauso regelmäßig enden seine Auftritte in Tumulten, weil die Schlägertrupps der Kompanien ihn hetzen und vertreiben. Bei einer dieser Gelegenheiten lernt Guthrie ihn näher kennen. Bule erkennt Guthries musikalisches Talent, vor allem, daß dieser sehr gute Eigenkompositionen im Repertoire hat.

Bule gelingt es, Guthrie in seiner Radiosendung unterzubringen und ihm damit ein geringes aber regelmäßiges Einkommen zu sichern. Gemeinsam mit der Sängerin Memphis Sue (ebenfalls Melinda Dillon, die in einer Doppelrolle auftritt) bestreiten sie das Programm. Das kommt so gut an, daß der Chefredakteur Locke (John Lehne) Guthrie und Memphis Sue eine eigene Sendung anbietet, allerdings verlangen die Besitzer des Senders, daß die beiden auf politische Ansagen und Agitation verzichten. Beide willigen zunächst ein.

Bei seinen Streifzügen durch Los Angeles landet Guthrie mehrfach in einer Suppenküche, die privat betrieben wird. Damen aus gutem Hause bekochen hier die Armen. Dort lernt er Pauline (Gail Strickland) kennen und verliebt sich in sie. Sie gibt seinem oft aufdringlichen Drängen nach und lädt Guthrie zu sich nach hause ein. Eine Weile wird das vornehme Haus für den Sänger zu einem Rückzugsort, wo er seine in etlichen Auseinandersetzungen auf den Feldern erlittenen Wunden lecken kann. Doch vom ersten Treffen an nimmt er die massive Diskrapanz zwischen ihrem Lebensstil und jenem der Pflücker wahr. Eines Tages erklärt er ihr, daß er Frau und Kinder habe und diese nach Kalifornien kommen zu lassen gedenke. Die Beziehung ist zuende.

Mary und die Kinder kommen in Kalifornien an, Guthrie hat für seine Familie ein kleines Haus gefunden. Die Kinder leben sich schnell ein und für eine Weile erleben die vier häusliches Glück und Vertrautheit. Doch Guthrie eckt immer wieder im Sender an. Er kann es nicht lassen, seine Sendungen für politische Agitation zu unterbrechen, Locke kann ihn nur bedingt schützen.

Ein Agent schmeißt sich an Guthrie ran und verspricht ihm ein Angebot bei der CBS, was bedeutet, daß seine Lieder landesweit, von Küste zu Küste, gehört werden könnten. Auch Auftritte vor großem Publikum seien drin. Guthrie erliegt dem Werben in gewissem Maße, spürt aber zugleich, daß es ihn von seiner Herkunft abbringen würde. Zudem spürt er den Sog der Highways, will wieder auf Trebe und das Land und die Menschen erleben, die ihm zuhören und zugleich das Material für seine Lieder liefern.

So  macht er sich erneut auf, verlässt Mary und die Kinder, und reist erneut als Hobo auf den Zügen mit. Und erneut wird er Zeuge der Gewalt. Als er schließlich nach Wochen und Monaten vollkommen abgebrannt heimkehrt, macht Mary ihm fürchterliche Vorwürfe. Sie fühlt sich zurückgewiesen und ungeliebt, was Guthrie verneint. Doch neigt er jetzt vermehrt zu Gewaltausbrüchen, da er sich in einem Netz aus emotionalen und materiellen Ansprüchen und Verpflichtungen gefangen fühlt.

Im Sender macht Locke ihm schwere Vorwürfe. Er sagt ihm zwar zu, die Sendung weiterführen zu dürfen, doch verlangt er regelmäßig Listen der Lieder zu sehen, die Guthrie im Radio spielen will. Nachdem Guthrie Luther Johnson wieder getroffen hat und von diesem erfährt, daß der sich  nun auch organisieren wolle, da er erkannt habe, daß nur die Gewerkschaft den Arbeitern helfen könne, die Ausbeutung zu beenden, kommt es schließlich zu einer finalen Auseinandersetzung zwischen Guthrie und Locke. Guthrie wirft von sich aus das Handtuch. Er kündigt, um seine moralische Integrität zu bewahren.

Bule eröffnet ihm, daß in seiner Abwesenheit der Agent mehrfach angerufen habe. Sowohl die Show bei CBS, als auch die Auftritte seien fix. Die beiden feiern und kommen betrunken in Guthries Haus an, wo er feststellen muß, daß Mary und die Kinder fort sind, zurückgekehrt nach Texas. Mary hatte ihm schon zuvor gestanden, daß sie mit der kalifornischen Wirklichkeit nicht zurecht käme. Letztlich zieht sie die Armut in Texas, in ihrer gewohnten Umgebung, dem materiellen Wohlstand im Westen vor.

Guthrie und Bule gehen mit dem Agenten auf Vorstellungstour. Schnell jedoch stellt sich heraus, womit sie es hier zu tun haben: Guthrie soll vor Cocktails trinkenden Bürgern in großen Hotels auftreten. Er erkennt, daß dies nicht sein Weg sein kann. Er verabschiedet sich von Bule und sagt diesem, er ginge nach New York, dort seien Menschen. Und unterwegs dürfe er die Lieder singen, die ihm passten.

Auf den Dächern der Züge macht er sich auf, ein weiteres Mal das Land zu erkunden.

BOUND FOR GLORY (1976) war Hal Ashbys fünfter abendfüllender Spielfilm. Es war der direkte Nachfolger seines großen Erfolgs SHAMPOO (1975) und verglichen mit diesem eine radikale Kehrtwende. Vielleicht sogar eine Abkehr. War der frühere Film eine ätzende Satire über den Jet Set und das Sehnen danach, dazu zu gehören, kehrte Ashby mit der filmischen Biographie des Folksängers Woody Guthrie in gewisser Weise zu den sozialen Beobachtungen seiner früheren Werke THE LANDLORD (1970) und THE LAST DETAIL (1973) zurück. Allerdings tat er es nicht mit jenem direkten, scharfen Blick auf die sozialen Bedingungen der Gegenwart, viel mehr ließ er seinen Blick in die Vergangenheit schweifen, genauer in die 1930er Jahre. Das erlaubte ihm nicht nur, explizit politisch zu werden, sondern auch, die jüngere Geschichte des Landes, dessen Werden, seine Schönheit und zudem speziell die Entwicklungen im Showbusiness zu betrachten.

In seinen knapp zweieinhalb Stunden Laufzeit entpuppt sich BOUND FOR GLORY in weiten Teilen als ein Road Movie, was ihm eine gewisse Verwandtschaft zu THE LAST DETAIL einbringt. Allerdings wirkt dieses Road Movie, ganz anders als der frühere Film. Eher ist es eine Reminiszenz an John Fords THE GRAPES OF WRATH (1940), der, basierend auf dem Roman von John Steinbeck, eine ähnliche Geschichte erzählte. Es ist die Geschichte der ‚Okies‘  – jene aus dem Mittelwesten, ursprünglich dem ländlichen Oklahoma, stammenden Menschen, die sich während der Großen Depression aus ihren aufgrund von Dürre und Bodenerosion staubigen Heimatdörfern aufmachten, um im fernen Kalifornien Arbeit und damit verbunden bescheidenen Wohlstand zu finden. Zumeist fanden sie aber nicht das „promised land“, jenes Land, wo Milch und Honig fließen, sondern Not und Elend in riesigen Camps, wo die Gestrandeten, für die es bei Weitem nicht genug Arbeit als Pflücker auf den kalifornischen Obstplantagen gab, zusammengepfercht wurden. Berühmt wurden ihre oft schon abgewrackten Lastwagen, die von vorn bis hinten, von oben bis unten mit ihrem Hab und Gut beladen waren und oftmals die ganze Familie transportierten. Sie bevölkerten zwischen 1933 und 1938 die damals noch bei Weitem nicht modern ausgebauten Highways, wie die berühmte Route 66. Viele von ihnen brachen unterwegs zusammen, blieben am Wegesrand liegen, was für die betroffene Familie das Ende aller Hoffnungen bedeuten konnte. Durch Fords Film wurde nicht nur den ‚Okies‘ ein Denkmal gesetzt, die übervollen Laster wurden auch zu frühen Symbolen, ja Ikonen amerikanischen Fortbewegungswillens, wie zuvor die Pferde der Cowboys und jener Abenteurer, die immer weiter gen Westen vorstießen und denen John Ford ebenfalls in etlichen Western huldigte.

Ashbys Film wirkt oft wie eine Hommage an das große Vorbild. Guthries Weg nach Westen wird regelrecht zelebriert, wobei Buch und Regie fast lakonisch die Härten dieser Art des Reisens aufzeigen. Zu Fuß, oft durch unwirtliche Wüstengegenden, als Anhalter auf den oben beschriebenen Lastern, gelegentlich in PKW und sehr häufig als ‚Hobo‘ – jene Wanderarbeiter und Herumtreiber, die illegal auf Güterzügen mitfuhren, auf die sie während der Fahrt aufsprangen – schlägt Guthrie sich durch. Dabei wird er Zeuge von Gewalt, Niedertracht, Verachtung der Armen durch Wohlhabendere, er lernt den Hunger und die Kälte kennen und vor allem die Ignoranz durch den Staat und gesellschaftliche Institutionen, wie der Kirche. Aber er erfährt auch Solidarität, Zuwendung von Leidensgenossen und auch  Freundschaft. In Kalifornien angelangt, verschlägt es auch ihn in eines der Camps, wo er langsam ein klares politisches Bewußtsein entwickelt. Dieser Weg ist dem eines Tom Joad, jenes Helden aus Steinbecks berühmtem Roman, nicht nur ähnlich, fast entspricht er ihm. Er könnte, als Zeitgenosse, diesem Tom Joad gut und gern begegnet sein. Ashby scheut sich auch nicht, diese Analogie historischer Genauigkeit  gegenüber zu bevorzugen. In seiner, einem Road Movie angemessenen, episodischen Erzählstruktur, scheint Ashby die Reise seines Helden wie eine Materialsammlung anzulegen, die ihm den Stoff für jene später so berühmten und teils in den Volksmund übergehenden Songs liefert.

Haskell Waxlers mit einem Oscar ausgezeichnete Kamera fängt kongenial zu Ashbys Inszenierung zunächst fast verschwommene Bilder des Lebens in den ‚Dust Bowls‘ des Mittelwestens ein. Er nutzt Weichzeichner, um den staubigen Alltag zu skizzieren und Ashbys Rhythmus, der gerade in der ersten halben Stunde des Films, bis Guthrie gen Westen aufbricht, sehr langsam, fast bedächtig ist, zu unterstützen. Später nutzt er seine Erfahrungen, die er u.a. auf dem Parteitag der Demokraten 1968 in Chicago gemacht hatte, und geht mit der Handkamera sehr nah an das Geschehen heran, wenn Männer auf Züge und wieder hinab springen, geht in Massenszenen mitten hinein ins Geschehen und vermittelt damit brillant die Gefahr und Panik, die entsteht, wenn plötzlich – bspw. durch Gewalt – Bewegung in diese Massen kommt. Er versteht es aber ebenso, die unglaubliche Schönheit des Landes einzufangen. Die Weite der Plains, die geschwungenen, sich sanft zum Horizont hinziehenden Ebenen und Hügel, die Steppen und Prärien. Guthrie war bei aller Verbitterung, die der Film nicht verschweigt, immer ein Optimist, der diese Schönheit erfasste und besang und zudem zu einer allgemeingültige Forderung zu transformieren verstand. Eine Forderung an die Mächtigen, sich dieses Land nicht unter den Nagel zu reißen, sich nicht zu ermächtigen, es zu „besitzen“, denn, so der Titel seines wohl bekanntesten Songs, „this land is your land“. Dieses Land gehört allen – Dir, mir, uns. Damit beschwor er den uramerikanischen, urdemokratischen Geist, der dieses Land bei all seinen Fehlern und Irrwegen doch immer beseelt hat und lange – vielleicht noch immer? –  zu Korrekturen und Regenration anleitete.

Woody Guthrie steht stellvertretend für viele Amerikaner, die in schwierigen Zeiten klar Positionen bezogen. Ashby, und durch ihn angeleitet David Carradine, lassen ihn zunächst wie einen zwar sehr sensiblen und empathischen aber gelegentlich fast naiven Träumer wirken. In seiner Heimatstadt genießt er den Ruf eines Wahrsagers, weshalb er auch Wunderheilungen vornehmen können soll, Eigenschaften, die ihn eher verwundern. Er ist immer hilfsbereit und lässt sich sehr zum Leidwesen seiner Frau Mary selten für getane Hilfe bezahlen. Im Laufe des Films wird seine zunehmende Verbitterung deutlich, die durch die Beobachtungen, die er macht, verstärkt wird. Er ist ein sehr genauer Beobachter. Aber auch jener Teil seines Wesens, der wie eine Kehrseite des verträumten Tagediebs wirkt, wird deutlich herausgearbeitet: Eine gewisse Verantwortungslosigkeit und auch Ungerechtigkeit in jenem Moment, als er sich in die Enge getrieben fühlt. Er könnte eine Karriere beim Radio machen und damit der Familie endlich ein gesichertes Einkommen bescheren, bricht sie jedoch ab, als es ihn seine moralische Integrität kosten könnte und macht sich – erneut, wie einst in Texas, ohne seiner Frau Bescheid zu geben – auf den Weg über die Highways, auf die Züge und hin zu den Menschen. Ihnen fühlt er sich verbunden und verpflichtet. Ihnen widmet er seine Songs und durch  sie findet er immer wieder das Material für diese Songs. Ashby gelingt es, eine Künstlerbiographie zu gestalten, die integral die Widersprüchlichkeiten und Abgründe eines Menschen aufzeigt, ohne diese explizit zum Thema zu machen. Das ist eine – gerade für einen Film – beachtliche Leistung.

Sein Road Movie, das exemplarisch den amerikanischen Weg nach Westen nachzeichnet und wie jeder gute Beitrag dieses Metiers dabei zugleich eine Entwicklungsgeschichte des oder der Protagonisten erzählt, zeigt Guthries zunehmende Verbitterung, die sich mit seinem Kampf in der und für die Gewerkschaft noch verstärkt. Er muß erkennen, daß der Widerstand des Staates, wie jener des Großkapitals, ebenfalls umso erbitterter wird, je berechtigter die Forderungen der Landarbeiter sind. Die Gewalt nimmt zu, Regeln und Gesetze werden zunehmend gebrochen, die Konfliktlinien verhärten sich. Ashby nutzt diese Entwicklung der Story seinerseits für klare und deutliche politische Statements. BOUND FOR GLORY erinnert immer wieder – dabei erstaunlich wenig didaktisch – an die Grundlinien der amerikanischen Demokratie. Und Woody Guthries Leben wird hier zu einem symbolischen Exempel dafür, wie in dieser Demokratie immer wieder einzelne den Kampf aufgenommen und fortgeführt haben. In diesem Leben scheint sich für Ashby der Kosmos der amerikanischen Geschichte und ihrer Entwicklung zu spiegeln.

Doch sollte man auch nicht vergessen, daß dies auch ein Film ist, der die Entwicklung des amerikanischen Showbiz zumindest streift, wenn nicht sogar deutlich thematisiert. Durch seine Bekanntschaft zu Ozark Bule kommt Guthrie überhaupt erstmals auf die Idee, seine Musik – sowohl seine Versionen des ‚Great American Songbook‘ als auch seine Eigenkompositionen – als Einkommensquelle zu betrachten. Das damalige Medium war das Radio, weniger die Schallplatte. Doch kaum im Radio angekommen, bekommt Guthrie auch sofort dessen Schattenseiten zu spüren, weil es eben immer schon auch kommerzielles Radio war. Es gibt nie in Erscheinung tretende Hintermänner, Besitzer, Werbekunden, die seine Show schätzen, solange er keine politischen Lieder bringt. Gemeinsam mit der Sängerin Memphis Sue bringt er den Hörern wöchentlich eine halbe Stunde Blues, Folk und Country dar, kann aber seine politische Einstellung nicht kaschieren, will es auch nicht und lässt es wieder und wieder auf Konflikte mit seinen Vorgesetzten ankommen. Daß er den Dienst am Mikrofon schließlich selber quittiert, ist seinem Stolz geschuldet und bewahrt ihm seine Integrität und Glaubwürdigkeit. Ashby gelingt es auch hier wie nebenbei das Funktionieren der Mainstream-Medien zu reflektieren. Vielleicht eine Warnung Mitte der 70er Jahre, als aus der Aufbruchstimmung der späten 60er Jahre in Musik und Film langsam jene an Dekadenz grenzende Branche wurde, die sich bis Ende des Jahrhunderts hielt, als sie unter den Möglichkeiten des Internets zusammenbrach und sich bis heute nicht erneuern oder auch nur konsolidieren konnte.

BOUND FOR GLORY ist ein ebenso elegischer wie wütender Film. Diese Wut mag Mitte der 70er Jahre viele Gründe gehabt haben – der gerade zuende gehende Vietnamkrieg mit all seinen moralischen Implikationen, die Watergate-Affäre, die bewiesen hatte, daß Bösartigkeit und Korruption mittlerweile bis in die höchsten Staatsämter vorgedrungen waren, vielleicht auch das aufkommende Bewußtsein dafür, daß viele der Hoffnungen und Ideale der 60er Jahre nicht ohne Weiteres in den amerikanischen Alltag überführt werden konnten. Umso bezeichnender, daß Ashby einen historischen Stoff wählte. Hier ließ sich etwas kanalisieren und erklären, das in einer zeitgenössischen Geschichte ganz andere Anforderungen gestellt hätte und sicherlich auch auf mehr Widerstand gestoßen wäre. So ist es auch ein subversiver Film geworden, der für Amerika geradezu sozialistische Ideen transportieren konnte – immer wieder sieht man Guthrie und Bule, wie sie auf den Feldern für die Gewerkschaft agitieren und sich dafür von den Schlägern der Obstkompanien zusammendreschen lassen. Mit seinen oft warmen und eben die Schönheiten des Landes betonenden Bildern, stellt der Film oft einen scharfen Kontrast zu den Geschehnissen her, die er abbildet. Er hält einem Land, das 1976 wirtschaftlich, moralisch und auch kulturell nahezu am Boden lag, einen historischen Spiegel vor, der eine Zeit zeigt, in der es vielen viel schlechter ging, in der aber eben auch schon Solidarität und Gemeinschaftssinn herrschten und aus dessen Geist jene Bewegungen entstanden waren, die dann zu den Aufbrüchen der Bürgerrechtsbewegung in den 50er und 60er Jahren geführt hatte, deren Idealen sich Hal Ashby verbunden fühlte. So gelang es dem Regisseur in BOUND FÜR GLORY, zugleich zu mahnen und Mut zu machen. Dabei schließt er auch insofern an klassisches Hollywood an, indem er den Mythos beschwört. Tom Joad und vor allem Mutter Joad sind bei Steinbeck als mythische Figuren angelegt, die ihrerseits ein anderes, besseres Amerika evozieren und beschwören. Sie sind Analogien zum uramerikanischen Mythos des Siedlers, der gegen alle Widerstände seinen Weg macht und schließlich über Natur, Feinde und innere Zweifel obsiegt. Ashby macht sich diesen Mythos zunutze, er befeuert ihn aber auch. Selten stechen seine Filme in diesen Bereich amerikanischen Erzählens vor, hier scheint er den BEreich geradezu zu suchen. Nicht nur, aber auch damit sticht BOUND FOR GLORY unter seinen Filmen hervor und verrät eine größere Nähe, als es gerade die frühen Filme, von direkten Vorgägner SHAMPOO (1975) einmal abgesehen, hätten vermutenn lassen. Wo diese dem herrschenden Mainstream bewußt entgegen gesetzt waren, scheitn BOUND FOR GLORY ANschluß an das klassische Hollywood zu suchen.

Filmisch ist es ein hervorragend umgesetztes Werk, die Bilder wurden bereits gelobt, ebenso sind die Mise en Scène und die Ausstattung zu loben. Anders als in vielen anderen Filmen, die sich mit einer nicht allzu lang vergangenen Historie befassen, wirkt dieser nicht „bestückt“. Oftmals hat man bei diesen Filmen den Eindruck, Darstellern in gut ausgestatteten Museen zuzuschauen. Das „Als-Ob“ dieser Filme ist oft aufdringlicher als in jenen, die sich des Mittelalters oder gar – siehe Ridley Scotts GLADIATOR (2000) – der Antike annehmen. BOUND FOR GLORY verfügt über eine ebenso aufwendige wie exquisite Ausstattung. Und mit David Carradine, Ronny Cox und all den anderen, eher unbekannten Schauspielern, verfügt er über eine Darstellerriege, die in diesem Setting hervorragend agiert und funktioniert. Allerdings unterliegt der Film auch den Regeln seines Genres als Biopic, das er eben auch ist. Wie die meisten Filmbiographien kann auch er nur einen Ausschnitt aus einem Leben präsentieren und wie viele andere franst er zum Schluß hin aus. So packend und auch berührend die Inszenierung über weite Strecken ist, am Ende berichtet uns eine Over-Voice pathetisch von Guthries weiterem Leben. Das macht einiges zunichte, weil es wie ein aufgepfropftes Ende wirkt, weil die Zeit nicht reicht, eine Geschichte wirklich auszuerzählen. Und auf einmal wird der Film eben doch didaktisch, erhebt den Zeigefinger und weist das Publikum an, den gezeigten Geist aufzunehmen, was einen unangenehmen Nachgeschmack hinterlässt. Dabei wäre das nicht nötig. Das Interesse eines sehr an seiner Gegenwart interessierten Regisseurs wie Hal Ashby beweist ja, daß eine solche Geschichte bei der Wirkmacht, die Guthries Songs hatten, im Grunde nie auserzählt sein kann.

In Ashbys Gesamtwerk sticht BOUND FOR GLORY in gewisser Weise hervor, weil es sein einziger Ausflug in die Historie war und zudem eine Großproduktion, die Massen und Material bewegte. Entstanden ist ein ruhiger, bedächtiger Film, der sich Zeit nimmt und sehr genau weiß, was er will und wie er es seinem Publikum nahebringt.

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