MIDDLEMARCH

George Eliots gewaltiges Romanwerk direkt aus dem Herzen des Viktorianismus

Irgendwann hat man sie dann geschafft, die 1200 Seiten MIDDLEMARCH, und man will sich ein wenig kundig machen und stellt fest: Nun könnte man gleich an die Hunderttausend Seiten Sekundärliteratur hinterher lesen. Und irgendwo in dem gewaltigen Wust aus Rezensionen, Analysen, Studien und Hintergrundinformationen stößt man immer mal wieder auf das Urteil, dies sei nun das beste, das ultimative, das wichtigste Werk der englischsprachigen Literatur. Da erstarrt man natürlich in Ehrfurcht. Und reibt sich die Augen, fragt man sich doch, ob man das einfach nicht wahrhaben wollte oder hat man es schlicht nicht verstanden? Denn tief im eigenen Herzen – also dem, das für die Literatur schlägt – sträubt sich etwas dagegen, dem Verdikt zuzustimmen. Das mag daran liegen, daß man Vergleiche dieser Art einfach nicht mag, daran, daß in der eigenen Anschauung das eine Werk kaum mit dem andern vergleichbar ist, zu unterschiedlich die Stile, die Haltung, die Sprache und häufig genug auch der Inhalt.

George Eliots gewaltiger Roman, in Folge erschienen 1871/72, bietet, laut des Untertitels im Original, eine „Studie über das Leben in der Provinz“. Die titelgebende Kleinstadt Middlemarch, gelegen irgendwo in Mittelengland, ist ein etwas verschlafenes Provinznest, wo sich die Wege einiger Menschen nicht nur der besseren Gesellschaft kreuzen. Es kommt zu Liebeshändeln und Eheversprechen, zu Verhandlungen um Erbschaften, es werden die anstehenden Reformen des Reform Act von 1832 diskutiert, die eine nachhaltige Änderung der britischen Wahlkreise und letztlich des Wahlrechts bedeutete, und vor allem wird sehr viel darüber philosophiert, was Mann und Frau vom Leben erwarten dürfen, wozu sie das Schicksal an ihren Platz gestellt hat und welchem Gesetz – dem des Papiers oder dem des Herzens – der oder die einzelne folgen sollte.

Die erste Erwartung, die der Roman definitiv enttäuscht – und somit auch die Neugier und Tratschsucht des Lesers unterläuft – ist die, diese Stadt wirklich vorgeführt zu bekommen. Tatsächlich enthält sich Eliot nahezu vollständig jedweder Beschreibung des Ortes, seiner Straßen. Nimmt man es genau, wird der Leser nur äußerst selten wirklich nach Middlemarch selbst entführt, denn das Gros der Handlung spielt sich in den umliegenden Herrenhäusern und Gutshöfen ab, in welchen die den Roman prägenden Figuren leben. Die nächste Erwartung des Lesers, die enttäuscht wird, ist die Hoffnung auf eine Story, auf eine wirkliche Handlung, die den Namen auch verdient hat. Das meiste, was auf diesen vielen, vielen Seiten präsentiert wird, spielt sich in den Köpfen der Protagonisten ab. Was insofern nicht überraschen sollte, gilt das Werk – und das vollkommen zurecht – doch als ein Meisterwerk des psychologischen Romans. Selten hat Literatur derart genau, präzise und auch kompromißlos das Innenleben seiner Figuren durchdrungen, analysiert, studiert und ausgestellt. Und es bestätigt sich bald eine weitere häufig geäußerte Ansicht zum Roman: Das Grundmotiv ist das Scheitern. Nahezu jeder hier scheitert – an seinen Wünschen, an zu hoch gesteckten Hoffnungen und Zielen, an Erwartungen, die die Wirklichkeit nicht erfüllen kann, an einer Welt, einer Gesellschaft, die – wir befinden uns mitten im viktorianischen Zeitalter – in einem engen Korsett moralischer Vorstellungen und strenger Konventionen steckt. Exemplarisch stehen dafür zwei der wesentlichen Figuren: Dorothea Brooke, eigentliche Hauptfigur des Romans, und Tertius Lydgate, ein junger Mann aus guter Familie, der sich der Medizinwissenschaft zugewandt hat, mit neuartigen Behandlungsmethoden experimentiert und neu in der Stadt ist, in der er sein Glück zu machen hofft.

Die Geschichten der beiden sind auf interessante Art gegeneinandergesetzt. Dorothea strebt nach Höherem, sie wurde umfassend ausgebildet – ungewöhnlich für eine Frau jener Jahre, durchaus aber ein Spiegel der Autorin – und möchte sich, ihr Wissen, ihre Interessen, ganz in den Dienst höherer Aufgaben stellen. Sie heiratet mir Mr. Casaubon einen Geistlichen, dem höhere Weihen nachgesagt werden, womöglich gar Bischofsweihen, der aber persönlich auf der Suche nach dem „Schlüssel zu allen Mythologien“ ist, einer Arbeit, die den wahren Grund hinter der mythischen Geschichte des Abendlandes darlegen soll, von Beginn an aber zum Scheitern verurteilt ist – aufgrund der gewaltigen Aufgabe einerseits, der verzagten Art des Studierenden andererseits. Lydgate seinerseits eröffnet eine Praxis in der Stadt, nimmt zugleich eine Stellung in einem neu eröffneten Hospital an, gerät damit aber in die politischen Ränkespiele in Middlemarch. Denn der Geldgeber des Krankenhauses ist nicht wohl gelitten in der Stadt und ihrer Umgebung. Ldgate heiratet eine der angesehensten jungen Damen der Umgebung und steigt damit vermeintlich im sozialen Gefüge der Stadt auf. Doch wird er zusehends zerrieben zwischen den eigenen wie den Ansprüchen seiner Frau, den kleingeistigen Streitereien und gerät schließlich, erdrückt von Schulden, in Ränke und Intrigen, die ihn resignieren lassen.

Um diese beiden Figuren herum gibt es eine Anordnung von etlichen Personen, deren Kreise sich mal überschneiden, sich manchmal aus dem Wege gehen und in denen sich das Scheitern der Hauptfiguren spiegelt, gelegentlich fortsetzt, ist das Glück des einen doch häufig von den Taten anderer abhängig, die aber, da Eliot sie äußerst geschickt anordnet und sie derart in das weitreichende System ihrer Überlegungen einflicht, daß sie zugleich die Möglichkeit hat, ganz unterschiedliche Kreise und Klassen darzustellen. So gelingt es ihr durchaus, einen gesellschaftlichen Durchschnitt des ländlichen, provinziellen Englands des 19. Jahrhunderts zu zeichnen. Da gibt es die Landjunker und die Geistlichen, es gibt die Landarbeiter und in Caleb Garth einen Vertreter des Handwerks, dessen Ehrlichkeit und Sittsamkeit, aber auch Menschenfreundlichkeit und Lebensklugheit ihn zu einem der wenigen in diesem Reigen macht, der allein deshalb schon nicht scheitert, da er mit seinem Leben, darin aber eben auch mit der eigenen Stellung zufrieden ist. Doch auch er und seine Frau sind vor Enttäuschungen nicht gefeit, entpuppen sich doch einige derer, denen sie ihr Vertrauen schenken, als unverantwortlich und unzuverlässig. Anhand der Figur eines jungen Mannes wie Fred Vincy, dessen Schwester Rosamond Lydgate geheiratet hat und den Caleb Garth unter seine Fittiche nimmt, kann Eliot aber auch einen Gegenentwurf darstellen: Ein junger Mann von höherem Stand, dessen Leben als ein einziges großes Scheitern sich abzeichnet und der durch das Leben und seine Lehren, die zu lesen und verstehen Fred in der Lage ist, aber auch durch die Führung eines Älteren – eben Caleb Garth, dessen Tochter Mary Fred begehrt und die ihn immer zu nehmen weiß, bis er genau so ist, wie sie ihn haben will – lernt, was das gelungene Leben bedeutet und daß es dafür oft viel weniger braucht, als man denkt, vor allem, wenn man nicht nur auf den schnöden Mammon fixiert ist.

Eliot ist es – anders als ihren Kollegen wie Thomas Hardy oder Charles Dickens – allerdings nicht darum zu tun, ein realistisches Sozialdrama zu schildern, genaues Lokalkolorit abzubilden, sie prangert keine sozialen Mißstände an, sie liefert auch kein Plädoyer für einen gesellschaftlichen Aufbruch. Diese Ebenen streift sie, wenn überhaupt, eher wie nebenbei, voraussetzend, daß ihre Leser um die politischen Implikationen – bspw. des Reform Act – wissen und diese einordnen können. Auch bietet sie wenig Beschreibungen – es wurde weiter oben bereits anhand der Stadt Middlemarch gesagt, die der Leser im Grunde nie wirklich kennenlernt – von Landschaften oder der Menschen. Der Großteil der Handlung – und viel davon gibt es im Grunde nicht; am ehesten noch kann der Handlungsstrang um einen alten Bekannten von Mr. Bulstrode, dem Geldgeber des Hospitals, der den mittlerweile Wohlhabenden wie ein Fluch der Vergangenheit einholt und droht, dessen Lebensabend zu vergällen, als wirklicher Plot bezeichnet werden – spielt sich in Dialogen ab. Und, natürlich und noch weitaus wesentlicher, im Innern der Figuren. MIDDLEMARCH ist definitiv nicht nur der allseits gelobte psychologische, sondern auch ein philosophischer Roman, ein Bildungsroman, ein Langessay, eine große Reflexion über das Leben und die Lebenden generell. Eine Meditation über die Allgemeingültigkeit menschlichen Strebens und dessen Vergeblichkeit.

Obwohl Eliot ein ausgesprochen gutes Gespür für die Psychologie ihrer Figuren hat, erstaunt es, wie blass doch einige Charaktere bleiben. Nun sind dies sicherlich keine Karikaturen, wie wir sie häufig bei Dickens antreffen, auch keine tragischen Heldinnen und Helden, wie Hardy sie uns in seinen frühen Melodramen bietet, Menschen, die aufbegehren, Menschen, die ihrer Zeit teils weit voraus scheinen. Eliots Figuren sind dafür weitaus lebensnäher, eher ähneln sie jenen Figuren, die Jane Austen erschuf, dem Leben abgeschaut und wahrlich von der Autorin durchdrungen. Einige dieser Protagonisten hier machen kaum Entwicklungen durch, bleiben sich immer gleich, manche bleiben nahezu erratisch. Dazu ist die junge Mary Garth zu zählen, die von Fred und dem Hilfspfarrer Farebrother gefreit wird und die der Leser eher als Objekt der Projektionen dieser beiden Männer kennenlernt, denn als eigenständige Figur – und die dennoch oder gerade deshalb die eine Figur in diesem Roman ist, die mit sich und der Welt von allem Anfang an im Reinen scheint.

George Eliot war eine für ihre Zeit immens moderne Frau. Sie gehörte zu jenen liberalen Freidenkern, die von Robert Owen und dessen schon frühsozialistischen Ideen beeinflusst waren. Die junge Frau setzte sich mit diesen Ideen auseinander, was u.a. dazu führte, daß sie sich zugleich immer kritischer mit der englischen Gesellschaft, aber auch mit Fragen der Religion auseinandersetzte, die sie mehr und mehr in Frage stellte. In Werken wie MIDDLEMARCH wird sehr deutlich, wie kritisch Eliot der Religion, mehr aber der institutionellen Kirche gegenüberstand. Denn ähnlich wie bei Jane Austen sind auch hier Geistliche im Grunde Lokalpolitiker, deren Wort und deren Ansichten Gewicht haben, deren sozialer „Wert“ sich nicht zuletzt vom Ertrag ihrer Pfründe ableitet. Klassische Honoratioren eben. Eliot ging weit für eine Frau ihrer Herkunft und Zeit – Tochter eines Gutsverwalters, was sie auch in die Nähe von Mary Garth und ihrer Familie setzt – , die auch journalistisch arbeitete. Das männliche Pseudonym war also wahrscheinlich notwendig, um als Stimme in einer Zeit, die Frauen Herd und Heim als Wirkungsraum zuwies, wahr- und ernstgenommen zu werden. Eliot war gebildet, weitaus gebildeter, als es Damen ihrer Klasse (und man unterschätze nicht das englische Klassensystem!) normalerweise zustand. Und diese Bildung kommt in MIDDLEMARCH voll zum Tragen, ja, man könnte behaupten, daß der Roman unter anderem auch eine klare und selbstbewusste Ausstellung dieser Bildung ist.

Denn diese Bildung fließt nahezu ungefiltert in den Roman ein. Das ist einerseits interessant, macht die Lektüre andererseits aber auch sehr anstrengend. Denn einfache Handlungsmomente – ein Treffen im Salon zwischen einem Mann und einer Frau (in unterschiedlichsten Konstellationen) – können durchaus mehrseitige philosophische Betrachtungen des Wesens dessen, was die betreffende Figur, derer Perspektive sich die auktoriale Erzählerin gerade bedient, vom Bevorstehenden erwartet, vorangestellt werden. Dabei zitiert die Autorin nicht nur ausgiebig antike Mythen und die vielzählige, Eliot bekannte, Literatur, sondern es werden in einer oft höchst komplexen und dementsprechend komplizierten Sprache – welche Melanie Walz, das sei an dieser Stelle ausdrücklich betont, in dieser Neuübersetzung kongenial ins Deutsche übertragen hat – auch die vielfältigen Vor- und Nachteile, das Für und Wider dieser oder jener Haltung, dieser oder jener Lebenssicht, die Aussichten und Enttäuschungen von zarten, zu großen und manchmal unmöglichen Hoffnungen und Erwartungen erörtert.

Vergleicht man diese Sprache mit jener derselben Generation wie Eliot entstammenden Autoren – eben Austen, Dickens, aber auch die Brontë-Schwestern oder Anthony Trollope – wirkt sie einerseits gewaltiger, wirkmächtiger, ernsthafter, intellektueller, zugleich aber auch altmodischer, eher dem Roman des 18. Jahrhunderts verpflichtet, denn an neuen sprachlichen Wegen interessiert. Eher ist es die Form des Romans, sind es seine Möglichkeiten, die Eliot zu reizen scheinen. Der erinnert den (post)modernen Leser in seiner schieren Maßlosigkeit, in seinem Überschwang, der eher zurückhaltenden Handlung und den ausschweifenden Überlegungen und Meta-Betrachtungen an Romane wie Melvilles MOBY DICK (1851), vorausgreifend sogar an Musils DER MANN OHNE EIGENSCHAFTEN (1930) oder Thomas Pynchons GRAVITY´S RAINBOW (1973). Werke, die man als strenger Literaturwissenschaftler gut und gern auch als gescheitert betrachten kann, scheinen sie doch nie eine Einheit aus Stil, Inhalt und Form zu finden. Romane, die, folgt man Musil in der Einschätzung seines Werkes, für Menschen geschrieben wurden, die es noch nicht gibt, Menschen der Zukunft.

So wirkt MIDDLEMARCH auf den heutigen Leser wie ein seltsamer Zwitter. Ein hochmoderner Roman, offenbar seiner Zeit voraus, der die herkömmliche Form des Formats sprengt, der die ganze Welt in seine Seiten hineinholen will, das menschliche Wesen und dessen Dasein zu durchdringen wagt, alles in den Ring wirft, was die Autorin an intellektuellen, sozialen und empathischen Erkenntnissen und Einsichten aufbieten kann, insofern ein äußerst mutiger Roman, der das Scheitern menschlichen Strebens nicht nur thematisiert, sondern auch immer das eigene Scheitern in Kauf nimmt, ja geradezu herausfordert; und zugleich ein Monster, das sich sprachlich sperrig gibt, gestrig, fast altmodisch, sich orientierend an den Klassikern der damals bekannten Weltliteratur, an der Lyrik, geschult an Mythen, Sagen, Fabeln und Gleichnissen der Antike und natürlich den prägenden Texten des christlich-jüdischen abendländischen Glaubens verbunden.

Das ist oftmals beschwerlich zu lesen, es passiert wenig und der Leser kämpft mit Umwegen und Umständlichkeiten, die es so in der modernen Literaturproduktion nicht mehr gibt oder aber, kommen sie einmal vor, ausgesprochen prätentiös wirken. Doppelte Verneinungen, sich dialektisch aufbauende Pro-und-Contra-Argumentationen, manchmal leise Ironie, die die Tiefsinnigkeit des Dargelegten jedoch nie wirklich unterläuft oder gar in Frage stellt, manchmal, selten, beißender Sarkasmus, der jedoch nie grob daherkommt, sondern immer hintersinnig und doch scharf. All dies verpackt in eben dieser gewundenen Sprache, die den modernen Leser fordert. Und auch dies gehört zur Wahrheit dieses Romans: Über eine solch lange Strecke – 1200 Seiten – lassen sich Längen nicht vermeiden. Wo Charles Dickens dem Leser oftmals allzu unglaubwürdige Zufälle und Umstände präsentiert, um seine Handlung voranzutreiben, Handlungen übrigens, die meist recht actionreich und somit spannend und aufregend sind, verzichtet Eliot auf nahezu jede Form von Erzählung. Diesen Figuren widerfährt nahezu nichts Unerwartetes. Der Auftritt von Raffles, jenem Menetekel aus Mr. Bulstrodes Vergangenheit, ist eines der wenigen Handlungselemente, das so etwas wie Spannung erzeugt. Und sogleich wirkt es schon deplatziert. Denn sämtliche weiteren Handlungselemente dieses Romans speisen sich nahezu ausschließlich aus dem Innern der Figuren. Sie erleben sich, erleben ihre Gefühle, lernen sich kennen, müssen an sich zweifeln und durch Prüfungen gehen, die sie Entwicklungen unterwerfen, denen sie sich nicht (mehr) entziehen können. Da wirkt die Erpressungsgeschichte um Raffles und Bulstrode wie ein Laborversuch in Schicksalsbetrachtung – als müsse irgendwo hier noch nachgewiesen werden, daß wir unserem Schicksal so oder so nicht entgehen können. Gleich, ob es uns emotional mit sich reißt oder uns in den Konsequenzen unserer früheren Entscheidungen und Handlungen einholt.

So erinnert Eliots Roman durchaus an jene ihrer Kollegin Austen. In beiden Fällen hat man es mit klassischen Gesellschaftsromanen zu tun. Genaue zeitgenössische Beobachtungen der sozialen, emotionalen und vor allem auch der ökonomischen Bedingungen. Stärker als bei Austen tritt bei Eliot bereits das feministische Element hervor. Sie sieht sehr genau, wie Frauen in den engen Konventionen des Viktorianismus in ihren Möglichkeiten eingeschränkt wurden, sie sieht die Käfige und Fesseln, in denen sie gefangen, in die sie geschlagen werden – Käfige des Wohlstands und des sozialen Ansehens; Fesseln aus als weniger wichtig angesehenen geschriebenen und als sehr wichtig betrachteten ungeschriebenen Gesetzen. Und Eliot sieht sehr genau, wie die Mechanismen der verschiedenen Bereiche und Ebenen des Lebens ineinandergreifen, um Macht auszuüben, Macht zu konsolidieren und sie zu sichern. Macht, die vor allem Männer über Frauen ausüben.

So ist es schlußendlich die reine Existenz dieses gewaltigen Romans womöglich sein größtes Verdienst. Als Beleg für ein Frauenschicksal im 19. Jahrhundert, welches auch ein Aufbegehren gegen herrschende Regeln von Anstand und Konvention darstellte, ein Werk,  das ebenso eindringlich und nachhaltig beweist, daß eine Frau ihres Standes und ihrer Herkunft sehr wohl über Bildung verfügen konnte und erst recht in der Lage war, diese Bildung zu transferieren und in eine Form zu gießen, die etwas Bleibendes schafft. Ein Romanwerk, welches die Zeiten übersteht und dem schließlich die Ehre zuteilwurde, von Kritikern und Schriftstellerkollegen zum bedeutendsten Roman der englischsprachigen Literatur gewählt worden zu sein.

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