MINISTERIUM DER ANGST/MINISTRY OF FEAR

Fritz Lang lässt Ray Milland in einem eher kleinen Werk, das er selber ablehnte, einen Nazi-Spionagering aufdecken

England, zu Beginn der 1940er Jahre. Stephen Neale (Ray Milland) wird nach zwei Jahren aus einer Nervenheilanstalt entlassen. Hier saß er für die Beihilfe zum Selbstmord an seiner Frau ein.

Während er auf den Zug wartet, der ihn nach London bringen soll, besucht er einen Jahrmarkt, wo er unter anderem das Gewicht einer Torte schätzen soll, um diese zu gewinnen. Als er eine Wahrsagerin besucht und diese bittet, ihm nichts über seine Vergangenheit, wohl aber über die Zukunft zu verraten, erklärt diese ihm das genaue Gewicht der Torte, damit er diese gewinnen könne.

Erstaunt ob dieser Information, gibt Neale seine Schätzung ab und nimmt die Torte mit in den Zug, der ihn nach London bringt. Allerdings wird er zuvor von einem Mann angehalten, der behauptet, er sei der eigentliche Gewinner der Leckerei.

Im Zug setzt sich ein Blinder (Eustace Wyatt) zu Neale ins Abteil. Als der Zug auf offener Strecke halten muß, da ein deutscher Fliegerangriff droht, schlägt der Blinde Neale nieder und entwendet ihm die Torte. Der Mann flieht ins Moor, Neale folgt ihm. Bei einer Ruine beginnt der Mann, auf Neale zu schießen, bis eine Bombe ihn tötet.

In London sucht Neale den Privatdetektiv George Rennit (Erskine Sanford) auf, der ihm helfen soll, die Hintergründe der seltsamen Geschehnisse zu ermitteln. Gemeinsam bringen sie in Erfahrung, daß der Jahrmarkt von den „Mothers of the Free Nations“, einer Wohltätigkeitsorganisation, organisiert wurde. In deren Büro trifft Neale auf das österreichische Geschwisterpaar Willi und Carla Hofer (Carl Esmond/Marjorie Reynolds), die eine Flüchtlingsorganisation leiten.

Mit Willis Hilfe gelangt Neale an die Adresse der Wahrsagerin, Mrs. Bellane, welche die beiden umgehend aufsuchen. Diese jedoch (Hillary Brooke) sieht vollkommen anders aus, als die ältliche Dame vom Jahrmarkt. Mrs. Bellane hält eine Séance in ihrer Wohnung ab, an der Willi und Neale teilnehmen wollen. In letzter Minute trifft auch Mr. Cost (Dan Duryea) ein, der sich als jener Mann entpuppt, der Neale die Torte streitig machen wollte.

Während der Séance spricht plötzlich Neales Frau zu ihm und macht ihm Vorwürfe, er habe ihren Freitod nicht verhindert. Neale ist entsetzt, dann fallen im dunklen Raum Schüsse. Als das Licht angeht, liegt Mr. Cost tot auf dem Boden. Neale wird sofort als Mörder ausgemacht, zumal er immer noch die Pistole des vermeintlich blinden Mannes aus dem Zug bei sich trägt. Mit Willis Hilfe kann er fliehen.

Neale kehrt in Rennits Büro zurück, das mittlerweile durchsucht wurde, von dem Detektiv fehlt jede Spur. Neale geht nun zu Carla und vertraut sich ihr an. Unterwegs wird er von einer dunklen Gestalt verfolgt. Neale erklärt Carla, daß er hinter den Geschehnissen heimliche Machenschaften eines Agentenrings der Nazis vermute.

Carla will ihn in die Buchhandlung von Mr. Newland (Thomas Louden) bringen, mit dem sie befreundet ist. Dort könne er sich verstecken. Unterwegs werden die beiden jedoch von einem weiteren Bombenangriff überrascht und fliehen in die Untergrundbahn, die in diesen Tagen als Schutzraum dient. Dort erzählt Neale Carla vom Selbstmord seiner Frau. Und auch sein unbekannter Verfolger taucht wieder auf, erkennt Neale jedoch nicht.

Am folgenden Morgen erreichen die beiden die Buchhandlung. Dort liegt das Buch des Psychiaters Dr. Forrester (Alan Napier) aus, der ebenfalls bei der Séance anwesend war. Es erklärt die „Psychologie der Nazis“. Während Neale also im Hinterzimmer der Buchhandlung wartet, recherchiert Carla in den Unterlagen ihrer Organisation und stellt fest, daß alle Beteiligten der Zusammenkunft bei Mrs. Bellane, die Neale ihr nennen konnte, auch in ihrer Kartei auftauchen, alle von Dr. Forrester empfohlen. Dieser wiederum ist Berater im Kriegsministerium und damit auch Geheimnisträger.

Als Willi auftaucht, erklärt Carla ihm den sich verdichtenden Verdacht, daß ihre Organisation von einem Spionagering unterlaufen wurde. Willi erklärt das für unmöglich und gibt seinerseits Informationen an sie weiter – unter anderem, daß Neale der Mörder seiner Frau sei. Sie wiegelt ab und erklärt, daß habe Neale ihr längst gesagt. Willi fragt sie, ob sie in Neale verliebt sei und sie bejaht dies.

Neale ist derweil zu der Adresse einer Malerin gegangen, die ebenfalls auf der Séance war. Von ihr verspricht er sich weiterführende Informationen. Doch trifft er hier Mrs. Bellane an, die direkt anfängt, heftig mit ihm zu flirten. Sie erklärt ihm auch, wieso sie und die Mrs. Bellane, die er auf dem Jahrmarkt traf, so unterschiedlich seien und auch, weshalb die Gewichtsinformationen zu der Torte an jemanden weitergegeben wurden, der als Code Auskünfte zur Zukunft, nicht aber zur Vergangenheit haben wolle. Alles sei ein harmloses Spiel gewesen und zudem eine Verwechslung. Als die Malerin auftaucht und im Angesicht des vermeintlichen Mörders nach der Polizei ruft, flieht Neale erneut.

Zurück in der Buchhandlung bittet Mr. Newland Neale und Carla, für ihn einen schweren Koffer mit einer mehrbändigen Ausgabe an die Adresse von Mr. Forrester zu liefern. Die beiden erklären sich bereit. Doch dort angekommen, entpuppt sich das Appartement nicht nur als falsche Adresse – angeblich lebe hier ein mr. Travers – sondern auch als unbewohnt. Als Neale den Koffer öffnet, erblickt er eine Bombe. Im letzten Moment kann er sich und Carla in Sicherheit bringen.

Er erwacht im Krankenhaus. An seinem Bett wacht sein unbekannter Verfolger, der sich als Inspector bei Scotland Yard namens Prentice (Percy Waram) ausweist. Neale streitet den Mord an Mr. Cost sofort ab, doch dann stellt sich  heraus,, daß es der Mord an George Rennit ist, für den er gesucht wird. Dessen Leiche wurde gefunden. Neale kann Prentice überzeugen, daß er Opfer einer Verschwörung geworden ist.

Die Polizei untersucht das Gelände, wo Neale von dem Blinden beschossen wurde und schließlich findet man Reste der Torte. Darin ist ein Mikrofilm versteckt. Im Kriegsministerium findet man schnell heraus, daß es sich um Landungspläne der Alliierten auf dem Kontinent handelt. Der Verdacht, daß es sich bei Dr. Forrester und seinen Kreisen um Nazi-Spione handelt, ist damit bewiesen.

Die Spuren führen in das Herrenbekleidungsgeschäft eines Mr. Travers. Dort entdeckt Neale, daß dieser Mr. Travers mit Mr. Cost identisch ist. Er stellt diesen zur Rede und lässt Travers/Cost keinen Ausweg mehr. Travers ruft in Neales Gegenwart einen vermeintlichen Kunden, Mr. Macklin, an und erklärt diesem, daß er vor allem auf die Arme des Anzugs achten solle, der ihm geliefert wurde. Dann flieht Travers in ein Hinterzimmer und ersticht sich selbst mit einer Schere.

Prentice und Neale finden die Adresse von Macklin heraus, da sie in dem Anzug die Kopie des Films vermuten. Neale eilt dort hin. Als er bei Macklin eintrifft, entpuppt dieser sich als Willi, der der eigentliche Spiritus Rector hinter den Nazi-Spionen ist. Es kommt zu einem Kampf zwischen Neale und Willi, den schließlich Carla, die ebenfalls anwesend ist, dadurch beendet, daß sie ihren Bruder erschießt. Forrester und seine Getreuen sind aber schon im Anmarsch und so fliehen Neale und Carla aufs Dach des Hauses, wo es zu einer Schießerei zwischen ihnen und ihren Häschern kommt. Doch schließlich werden die Agenten ins Kreuzfeuer genommen, weil mittlerweile auch Prentie mit seinen Leuten eingetroffen ist.

Neale und Carla fahren eine Küstenstraße entlang und reden über ihre bevorstehende Hochzeit. Carla sagt, sie freue sich vor allem auf die Torte, was bei Stephen Neale Protest hervorruft.

Konspiration, Spionage, Nazis, Bomben und Mord – Fritz Langs MINISTRY OF FEAR (1944) bietet ein wahres Potpourri aus für den ‚Film Noir‘ der frühen 40er Jahre recht typischen Thrillerelementen. In vielem erinnert der Film an Werke Alfred Hitchcocks, allerdings ohne dessen Finesse und letzte Liebe zum Detail. Lang selbst distanzierte sich Zeit seines Lebens von dieser Verfilmung eines Romans von Graham Greene, den er schätzte. Er fand den Film nicht gelungen, das Drehbuch sei schwach und voller Logiklöcher gewesen, er habe keinen EInfluß auf die Produktionsbedingungen gehabt. Die Produktionsgeschichte ist allerdings wirr, da Lang zwar kurzentschlossen die Regie übernahm, wohl aber bei den Paramount noch einen auslaufenden Vertrag besaß und der Firma einen letzten Film schuldig war. Wahr  ist allerdings auch, daß er nur geringfügigen Einfluß auf das Buch hatte und ihm der Stab – Kameramann, Beleuchter, Assistenten – ungefragt zur Verfügung gestellt wurden. Die Geschichte will wissen, daß Lang sich einst, als er Greene zufällig in einer Bar traf, bei diesem entschuldigt haben soll für das, was aus dem Roman gemacht worden sei.

Und es stimmt – MINISTRY OF FEAR ist uneinheitlich, springt unentschlossen, weist seltsame Lücken und schließlich ein Ende auf, das offensichtlich von der Produktionsgesellschaft angehängt wurde und einen düsteren und bedrückenden Plot mit einem vermeintlichen  Happy End ausstattet. Lang soll dieses Ende nicht selbst gedreht haben und der Bruch, den es zum eigentlichen Film darstellt, unterstützt diese These. Und dennoch ist Lang ein kleiner, feiner, manchmal brachialer, gelegentlich surreal anmutender Thriller gelungen, der eher der Kolportage gleicht, als daß er eine wirkliche Story aufzuweisen hätte. Dadurch entsteht allerdings eine Atmosphäre, die durchaus kafkaeske Züge trägt und einzelne Szenen muten wie Bilder eines Albtraums an.

Da wird ein Mann, der wegen der Tötung seiner Frau – er hat ihr bei ihrem Selbstmord geholfen – zwei Jahre in einer Klinik untergebracht war, unvermittelt in eine wirre Geschichte um eine Torte, die er auf einem Jahrmarkt gewinnt und in der geheime Pläne der Alliierten zur Landung auf dem Kontinent versteckt sind, hineingeworfen; umstandslos geht dieser von Ray Milland gespielte Stephen Neale der Sache nach und findet sich auf Jahrmärkten wieder, die als Agententreffen dienen, bei Séancen, in staubigen Hinterzimmern düsterer Buchhandlungen, großzügigen Wohnungen der Upper Class und in Künstlerateliers, und trifft dabei auf eine ganze Reihe von illustren Figuren: Eine Wahrsagerin, Agenten, österreichische Flüchtlinge, sinistre Todesengel, atemberaubend schöne Frauen und – natürlich – seine großen Liebe. Doch nichts in dieser Geschichte stimmt, alles entpuppt sich als falsch, als Doppelung, als Trick. Ein Blinder sieht, ein Toter ist lebendig, der Todesengel ist ein Detektiv, der Flüchtling vor Hitlers Krieg Kopf eines Spionagerings, die Hilfsorganisation „Mothers oft the Free Nations“ eine, wenn auch ungewollte, Tarnorganisation, ein Bücherpaket entpuppt sich als Bombe, eine Wahrsagerin wandelt sich von einer klischeehaften Alten zur mondänen Blondine, einzelne Figuren tragen mehrere Namen und sind offensichtlich in verschiedenen Identitäten unterwegs. Nichts ist, wie es scheint und der durchaus zur Paranoia neigende Neale irrt manchmal hilflos, doch immer fest entschlossen, zu tun, was getan werden muß, in diesem Vexierspiel umher.

Schon Neales Entschlossenheit, dem Blinden, der ihm in einer grotesken Szene in einem Zug gleich zu Beginn des Films die auf dem Jahrmarkt gewonnene Torte stiehlt, zu folgen und sich von diesem fast töten zu lassen, mutet vollkommen unrealistisch an. Doch zieht diese Entschlossenheit den Zuschauer direkt in den Bann eines Geschehens, dem zu folgen immer schwieriger wird, da es sich sowohl immer unglaubwürdiger, als auch immer verwirrender gestaltet. Buch und Regie greifen mehrfach zu drastischen Mitteln, um die Handlung entweder voran zu bringen, oder dort, wo  sie scheinbar nicht voranzukommen scheint, einfach zu unterbrechen. Der Blinde wird, bevor Neale ihn stellen kann, von einer deutschen Fliegerbombe ins Jenseits befördert, auf Neale – der letztlich durch Zufall und eine reine Verwechslung, ein klassisches „Wrong Man“-Motiv, in diese Räuberpistole hineingerät – wird ein vollkommen unangemessenes Bombenattentat verübt, dessen Ausführung derart dubios und unausgegoren wirkt, daß man sich fragt, ob Lang sich hier über seinen eigenen Film lustig machen wollte. Hätte man diesen Mann aus dem Weg räumen wollen, wären  in der Handlung etliche bessere Momente und vor allem sicherere Methoden gegeben gewesen. Ebenso seltsam und surreal mutet Neales Wandlung vom Hauptverdächtigen eines Mordes zum Helfer bei Scotland Yard an. In dieser Funktion treibt er dann schließlich jenen Mann, den er angeblich schon einmal getötet hat, sogar in den Selbstmord.

MINISTRY OF FEAR wird dem Genre des ‚Film Noir‘, wenn man ihn denn als solches betrachten will, zugerechnet. Er weist auch etliche Merkmale des ‚Noir‘-Thrillers auf, vor allem sein Interesse an psychoanalytischen Motiven – Neale saß nach dem vermeintlichen Mord an seiner Frau nicht im Gefängnis, sondern in einer Heilanstalt; der eigentliche Spion des Agentenrings ist ein Analytiker, der im Kriegsministerium als Berater arbeitet und ein Buch über die „Psychologie der Nazis“ geschrieben hat; Selbstmord wird doppelt beleuchtet, einmal als Verzweiflungstat, einmal als eiskalter „Dienst an der Sache“; die Bilder im Atelier der Künstlerin weisen Merkmale der Fragmentierung auf etc. – entspricht der damaligen Mode in Hollywood. Auch Langs Licht-Schatten-Spiele, die Kameramann Henry Sharp kongenial umsetzt, erinnern an herkömmliche ‚Noir‘-Werke, anderes hingegen ist weit vom damaligen ‚Film Noir‘ entfernt. So verzichtet der Film auf jedwede melodramatische Wendung, wie sie gerade für Werke wie DOUBLE INDEMNITY (1944) oder OUT OF THE PAST (1947) typisch waren, erinnert mit seinen ausladenden Interieurs dafür gelegentlich an die Musicals, in denen Fred Astaire in den 30er und 40er Jahren auftrat, und jene Szene, in der Neale mit der platinblonden Wahrsagerin, die von Hillary Brooke verkörpert wird, flirtet, könnte auch einer Screwball-Comedy von Howard Hawks entlehnt sein. Die Außenaufnahmen stehen den oft schwelgerischen Kulissen diametral gegenüber und sind überdeutlich als Studiobauten zu erkennen. Gelegentlich streift Lang sogar das Metier des Horrorfilms, wenn er den angeblich Blinden aus dem Zug entfliehen lässt und dieser in einer Moorlandschaft verschwindet, die jedem Universal-Horrorfilm der 30er Jahre zu Ehren gereicht hätte. Auf den für ‚Noir‘-Filme so typischen Fatalismus verzichtet Lang hingegen ebenso konsequent, wie auf die Melodramatik.

Im Gegenteil – sein Stephen Neale scheint auf der reinen Handlungsebene ein sehr entschlossener Mann zu sein. Daß er den Agenten und Schneider Mr. Travers  in den Selbstmord treibt, ist nicht nur Zeugnis seiner klaren Haltung gegenüber den Verbrechern und ihren Anliegen, sondern wurde in der Literatur gelegentlich als Kulminationspunkt der Handlung angesehen. Beachtet man Neales Vergangenheit, könnte man diese Tat, wenn auch ungewollt, durchaus als therapeutischen Akt betrachten. War der Selbstmord seiner Frau, für den Neale sich selbst die Schuld gibt, für ihn ein Trauma, ist Travers Freitod schließlich ein Akt, der immerhin dazu beiträgt, das Land vor Verrat zu schützen. Da ist der Film also wieder sehr nah an ‚Noir‘-typischen Handlungen und Motiven.

So könnte man MINISTRY OF FEAR als Ganzes unterstellen, daß dies ein Traum von Stephen Neale ist, vielleicht eine Halluzination unter Hypnose, die sein Arzt, der ihn zu Beginn persönlich an die Pforte der Klinik begleitet und ihm alles Gute wünscht, an ihm vornimmt. Sowohl das Pendel der Uhr, auf dem die Kamera verweilt, während der Vorspann läuft, als auch das Bild des schwingenden Pendels, das Neale während der Séance heimsucht, deuten auf diese Möglichkeit hin. Surreal, albtraumhaft, ja, wie bereits angedeutet kafkaesk, mutet die Entwicklung der Handlung so oder so an. Nichts in diesem Plot ergibt wirklich Sinn, zu weit hergeholt sind die Verbindungen und zu auffallend die Auslassungen. Und doch scheint alles in seiner eigenen Logik aufzugehen. So könnten die Doppelungen und falschen Fährten, die Identitätswechsel und widersinnigen Begebenheiten auch ein psychisches Labyrinth sein, ein paranoides Gefängnis der Angst, aus dem ein kundiger Fachmann des in Hollywood zusehends positiv betrachteten Berufszweigs der Psychologen und Psychiater, seinen Patienten behutsam herausführt. Wobei „behutsam“ dabei Auslegungssache wäre, bedenkt man die gelegentliche Brachialität der Mittel. Unter diesen Aspekten steht der Film wiederum ganz in der Tradition des ‚Film Noir‘.

Ein weiterer Hinweis auf eine mögliche Traumabewältigung, wenn auch eher eine gesellschaftliche, kollektive, ist der dauernde Hinweis auf die Bomberangriffe der Deutschen auf London. Graham Greene hatte den Roman nur ein Jahr zuvor in London, mitten in diesen Angriffen, geschrieben und verarbeitete dabei ein wirkliches Kriegstrauma der Briten. Die Willkür, mit der die Bomben fielen, die Todesnähe, die Nächte in der Untergrundbahn, die Ruhe, mit der die Bevölkerung versuchte, der Vernichtung zu trotzen – all diese Merkmale und Motive finden sich im Buch, aber auch in Langs Verfilmung. Eine Engführung ist dann jene Nacht, die Neale und Carla während eines dieser Angriffe in der Subway verbringen und wo Neale der Frau, in die er sich zusehends verliebt, von dem Selbstmord seiner Frau und seiner Beteiligung daran berichtet. Hier kommen persönliches und kollektives Trauma zusammen, fallen gar in eins. Und zugleich wird ein Trauma des Regisseurs berührt, dessen erste Frau bei einem Streit durch einen Pistolenschuß umkam. Es wurde nie geklärt, ob es sich dabei um einen Selbstmord, einen Unfall (als welcher der Vorfall damals von der Polizei deklariert wurde) oder gar einen Mord durch Lang gehandelt hat. Für Lang war es auf jeden Fall ein einschneidendes und ihn lang beschäftigendes Erlebnis.

Trotz all dieser durchaus interessanten Verweise und Möglichkeiten der Interpretation bleibt aber doch festzuhalten, daß MINISTRY OF FEAR sicher nicht zu Fritz Langs besten, vielleicht nicht einmal zu seinen guten Werken zu zählen ist. Da man so oder so grundlegend zwischen seinen frühen deutschen Produktionen und den Filmen unterscheiden sollte, die in den USA entstanden, wird der Film den Vergleich mit letzteren bestehen müssen. Und fällt auch hier ab. Sei es, daß der Regisseur keine wirkliche Lust auf Sujet, Plot und Produktion hatte, sei es, daß es die Vorgaben des Studios waren, sei es, daß die Vorlage nur schwer filmisch umzusetzen gewesen ist – MINISTRY OF FEAR bleibt Stückwerk und wird erst durch die Interpretation, durch ein Lesen gegen den Strich, interessant und aufschlußreich. Als Spannungsfilm, als Drama oder gar kriegsstützende Propaganda, die er in keinem Falle war, da er dafür zu spät kam und auch erst 1945 veröffentlicht wurde, funktioniert der Film nicht. Wohl aber als Beispiel dafür, wie gerade aus mißglückter Kunst, aus Fragmenten, Stückwerk, gelegentlich tiefere Wahrheiten zu generieren sind. So sehr der Regisseur den Film also abgelehnt haben mag, ein Kleinod in seinem Werk bleibt er. Zumindest für Interessierte und Fans von Fritz Lang.

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