GOLDENES GIFT/OUT OF THE PAST

Ein Meisterwerk

Jeff Bailey (Robert Mitchum), der eine Tankstelle am Highway betreibt, wird von seiner Vergangenheit eingeholt. Joe (Paul Valentine) besucht ihn  und fordert ihn auf, sich am Lake Tahoe bei Whit (Kirk Douglas), seinem alten Auftraggeber, als er noch Detektiv war, einzufinden. Unterwegs zum See erzählt Jeff seiner Freundin Ann (Virginia Huston), wer er früher war und warum er jetzt der Aufforderung nachkomme.

Einst arbeitete Jeff in New York als Detektiv. Er bekommt den Auftrag, für Whit Sterling die Frau aufzutreiben, die ihm nicht nur eine Kugel verpasst, sondern ihn auch um 40.000 $ erleichtert hat – Kitty Moffat (Jane Greer). Jeff treibt sie in Mexiko auf und verfällt ihr sofort. Gemeinsam planen sie die Flucht, die ihnen gelingt, sogar, nachdem Whit plötzlich  in Mexiko auftaucht. In San Francisco lassen sie sich nieder, doch eines Tages trifft Jeff auf seinen alten Partner Fisher (Steve Brodie), dem er noch die Erträge aus dem Sterling-Auftrag schuldet. Es kommt zu einem Kampf zwischen den Männern, bis ein Schuß entscheidet: Fisher ist tot, Kitty die Mörderin. Doch ehe Jeff sich versieht, ist sie verschwunden. Ihm bleibt nichts weiter, als Fisher zu begraben und das Weite zu suchen.

Soweit Jeffs Geschichte, als sie in Tahoe bei Freds Anwesen ankommen. Ann verspricht, auf ihn zu warten, egal, was nun auf ihn zukomme. Dann fährt sie heim.

Im Haus trifft Jeff nicht nur Whit und Joe sondern auch Kitty, die zu Whit zurück gegangen ist. Whit berichtet, daß es Unterlagen gäbe, die ihn steuerlich belasteten und die Jeff für ihn in San Francisco besorgen und ihm bringen solle. Jeff trifft sich in der Stadt mit Meta Carson (Rhonda Fleming), die die Sekretärin des Anwalts Eels (Ken Niles) ist, zugleich aber für Sterling arbeitet. Jeff begreift nach enigem Hin und Her, daß Eels ermordet werden und der Verdacht mit Kittys und Metas Hilfe auf ihn, Jeff, gelenkt werden soll. Er kann den Mord nicht verhindern, wohl aber, daß die Leiche entdeckt wird, womit er die Pläne aller anderen durcheinander bringt. Er bringt die gesuchten Unterlagen an sich und verschwindet zurück in seine Heimatstadt zur Tankstelle.

Doch Kitty will ihn unbedingt aus dem Weg geräumt haben und veranlasst Joe, Jeffs Freund, einem taubstummen Jungen (Dickie Moore), zu folgen, damit der ihn zu Jeffs Versteck führe, dort entdeckt der Junge Joe im letzten Moment, bevor der Jeff erschießen kann und schaltet ihn aus. Joe stirbt. Jeff geht zu Whit und macht ihm klar, daß er von Kitty verraten wurde, nun verbünden sich die Männer gegen sie, Whit will sie sogar für den Mord an Joe und den an Fisher an die Polizei ausliefern. Jeff sagt zu, Whit die Unterlagen auszuliefern, wenn der ihn zukünftig in Ruhe ließe und Kitty hinter Gitter bringt. Er will die Unterlagen holen, Kitty versucht erneut, ihn davon zu überzeugen, daß sie eigentlich nur ihn liebe. Als Jeff zu Whit zurückkehrt, liegt der tot in seinem Wohnzimmer und Kitty macht Jeff klar, daß der mit ihr zu kommen habe, denn sie beide seien böse und somit nur füreinander geschaffen. Jeff geht darauf ein, telefoniert jedoch, während Kitty ihre Sachen packt. Unterwegs merkt sie, daß etwas nicht stimmt, immer schneller rast Jeff den Weg des Anwesens entlang und schließlich auf eine Polizeiabsperrung zu. Er selbst hatte die Polizei informiert. Kitty schießt auf Jeff, doch dann eröffnet die Polizei das Maschinengewehrfeuer und richtet beide.

Ann, deren Jugendfreund zurück in die kleine Stadt gekommen ist und um sie wirbt, fragt den taubstummen Jungen, ob Jeff wirklich mit Kitty habe wegfahren wollen. Der Junge schaut auf das Tankstellenschild, das immer noch Jeffs Namen trägt, und nickt dann. Ann geht und steigt zu ihrem Freund in den Wagen, der Junge nickt dem Schild zu. Ende.

Mehr als viele andere Gattungsgenossen im ‚Film Noir‘, dockt OUT OF THE PAST (1947) zwar direkt am Gangsterfilm an, dennoch stünde ihm zugleich exemplarisch der Titel des „‚Film Noir‘ als Melodrama“ zu, denn selten sind die Fallstricke menschlichen Begehrens, die Fallen des Gefühls derart zentrales Motiv der Entwicklungen gewesen, wie hier. Und um diese Fallstricke der Leidenschaft ebenso überzeugend wie unergründlich darzustellen, brauchte es schon einen der großen Romantiker und Andeuter des Genrekinos à la Hollywood. Einen Regisseur wie Jacques Tourneur.

Tourneur galt in Hollywood als Meister der Anspielung, der Uneindeutigkeit, und er wird auch hier, in diesem ‚Film Noir‘ par excellence, seinem Ruf gerecht. Fein wie kaum ein anderer legt der Regisseur seine Fäden, elegant und wie beiläufig liegen die Maschen aneinander, entwickelt sich ein Netz, dessen Gewebe immer enger und für die Protagonisten schließlich zu einem undurchdringlichen Dickicht aus Liebe, Hass, Rache und Gier wird. Führen die Wege im Noir gemeinhin auch in den Untergang, so ist der Untergang doch selten so total wie hier. Wenn das Drama sich dem Ende zuneigt, hat nahezu niemand der wesentlich Handelnden überlebt.

Der ‚Film Noir‘ lebt in seiner Essenz von der Ambivalenz seines Personals, er lebt davon, daß wir Menschen, die meist recht unsympathisch wirken, empathisch auf ihrem Weg in den unausweichlichen Untergang begleiten. Moralisch wird uns dabei ein ums andere Mal die Weisheit vermittelt, daß sich Verbrechen nicht lohnt. Zugleich zeigt uns der Noir-Thriller, daß seine Möglichkeiten aber immer wieder dazu verführen, es auszuprobieren. Vor allem, wenn es in Gestalt einer wunderschönen Frau daherkommt. So ist es im Noir nahezu immer. Barbara Stanwyck, Joan Crawford oder Rita Hayworth spielten diese Frauen, manchmal auch Jane Greer, wie hier. Die Doppelbödigkeit entspricht dem Wesen des Noir ebenso, wie seinen weiblichen Hauptfiguren und seinen Plots, in denen meist nichts ist, wie es scheint. Tourneur nimmt diese Regeln, das Wesen des Genres, und überträgt es direkt in die Seelen seiner Figuren. Selten können wir uns der Motivationen und Haltungen des Personals in einem Film so wenig sicher sein, wie hier. Wenn Virginia Huston in der letzten Szene des Film den stummen Jungen, der für Bailey gearbeitet hat, fragt, ob der wirklich mit Kitty nach Mexiko habe flüchten wollen, dann stellt sie stellvertretend für uns die Schlüsselfrage, an der alle weiteren offenen Enden des Films hängen.

Selten war ein Titel prägnanter als hier: „OUT OF THE PAST“ greifen die Fallstricke des Schicksals nach Bailey, nichts ist je vorüber und selten kann die Vergangenheit anders abgeschlossen werden, als mit dem Tod. In bester Noir-Tradition wird uns ein Großteil der Story des Films als Rückblende erzählt – Bailey erklärt seiner Freundin Ann, wie es um ihn steht und warum das so ist – und das Faszinierende an erzählten Rückblenden ist, daß sie so oder so nicht objektiv sind, wir müssen immer die Färbung des Erzählten durch den Erzähler mitdenken. Lakonisch berichtet Bailey Ann von seiner Besessenheit von Kitty Moffat, unbedingt will er sie und damit uns Glauben lassen, diese Frau hinter sich gelassen zu haben. Da in OUT OF THE PAST, anders als in den meisten Noirs, nach Beendigung der Rückblende die Story jedoch aufgegriffen und wirklich weiter gesponnen wird, nicht nur auf ihren Höhepunkt zutreibt, wird Bailey auch nach und nach widerlegt, bzw. begreifen wir, daß er nicht nur Ann und uns, sondern vor allem sich selber belügt, wenn er glaubt, er habe mit all den Verwicklungen von damals nichts mehr zu tun.

Kitty, die unter den mitunter wirklich üblen Ladies des ‚Film Noir‘ ein außergewöhnlich verkommenes Exemplar darstellt hinter ihrer zuckersüßen Maske, spricht im ganzen Film wahrscheinlich genau einmal die Wahrheit – wenn sie Bailey erklärt, warum die beiden so gut zueinander passen, seien sie doch beide böse und verkommen, bar aller Moral. Dann küsst sie ihn, als wolle sie damit die Verquickung ihres Giftes mit dem seinen als toxische Supermischung ebenso beglaubigen wie sie sie feiern will. Bailey redet sich ein, sauber geblieben zu sein, doch im Grunde weiß er schon in New York, als er den Auftrag von Whit annimmt, daß er einen Fehler begeht. Und spätestens, wenn er mit ihr gemeinsame Sache macht, Whit  hintergeht und schließlich sogar ihren Mord an Fisher deckt, hat er seine neutrale Haltung endgültig aufgegeben, hat seine Unschuld verloren und ist Spieler in einem Spiel, dessen Regeln sich praktisch mit jedem Zusammentreffen der einzelnen Protagonisten ändern. Dabei durchschaut keiner den andern und wir, die Zuschauer, durchschauen ebenfalls keinen der Handelnden. Es ist die Kunst des Regisseurs Jacques Tourneur, eben diese Offenheit, diese Ambivalenzen herzustellen und derart vorsichtig anzudeuten und uns die Widersprüchlichkeiten mehr ahnen denn wissen zu lassen, daß die Spannung des Films nie beeinträchtigt wird, man zwar innere Unruhe spürt, weil man natürlich will, daß Bailey zu Ann zurückkehrt, dennoch deutlich wird, wie sehr er Kitty verfallen ist[1].

Tourneur versteht es perfekt, auch hier ein dem Publikum ambivalent erscheinendes Spannungsverhältnis in Dreiecksverhältnissen aufzubauen: Bailey steht zwischen Ann und Kitty, Kitty zwischen Whit und Bailey, Bailey zwischen seiner Profession als Detektiv und seiner Liebe zu einem Gangsterliebchen und auch der Faszination, die Whit und das Leben, das er verkörpert, auf Bailey ausüben. Man könnte die Reihe durchaus fortführen, auch in abseitigere Regionen, denn es bestehen durchaus auch Spannungsverhältnisse in den männlichen Beziehungen: Bailey – Whit – Joe wäre solch ein Verhältnis. Interessant ist aber natürlich vor allem die Verbindung zwischen Bailey, Whit und Kitty. Als beide Kerle begreifen, daß die Dame mit ihnen gespielt hat, geschieht erstaunliches: Sie verbrüdern sich. Ein im ‚Film Noir‘ nahezu einmaliger Vorgang, bleiben die Damen doch meistens die Chefs im Ring. Doch dauert diese Verbrüderung nicht allzu lang, denn Kitty wäre nicht Kitty, wüsste sie sich nicht auch in dieser Hinsicht zu wehren: anders als bspw. Stanwycks Phyllis Dietrichson in Billy Wilders DOUBLE INDEMNITY (1944) führt Kitty die Waffe gerne selbst – und sie drückt im Zweifelsfall auch ab. Dafür darf sie dann allerdings auch einen 1947 für eine Frau im Film außergewöhnlichen Tod an der Seite ihres Geliebten sterben: Im Kugelhagel der Polizei. Die Schlußsequenzen in Arthur Penns BONNIE AND CLYDE (1967) erinnern bis in die Details an das Ende dieses Pärchens in OUT OF THE PAST, auch wenn die im späteren Film noch blutiger und vor allem länger ausgebreitet werden. Dies ist eine zutiefst romantische Geschichte und genau so ist auch das Ende des Films angelegt: Zerrissen zwischen der Liebe zu einer Frau, die zu lieben lohnt und der wilden, romantischen aber eben auch verhängnisvollen Liebe zu dieser gefährlichen Frau, Kitty, wählt Bailey letztere nur, um mit ihr gemeinsam den Tod zu suchen.

Umso spannender, daß OUT OF THE PAST durchaus mehr mit einem Kriminalstück gemein hat, als das bei den meisten Noirs der Fall ist. Bailey ist zwar Tankstellenbesitzer, als wir ihn kennenlernen, doch allzu schnell ist er auch wieder in seiner alten Rolle als Detektiv. Als Detektiv besitzt er sowieso das Flair der Halbwelt, die Nähe zu Gangstern und Halbseidenen erklärt sich von selbst. Wo in klassischen Noir-Thrillern wie DOUBLE INDEMNITY ein kleiner Versicherungsvertreter durch Gelegenheit in Dinge verwickelt wird, die letztlich zu groß für ihn sind, bewegt sich Jeff Bailey schon von Berufswegen in kriminellen Kreisen, weiß er schon aufgrund seiner Profession, wie man mit einer Knarre umzugehen und einen Gegner mit den Fäusten auszuschalten hat. Er ähnelt also eher einem Sam Spade oder Philip Marlowe, auch wenn ihm der „Fall Stirling/Moffat“ über den Kopf gewachsen ist, weil er sich Gefühlen hingegeben hat, die zumindest Marlowe zwar nicht fremd sind, die der sich letztendlich aber nicht erlauben würde.

Es sind die ganz großen Gefühle, die Tourneur inszeniert. Es besteht kein Zweifel, daß Ann diesen Mann liebt, es gibt also, anders als in andern Noirs, durchaus Wahlmöglichkeiten. Bailey muß abwägen: Das aufregende Leben an der Seite der Gangsterbraut oder ein konservatives, ruhiges Leben an der Seite einer gestanden Ehefrau. Man mag ihm zugute halten, daß er letzten Endes keine Chance habe gegen das tiefe Begehren hinsichtlich Kittys, doch wirkt dieser Mann nie so, als sei er nicht mehr Herr seiner Sinne und also seines Willens. OUT OF THE PAST erzählt weit weniger schicksalsschwanger von den Entwicklungen, als bspw. ein Film wie DETOUR (1945) oder THE KILLERS (1946) dies tun. Dafür sind die Gefühle, die er schildert, zumeist echter. Nimmt man Kitty einmal aus, die wirklich ein Ausbund an abgründiger Kälte und Gefühllosigkeit ist und damit natürlich Anns Antagonistin, auch wenn wir im Verlauf der Handlung begreifen – eine weitere Doppelbödigkeit im Script, daß dieses Verhältnis möglicherweise genau umgekehrt zu bewerten ist, kann man sowohl bei Ann als auch bei Whit und Jeff Bailey davon ausgehen, daß deren Gefühle – sowohl die der Liebe als auch die des Hasses – echt sind. Dennoch sind es die Schlingen des Begehrens, die Bailey in seinen – selbstgewählten! – Untergang treiben. Er kann sich – auch wenn er es wohl will, denn der Film gibt uns wenig bis keine Hinweise, daß seine Liebe zu Ann nicht „echt“ sei – nicht aus dem Verlangen nach Kitty befreien und wählt also lieber den gemeinsamen Untergang, als noch weitere Menschen mit in sein Unglück zu reißen.

Tourneur, dessen Ruhm heute vor allem auf seinen beiden Horrorfilmen  CAT PEOPLE (1942) und I WALKED WITH A ZOMBIE (1943) beruht, hatte durchaus Wurzeln im ‚Film Noir‘ und wusste, wie man eine spannende Handlung in einem schwarz-weißen Setting präsentiert, er kannte die stilistischen Regeln und verstand sich darauf, sie routiniert umzusetzen. Weniger war das Melo sein zuhause, doch auch in jenem Fach hatte er durchaus Meriten gesammelt. Wie er aber hier beides mischt und diese Mischung – der Noir ist dem Melo natürlich verwandt – wie eine organisch gewachsene erscheinen lässt, das ist einzigartig. Gemeinsam mit seinem Kameramann Nicholas Musuraca erschafft Tourneur erlesene Tableaus, die Schatten zerschneiden die Gesichter, Mitchum, der manchmal in seinem Trenchcoat zu versinken droht, wird oft wie ein Scherenschnitt inszeniert, so daß seine Silhouette extra scharf hervorzutreten scheint, abgrundtief schwarze Schatten heben sich von manchmal übergrell ausgeleuchteten Flächen ab, Fensterkreuze verkünden drohendes Unheil – stilistisch ist OUT OF THE PAST ein Musterexemplar dessen, was den ‚Film Noir‘ in seiner Essenz ausmacht.

Vielleicht ist dieser Film deswegen Vielen der ‚Film Noir‘ schlechthin, weil er die ganze Bandbreite abdeckt: Es ist ein Thriller, der uns jedoch einen Mann zeigt, der den Fallstricken seiner Vergangenheit entkommen will, eine Frau, schwarz und böse wie es nur geht, eine liebende Frau als Gegenpol, eine Bewegung – New York, Acapulco, San Francisco, Lake Tahoe – die unweigerlich auf den Tod zuläuft und damit das spezifische Gewicht dieses Noirs definiert. Es ist schwer und eigentlich unnötig, irgendeinem Werk Vorzug vor anderen zu geben oder als definitiv zu bezeichnen, doch OUT OF THE PAST ist sowohl als Genrebeitrag, aber auch einfach als Film seiner Zeit, abseits aller Gattungsfragen, ein zutiefst treffendes, manchmal verstörendes und immer berührendes Meisterwerk.

 

[1] Allerdings müsste man sich sehr grundlegend einmal fragen, was Männer der 1940er Jahre so aufregend an Frauen fanden, die offensichtlich ihre Gefühle nicht erwidern und ansonsten bereit sind, über Leichen zu gehen?

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