OFFICIAL SECRETS

Gavin Hood spürt dem Fall der Whistleblowerin Katharine Gun nach

Katharine Gun (Keira Knightley) arbeitet beim GCHQ (Government Communications Headquarters), einem Nachrichtendienst der britischen Regierung. Sie ist u.a. für die Auswertung von abgehörten Gesprächen fremder Botschaften zuständig.

In den Wochen und Monaten, die dem Einmarsch in den Irak 2003 vorausgehen, ist die Lage in Großbritannien angespannt. Hundertausende gehen auf die Straße, um sich gegen den Krieg zu verwahren. Auch Katharine ist aufgewühlt, während ihr Mann Yasar (Adam Bakri), der nur durch die Heirat mit Katharine in England bleiben durfte, sich eher zurückhaltend äußert. Als Kurde sieht er das Saddam-Regime äußerst kritisch und kann sich nicht eindeutig gegen einen Angriff auf den Irak aussprechen.

Eines Tages landet ein Memo des NSA (National Security Agency) auf Katharines Computer. Darin wird der britische Geheimdienst ganz offen aufgefordert, belastendes Material über Länder, die keine ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates sind, momentan dem Gremium aber angehören du deren Stimme man braucht, um eine 2. Resolution gegen den Irak zu erwirken, die einem Angriff völkerrechtliche Legitimität geben würde.

Katharine begreift, daß dies der Versuch einer großen internationalen Erpressung durch die Amerikaner ist. Nach einiger Zeit des Überlegens, gibt sie das Memo an die Aktivistin Yvonne Ridley (Hattie Morahan), die es ihrerseits an den Journalisten Martin Bright (Matt Smith) weitergibt, der beim Observer arbeitet.

Bright und sein Vorgesetzter Peter Beaumont (Matthew Goode) setzen nun alles daran – zunächst gegen den Widerstand des Chefredakteurs und der Herausgeber der Zeitung, die sich offiziell für den Krieg ausgesprochen hat – um die Richtigkeit des Memorandums zu verifizieren. Unter anderem setzen die den Washington-Korrespondenten der Zeitung, Ed Vulliamy (Rhys Ifans), darauf an, herauszufinden, ob der angebliche Verfasser des Memos existiert.

Als sich die Journalisten schließlich sicher sind und das Memo veröffentlichen – was bedeutet, daß die amerikanischen Versuche, den Krieg zu rechtfertigen ganz offensichtlich nicht so sauber sind, wie sie gern dargestellt werden – schlägt die Nachricht ein wie eine Bombe.

Schnell wird versucht, den Observer zu diskreditieren, u.a. indem darauf hingewiesen wird, daß das Memo eine Reihe von britischen Schreibweisen einzelner Wörter aufweist und damit eine Fälschung sei. Eine Sekretärin in der Redaktion hatte es durch eine Rechtschreibprüfung laufen lassen.

Während die Zeitung um ihre Reputation kämpft, setzt das GCHQ alles daran, das Leck zu finden. Dazu werden die Mitarbeiter massiv unter Druck gesetzt. Sie alle haben Verschwiegenheitsklauseln unterschrieben, weshalb sie darauf aufmerksam gemacht werden, daß schon das Verschwiegen eines Verdachts sie rechtlich zu Mitschuldigen machen könne.

Katharine Gun stellt sich schließlich, da sie merkt, in welche Schwierigkeiten ihr Verhalten ihre Kollegen gebracht hat. Zudem ist sie der Meinung, nichts Falsches getan zu haben. Sie habe im Sinne ihres Auftrags gehandelt, Gefahr vom britischen Volk abzuwenden, da sie versucht habe, dazu beizutragen zu verhindern, etliche Tausend britische Soldaten in den Tod zu schicken. Dennoch wird sie in Haft genommen und von Beamten von Scotland Yard verhört.

Dank des Einsatzes ihrer Pflichtverteidigerin kommt Katharine zunächst frei, muß aber damit rechnen, daß Anklage wegen Verrats gegen sie erhoben wird. Die Anwältin gibt ihr den Kontakt zu Ben Emmerson (Ralph Fiennes) und seinem Team. Emmerson ist ein Menschenrechtsanwalt, der schon mehrfach gegen die Regierung geklagt hat. In Katharines Fall sieht er aber zunächst nur geringe Chancen. Dennoch ist er bereit sich ihres Falles anzunehmen.

Das Verfahren zieht sich hin. Katharine wird beschattet, wahrscheinlich wird ihr Telefon abgehört, immer stärker wird der Druck der Behörden auf sie. Schließlich wird ihr Mann kurzerhand festgesetzt und zur Abschiebung vorbereitet. Emmerson und seinen Leuten gelingt es in letzter Minuten mithilfe des Abgeordneten, der für Katharines Wahlkreis zuständig ist, die Abschiebung zu verhindern.

Der Prozeß wird alles in allem ein Jahr hinausgezögert. Schließlich erhebt sie Staatsanwaltschaft Anklage wegen Landesverrats. Emmerson und Katharine überlegen, ob sie auf „schuldig“ oder „nicht schuldig“ plädieren soll. Würde sie sich für „schuldig“ erklären, würde sich dies wahrscheinlich günstig auf das Urteil auswirken. Doch sieht sie nicht ein, weshalb sie sich als schuldig für etwas erklären soll, von dem sie überzeugt war und ist.

Emmerson schlägt eine waghalsige Strategie vor: Es gelingt ihm, zumindest Hinweise von offizieller Seite zu bekommen, daß der Rechtsberater der britischen Regierung und damit Tony Blairs eine klar ablehnende Haltung zu einem etwaigen Krieg unter britischer Beteiligung eingenommen hatte und diese auch noch galt, als Katharine das Memo weitergab. Erst später habe der Verantwortliche seine Meinung – offenbar unter Druck der amerikanischen Regierung – geändert und behauptet, eine 2. Resolution des UN-Sicherheitsrats sei nicht notwendig. Emmerson will die Staatsanwaltschaft zwingen, entsprechende Unterlagen und Akten, die diese Sichtweise stützen für den Prozeß freizugeben.

Der Tag der Verhandlung kommt und Katharine muß das demütige Ritual einer Angeklagten über sich ergehen lassen. Als sie im Zeugenstand steht und die Anklage vorgetragen wird, wird ihr noch einmal klar, was die Tragweite ihres Tuns wirklich bedeuten kann: Jahrelange Haft. Doch dann, als er sich erklären soll, zieht der Staatsanwalt die Klage vollends zurück. Auf mehrfaches Nachfragen des Gerichts und Emmersons, der vermutet, daß es hier genau darum geht, die entscheidenden Papiere, die die Regierung noch mehr desavouieren würden, nicht freizugeben, erklärt der Staatsanwalt lediglich, man sähe keine ausreichenden Anhaltspunkte, um die Klage zu rechtfertigen und aufrecht zu erhalten.

Katharine kann das Gerichtsgebäude umgehend als freier Mensch verlassen.

Um das Mindeste zu sagen: OFFICIAL SECRETS (2019) ist ein redlicher, ein rechtschaffener Film. Basierend auf den berühmt-berüchtigten „wahren Begebenheiten“ wird die Geschichte von Katharine Gun erzählt, einer britischen Whistleblowerin.

Gun war eine Geheimdienstmitarbeiterin beim GCHQ (Government Communications Headquarters), einem Nachrichtendienst der britischen Regierung. In ihrer Funktion als Analystin aufgefangener Kommunikation wird sie unmittelbar vor dem Waffengang gegen den Irak 2003 auf ein Memo aufmerksam, das vom britischen Geheimdienst Informationen einfordert, um Mitglieder des UN-Sicherheitsrats, deren Stimme die USA und Großbritannien brauchen, um eine Resolution zu erwirken, erpressbar zu machen. Gun wägt ab und steckt die Informationen schließlich über eine befreundete Aktivistin an den Observer, eine der führenden britischen Zeitungen, durch. Sie wird zu einer sogenannten Whistleblowerin. Ihr Fall erregte Aufmerksamkeit, da sie sich schließlich selber stellte und es zu einem Verfahren kam, das die Regierung schließlich niederschlug, da sie befürchtete, Informationen freigeben zu müssen, die das Lügenkonstrukt um den Irak-Krieg hätten auffliegen lassen können.

Der Südafrikaner Gavin Hood, der sich bereits in EYE IN THE SKY (2015) intensiv mit der Frage nach der Rechtmäßigkeit der modernen Kriegsführung beschäftigt hatte, drehte die Mischung aus Polit-Thriller und Gerichtsdrama mit einer erlesenen Riege von Schauspielern, allen voran Keira Knightley in der Rolle der Katharine Gun. Herausgekommen ist – ein redlicher, rechtschaffener Film. Wer die Nachrichten bewußt verfolgt, weiß um die Geschichte und natürlich auch, wie sie endete. So entsteht im Film selbst nur geringe Spannung. Die Gefahr für Gun und ihren Mann ist nicht bedrückend genug inszeniert, um den Zuschauer wirklich zu packen, wirklicher Thrill entsteht noch am ehesten in den Bemühungen der Journalisten des Observer, die Wahrhaftigkeit des Memos, das ihnen zugespielt wurde, zu verifizieren. In diesem Handlungsstrang greift Hood allerdings auf all jene Thriller zurück, die Journalisten bei ihrer angeblich immer so konspirativen Arbeit zeigen. Doch auch diese Entwicklungen sind im Film nie mit wirklicher Verve eines Thrillers inszeniert. Zu schnell, zu einfach wirken die investigativen Recherchen. Hinzu kommt, daß die ganze Angelegenheit letztlich wie das Hornberger Schießen ausgeht, eher an eine Farce erinnert, denn an einen wirklich spannenden Plot.

So bleibt dem Zuschauer erst einmal nur, die Leistungen der Schauspieler zu bewundern, die in einer überzeugenden Mise-en-scene – die englische Kleinstadt, in der Gun und ihr Gatte leben, die abgedunkelten Büros des GCHQ, der pompöse Gerichtssaal, in dem schließlich verhandelt wird – agieren. Regie und vor allem Florian Hoffmeisters Kamera geben sich Mühe, das Geschehen in einen möglichst realistischen Look zu kleiden, um die Dringlichkeit und Realitätsnähe der Geschichte zu unterstreichen. So ist der gesamte Film letztlich eher um Realitätsnähe denn Spannung bemüht. Wenn Gun beschattet wird, wenn ihr Mann in Abschiebehaft gerät, wenn sie die Entscheidung fällt, sich für „nicht schuldig“ zu erklären, verzichtet Hood weitestgehend auf das dramatische Potential solcher Szenen. Zwar ist OFFICIAL SECRETS nicht dokumentarisch angelegt, auch wenn er immer wieder Nachrichtenmaterial und Interviews der damals Machthabenden wie Tony Blair verwendet, bleibt aber in der Äquidistanz gegenüber seinem Material, um Wirkung nicht mit vordergründigen Spannungselementen zu erzeugen, sondern die skandalträchtige Geschichte für sich sprechen zu lassen. Was ihm aus den genannten Gründen eben nur halbwegs gelingt.

Diese Geschichte hat allerdings die Zutaten, die es braucht, um ein links-liberales Empörungspotential in Nullkommanichts emporschnellen zu lassen: Mutige junge Frau deckt Komplott der Regierung auf, um Wähler, Bevölkerung und Verbündete zu belügen, Erpressung und Einflußnahme auf höchster Ebene, der Druck des Staates, bzw. der Regierung und jede Menge aufrichtige Anwälte – Ralph Fiennes spielt den Menschenrechtsanwalt Ben Emmerson, der Gun zur Seite steht – die es mit einer staatlichen Übermacht aufnehmen. Natürlich ist man auf der Seite von Gun, die, verheiratet mit einem Moslem, schnell zu einem Objekt unterschwelliger Bedrohung durch Geheimdienstkreise wird. Die Maßnahmen, die ergriffen werden, um sie unter Druck zu setzen – u.a. die drohende Abschiebung ihres Mannes – sind übel und niederträchtig und schnell bestätigt der Film alle schlimmen Befürchtungen, die man schon immer gegenüber dem anonymen staatlichen Machtapparat hegte.

Genau darin liegt aber auch das Problem. Denn OFFICIAL SECRETS erzählt wirklich nichts, was man nicht genau so erwartet hätte. Er rennt, mit Verve und wilder Entschlossenheit, sein Sujet als den Skandal zu verkaufen, den es zweifelsohne darstellt, offene Türen ein. Doch wird das Ganze so lediglich zu einer Selbstvergewisserung sich moralisch sicher wähnender Kreise, die es „immer schon gewusst haben“. In der Figur Katharine Gun ist nichts Doppeldeutiges, es wird nicht hinterfragt, weshalb eine junge Frau, die einst als Lehrerin gearbeitet hat, überhaupt zum Geheimdienst geht und dort direkt an exponierter Stelle arbeitet. Wo es anderen Polit-Thriller jüngeren Datums auch dann, wenn sie auf „wahren Begebenheiten“ beruhen, gelingt, ihre Figuren interessant zu machen, weil es Charaktere mit Abgründen sind[1], bleibt die Katharine Gun in OFFICIAL SECRETS als Charakter blass. Ebenso ergeht es dem Zuschauer mit ihrem Mann und den Kollegen in ihrer Abteilung beim GCHQ. Sie alle scheinen Menschen ohne Geschichte, ohne Privatleben zu sein und was man von ihrem Privatleben erfährt, scheint sich ebenfalls nur um die Entscheidung zu drehen, ob Großbritannien an der Seite der USA in den Krieg ziehen soll.

Da die Zuschauer sich größtenteils noch an jene aufgeheizte Stimmung des Jahres 2003 werden erinnern können, evoziert Hood mit den Einspielern der damaligen weltumspannenden Großdemonstrationen gegen den Waffengang bekannte Bilder und Erinnerungen. Und bekannte Gefühle. Die, die dabei waren, werden sich noch einmal als Teil einer Bewegung erleben und empfinden können, die ebenfalls moralisch auf der richtigen Seite stand, was heute ja auch nicht mehr zu leugnen ist, weiß man doch längst, wie sehr vor den UN gelogen, Tatsachen gebogen und schlicht behauptet wurden. Doch ein Film wie OFFICIAL SECRETS erfüllt dann letztlich eben nur den Zweck einer Selbstvergewisserung. Man steht auf der richtigen Seite, man ist moralisch überlegen, man bewegt sich nicht in Grauzonen, sondern weiß im rechten Moment, worauf es ankommt und wie man sich zu verhalten hat. Und ab und an findet man sich am warmen Lagerfeuer ein, um mit Gleichgesinnten die Erinnerungen aufzuwärmen. OFFICIAL SECRETS ist genau ein solches Lagerfeuer.

 

[1] Man denke nur an die von Cate Blanchett gespielte Figur der Mary Mapes in TRUTH (2015) oder an Jessica Chastain als Titelfigur in MISS SLOANE (2016) – beides ehrgeizige junge Damen, die auch Opfer ihrer Eitelkeit und ihres Ehrgeizes werden.

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