OPEN RANGE

Costner kanns...manchmal

„Boss“ Spearman (Robert Duvall) treibt seine Herde über die „Open Ranges“ – jenes offene Land/Weideland, das in den Jahren um 1880 noch nicht eingezäunt und in Besitz gebracht wurde. So können jene Cowboys, denen zwar Vieh, jedoch kein Land gehört, ihre Herden nähren. Doch den lokalen Großgrundbesitzern sind sie natürlich ein Dorn im Auge. Spearman hat einige Angestellte: Charley Waite (Kevin Costner), mit dem er seit 10 Jahren reitet, Mose (Abraham Benrubi) und Button (Diego Luna), ein junger Kerl, dem gegenüber Spearman väterliche Gefühle entwickelt. Mose reitet in die nächste Stadt, um die Vorräte der Vier aufzufüllen. Doch er kommt nicht zurück. Boss und Charley reiten in das Städtchen Harmonville, wo Mose von den Schergen des örtlichen Großgrundbesitzers Baxter (Michael Gambon) mißhandelt und vom Sheriff ins Gefängnis geworfen wurde. Sie nehmen den schwer Verletzten mit, nicht, ohne sich zuvor Baxters Warnung, besser: Drohung, angehört zu haben, was mit Leuten wie ihnen in dieser Stadt geschehe. Der Arzt Barlow (Dean MacDermott) kann Mose mit Hilfe seiner Schwester Sue (Annette Bening) soweit wieder herstellen, daß er zurück zum Lager transportiert werden kann. Doch dort angekommen, meinen Boss und Charley, sich das alles nicht gefallen lassen zu dürfen und reiten zurück in die Stadt. Als sie zurückkehren, ist das Lager verwüstet, Mose tot und Button lebensgefährlich verletzt. Erneut reiten Boss und Charley los und es gelingt ihnen, vier von Baxters Männern aufzutun, die für den Überfall verantwortlich waren. Sie demütigen sie, lassen sie dann jedoch laufen, was Charley für einen Fehler hält. In der Satdt kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Cowboys und Baxters Männern. Während Sue Button versorgt, bereiten sich Boss und Charley auf den abschließenden und entscheidenden Show-down vor, den weder Baxter noch seine Leute, inklusive des Sheriffs, überleben werden. Auf Boss‘ Drängen hin hat Charley Sue seine Liebe gestanden. Nachdem alles überstanden ist und die Dorfbewohner schließlich aus ihrer feigen Erstarrung aufgewacht sind und mit den beiden Cowboys gegen ihren Unterdrücker gekämpft haben, reiten Charley und Boss, der sich auf seine alten Tage dazu entschlossen hat, sesshaft zu werden, um die Herde zusammen zu treiben und gewinnbringend zu verkaufen; danach wird Charley zu Sue zurückkehren.

Ein alternder Cowboy, ein ehemaliger, im Sezessionskrieg schrecklich traumatisierter Soldat, ein mexikanischer Junge und ein sanftmütiger Bär von einem Mann – das ist die „Familie“, die hier eine Viehherde treibend durch die Weiten des amerikanischen Westens zieht. Keevin Costner hat einen – im positiven Sinne – zutiefst konservativen Film gedreht, sich jedes Klischees bedient, er hat dem Westerngenre kaum etwas Neues hinzugefügt und dennoch funktioniert das alles bestens. Vor allem deshalb, weil sowohl die Leute auf der Leinwand, als auch jene hinter der Kamera sehr genau gewusst zu haben scheinen, was sie dem Genre schuldig sind. OPEN RANGE (2003) ist ganz offensichtlich ein Western, der von Männern gemacht wurde, die Western lieben und großen Respekt vor den Regeln des Genres haben, die diesem Respekt Ausdruck verleihen, die das Genre weiter bedienen, nicht jedoch parodieren, lächerlich machen oder ad absurdum führen wollten. Im Gegenteil, aus jedem Bild, aus jeder Einstellung, aus den Blicken dieser Männer und dem, was sie sagen und tun (auch wenn dabei manchmal einer schwer verträglichen Männer/Machokultur gefrönt wird), wird deutlich, wie stark sie und die Macher des Films sich den Sitten und Gebräuchen des Weste(r)ns verpflichtet fühlen. Was auch aus der einfachen Geschichte hervorgeht, die eine wirkliche Western- weil Rachegeschichte ist. Zugleich eine Befreiungsgeschichte, wie sie die großen, klassischen Edelwestern der 50er Jahre oft erzählten (SHANE/1953).

So erleben wir einen langsamen, manchmal mit grandiosen Landschaftsbildern aufwartenden Film, der sein Sujet ernst nimmt, der sich stemmt gegen alles, was seine Zeit filmisch eigentlich verlangt und der dennoch moderat Variationen und leichte Erneuerung bringt. Die „Familie“, Kernstück des amerikanischen Westerns, ist hier ein ungewöhnlicher Männerbund: der Patriarch ein Humanist (wie wir mehrere Male erleben dürfen, wenn Charley bereit ist jemanden zu töten und Boss erklärt, wo der Unterschied zwischen Notwehr und Mord liegt und erklärt, daß diese Linie zu beachten unbedingt notwendig und sie einzuhalten sei); der Cowboy an seiner Seite war im Krieg offenbar bei den Milizen, die v.a. in Kentucky und anderen Grenzstaaten zwischen Nord und Süd an den sogenannten ‚Raids‘ beteiligt waren und somit zu Mördern an Männern, Frauen und Kindern wurden; der zweite Mann ein freundlicher und immer gut gelaunter Kerl, der keiner Fliege etwas zu leide tun würde und der Vierte im Bunde ein mexikanischer Teenager, der seinem Alter entsprechend frech und aufgeregt und gespannt aufs Leben ist. Diese Familie erfüllt alle Funktionen, die die Familie im Western zu erfüllen hat und wird dennoch ständig v.a. durch Boss‘ Dauergerede in Frage gestellt, da ihr etwas Entscheidendes fehlt (auch wenn der Film lange die Behauptung aufrecht erhält, dem sei nicht so) – Frauen. Und so weiß der Film auch, daß dieser Männerbund zum Untergang oder zur Erneuerung verdammt ist – die Zeiten ändern sich, der Patriarch wird alt, die Kinder (Button) flügge und das Land ist zunehmend unfreier. Da kommt Sue Barlow, die von Annette Bening mit viel Mut zur Hässlichkeit gespielt wird, gerade recht. Und wenn diese Veränderungen kommen, werden sie von den Lebenden auch willkommen geheißen.

Costner gibt sich einerseits Mühe, gerade in den Gewaltszenen zwar nicht allzu explizit, dennoch einem gewissen Realismus gerecht zu werden. So erinnern die Szenen am Schluß, wenn erst Boss und Charley, nach und nach jedoch die Männer der Stadt – angestachelt durch ihre Frauen – ebenfalls bereit sind zu kämpfen, an Stiche und Zeichnungen aus dem 19. Jahrhundert, die berühmte Shoot-outs darstellen, wie jenen am OK Coral, Vorbild etlicher Wyatt-Earp-Western. Costner setzt in diesen Szenen auf eine Mischung extrem weiter Totalen, die mehrere Details eines komplexen Vorgangs/Bildes/Geschehens einbeziehen und extremen Nahaufnahmen, die dann wiederum die Gewalt, die eine auf einen Mann abgefeuerte Schrotflinte z.B. haben kann, genau zeigen. Doch ist der Realismus in diesem Film schon ein wesentlicher Punkt: Die Arbeit mit der Herde (v.a. das Ausbuddeln im Schlamm eingesunkener Wagen) wird ebenso dargestellt, wie das Unfertige einer Westernstadt im Jahr 1882.

Doch bei aller Liebe zum Detail, bei allem Respekt vor dem Genre, bei aller Verbeugung vor den großen Vorgängern – so kann man in der Exposition durchaus Anklänge von MY DARLING CLEMENTINE (1946), an anderen Stellen ebenso von HEAVEN`S GATE (1980) – zu dem der durch  WATERWORLD (1995) ruinierte Costner möglicherweise eine gewisse Affinität empfindet – als auch HIGH PLAINS DRIFTER (1973) oder dem schon erwähnten SHANE, musikalisch ein, zwei Mal an C`ERA UNA VOLTA IL WEST (1968) erkennen – ist dies auch ein moderner Unterhaltungsfilm, der daran interessiert ist, sein Publikum versöhnlich nach hause zu schicken. So gibt es ein Happy End und entgegen oft verbreiteter Meinungen, ist der Film auch wenig melancholisch. Keineswegs erleben wir hier Cowboys wie jene in MONTE WALSH (1970) oder WILD ROVERS (1971), die ihr Leben lang gerackert haben und nun mit nichts dastehen. All die verletzten Seelen in diesem Film (denn natürlich hat auch Boss Spearman seine dunklen Seiten) sind bereit zu gesunden. Durch die Liebe, die Freundschaft, die Sesshaftigkeit. Wenn Boss am Ende des Films klar macht, daß für ihn die Zeit des Umherstreifens vorbei ist und auch Charley mit seiner erklärten Liebe zu Sue Barlow signalisiert, daß er ein neues Leben zu führen bereit ist, dann kann man sowohl im Film als auch bei den Zuschauern nur tiefstes Einverständnis feststellen.

OPEN RANGE nutzt Konflikte, wie Charleys Vergangenheit und seinen Willen zu töten, um die Figuren scharf zu zeichnen, er will kein Problemwestern sein, er will nicht unmäßig psychologisieren, er will bei allem (moderaten) Realismus nicht Wahres über den Wilden Westen erzählen. Er will unterhalten in einem Genre, das immer wieder totgesagt wird. Und er will seinen Protagonisten, nein, besser: den Darstellern – allen voran dem grandiosen Robert Duvall – die diese Protagonisten spielen, die Möglichkeit geben, in einem „unschuldigen“, einem „reinen“, einem „echten“ Western zu wirken. In einem Film, in den man nicht zuviel hineininterpretieren und den man – filmisch, spannungstechnisch und schauspielerisch – einfach genießen sollte. Es ist ein Western – im klassischsten, also besten Sinne des Wortes.

 

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