PAULINE AM STRAND/PAULINE À LA PLAGE

Eine bezaubernde Sommerkomödie

Die 15jährige Pauline (Amanda Langlet) fährt mit ihrer älteren, eben geschiedenen Cousine Marion (Arielle Dombasle) in das familiäre Ferienhaus in der Normandie. Hier wollen die beiden den Rest der Somemrferien verbringen. Marion trifft am Strand ihren alten Freund und Teilzeitliebhaber Pierre (Pascal Greggory) wieder, dieser stellt sie seinem Freund Henri (Féodor Atkine) vor. Er und Marion verbingen die Nacht miteinander. Pauline lernt Sylvain (Simon de la Brosse) kennen, einen Jungen ihres Alters, der die Erwachsenen langweilig findet. Es entspinnt sich ein Sommerreigen, bei dem vor allem Pierre die scheinbar undankbare Rolle des eifersüchtigen Exliebhabers hat. Henri seinerseits nimmt die Liebe – das macht er anfangs in einer nächtlichen Diskussionrunde mit Marion, Pierre und Pauline ganz deutlich – leicht, er will nicht gebunden werden; Marion ihrerseits will sich in einer neuen Liebe verbrennen, auch auf die Gefahr hin, sich erneut, wie bei ihrem Ex-Ehemann, zu irren; Pierre sucht eine tiefe und feste Bindung, die ihn trägt. Pauline, angesprochen, was sie wolle und suche und erwarte von der Liebe, will dazu nichts sagen und beruft sich auf ihr Alter; sie höre einfach nur zu. Und so werden diese endlosen Monologe, Dialoge und Gespräche über die Liebe fortgeführt – an Küchentischen und in Betten, auf dem Weg zum Strand und in Eiscafes, überall und immer wird geredet. Doch nebenbei macht ein jeder, was er will. Bis schließlich Henris Leichtlebigkeit dazu führt, daß plötzlich ein jeder den anderen verdächtigt, ihn oder sie hintergangen zu haben. Hat Henri mit der Eisverkäuferin vom Strand…? Oder doch Sylvain? Und was weiß Pierre? Und ist es wirklich wichtig, zu wissen, wer mit wem, oder reicht es einfach, daß die Antworten derart beschaffen sind, daß ein/e jede/r darin exakt das finden kann, was ihm/ihr erlaubt, mit seiner angenommenen Wahrheit einfach weiterzuleben?

Eric Rohmer war – wie seine Kollegen Godard, Chabrol oder Truffaut – Mitglied der Redaktion der Filmzeitschrift CAHIERS DU CINÉMA, bzw. in deren Dunstkreis, vorübergehend leitete er sie sogar in Abwesenheit des Chefredakteurs André Bazin; mit Chabrol veröffentlichte er ein Buch über den großen Alfred Hitchcock. Wie seine Kollegen wandte er sich vom Schreiben über Filme ab und dem Drehen von Filmen zu. Doch anders als es v.a. bei Godard und Truffaut der Fall war, deren Liebe zum amerikanischen Kino man in ihren Werken lange sehen konnte, bei Truffaut immer mehr sogar, ging Rohmer einen ganz anderen Weg und etablierte ein spezifisch französisches Kino mit einem sehr eigenen Stil. Dabei lag ein Schwerpunkt bei ihm immer auf den Dialogen. Bei Eric Rohmer wird geredet, geredet, geredet. Und zumindest bei erstem Hinsehen und -hören denkt man, daß da v.a. über nichts geredet wird, bzw. es so scheint, als würde über Wesntliches gesprochen, dabei jedoch oft nur haufenweise Plattitüden herauskommen. Es bedarf machmal eines zweiten oder gar dritten Durchgangs, um zu merken, was der Meister da eigentlich veranstaltet. PAULINE À LA PLAGE (1982) ist nicht nur ein Paradebeispiel für dieses Vorgehen, es ist ein Meisterwerk dieses speziellen Stils.

Es mag eine Handlung geben, doch ist dies ein Film, in dem nahezu nichts passiert. Vier Menschen laufen in einem kleinen Badeort herum, vergnügen sich amourös miteinander, verlieben und entlieben sich, hintergehen und betrügen sich und am Ende fahren Pauline und Marion, die in der ersten Einstellung des Films das Tor zum Ferienhaus öffneten, vorzeitig wieder heim, nachdem sie das Tor zum Ferienhaus wieder abgeschlossen haben. Doch wie Rohmer und sein Kameramann Néstor Almendros dieses Treiben einfangen, wie sie ihre Bilder konzipieren, wie in Halbtotalen und Totalen dieser Reigen aus zufälligen Begegnungen und Zufallsbekanntschaften eingefangen, inszeniert und zueinander bildnerisch in Bezug gesetzt wird, das hat schon seine Art. Diese Bilder wirken wie eine Hommage an Matisse (den Rohmer verehrte) in ihrer Farbigkeit und das scheinbar sprudelnd Bunte ihrer Komposition verweist immer wieder auf den großen Maler. Dabei wird eine visuelle Balance gehalten sowohl innerhalb der einzelnen Kadrierungen als auch im Bezug der Bilder zueinander, die das Beziehungsgeflecht und die scheinbar so oberflächliche Leichtigkeit dieser Beziehungen zueinader widerspiegelt. Das ist alles vollkommen unaufdringlich und dennoch bis ins kleinste Detail durchdacht, -komponiert und ausgewogen.

Und bei all der Rederei ist es natürlich am Ende nicht wirklich wichtig, was gesagt wurde, sondern wie es gesagt wurde und wer wen dabei wie angeschaut hat. Diese Rederei funktioniert eben auch nur im Zusammenspiel mit diesen Bildern. Man muß schon beobachten, welche Blicke da von wem zu wem geworfen werden, wer da das Zucken einer Schulter abbekommt, hinter wessen Rücken die Augen verdreht werden. Das ist Rohmers hohe Kunst: Anhand scheinbar belangloser Alltäglichkeiten oder aufgesetzter Gespräche und einer äußerst präzis durchdachten Bildsprache, die daher kommt wie zufällig aufgenommene Urlaubsbilder, eine präzise, messerscharfe Analyse zu liefern davon, wie Menschen sich in bestimmten Situationen, in ihren Rollenmustern, in ihren Geschlechterrollen, in ihren Alterskohorten verhalten, welche Träume sie träumen oder aber lediglich vorgeben zu träumen. Ob Marion, Henri oder Pierre (den Pauline, in ihrer jugendlich ungebändigten Romantik, unter den „Erwachsenen“ am meisten mag) – all diese ach so reifen Personen befinden sich in fortgeschtrittenen Stadien des Selbstbetrugs. Und wenn Marion am Ende des Films zu Pauline sagt, es sei ja gleich, wer letztlich mit der Eisverkäuferin im Bett gewesen ist – ihr Henri oder Paulines Sylvain – , weil so jede annehmen könne, der eigene sei es nicht gewesen, da wird diese Art des Selbstbetrugs sogar geadelt zu einer höheren Form des kommunikativen Umgangs. Es ist sozusagen die philosophische Erkenntnis einer emotionalen Unschärferelation. Die wiederum erlaubt, daß Pauline und MArion Freundinnen bleiben. Und man mag Marion fast ein wenig Recht geben. Und Pauline tut das dann auch, mit einem bezaubernden Lächeln.

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