REPORTER DES SATANS/ACE IN THE HOLE
Einer der bittersten und zynischsten Filme von Billy Wilder
Charles „Chuck“ Tatum (Kirk Douglas) kommt nach Albuquerque in New Mexico. Der abgebrannte Journalist hat seine Anstellungen bei den großen Blättern in Metropolen wie Chicago oder New York allesamt aus den unterschiedlichsten Gründen verloren. Nun sucht er in der Provinz nach Arbeit. So bittet er dem Chefredakteur des Albuquerque Sun-Bulletin seine Dienste an, ja, drängt sie ihm geradezu auf. Doch Jacob Q. Boot (Porter Hall) ist bereit, Tatum eine Chance zu geben.
Etwa ein Jahr, nachdem Tatum hier angeheuert hat – mittlerweile ist er frustriert und gelangweilt ob der öden Themen, die er hier zu bearbeiten hat – bittet Boot ihn, mir dem Fotografen Herbie Cook (Robert Arthur) in ein Kaff in der Nähe zu fahren, wo ein Klapperschlangenfest stattfindet. Die beiden brechen auf. Unterwegs erklärt Tatum Herbie einmal mehr sein Credo: Er ist bereit, zu lügen und Halbwahrheiten aufzublähen, um eine gute Story zu kriegen. Hauptsache, es gelingt ihm, wieder bei einem der großen Blätter antreten zu können.
Sie halten an einer Ratsstätte, da ihr Wagen Benzin braucht. Doch Herbie, der sich darum kümmern will, trifft niemanden an. Schließlich findet er eine ältere Frau, die im Hinterzimmer des Cafés betet. Tatum ist alarmiert, als Herbie ihm davon erzählt. Der erfahrene Journalist wittert eine Geschichte. Und richtig: Als sie hinter der Raststätte auf eine junge Frau namens Lorraine (Jan Sterling) treffen, erfahren sie, daß deren Mann in einer Höhle nahebei eingeschlossen ist. Die Höhle geht von einer alten Indianersiedlung aus, die in den Berghang gebaut wurde. Leo Minosa (Richard Benedict) sucht hier nach alten Artefakten, die er in der Raststätte verkaufen kann.
Tatum klettert in die Höhle und findet den Mann verschüttet und mit den Beinen eingeklemmt tief im Berg. Er macht ihm Hoffnung und erklärt, sich um alles kümmern zu wollen. Dann macht er schnell zwei Fotos von Leo.
Tatum beauftragt Herbie, die Bilder nach Albuquerque zu bringen und Boot zu informieren, daß sie hier eine bessere Story hätten, als ein Schlangenfest. Sobald Herbie fort ist, macht sich Tatum daran, alles Nötige zu organisieren, um Leo zu befreien.
Zunächst muß er aber Lorraine davon überzeugen, die Stellung zu halten. Die junge Frau möchte mit dem nächsten Überlandbus weg, sie hat das Leben an der staubigen Landstraße, aber auch ihren Mann Leo satt. Tatum verdeutlicht ihr, was sie an der Geschichte verdienen kann, da nun eine Menge Helfer kämen, die alle verköstigt werden müssten. Zudem seien Leos Mutter (Frances Dominguez), die betende Frau aus dem Hinterzimmer, und sein Vater (John Berkes) kaum in der Lage, allein mit dem Ansturm fertig zu werden.
Sheriff Gus Kretzer (Ray Teal) findet sich ein und stellt Tatum zur Rede. Der macht sich den Sheriff schnell gefügig, indem er ihm verdeutlicht, daß er dessen Popularität steigern – aber auch zerstören kann. Wolle Kretzer wiedergewählt werden, sei es besser, mit Tatum zusammen zu arbeiten.
Gemeinsam üben die beiden dann Druck auf den Ingenieur Sam Smollett (Frank Jaquet) aus, der die Rettungsarbeiten koordiniert. Er solle durch den Berg bohren, anstatt den Stollen zu Leo zu sichern und ihn dann dort heraus zu holen. Tatum will das vor allem deshalb, damit die Rettung länger dauert, was ihm mehr Geschichten bietet, mit denen er auf sich aufmerksam machen kann.
Schon am nächsten Tag – Tatums erste Headline ist erschienen – finden sich etliche Schaulustige ein. War es am Vortag eine einzelne Familie, Al Federber (Frank Cady) samt Gattin und Sohn, die zufällig mit ihrem Camper vorbeikamen und fortan darauf bestehen, die ersten vor Ort gewesen zu sein, sind es nun bereits Dutzende.
Zwei Tage, nachdem das Drama begonnen hat, finden sich die ersten Schaubudenbesitzer ein, die vor der Höhle Fress- und Getränkestände aufstellen und Lorraine dafür ein ordentliches Standgeld bezahlen. Obwohl Leos Eltern immer wieder darauf dringen, nur ihren Sohn wohlbehalten zurück haben zu wollen, erklärt Lorraine ihnen, daß es nicht schaden könne, ein wenig Geld zu machen.
Derweil klettert Tatum immer wieder in den Stollen und spricht mit dem zusehends schwächer werdenden Leo. Der hält Tatum, seine einzige Verbindung zur Außenwelt, für einen wahren Freund, der sich um ihn kümmre. Tatum hält dieses Bild aufrecht. Leo erzählt ihm, daß er zum Ende der Woche aus der Höhle raus sein müsse, dann sei sein und Lorraines 5. Hochzeitstag und er habe doch ein Geschenk für sie und wolle, daß die Ehe, die nicht immer einfach gewesen sei, noch einmal neu auflebe.
Während die Menge vor der Höhle immer größer wird, sich ein regelrechter Jahrmarkt davor entwickelt, die Bohrpumpen auf dem Berg Tag und Nacht arbeiten, Tatum mit Lorraine anbandelt, die ihm ganz unverhohlen klar macht, daß sie mit ihm gemeinsam weg will, sobald die ganze Geschichte vorbei ist, werden auch die überregionalen Zeitungen, TV- und Radiosender auf das Geschehen aufmerksam. Doch Tatum hat vorgesorgt: Um sich seine Exklusivrechte zu sichern, hat er sich von Sheriff Kretzer zum Deputy ernennen lassen und kann seinen ehemaligen Kollegen aus den Metropolen den Zutritt zur Höhle oder den Bohrarbeitern verweigern.
Am vierten Tag steht plötzlich Boot vor ihm. Der hat durchschaut, was Tatum hier für ein doppeltes Spiel abzieht und will, daß der Zirkus aufhört. Er und sein Blatt stünden für ehrlichen Journalismus, nicht für solch ein Theater. Doch Tatum hat längst andere Pläne: er hat Kontakt zu dem Zeitungsmogul Mr. Nagel (Richard Gaines) in New York aufgenommen und mit ihm einen Kontrakt ausgearbeitet, der Tatum enorme Einnahmen bei den Folgerechten der Verwertung der Story garantiert. Nagel sorgt dafür, daß Tatum einen Fernschreiber und andere Materialien zur Verfügung gestellt bekommt, um seine Exklusivberichte nun direkt nach New York zu senden. Tatum teilt Boot mit, daß der und sein Provinzblatt raus seien.
Doch Leos Zustand wird immer bedrohlicher. Schließlich erkrankt er an einer Lungenentzündung. Der Arzt teilt Tatum mit, daß der Mann es wahrscheinlich nicht schaffen wird. Tatum ist verzweifelt, denn, so hat er es Herbie erklärt, er brauche ein Happy-End für seine Story. Er treibt die Arbeiter an und verlangt von Smollett schließlich abzubrechen und doch durch den Stollen zu gehen. Doch das, so der Ingenieur, sein nun leider nicht mehr möglich.
Tatum holt Leos Hochzeitsgeschenk aus dem Schrank und gibt es Lorraine, die es voller Verachtung wegwirft. Tatum schreit sie an, ob ihr klar sei, daß Leo sie liebe, doch auch dafür hat Lorraine nur Verachtung übrig. Sie will weg, am liebsten gemeinsam mit Tatum. In seiner Wut und auch in der Erkenntnis, viel zu weit gegangen zu sein, packt Tatum sie und beginnt, sie zu würgen. In ihrer Not greift Lorraine nach einer Schere und verletzt ihren Widersacher schwer.
Tatum fährt in die nahe gelegene Stadt und besorgt einen Priester, der mit ihm in die Höhle klettert, um Leo die letzte Ölung zu geben. Tatum bleibt bei Leo und erzählt ihm, wie sehr Lorraine sich über das Geschenk gefreut habe, dann stirbt Leo mit einem Lächeln auf den Lippen.
Tatum kommt aus der Höhle und klettert auf den Berg, wo er die Arbeiten stoppt, sich ein Megafon nimmt und der Menschenmenge mitteilt, daß der Spaß vorbei sei, Leo sei tot. Derweil telefoniert Herbie mit Mr. Nagel, der auf weitere Berichte wartet. Da Tatum diese nicht liefert, feuert Nagel ihn wieder und lässt die Maschinen wieder abholen. Tatum ist außer sich.
Er und Herbie fahren zurück nach Albuquerque, wo der immer schwächer werdende Tatum Mr. Boot anbietet, ab nun umsonst für ihn zu arbeiten. Seine erste Story handle von einem Reporter, der einen Menschen auf dem Gewissen habe. Dann bricht Tatum tot zusammen.
Für die meisten Filmliebhaber heute ist Billy Wilder der Regisseur solch herrlicher und hintergründiger Komödien wie SOME LIKE IT HOT (1959), THE APARTMENT (1960) oder ONE, TWO, THREE (1961), vor allem aber der Inventor des Duos Jack Lemmon und Walter Matthau in THE FORTUNE COOKIE (1966). Doch auch viele dieser Filme – vor allem SOME LIKE IT HOT – tragen doch die Handschrift dessen, was Wilder im eigentlichen Sinne immer geblieben ist: Ein Regisseur des ‚Film Noir‘. Ob DOUBLE INDEMNITY (1944), THE LOST WEEKEND (1945) oder SUNSET BOULEVARD (1950) – Wilder war ein Meister des zynischen, auch grausamen Thrillers, des Schattenspiels und der doppeldeutigen, oft verlorenen Figuren. Wie in THE LOST WEEKEND brauchte es dafür nicht einmal eine dezidierte Thrillerhandlung, es reichte ihm die Alkoholsucht eines Mannes, um ein Verliererdrama zu inszenieren, das seiner Zeit voraus war und Sucht wenig beschönigend darstellte.
Ähnlich gelagert ist der Fall in ACE IN THE HOLE (1951), der auch von einer Sucht erzählt – der Sucht nach Anerkennung, Ruhm und Erfolg. Mit den Mitteln des ‚Film Noir‘ erzählt Wilder hier von einem Reporter, der die Rettung eines in einer Höhle verschütteten Mannes bewußt hinauszögert, um die Story möglichst lange auszuschlachten – und sein ramponiertes Image so aufzupolieren, daß er von dem Provinzblatt, bei der er zu Beginn des Films unterkommt, wieder zu einer der großen Zeitungen in einer der Metropolen des Landes wechseln kann. Wilder galt selbst als Zyniker, seine Filme als oft zynische Meisterwerke. Hier allerdings reflektiert er den Zynismus seiner Hauptfigur – und läßt sie letztlich daran zu Grunde gehen.
Der von Kirk Douglas gespielte Chuck Tatum versucht alles, um die Story in die Länge zu ziehen, doch findet er dabei Unterstützung durch die Ehefrau des Verschütteten, die eigentlich weg will von dem Diner mit Tankstelle an der staubigen Landstraße irgendwo in New Mexico. Nun aber – verstärkt durch Tatums Einflüsterungen – begreift sie die finanziellen Möglichkeiten, die sich ihr bieten. Wilder, der immer Wert auf kleine Nebensächlichkeiten legte, zeigt uns dreimal wie nebenbei im Bild, wie die Preise für das Parken hinter der Raststätte erst von 25 Cent auf 50 Cent und dann auf einen Dollar steigen. Je mehr Schaulustige, angezogen durch Tatums Stories in der regionalen wie überregionalen Presse, sich einfinden, desto mehr Geld kann man verlangen – ACE IN THE HOLE spielt neben vielem anderem auch die eiskalte Geschäftsmäßigkeit durch, mit der in hochkapitalistischen Zeiten aus jedem Unglück, jedem Skandal, jeder Affäre Profit geschlagen wird. Der Profit kann monetär sein, er kann aber auch, wie in Tatums Fall, die Aussicht auf einen Karriereschub sein, oder, wie bei all den Schaubudenbesitzern, die mit ihren Geschäften unterhalb der Höhle, in der Leo MInosa eingeschlossen ist, einen schnellen Dollar machen wollen.
Wilder ließ den Set des Films komplett in New Mexico aufbauen – die Höhle mit der alten Indianersiedlung davor, einen Jahrmarkt, den Diner mit der Tankstelle. Das sorgt für Authentizität und gibt dem von Charles Lang in schwarz-weiß geschossenen Film einen Look, bei dem man die Hitze der Wüste, die Trockenheit und den Staub nachgerade fühlen und schmecken kann. Man spürt die Sensationsgeilheit von Menschen in einem Landstrich, der sonst nichts zu bieten hat. Bevor Tatum die Geschichte zu einem Drama in XXL-Ausmaßen aufbläht – und u.a. dafür sorgt, daß man nicht den direkten Weg der Rettung nutzt, sondern einen umständlichen, indem man eine Bohrung von oben durch den Berg ansetzt, die weitaus länger dauert – hält kaum jemand an der Raststätte, niemand interessiert sich für die alte Indianersiedlung und die dahinter liegenden Höhlen, aus der Minosa immer wieder alte Vasen und Urnen herausholt, die er für kleines Geld in seinem Café als Souvenir anbietet. Tatum, der nicht nur journalistisch begriffen hat, wie man einen Scoop landet, sondern auch die Grundzüge kapitalistischen Wirtschaftens genau kennt, beschert Minosas Gattin ungeahnte Einnahmen. Dabei setzt er sich über jedwede menschliche Regung skrupellos hinweg.
Minosas Eltern, die ebenfalls an der Tankstelle und im Diner mitarbeiten, merken häufiger an, daß es ihnen nur um die Rettung ihres Sohnes geht. Das interessiert aber weder Minosas Frau, noch Tatum. Und schließlich auch die Offiziellen, wie den Sheriff, nicht mehr, da sich jeder etwas von dem Geschäft verspricht. Und Tatum weiß immer die richtige Antwort, um die Spirale der Dramatik weiter anzuheizen. Zunächst davon überzeugt, daß es ein Happy-End braucht, weil der gemeine Leser das so mag, weiß er auch mit einem toten Opfer – Minosa überlebt die Tortur, tagelang in der Höhle eingeschlossen zu sein, nicht – umzugehen. Erst als er die ganze Tragweite seiner Anweisungen und Tricks begreift, läutert er sich. Allerdings nicht, ohne seine Wut an Minosas Ehefrau auszulassen, der er das Geschenk überreicht, das ihr Mann für sie zum 5. Hochzeitstag ausgesucht hatte. In ihrer eiskalten Reaktion spiegelt sich seine ganze gnadenlose Raffgier. Er merkt, wie egal ihr der Gatte ist – so egal, wie Leo auch ihm war, obwohl er dem eine Woche lang immer wieder vorgespielt hat, dessen bester Freund zu sein.
Wilder zeigt erstaunlich klarsichtig die Schattenseiten des Boulevard-Journalismus und verdeutlicht seine Abneigung, ja seine Verachtung gegenüber dieser Spielart des modernen Pressewesens. Er kannte die Revolverblätter, die auch in Hollywood Politik machten, er kannte Figuren wie Hedda Hopper und Louella Parsons, die mit ihren „Gesellschaftskolumnen“, wie sie es nannten, in den Zeitungen von William Randolph Hearst enormen EInfluß in Hollywood hatten, ununterbrochen im Liebesleben der Stars schnüffelten und allzu gern Skandale produzierten. Beide waren in der Lage Karrieren aufzubauen und zu zerstören. Aber im Nachkriegsamerika nahm die Zahl der immer schon beliebten Skandalblättchen stark zu. Wahrheit oder Lüge waren kaum mehr voneinander zu unterscheiden – und genau das stellt Tatum im Film als seine Strategie dar. Er will die Story, den Scoop, den Skandal und ist bereit, dafür zu lügen, Erfundenes und Unwahrheiten zu verbreiten, bzw. Wahrheiten so zu verdrehen, daß dabei größtmöglicher Mehrwert für ihn und seine Geschichte entsteht. Er erklärt seinem Fotografen Herbie genau diese Strategie ganz offen und ungeniert.
Wie weit Tatum schließlich geht – unter anderem lässt er sich zum Hilfssheriff ernennen, um seinen Kollegen aus den Metropolen das Leben zu erschweren und sie daran zu hindern, auf eigene Faust auf dem Gelände um die Höhlen zu recherchieren – ist natürlich Wilders Dramaturgie geschuldet. Doch gelingt es dem Regisseur (der grundsätzlich an den Drehbüchern, die er verfilmte, mitschrieb), seine Story glaubwürdig rüber zu bringen. Nicht zuletzt dank seines Hauptdarstellers Kirk Douglas. Für den Mimen, dessen Karriere zwar bereits Fahrt aufgenommen hatte, der aber auf den ganz großen Durchbruch zum Star noch wartete, war die Rolle des Charles „Chuck“ Tatum ein wahres Geschenk. Es ist eine höchst ambivalente Rolle, die Douglas die Möglichkeit bot, ganz unterschiedliche Facetten seines Könnens auszustellen. Tatum ist von Beginn des Films an, kein sympathischer Mann, er ist laut, vorwitzig, angeberisch – und ausgesprochen charmant. Sein Auftreten ist immer etwas zu großspurig und Douglas bringt dies angemessen rüber. Es gelingt diesem Kerl, sowohl den Chefredakteur und Herausgeber der Gazette, bei der er in Albuquerque anheuert, um den Finger zu wickeln, als auch Lorraine Minosa, die ihm zunächst mißtraut und seine Versuche, aus dem Unglück ihres Mannes Kapital zu schlagen, schnell durchschaut. Und auch einen Mann wie den Sheriff kann Tatum ködern – wenn auch weniger mit Charme, als vielmehr mit soliden Drohungen. Denn er versteht sein Handwerk und die Macht, die es ihm verleiht. Er kann eine Wiederwahl beeinflussen und lässt dies auch deutlich durchblicken, als der Sheriff versucht, seinem Treiben Einhalt zu gebieten.
Was Wilder – und Douglas in der Rolle – auf brillante Art und Weise offen lassen, ist die Frage, inwieweit Tatum an einem gewissen Punkt wirklich begreift, daß er zu weit gegangen ist. Und er geht im Grunde vom ersten Moment an zu weit. Eskalation ist sein Mittel zum Zweck. Er eskaliert die Situation in der Redaktion, wenn er seinen dortigen Kollegen ihre MIttelmäßigkeit und die Langeweile der Themen, an denen sie arbeiten, vorhält; er eskaliert die Situation, wenn er anstatt, wie von seinem Chefredakteur gefordert, über ein Schlangenfest zu berichten, sich sofort des Dramas um den eingeschlossenen Mann in der Höhle annimmt, weil er das Potential dahinter erkennt; er eskaliert die Situation vor Ort, wenn er darauf dringt, den schwierigeren Weg zum Eingeschlossenen zu wählen, weil der Stollen angeblich einsturzgefährdet sei; er eskaliert den Streit mit dem Sheriff, indem er droht; er eskaliert die Auseinandersetzung mit Lorraine, indem er sie erst umschmeichelt, wahrscheinlich – der Film lässt auch das offen – auch mit ihr schläft und sie schließlich, als sie die ebengleiche Skrupellosigkeit gegenüber Leo zeigt, wie Tatum selbst, anfängt zu würgen.
In dieser Szene, die von unfassbarer Intensität ist, lässt Douglas nicht nur die ganze Brutalität aufscheinen, zu der er in seinen Rollen immer fähig war, sondern auch den Selbsthass der Figur. Als Leo ihn bittet, Lorraine sein Hochzeitsgeschenk zu geben und ihm anschließend zu berichten, wie sie darin aussieht, wenn er dann den Priester holt, damit Leo die letzte Ölung und das Sakrament erhält, wenn er dem offensichtlich Sterbenden das Blaue vom Himmel herunter verspricht, dann will man diesem Chuck Tatum seine Betroffenheit einfach abnehmen. Daß er Lorraines Scherenstich, den sie ihm zufügt, als sie annehmen muß, daß Tatum ihr ernsthaft etwas antun will, hinnimmt und sich nicht verarzten lässt – bis er schließlich der Verletzung erliegt – kann man als Buße ansehen, die hier einer leistet, der weiß, daß er zu weit gegangen ist, daß er gefehlt hat. Tatum bricht, nachdem Leo gestorben ist, die Arbeiten ab und verkündet der vor der Höhle feiernden Menge durch ein Megafon vom Berg herab, daß der Mann gestorben sei. Nun läßt er die Menschen seine Verachtung für ihre Gafferei spüren – ungeachtet der Tatsache, daß er selber es war, der diese eben auch zutiefst menschliche Regung erst so richtig angefacht hat. Da er zuvor davon sprach, daß nur ein lebender Leo für ihn von Nutzen sei, kann man dieses Ende des Films aber auch vollkommen anders lesen: Als Wut eines Mannes, der alles gegeben und doch nicht bekommen hat, was er wollte. Immerhin bietet er sein Fehlen schließlich wieder in der alten Redaktion – umsonst! – als Material an, bevor er tot zusammenbricht.
Die Figur des Chuck Tatum ist eine der interessantesten und widersprüchlichsten im an solchen Figuren nicht gerade armen Oeuvres von Kirk Douglas. Wilder seinerseits ist natürlich klug genug, diese Figur nicht für sich allein stehen zu lassen. Er setzt sie in Bezug zu einer Umwelt, die genau das haben will, was Tatum ihr bietet. Überdeutlich für heutige Zeiten, dafür aber durchaus humorvoll, setzt er die Wechselwirkung in Szene zwischen einem Mann wie Tatum und seinen Lesern, seinem Publikum. Da gibt es eine Familie, die mit ihrem Camper Urlaub machen will und anstatt weiterzufahren gleich mal ihr Lager vor den Höhlen aufschlägt, um den Fortgang der ganzen Geschichte hautnah zu beobachten. Und der Vater dieser Familie besteht später, wenn die Kameras und die Radiosender da sind, mit Nachdruck darauf, der erste gewesen zu sein, der hier vor Ort gewesen ist. Selbst aus der eigenen Sensationsgier kann man noch einen Mehrwert schlagen – und sei es nur in der Bestätigung, wichtig zu sein.
ACE IN THE HOLE ist sicher einer der bittersten Filme von Billy Wilder. Auch und gerade, weil er hier reflektiert, was er sonst eher anwendet und bietet: Den blanken Zynismus einer modernen Medienmaschinerie, die er ja selber bedient. So zynisch der Witz in SOME LIKE IT HOT oder ONE, TWO, THREE auch sein sollte, hier bleibt dem Zuschauer das Lachen bei den wenigen Gelegenheiten, da es etwas zu lachen gäbe, im Halse stecken. Selten wurde im Hollywood-Film der klassischen Ära so deutlich vor Augen geführt, wie gnaden- und mitleidlos die Moderne sein kann, wenn es darum geht, Sensationsgier und Untergangslust zu bedienen. Gerade einmal sechs Jahre nach dem Krieg eine erstaunliche Feststellung.