DAS DING AUS EINER ANDEREN WELT/THE THING
Überlebenskampf im ewigen Eis - ein düsteres Werk von John Carpenter
Die Bewohner einer amerikanischen Forschungsstation in der Antarktis werden Zeugen, wie ein Hubschrauber einen Hund verfolgt. An Bord des Helikopters sind zwei Norweger von einer benachbarten Station. Sie wollen den Hund unbedingt töten, schrecken auch vor Gewalt gegen die Amerikaner nicht zurück und sterben beide bei dem verzweifelten Versuch, den Hund auszuschalten.
Die Amerikaner schlagen sich zu der norwegischen Station durch und stellen fest, daß diese komplett verwüstet wurde. Zudem lebt hier niemand mehr. Einen deformierten Leichnam nehmen sie mit. Zurück in ihrer Basis, sehen sie auf Videoaufnahmen, die sie mitgebracht haben, daß die Norweger offenbar ein Raumschiff entdeckt und erforscht haben.
Währenddessen beginnt im Hundezwinger der Station eine schreckliche Verwandlung: Ein Alien hat den Hund als Wirtskörper genutzt und befreit sich nun aus seinem irdisch-organischen Gefängnis. Es befällt nach und nach die Männer der Station. Offensichtlich verwandelt es sich und kann die Gestalten seiner Wirtskörper perfekt imitieren. Es bricht Panik in der Forschungsstation aus und schließlich traut keiner mehr dem anderen, jeder kann infiziert sein.
Der Pilot MacReady (Kurt Russel) übernimmt die Führung – allerdings eher wiederwillig, geht es ihm doch nachweislich nur um sein Überleben. Schließlich – kaum mehr lebt einer der Amerikaner – gelingt es ihm, die Station und somit auch das Alien zu zerstören. Er sitzt allein im ewigen Eis, als Childs (Keith David), ein Forscher der Station, plötzlich vor ihm steht. Der war während der letzten Ereignisse verschwunden. Die beiden belauern sich, keiner weiß, ob der andere möglicherweise infiziert ist. So warten sie zwar gemeinsam, sich zutiefst mißtrauend auf den sicheren Tod.
Wenn man alle Jahre wieder die TV-Fassung dieses John-Carpenter-Remakes eines Klassikers von 1951 sieht, dann erstaunt es doch, warum solche Filme eigentlich im Fernsehen laufen, wenn sie denn so zerschnitten werden, daß ganze Szenen wegfallen und kein Mensch mehr versteht, wieso dieser oder jener aus der Handlung verschwunden ist. Als THE THING (1982) erschien, waren die extremen Effekte, derer Carpenter sich bediente, absolut state-of-the-art. Sein Science-Fiction-Horror, der deutlich im Nachklapp zu Ridley Scotts epochemachendem ALIEN (1979) produziert war und sich zu diesem verhält wie der rotzige, kleine Cousin, steht auf dem Grat zwischen klassischem B-Movie – schnell und hart für die Mitternachtsvorstellungen – und dem Mainstream, der größere Budgets und bessere Ausstattung bedeutete. Bisher hatte man mit Filmen im Science-Fiction-Genre, die Gefahr liefen, ein R-Rating oder schlimmeres zu erhalten, kaum Kasse machen können, es war die Zeit von Spielbergs netten Besuchern in CLOSE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND (1977) und einem kleinen Gnom, den er zeitgleich mit Carpenter auf die Leinwand brachte. Erst Scotts Weltraumslasher um ein vollkommen fremdartiges und offenbar durch und durch feindlich gesinntes Geschöpf hatte bewiesen, daß auch härterer Stoff durchaus erfolgreich sein konnte. Carpenter drehte die Schraube, seinem Camp-Instinkt entsprechend, noch einmal an und konterte H.R. Gigers hochgradig avantgardistisches Wesen, das dieser für ALIEN entworfen hatte, mit zu bizarren Formen entstellten Körpern, die den Alpträumen LSD-geschwängerter Zeichner von Underground-Comix entsprungen schienen. Und er zog das Maß an sichtbarer Gewalt und Zerstörung von Körpern deutlich an. THE THING ist auch ein frühes Experiment darin, wie weit das Camp-Kino in den Mainstream vordringen kann.
Eigentlich hat man es hier weniger – wie oft kolpotiert wird – mit einem Splattermovie im Sinne der damals sehr beliebten ZOMBI-Filme zu tun. Eher mit einem sogenannten Goremovie. Wo Splatter explizit Spaß daran hat, der Zerstörung des Körpers durch allerhand Utensilien zuzuschauen, bezeugt der Begriff ‚Gore‘, also „Schleim“, die Lust am Ekel an sich. Hatte ALIEN einen Maßstab gesetzt, was Ausstattung und vor allem die Alien-Ästehtik betraf, war dies im Jahr zuvor sowohl John Landis in AN AMERICAN WEREWOLF IN LONDON (1981) als auch Joe Dante in THE HOWLING (1981) mit jeweils atemberaubenden Verwandlungsszenen in Sachen Effekte gelungen. Und auch die jeweiligen Gore-Szenen hatten es in sich, vor allem Landis´ Untote am Piccadilly Circus stachen heraus, was Maske und Make-Up betraf. So hatte Carpenter durchaus Referenzen und dementsprechend hoch fiel der Gore-Faktor in seiner Interpretation des Alien-Stoffes aus. Die Szenen, in denen das Wesen aus den Wirtskörpern austritt, bzw. diese sich derart deformieren, daß auch schon mal Köpfe sich vom Körper lösend über die Seziertischkante rutschen, um dann – um diverse aus ihnen hervorbrechende Spinnenbeine erweitert – im Dunkel der Station zu verschwinden, sind schon beeindruckend und können effektiv auch heute noch mithalten. Ebenso sind die wenigen echten Splatterszenen gut gemacht, bspw. wenn sich der aufbrechende Leib eines Verletzten als riesiges Maul entpuppt, bewehrt mit allerhand spitzen und langen Zähnen, mit denen es dem den Defibrillator ansetzenden Arzt die Unterarme wegbeißt.
John Carpenter war 1981/82 auf dem Gipfel seines Ruhms. Nach HALLOWEEN (1978), THE FOG (1980) und ESCAPE FROM NEW YORK (1981) standen ihm die Studiotüren erstmals ein wenig offen. Er hatte als Genreregisseur klassisches Horror- und Actionkino gemacht, dunkle Visionen einer trüben Zukunft abgeliefert. Einige seiner Filme setzten neue Standards hinsichtlich eines bedrückenden Pessimismus‘, aber auch, was das Zeigen von Gewalt im Mainstreamkino anging. Nach dem extrem düsteren ESCAPE FROM NEW YORK setzte er hier fast noch eins drauf und zeigt eine Welt, die, vollkommen abgeschnitten im Eis, ihrem sicheren Untergang entgegensieht, diesen sogar noch forciert. Mehr Nihilismus war im Hollywoodkino bis dahin selten zu sehen oder auch nur zu spüren gewesen. Die Figuren dieses Films haben nichts mehr, was sie mit der Außenwelt wirklich verbindet, fast geschichtslos scheinen sie auf ihre reinen Funktionen beschränkt zu sein. Darin ähneln sie jenen seltsamen Astronauten in Carpenters Debut, dem Sci-Fi-Kultfilm DARK STAR (1974). Und wie dort, ist dies eine Welt ohne Frauen (offenbar sieht Carpenter solche rein männlichen Gemeinschaften eher dem Untergang gewidmet). Die Vorkommnisse auf der Station entledigen sie dann endgültig ihrer bürgerlichen Existenzen, wie auch immer die ausgesehen haben mögen. Mitten im weißen Nichts der Antarktis sind sie nur reine Existenzen, von einem Moment auf den andern, ohne Gestern oder Morgen. Wie das sie umgebende Eis, sind sie zeitlos. Sie sind tot.
Da man mit diesen Figuren kaum mehr ein menschliches Leben verbindet, in dem sie eine Geschichte, Lieben, vielleicht Kinder haben, fällt allerdings die Identifizierung schwer. MacReady ist unsere natürliche Identifikationsfigur, Kurt Russell spielt ihn in einer leicht abgespeckten Snake-Plissken-Version. Sobald MacReady kapiert, womit sie es zu tun haben, schaltet er in einen ähnlich harten Modus, wie der Protagonist aus ESCAPE FROM NEW YORK sie braucht, um zu überleben. MacReady kennt nun weder Freund noch Feind. Die Ironie des Plots liegt zwar genau da drin, daß keiner der noch Lebenden weiß, wer schon befallen ist, weshalb es zu einem blutigen Test an den lebenden Objekten kommt, doch werden uns die Beziehungen der Männer untereinander nur äußerst rudimentär angedeutet und wir deuten MacReadys Coolness so auch dahingehend, daß er hier eh niemandem nahesteht. Die Spannung baut sich somit auch aus klassischen Spannungssituationen auf: Was lauert hinter der nächsten Ecke? Wer wird der nächste sein, aus dem das Wesen hervorbricht? Wer wird überleben? Wird es überhaupt Überlebende geben?
Wo das Original von Christian Nyby, THE THING FROM ANOTHER WORLD (1951; eine Howard-Hawks-Produktion) durch charmanten Horror und ein „Ding“ besticht, das uns Heutige kaum mehr gruseln kann, setzt Carpenter auf die Härte eines modernen Horrorfilms und fügt dem Genre eine weitere Ausdehnung des Zeigbaren hinzu. Er setzte Maßstäbe in den Gore-Effekten und beeinflusste nicht nur spätere Genre-Regisseure, sondern erlangte im Laufe der Jahre auch Kultstatus. Sonderlich erfolgreich war der Film dann allerdings nicht. Kaum war er angelaufen, lief ihm ein anderer, weitaus freundlicherer Alien den Rang ab – Spielbergs Gnom E.T (1982). Hier setzte sich schließlich doch das freundliche Alien gegen das unfreundliche Alien durch, allerdings war es auch weitaus familientauglicher, als Carpenters undefinierbares Etwas in düsterer Eislandschaft. Und in einem Sommer voller großer Blockbuster wie TOOTSIE (1982) und Überraschungshits wie TRON (1982) und einem erneut von Ridley Scott vorgelegten düsteren Science-Fiction-Film wie BLADE RUNNER (1982) war möglicherweise kein Platz mehr für Carpenters Blut-und-Schleim-Orgie. Ein Alien pro Saison ist vielleicht genug gewesen.
THE THING markiert das Ende eines Abschnitts im Schaffen des Regisseurs. Trotz des immensen Erfolgs von HALLOWEEN war Carpenter nicht den großen Budgets gefolgt, sondern sich treu geblieben. Er entsprach in gewissem Sinne einem ‚Auteur‘ in dem Sinne, wie ihn die Redaktion der Cahiers du Cinéma einst definierte. Carpenter hatte hohe Autonomie über seine Filme, musste sich dafür seine Budgets geradezu zusammenbetteln, erzielte dann aber mit wenig Geld oft enorme Gewinne. THE FOG bspw. spielte bei Produktionskosten von einer Million Dollar über 21 Mio. Dollar ein und auch ESCAPE FROM NEW YORK, der mit ca. 6 Mio Dollar bereits ein deutlich höheres Budget hatte, erzielte hohe Gewinne. THE THING hingegen floppte. Carpenter suchte danach die Nähe zu den Studios, verfilmte Stepen Kings CHRISTINE (1983), versuchte sich mit STARMAN (1984) an einer eigenen Version des freundlichen Alien, lieferte mit BIG TROUBLE IN LITTLE CHINA (1986) nicht nur einen weiteren veritablen Flop, sondern auch einen künstlerischen Tiefpunkt ab und kehrte mit PRINCE OF DARKNESS (1987) zurück zu seinen Anfängen. Zumindest versuchte er es. Doch die Kraft, auch visionäre Kraft, die Stringenz, das Zwingende, das, was seine frühen Werke auszeichnete, fand er nicht mehr wieder. Seither sind Carpenter immer wieder kleine Stilübungen gelungen, wirklich an den Erfolg der frühen Jahre anknüpfen konnte er weder künstlerisch noch finanziell.