ZOMBIE/DAWN OF THE DEAD

Profane Apokalypse oder bereits das Purgatorium?

Während in den TV-Studios darüber diskutiert wird, ob es ethisch vertretbar sei, die lebenden Toten, die Zombies, die sich wie ein Geißel Gottes über den Planeten ausbreiten und der Menschheit den Untergang zu bringen drohen, einfach zu eliminieren – was bekanntlich nur durch die Zerstörung ihrer Hirne möglich ist – oder aber die noch Lebenden versuchen sollten, mit ihren toten Widersachern in irgendeine Art der Kommunikation einzutreten, haben es die Sicherheitskräfte durchaus auch mit ganz anderen, menschlichen Gegnern zu tun: Anarchistische Terroristen versuchen die Situation zu nutzen und werden in einem Wohnhaus festgesetzt, in dem sich jedoch auch unbeteiligte Zivilisten aufhalten. Während der Erstürmung des Wohnkomplexes müssen die Einsatzkräfte, darunter Peter (Ken Foree) und Roger (Scott H. Reiniger), unter äußerst blutigen Umständen feststellen, wie schnell Getötete zu Zombies mutieren und wieder auferstehen, nur um dann über Freund und Feind herzufallen und alles Menschliche zu fressen. Schließlich gelingt es den Einsatzkräften, das Haus zu stürmen. Als sie in die Kellerräume vordringen, bietet sich ihnen ein Bild Bosch’schen Ausmaßes: in den unterirdischen Gängen liegen Hunderte von Zombies und werden mit Menschenfleisch gefüttert. Ein Priester erscheint und warnt Peter und Roger: Noch seien sie stärker, doch es kippe und dann…“dann sind wir stärker“. Die beiden Special-Forces-Männer nehmen die Aufgabe auf sich, die Kellerräume zu „säubern“. Roger hat mit dem Helikopterpiloten Stephen (David Emge), der für das Fernsehen arbeitet, einen Treffpunkt ausgemacht, sie wollen gemeinsam mit Stephens schwangerer Freundin Francine (Gaylen Ross) fliehen. Roger bietet Peter an, sich anzuschließen. Nach einem Zwischenstopp, um den Heli aufzutanken, bei dem es erneut zu Auseinandersetzungen mit Zombies kommt, erreicht der kleine Trupp ein Einkaufszentrum, eine sogenannte Mall, wo sie sich verbarrikadieren können. Es beginnt eine Zeit relativer Ruhe für die Vier. Sie „säubern“ das Zentrum von allen Zombies, verriegeln die Eingänge, versorgen sich mit allem, was sie brauchen und nutzen ihre neugewonnene Freiheit und Sicherheit um ein paar unbeschwertere Tage zu verleben. Stephen bringt Francine bei, den Helikopter zu fliegen, die beiden SWAT-Männer geben Schießunterricht, Übungsmaterial ist reichlich um die Mall herum vorhanden. Per TV sehen die Vier, daß die ethischen Diskussionen zwar weitergehen, doch schließlich hört auch die letzte Station auf zu senden. Roger und Peter beschließen, die Eingänge zur Mall mit einigen LKW zu sichern, die sie als Rammböcke nutzen wollen, sollte der Druck auf die Türen einmal zu groß werden. Bei der dazu notwendigen Aktion wird Roger gebissen. Einige Tage ist es noch möglich, ihn als zwar krankes doch menschliches Mitglied der Gruppe zu betrachten, dann beginnt auch bei ihm die Mutation zum Untoten. Peter erschießt ihn. Nun beginnt eine ruhigere Zeit, Francine ist mittlerweile hochschwanger, als eine Rockerbande das Einkaufszentrum erspäht und als lohnendes Ziel ausmacht. Sie stürmen das Zentrum, Stephen versucht, einige Geschäfte zu schließen und wird dabei erst verletzt, schließlich Opfer der Zombies. Während einige der Rocker bei lebendigem Leibe zerrissen werden und sich ihre Eingeweide, Köpfe und abgerissenen Glieder über die Böden der Mall verteilen, führt der zum Zombie gewordene Stephen eine Gruppe seiner Leidensgenossen in das alte Versteck. Peter beschließt, daß sein Weg hier zuende sei und er im Kampf gegen die lebenden Toten sterben will, Francine soll alleine mit dem Helikopter fliehen. Doch im letzten Moment entscheidet er sich anders und gelangt aufs Dach des Zentrums. Er und Francine fliegen einer unbekannten doch wahrscheinlich düsteren Zukunft entgegen.

Wie bei seinem Vorgänger NIGHT OF THE LIVING DEAD (1968) schossen auch in Folge von DAWN OF THE DEAD (1978) die Theorien und Interpretationen ins Kraut – der Film sei eine Farce, eine Satire und bitterböse Abrechnung mit dem amerikanischen Konsum- und Kapitalismuswahn; der Film verbreite eine Herrenrasseideologie, indem die Gewalt der Besitzstandswahrer gegen die Habenichtse gerechtfertigt würde; die Zombies stellten die revolutionären Massen der Dritten Welt dar; die „Seuche“ sei als Geißel der Menschheit zu lesen, der Film ein zutiefst katholischer Ausdruck nackter Angst vor einer undefinierbaren, gottlosen Zukunft, das Ganze eine Verfilmung der Apokalypse. Sicher ist wohl eines: Die Rezeption des ersten Films dürfte nicht spurlos an den Machern – allen voran George A. Romero selbst – vorüber gegangen sein. Als also gut 10 Jahre nach dem Midnight-Kultfilm NIGHT OF THE LIVING DEAD ein zwar eigenständiger, doch inhaltlich an den Vorgänger anschließender Folgefilm geplant wurde, dürften all die Überlegungen, die zu Teil eins angestellt worden waren, nicht ganz unberücksichtigt geblieben sein. Von heute aus gesehen und nach der Lektüre etlicher Interviews mit Romero und anderer an dem Film Beteiligter, kann man getrost davon ausgehen, daß die Herrenrasseninterpretation die Anliegen des Films weit verfehlt. Auch sollte man – so schön sich dieses Bild auch anbietet – die Idee verwerfen, es hier mit den geknechteten Massen der Dritten Welt zu tun zu haben. Diesen eher reaktionären Blick gönnt sich Jahrzehnte später das Brad-Pitt-Vehikel WORLD WAR Z (2013), der sehr deutlich die Analogie Zombie/Flüchtling herstellt. Nein, Romeros Zombies sind eindeutig – weit eindeutiger noch als im Vorgänger – „all american people“. Diese Untoten tragen noch alle Insignien ihres vorigen Lebensstils: T-Shirts und Jeans, poppige Kleider, Turn- und hochhackige Schuhe. Sie sind gekennzeichnet als Vertreter ihrer Profession – Krankenschwestern, Polizisten, Hare-Krishna-Jünger. Und Peter bemerkt es ganz richtig beim Betrachten der scheinbar ziellos dahinwandernden Massen Untoter auf den Parkplätzen des Einkaufszentrums: Sie gehen dahin, wohin es sie im Leben auch schon gezogen hat. Sie gehen shoppen. Doch, DAWN OF THE DEAD ist eine Farce, es ist eine Satire und eine ätzende Kritik am Konsumwahn amerikanischer Prägung.

Allerdings kommt da etwas hinzu, mischt sich da etwas unter, das nicht ganz außer Acht gelassen werden sollte: Der Italoamerikaner George A. Romero, katholisch geprägt, wie sein Regiekollege Martin Scorsese, den man bei einer breiteren Studie des Themas unbedingt berücksichtigen sollte, bringt in DAWN OF THE DEAD ein durchaus religiöses Momentum ein, das vielleicht als weitaus subversiver zu betrachten ist, denn die ganze Konsumkritik. Sowohl die Szene im Keller zu Beginn des Films, als auch Peters berühmt gewordener Spruch: „When there is no more place in hell, the Dead will walk the earth“, deuten durchaus darauf hin, daß wir es hier mit einer echten Apokalypse im christlichen Sinne zu tun haben. Die Frage ist dann lediglich: Wo genau befinden wir uns? Wenn am Jüngsten Tag, wie Johannes es uns lehrt, die Toten auferstehen und das Weltgericht gehalten wird, welches jene, die nicht ausersehen sind zu leben der ewigen Verdammnis überantwortet und zugleich aber der Tod selbst – als Meßgrad der Zeit – überwunden wird…könnte es dann sein, daß den im Film Lebenden genau dieses Schicksal gerade wiederfährt? Mehr noch – könnte man den Film dahingehend deuten, daß die „Living Dead“, die Zombies, die eigentlich Auserwählten sind? Und wäre die priesterliche Umkehrung im Keller des besetzten Hauses so nicht auch weitaus verständlicher, als sie ansonsten erscheint? „Noch seid IHR stärker,“ sagt er, „aber einst werde WIR siegen!“ Findet da im psychologischen Sinne schlicht eine Übertragung statt? Leidet der einbeinige Mann Gottes an einer Überidentifizierung? Er ist – wie Peter – ein Schwarzer, stellt also eine Reminiszenz an Ben in NIGHT OF THE LIVING DEAD dar, der ebenfalls der Mann der Vernunft war, so wie hier ein Priester eben ein Mann der – profanen wie theologischen – Vernunft ist. Dieser schwarze einbeinige Priester erinnert uns zugleich aber an all die schwarzen Voodoopriester der Filmgeschichte, die im Einklang mit finsteren wie hellen Mächten stehend Herren über sogenannte „Zombies“ sind. Das wäre als Hommage an klassische Zombiefilme wie I WALKED WITH A ZOMBIE (1943) ebenso zu verstehen, wie man darin eine unterschwellig rassistische Botschaft lesen könnte. Doch sollte man letzteres nicht annehmen. Als Schwarzer steht er auch auf Seiten einer Minderheit, bzw. einer Gruppe, die, selber sprachlos, in ihm einen Fürsprecher findet. Dieser Priester spricht für jene, die – im Film – keine Sprache und kein Sprachrohr mehr haben: Die Zombies. Der Priester verhilft ihnen zum Recht des Wortes – und am Anfang…war das Wort. So gesehen wenden und falten sich in diesem Film christlich-religiöse Spiel- und Lesarten ineinander, umeinander. Was als Apokalypse erscheint, mag genauso Anfang in Gottes eigenem Reiche sein; wer verdammt erscheint, mag Berufen sein, wer menschlich erscheint, mag längst verdammt sein. DAWN OF THE DEAD läßt all diese Möglichkeiten der Interpretation zu und wird erst dadurch der Film, der er ist: Ein philosophisches Popspektakel, ein psychedelischer Splatterrausch mit metaphysisch-blutrotem Anstrich, eine bunte Gewaltorgie, die einem nietzscheanischem Kindergeburtstag gleicht.

Wenn man sich dieser Lesart des Films anschließen mag, dann hat man es natürlich mit einer ebenso grell-ordinären wie zutiefst subversiven Satire zu tun, die der Menschheit westlicher Prägung in ihrem ganzen kapitalistischen Konsumwahn nicht mal mehr jenseitige Rettung in Aussicht stellt. Doch die Religion, die DAWN OF THE DEAD meint, ist eine zutiefst materialistische – haben wir es so gesehen mit einem marxistischer Horrorfilm zu tun? In der Welt des Films, die der unseren so sehr zu ähneln scheint, werden wir von unserem eigenen Begehren aufgefressen. Oder, anders, die Gier, unsere Gier nach mehr und mehr hat längst begonnen, uns zu verschlingen, sich in unsere Hirne zu fressen. Wir warten nicht mehr auf den jüngsten Tag, dieser ist im wahrsten Sinne des Wortes auf „profane“ Art und Weise längst angebrochen. Und er wird ewig währen. Äonen. Die, die DAWN OF THE DEAD da als letzte Überlebende (und damit sind letztlich wir, das Publikum, gemeint) ausstellt, sind schlicht die, die nicht im „Buch des Lebens“ eingetragen wurden. Die Zombies – glücklich, weil frei aller gesellschaftlichen, moralischen und kulturellen Sorgen, Bande und Hindernisse – sind nicht nur die letzte Plage, sondern sie stehen als das konkreteste Symbol, das man sich vorstellen kann für jene, die längst Eingang gefunden haben in Gottes Segensreich. Denn sie sind ohne Begehr, ihr Hunger ist ein lediglich metaphysischer, da sie materiell auch ohne Nahrung auszukommen scheinen. Sie, die Zombies, haben das Materielle hinter sich gelassen. Sie nehmen ihr Ende, wenn ihre Köpfe zerschossen und zerfetzt werden, klaglos hin, denn – da längst „tot“ – kann ihnen das Körperliche ebenfalls nichts mehr bedeuten als Ausdruck, reines Zeichen der materiellen Welt. Ihnen war der Gott, der hier besungen wird, vielleicht gnädig. Vielleicht. Denn dieser Gott scheint kein gütiger älterer Herr an der Decke einer Kapelle zu sein, dieser Gott ist das kalte Auge in der Spitze einer Pyramide auf einem grünen Geldschein, der sich DOLLAR nennt. Sein Name sei BUCK. Dieser Gott ist König Mammon und die, die ihm wie einer fernen Erinnerung frönen – wie die Zombies in Romeros Filmen – sind die Glückseligen. Der Rest…Verdammte.

Anders als in NIGHT OF THE LIVING DEAD, bezieht DAWN OF THE DEAD seine Spannung nicht aus den gruppeninternen Konflikten, denn die Gruppe wird hier als zwar fragil in ihrer Bedrohung dargestellt, doch ebenso als funktionierend, und zwar sowohl über Geschlechter-, wie über Rassengrenzen hinweg. Was in dem früheren Film gern und häufig als Kommentar oder gar Beitrag auf die herrschenden Konflikte, die herrschenden Diskurse verstanden wurde, darf hier als ebenso gewollt wie gegeben betrachtet werden: In der untergehenden Welt von DAWN OF THE DEAD scheinen die menschlichen Konfliktlinien geklärt. Zumindest in den urbanen Räumen. Dennoch ist es letztlich eine andere Gruppe noch Lebender – die Rockerbande – die zwar ein enormes Humorpotential in die Filmhandlung einbringt, zugleich aber auch den Untergang der kleinen, weitestgehend friedlichen Welt des Einkaufszentrums bedeutet. Da nimmt der Film die Interpretationsmuster ernst, die seinem Vorgänger zuteil wurden. So, wie er die Schwangere und einen Schwarzen entkommen läßt (wobei sich im Kontext des Films durchaus die Frage stellt, ob das nun ein gütiges Schicksal oder des Schicksals letzter Hohn ist), so ist es erneut der Mensch, der des Menschen Untergang bedeutet. Die Rocker zerstören das Gleichgewicht, daß sich zwischen den Lebenden und den Toten gebildet hatte und sie sind es, die es nicht ertragen können, daß sich da eine Koexistenz andeutet. Ihnen – die comichaft deutlich als Hedonisten gezeichnet werden – ist nur der Moment wesentlich, das momentane Erleben alles. Sie sind also Ergebnisse eben jener Kultur, die der Film inhaltlich so satirisch überspitzt darstellt, formal jedoch kritisiert. So dringen sie in die Mall ein, treiben ihre Späßchen mit den Zombies und bedrohen auch die Menschen, direkt, wie indirekt. Als es einige von ihnen erwischt, bricht der Rest aus und verschwindet. Deutlicher konnte Romero seine Kritik an einer im ewigen Jetzt verharrenden Gesellschaft nicht mehr äußern.

Ein weiterer Punkt, der das weitaus höhere Maß an Selbstreferenzialität und Selbst-Bewußtsein des Films ausstellt, ist die vom ersten Film aufgegriffene und hier viel weiter getriebene Mediensatire. Dazu gehört im weitesten Sinne auch die aus dem Helikopter, den Stephen ja eigentlich in seinen Einsätzen fürs TV flog, beobachteten Milizen, die mit viel Ballyhoo und Weidmannsheil ganze Jagdgesellschaften zusammenstellen und die Zombies abschießen wie Pappkameraden auf dem Jahrmarkt. In diesen Szenen gelingt es dem Film momentweise, die Lebenden derart abstoßend zu zeigen, daß wir fast Mitleid mit den lebenden Toten bekommen. Auf subtile Art rechnet Romero hier auch mit der Behandlung Andersartiger und Fremder im amerikanischen Kino ab – allen voran den Indianern im Western. Das wäre die Metakritik an den Medien oder an medialen Ausdrücken. Doch wird die Satire und darin verborgene Kritik an den Medien und ihren Inhalten dort offensichtlich, wo wir die Fernsehsendungen verfolgen, in denen sich Wissenschaftler, Theologen, Ethiker und Politiker darüber streiten, wie mit dem Phänomen umzugehen sei. Romero läßt sie alle auftreten: Die Mahner, die religiösen Spinner, die immer „vernünftig“ argumentierenden Experten der „exakten“ Wissenschaften und die nach „friedlichen und koexistenten“ Wegen Suchenden, die meist die ersten im Untergang sind. Und Romeros Film läßt an ihnen allen kein gutes Haar. Im Gegenteil: Er entlarvt zu einem frühen Zeitpunkt, was heute, in der fortgeschrittenen Post-Postmoderne, einer Binsenweisheit gleichkommt: Die Welt im und die Welt außerhalb des TV-Studios haben nicht wirklich etwas miteinander zu tun. So ist der Moment, in dem die noch lebenden Bewohner des Einkaufszentrums gegenwärtigen, daß keine Station mehr sendet nicht nur der, in dem ihnen ihre Situation endgültig deutlich wird, sondern es ist – auch für den Zuschauer – ein Moment tiefster Einsamkeit. Kein Fernsehen bedeutet diesen Menschen, wie uns Heutigen, keine Welt. Das ist der (eigentliche) Horror.

Weiter oben war von der Spannung des Films die Rede. Vielleicht sollte man hier eine Einschränkung machen – im engeren Sinne „spannend“ ist das alles nicht. Dies ist kein Thriller. Ist es denn wenigstens ein Horrorfilm? Mitnichten. Der Film ist reiner Camp. Es ist im engsten Sinne des Wortes ein Splatterfilm und Romero und sein F/X-Wizard Tom Savini nehmen zumindest die Frage des Splatters verdammt ernst. Das hatte es so noch nicht gegeben auf der Leinwand: Da werden Menschen zerfetzt; da wird Lebenden das Gedärm herausgerissen; da fliegen Köpfe, Arme und Beine durch die Gegend; da werden Hälse aufgebissen, daß das Blut in Fontänen in die Kamera spritzt; Köpfe werden zermatscht und zermalmt, zerplatzen unter Beschuß oder werden von den Rotorblättern eines Helikopter fein säuberlich filetiert. Grell und in den herrlichsten Farben fließt das Blut in Strömen und Romero macht vor nichts halt: Wurde in NIGHT OF THE LIVING DEAD ein Elternpaar Opfer ihrer zombifizierten Tochter, muß sich Peter hier in einer Szene mit seinem Maschinengewehr zweier Kinderzombies erwehren, die das nicht einteilig überstehen. Doch hat man – obwohl Savini es durchaus schafft, momentweise jede Ekelgrenze zu überschreiten – eigentlich nie den Eindruck, es hier mit einfach nur gewollt ekelerregenden Bildern zu tun zu haben. Dies ist keine Kolportage, selten Selbstzweck. Eher entspricht das alles einem ewigen und unablässigen Happening, einer ununterbrochenen Kunstaktion, die uns mit unseren eigenen Begierden und Ängsten und vielleicht deren Auslösern in einer uns entfremdeten Welt konfrontiert. Und Romero und Savini (der bei diesem Film massiv an allerlei Drehbuchideen und spontanen Aktionen während des Drehs beteiligt war und zudem eine kleine Rolle als Rocker übernahm) konterkarieren das ganze Gemetzel u.a. denn auch mit einer veritablen Tortenschlacht: Die Rocker stürmen eine Konditorei (warum die nach all den Monaten noch „frische“ Ware hält…geschenkt…) und fangen an, die Zombies mit Sahne und Schokolade einzuschmieren. Bis das ganze irgendwann eben in blutigen Ernst umschlägt. Wobei – ganz dem distanzierenden Blick z.B. eines Jean-Luc Godard verbunden – Romero das eine wie das andere als eine Art Slapstick inszeniert. Echte Torten und falsches Blut – gerade diese Szene verdeutlicht den Happening- und Satirecharakter des Ganzen.

So, wie DAWN OF THE DEAD uns begegnet, konnte der Film wahrscheinlich nur in den 70er Jahren entstehen. Der Film atmet eher den Geist des frühen John Waters (MULTIPLE MANIACS – 1970; PINK FLAMINGOS – 1972), eines Paul Morrissey (ANDY WARHOLS FRANKENSTEIN – 1973; ANDY WARHOLS DRACULA – 1974) oder auch der ROCKY HORROR PICTURE SHOW (1975), als daß er sich gemein machte mit Filmen wie Wes Cravens THE LAST HOUSE ON THE LEFT (1972) oder Ormsby und Clarks DERANGED (1974), die viel grimmiger daherkommen und sich, ihre Stories und deren Aufbereitung sehr ernst nehmen. In seinem Humor ist der Film eher der Komik von Tobe Hoopers THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE (1974) verwandt, als daß er im beschriebenen Weltuntergang der düsteren und bedrohlichen Atmosphäre von Carpenters HALLOWEEN, der ebenfalls 1978 in die Kinos kam, entspräche. So könnte man durchaus argumentieren, daß DAWN OF THE DEAD eben kein Horrorfilm im klassischen, d.h. gruseligen, Sinne mehr ist. Es ist ein Splatterfilm, der sich an seinen Schauwerten ergötzt, bei dem alle Beteiligten sichtlich Spaß hatten und der ganz nebenbei einer Nation das denkbar ungünstigste Attest ausstellt. Die ihr hier eintretet – lasset alle Hoffnung fahren, denn in der Hölle ist kein Platz mehr! Doch, so scheint uns Romero sagen zu wollen, dies alles zu ernst zu nehmen, wäre ein Fehler! Da der Untergang, die Apokalypse, das Jüngste Gericht nun mal da sind, sollte man die Nummer wenigstens als das genießen, was sie ist: Ein großer Spaß! Nein, dies alles will auf schockierende Art unterhalten und dabei ein wenig Subversion betreiben. Und das macht DAWN OF THE DEAD nahezu perfekt.

George A. Romero kehrte zu seinem kreativen Lebensthema noch einige Male zurück, die Klasse von NIGHT OF THE LIVING DEAD und DAWN OF THE DEAD hat er nicht mehr erreicht. DAWN OF THE DEAD – der in Deutschland mit dem Titel ZOMBIE vermarktet wurde – löste jedoch eine Welle vor allem italienischer Nachfolgewerke aus, deren bekanntestes Lucio Fulcis ZOMBI 2 (WOODOO – SCHRECKENSINSEL DER ZOMBIES; 1979) sein dürfte. Afficionados werden darunter Kleinode und Kultfilme entdecken, doch ohne die Relevanz, die Romeros Filme erreicht haben. Zu viel Wert legten sie auf die Ekel-, die Splatter- und Goreffekte, ohne irgendeine Haltung zum Gezeigten einzunehmen. So sind sie denn auch, mit wenigen Ausnahmen, eher ungewollt komisch bis gähnend langweilig. Doch hat das natürlich nichts mehr mit Romeros Meisterwerken zu tun. Die stehen für sich. Zeitlos.

Es muß noch der eine oder andere Satz zu den diversen Schnittfassungen geschrieben werden. Zunächst sei angemerkt, daß Romero, der Probleme hatte, die Finanzierung des Films zu stemmen, die Europarechte seines Werks an Dario Argento abtrat, der dafür mehrere Hunderttausend Dollar aus seinem Privatvermögen in den Film investierte. Diesem Umstand ist es geschuldet, daß es von allem Anfang an eine „amerikanische“ und eine „europäische“ Fassung des Films gab, die sich nicht nur durch die Musik – in Europa kennt man den heute legendären Soundtrack von Goblin, an dem Argento als externes Mitglied der Gruppe selber beteiligt war – unterscheiden, sondern auch durch die Schnitte. Romeros „amerikanischer“ Schnitt ist rasanter, actionlastiger und letztlich kommerzieller, was man in Anbetracht seiner finanziellen Situation verstehen muß. Er brauchte dringend einen kommerziellen Erfolg. Argento hingegen setzte einerseits direkt auf die härteren Splatter- und Goreffekte, legte aber auch mehr Wert auf die ruhigeren Passagen, die die Charaktere stärker betonen und sich mehr Zeit für die Hintergründe des Geschehens nehmen. Der „europäische“ DAWN OF THE DEAD ist der kunstvollere Film, meist ist es auch die Fassung, die angeboten wird, wenn man auf ungeschnittene Versionen des Films stößt.

Womit man beim weitaus größeren Problem wäre, wenn man den Film bestellen oder sehen will: Es gibt allein in Deutschland gefühlt 10, 11, 12 Schnittfassungen, bei mindestens neun davon kann man sicher sein, TV-Fassungen, FSK-16-Schnittfassungen oder sonstige Mogelpackungen in der Hand zu halten. Es gibt einige Versionen, die der amerikanischen oder europäischen Kinofassung entsprechen (wobei die „europäische“ sich deutlich von der deutschen unterscheidet, die generell – schon fürs Kino – entschärft wurde). Es gibt aber auch ausgedehnte Schnittfassungen, die sich bemühen, möglichst viele Szenen integral zusammen zu bringen. Die dem Rezensenten beste erhältliche Version – zugleich die längste, die er kennt – umfasst Szenen, die teils auch nicht in den diversen Kino- oder Festivalversionen enthalten sind. Erschienen bei der österreichischen Astro-Film in der Reihe „Kult-Klassiker Ungeschnitten“ bietet sie mit 156 Minuten die vielleicht umfassendste Werkschau dieses Fabel-Zombiefilms.

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