DIE FÜRSTEN DER DUNKELHEIT/PRINCE OF DARKNESS

Eine Fundamentalkritik amerikanischer Leichtgläubigkeit

Father Loomis (Donald Pleasence) entdeckt im Gewölbe unter einer Kirche, die seit langem einem Geheimbund als Heimstatt dient, ein seltsames Phänomen: ein Glaszylinder, der eine wirbelnde Flüssigkeit enthält und nur von innen zu öffnen ist; davor eine in den unterschiedlichsten antiken und offenbar noch älteren, unbekannten Schriften und Zeichen verfasste Bibel.

Loomis kontaktiert den ihm bekannten Physikprofessor Howard Birack (Victor Wong), der sich ebenso im Nanobereich der Wahrnehmung auskennt, als auch in den Grenzbereichen jener Philosophie, die die Realität als Entität anzweifelt. Dieser stellt ein Team seiner begabtesten Studenten und Assistenten und befreundeter Linguisten und Semiotiker zusammen, um den Fund zu untersuchen.

Schon während des Aufbaus stellen die Wissenschaftler allerhand Ungutes fest: Die Obdachlosen des die Kirche umgebenden Industriegebiets bewegen sich wie Schlafwandler, dennoch aber bedrohlich, eine tote Taube wird gekreuzigt aufgefunden, überall in den alten Gemäuern der Kirche krabbelt Ungeziefer herum. Schnell wird klar, daß es nicht mit rechten Dingen zugeht, als einer der Obdachlosen (Alice Cooper) einen der Zuarbeiter der Expertentruppe, der sich absetzen will, mit einer Fahrradstange durchbohrt.

Nach und nach stellen die Forscher fest, daß sie es hier mit einer Wesenheit zu tun haben, die Jahrmillionen vor dem Menschen auf der Erde gewandelt ist, möglicherweise ein Gott, möglicherweise ein Außerirdischer, der hier, in diesem Zylinder, seinen Nachkommen eingeschlossen hat, der darauf wartet, daß seine Zeit kommt, wieder auf der Erde zu wandeln und sein Vaterwesen – Satan? – zurückzuholen. Die Bibel, die die Forscher nach und nach übersetzen, enthüllt auch das Geheimnis, daß Christus seinerseits ein Gesandter einer außerirdischen Lebensform gewesen ist, der die Menschen hatte warnen sollen.

Während diese Erkenntnisse langsam ins Bewußtsein des Teams einsickern und zudem jene, die Schlaf finden, alle einen ähnlichen Traum, der eher wie ein Videobotschaft wirkt, träumen, verschwinden zusehends Mitglieder der Truppe. Diese stehen offenbar unter dem Einfluß der Wesenheit in der Säule und sorgen dafür, daß eine der Forscherinnen als Körper für das Wesen herhalten kann. Aus der Säule tropft beständig eine wasserähnliche Flüssigkeit an die Decke und von dort auf den Körper der Auserwählten, die sich darob zu verändern beginnt. Es entbrennt schließlich ein Kampf auf Leben und Tod, bei dem sich eine der Studentinnen wird opfern müssen, um die Wiederkunft Satans zu verhindern…

John Carpenter ist eines dieser Regiephänomene, die Klassiker für die Ewigkeit – u.a. DARK STAR (1974); HALLOWEEN (1978); ESCAPE FROM NEW YORK (1981) – wie auch unglaubliche Rohrkrepierer – BIG TROUBLE IN LITTLE CHINA (1986); ESCAPE FROM L.A. (1996) – produziert haben. Bei Carpenter kommt hinzu, daß er trotz seiner unbestrittenen Verdienste um die Erneuerung des Genrekinos – ob Horror, Science-Fiction oder Action, zumeist aber Crossover aus verschiedenen Gattungen – ab eines gewissen Punktes in seiner Karriere scheinbar keine echte Chance mehr bekam. Der bereits genannte ESCAPE FROM L.A. scheint so etwas wie eine „letzte Chance“ der Studios gewesen zu sein, nachdem man ihn acht Jahre hatte darben lassen. Zwar hatte er 1994 mit IN THE MOUTH OF MADNESS ein feines kleines Spektakel vorgelegt, voller hintersinniger Verweise und böser Ironie. Aber der Film floppte. Carpenter hatte vielleicht das Glück verlassen, vielleicht hatte ihn auch die richtige Unterstützung verlassen?

Dem vorliegende PRINCE OF DARKNESS von 1987 folgte unmittelbar im Jahr darauf THEY LIVE (1988) – nimmt man beide Filme einmal jenseits ihrer reinen Genrezugehörigkeit unter die Lupe (wobei THEY LIVE eine andere Lesart eher erlaubt, ist seine ganze Anlage doch deutlicher als Satire auszumachen), könnten sie ein Schlüssel dafür sein, daß Hollywood sich von dem einstigen Wunderkind Carpenter abwendete. Denn zarte Satire, vielleicht auch geistreichen Zynismus mag die Branche – offene Kritik kann sie nicht wirklich leiden. Und THEY LIVE war eine für amerikanische Verhältnisse brachiale Kritik an einem entfesselten Kapitalismus, der sich auf reinen Konsumwahn stützte. Konsumieren hieß die Devise unter Reagan und damals wurden die Grundsteine jenes Verschuldungsirrsinns gelegt, der uns Jahrzehnte später die noch andauernde Finanzkrise, basierend auf der sogenannten „Immobilienblase“, bescherte. Carpenter übt derart offen Kritik an diesem Konsumverhalten, daß es nicht verwundert, daß die, die den Konsum fördern und ihm frönen, keine Lust hatten, sich dies gefallen zu lassen. Allerdings – und damit schließt sich der Kreis – hatte Carpenter mit PRINCE OF DARKNESS schon vorgelegt. Denn – frei nach Max Weber – in den protestantischen und in den 80er Jahren derart durchkapitalisierten USA konnte eine Doppelladung aus Religionsverhöhnung und vulgärmarxistischer Kapitalismuskritik nicht gut ankommen. Und sein Okkultismus-Zombie-Slasher-Splatter ist genau das: Ein langer Witz auf Kosten der (Katholischen) Kirche. Auf Kosten des Glaubens, wenn man so will.

Es dauert, bis man begreift, worauf der Film hinauslaufen soll: Jesus ein Außerirdischer, der uns warnt vor einem Wesen, welches wir in Ermangelung besseren Wissens bitteschön als Satan, Teufel, Herr der Hölle wahrnehmen sollen. Verblendet war die Katholische Kirche 2000 Jahre lang nichts anderes, als ein maximal erfolgreiches Vertuschungsmanöver, das ein Glaubenssystem um einen gläsernen Sarkophag herumgebastelt hat, bis die Wissenschaft weit genug ist, um des Rätsels Lösung zu finden. Daß in den Jahren die Angehörigen der Kirche selber angefangen haben zu glauben, was sie so von sich geben, ist eben der Kollateralschaden. Entscheiden wird am Ende der Mut einer jungen Frau, die ihr Leben, ihre Liebe und ihre Zukunft opfert, um die Wiederkunft Satans auf der Erde zu verhindern. Doch wird es Father Loomis sein, der das Verdienst für sich, seine Gebete und damit – einmal mehr – für die Kirche in Anspruch nimmt.

Carpenter, der oft Frauen in gleichberechtigten Rollen einsetzt und somit neben allem ihm vorgeworfenen Konservatismus vor allem auch aufzeigt, daß der Horrorfilm Emanzipationspotentiale hat, erlaubt sich mit dieser Schlußvolte des Films einen bitterbösen Kommentar auf das patriarchale System der Katholischen Kirche. Zudem zeigt er eben die „Macht des Glaubens“, die einen Mann wie Loomis annehmen läßt, der schlußendlich Verantwortliche und Siegreiche zu sein in diesem Titanenringen. Wir, die wir mit dem Regisseur bereits einen Schritt weiter sind – mindestens einen Schritt weiter sind – wissen. Wir wissen, daß es Catherine Danforth (Lisa Blount) war, die sich für die Menschheit geopfert hat. Es war eine junge Frau, keineswegs ein alter Mann der Kirche, die den Satan bezwungen hat. Doch, so scheint Carpenter mit seinem Film sagen zu wollen, ist das letztendlich nicht vollkommen egal? Denn der Untergang – die Traumsequenzen am Ende des Films deuten darauf hin – ist aufgeschoben, nicht aufgehoben. Lasst sie doch träumen, die alten Männer in ihren Soutanen. Die Apokalypse naht so oder so.

Einen Extrascherz erlaubt sich das Drehbuch, für das ebenfalls Carpenter verantwortlich zeichnet, mit der Namensgebung: Father Loomis ist ein Namensvetter (nur Namensvetter?) des Psychiaters Sam Loomis, der einige Jahre zuvor in Carpenters Sensationserfolg HALLOWEEN den Serienmörder Michael Myers jagte. Und wie bei Father Loomis, war es damals ebenfalls Donald Pleasence, der den Mann spielte. Vielleicht wollte Carpenter auch hier einen bösen Kommentar abgeben auf eine Wissenschaft – die der Seele – , die in mancherlei Hinsicht auch nicht anders funktioniert, als die Kirche: Um sich in die Hände der „Shrinks“, der Psychologen und Psychiater zu begeben und dort Heilung zu erfahren, muß man ebenfalls glauben können…

Das ganze Konstrukt von PRINCE OF DARKNESS konnte den Würdeträgern der Kirche nicht gefallen. Der Film stellt so gesehen schon einen subversiven Angriff auf das christliche Glaubenssystem allgemein, auf das katholische im besonderen dar. Alles Humbug, wäre die Kurzformel, die hinter dem ganzen hervorblitzt. Alles Humbug und das wissen die auch, wäre die etwas längere Formel. Die Kirche als Hüter Satans in Ermangelung von Erkenntnisinstrumentarien – böser geht es kaum. Damit hatte sich Carpenter schon mal auf der einen Seite unbeliebt gemacht. Als dann ein Jahr später mit THEY LIVE der Angriff auf die EIGENTLICHE Kirche Amerikas, den Dollar, den Warenfetischismus, den Konsum, den Superkapitalismus Reagan’scher Prägung erfolgte, war der Ofen erstmal aus. In einem Hollywood zwischen TOP GUN (1986) und diversen Stallone/Schwarzenegger-Vehikeln wie RAMBO III (1988) oder RAW DEAL (1986) war schlicht kein Platz für scheinbar sozialistische Fundamentalkritik am System.

Formal dockt PRINCE OF DARKNESS an Carpenters frühere Filmen an. Zudem greift er einige bewährte Elemente des modernen Horrorfilms auf: Während die Macht/Kraft, die aus dem Zylinder entweicht, sich nach und nach der Mitglieder des Forscherteams bemächtigt, was eben dem Abzählprinzip eines Slasherfilms wie HALLOWEEN entspricht, entpuppen sich die Obdachlosen in den Straßen um die Kirche als Zombies, willenslose Gesellen, die der Macht im Innern der Kirche zu Diensten sind und jene, die abhauen wollen, rechtzeitig aufhalten, was sich u.a. in einer  Pfählung mit einem Fahrradgestell ausdrückt. Diese und einige andere Szenen zeigen auch Carpenters Willen, sich sowohl im Gore- als auch Splatterbereich auf der Höhe seiner Zeit zu bewegen, ohne wirklich in die Niederungen jenes Trashs hinabzusteigen, der damals die Videotheken überschwemmte. So gibt es eine ganze Reihe ekliger Höhepunkte. Da wird ein der Kirche scheinbar Entkommener zu einem Mahner, der nachts Drohungen an jene richtet, die sich noch im Gebäude befinden, bevor er dann, innerlich von Insekten zerfressen, auseinander fällt; da werden die Mitglieder des Teams mit allerlei Widerwärtigkeiten wie Maden in Kothaufen etc. konfrontiert und wenn es schließlich zur Sache geht, dann eben auch richtig. Der Film kann gut unterhalten, erfüllt aber eben auch, wie die meisten Filme des John Carpenter, den Zweck, mindestens einen bitterbösen Kommentar auf die amerikanische Wirklichkeit der 80er Jahre abzugeben.

Es ist schade, daß es dem Meister danach nicht mehr oft gelungen ist, sein Publikum zu überzeugen. Oder – was den Punkt vielleicht besser trifft – nicht mehr gelassen wurde, sein Potential voll zu entfalten…

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