NACHT DER LEBENDEN TOTEN/NIGHT OF THE LIVING DEAD

George A. Romero schockt die Welt mit einer neuen Art von Zombies

Das Geschwisterpaar Johnny (Russell Streiner) und Barbara (Judith O’Dea) besuchen das Grab ihres Vaters, als sie von einem sich langsam bewegenden, totenbleichen Mann angegriffen werden, der Johnny zu Boden reißt. Barbara versucht zu fliehen und gelangt an ein Farmhaus, in das sie sich flüchtet. Dort trifft Ben (Duane Jones) ein, ein Farbiger, der ebenfalls auf der Flucht ist und berichtet, daß er unterwegs eine Menge Leute wie den Mann auf dem Friedhof gesehen habe. Die beiden verbarrikadieren das Haus, Ben muß allerdings einige Angreifer abwehren und sogar töten. Im Keller des Hauses sitzt eine Familie – die Coopers, deren Tochter von einem Angreifenden gebissen wurde – und ein junges Paar, Judy (Judith Ridley) und Tom (Keith Wayne). Ben übernimmt die Führung, allerdings weniger, weil er sich aufspielen will, sondern eher, weil er niemandem vertraut, außer sich selbst. Zwischen ihm und Harry Cooper (Karl Hardman) kommt es schnell zu Auseinandersetzungen, da der weiße Familienvater sich und die Seinen retten will, während Ben zumindest die vage Möglichkeit sieht, zu fliehen oder aber Helfer auf sich aufmerksam zu machen. Im Fernsehen wird berichtet, daß man es mit einer Art Epidemie zu tun habe, die möglicherweise auf interstellare Strahlung zurück zu führen sei. Diese Epidemie führe dazu, daß gerade Verstorbene wieder auferstehen und versuchten, die Lebenden zu fressen. Man habe es schlicht mit sogenannten Zombies zu tun. Doch würden sich landesweit Bürgerwehren formieren, die Jagd auf die Untoten machten. Zu bekämpfen seien die Wesen, indem man ihre Hirne, also ihre Köpfe, zerstöre. Ben, Tom und Judy wollen Bens Wagen mit Benzin volltanken, wozu sie jedoch das Haus verlassen und sich den Zombies stellen müssen. Bei diesem Versuch kommt es zu einer Explosion, die Tom und Judy tötet. Ben wird Zeuge, wie sie von den lebenden Toten gefressen werden. Er will zurück ins Haus, was ihm Harry Cooper zunächst verweigert. Als Ben zurück im Haus ist, eskaliert der Streit zwischen den Männern und Ben tötet Harry, der die Kellertreppe hinunter stürzt, wo er von seiner mittlerweile zum Zombie mutierten Tochter angefressen wird. Seine Frau Helen (Marilyn Eastman) wird Zeugin des Grauens, kann sich aber schließlich nicht mehr vor ihrer Tochter in Sicherheit bringen und wird von dieser ebenfalls getötet. Die Zombies belagern das Haus derart massiv, daß Ben, nachdem auch Barbara einer Horde Menschenfresser – angeführt von ihrem einstigen Bruder Johnny – zum Opfer gefallen ist, schließlich nur noch der von ihm als Fluchtort abgelehnte Keller bleibt. Dort muß er die Coopers töten und ausharren, bis am kommenden Tag Hilfe kommt. Als Ben die Bürgerwehr kommen hört, klettert er aus dem Keller, wird aber von den Milizmännern, die ihn – vielleicht – für einen Zombie halten, getötet und gemeinsam mit anderen Leichen verbrannt.

Das Jahr 1968. Der Vietnamkrieg ist auf seinem Höhepunkt. Die Bürgerrechtsbewegung hat mit dem Mord an Martin Luther King einen schrecklichen Rückschlag erlitten, ebenso die Demokratische Partei mit dem Attentat auf Bobby Kennedy. Während des Parteitags der Demokraten in Chicago kommt es zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen, als die „Yippies! – Vertreter der Youth International Party – ein Schwein als demokratischen Präsidentschaftskandidaten zu nominieren gedenken und die Staatsmacht mit äußerster Härte demonstriert, was sie davon hält. Die amerikanische Gesellschaft ist einer enormen Zerreißprobe ausgesetzt. An den Enden franst da etwas aus, das einerseits seine faschistoide Fratze deutlich zeigt, andererseits bereit ist, in den Untergrund zu gehen, terroristisch tätig zu werden. Mitten in diese Gemengelage hinein kommt ein Film in die sogenannten Mitternachtskinos – dorthin, wo die billigen Filme laufen, die das breite Publikum, der Mainstream, nicht sehen will – , der alles bisher Gesehene in den Schatten eines zutiefst nihilistischen Weltbildes stellt, der eine Härte und Brutalität auszustellen bereit ist, die es so nur selten zuvor im Film zu sehen gab: NIGHT OF THE LIVING DEAD.

Regalkilometer sind geschrieben worden über diesen Film, der scheinbar so stimmig das einfing, was zeitgenössisch in der Luft lag: Die Gewalt, die Härte, den Rassismus, die Verrohung und die Gleichgültigkeit einer Staatsmacht, die sich selbst zu genügen schien. Die Tatsache, daß es ein Schwarzer ist und schließlich auch (fast) eine weiße Frau, die den Angriff überleben – Legion sind die Kommentare auf die Tatsache, daß es hier scheinbar einer ernst meint mit der Rassengleichheit und der Emanzipation. Daß dieser Ben offensichtlich klüger ist als der halsstarrige Harry Cooper, der selbst in dieser Situation äußerster Bedrohung noch typisch männliche Kämpfe um Vorherrschaft und Führung austragen muß, die bei ihm natürlich auch mit rassistischen Untertönen einhergehen; daß die zwar zutiefst verzweifelte und offensichtlich dem Wahn verfallende Barbara trotzdem noch die Geistesgegenwart hat, sich dem klügeren Mann anzuschließen; daß die Zombies keine übernatürlichen Monster waren, sondern im Grunde aussahen wie der Nachbar von nebenan; daß mit dem Schicksal der Familie Cooper das amerikanische Heiligtum der (Klein)Familie angegriffen und als instabil ausgestellt wurde – jeder einzelne dieser Punkte deutete ganz offensichtlich darauf hin, daß sich die Truppe um Regisseur George A. Romero richtig Gedanken gemacht hatte und genau wusste, was sie tat. Hier wollten junge Leute scheinbar einen beißenden Kommentar auf ihr Land in diesen schlimmen Zeiten abgeben.

Nachdem die erste Welle der politisch-gesellschaftskritischen Kommentare zum Film abgeklungen waren, kam eine zweite Welle, die die Sache schon ganz anders und viel hintersinniger sah: Ist Bens Plan nicht letztlich ein komplett zum Scheitern verurteilter? Sind seine Ideen nicht schlußendlich dafür verantwortlich, daß die Zombies so massiv das Haus attackieren und schließlich alle lebenden Insassen sterben? Wäre Harry Coopers Idee, sich im Keller zu verschanzen und dort abzuwarten nicht recht eigentlich die bessere gewesen? Schließt sich Barbara nicht dem falschen Mann an, ja, muß man nicht sogar eine äußerst hintersinnige Interpretation der Figur des Helden (Ben ist groß, athletisch, gutaussehend; Harry Cooper untersetzt und entspricht in seinem kurzärmligen Hemd exakt dem landesüblichen Bild des weißen, angelsächsischen Durchschnittsspießers) in all dem lesen, der hier – ganz postmodern – bereits ad absurdum geführt und dekonstruiert wird? Oder – Gipfel der Interpretationskunst – ist der ganze Film verkappt rassistisch, weil er eigentlich einen Schwarzen präsentiert, der einen Haufen Weiße ins Verderben führt? All diese Ansätze kann man in diversen Anthologien, Lexika oder einschlägigen Werken zum Film oder seinen Themen nachlesen.

Was eigentlich niemand hören wollte, war Romeros Sicht der Dinge. Schon früh und später immer mal wieder, berichtete er von den enorm schlechten Produktionsbedingungen, davon, wie wenig Geld den Machern zur Verfügung stand. Die Schätzungen gehen von 115.000 Dollar bis an die 600.000 Dollar aus; sicher ist, daß der Film keinesfalls mehr als eine Million gekostet hat, was selbst für einen Schwarzweißfilm wenig war in den späten 60er Jahren – wenn überhaupt, dann hat man es bei NIGHT OF THE LIVING DEAD wirklich mit einer sogenannten Independent-Produktion zu tun. Dementsprechend waren Romero und seine Mitstreiter – er selber bediente die Kamera, Streiner und Hardman fungierten als Produzenten, die Legende will, daß sogar Mafiageld in dem Film steckte und alle ständig damit beschäftigt waren, weitere Geldquellen aufzutreiben – froh waren, wenn sie an gute und halbwegs professionelle Schauspieler kamen. Duane Jones, der für den Ben vorsprach, war schlicht das Beste, was der Crew um den enthusiastischen Regisseur passieren konnte. Romero hat wieder und wieder darauf hingewiesen, daß sie zu dem Zeitpunkt keineswegs daran gedacht hätten, bewußt einen Schwarzen zu besetzen, um somit ein politisches Statement abzugeben. Sie suchten einen überzeugenden Darsteller. Ähnlich äußerten sich in all den Jahren nicht nur der Regisseur, sondern auch andere Beteiligte zu allen möglichen Aspekten des Films. Wie so oft bei großer Kunst, ist den Machern hier auch etwas „passiert“, wie so oft bei großer Kunst, korrelierte das, was den Produzenten vorschwebte plötzlich perfekt mit den Zeitläuften.

Daß sich das ändern würde, daß die Rezeption des Films natürlich auch seine Macher beeindruckte und dann bei DAWN OF THE DEAD (1978),  Romeros offiziellem Nachfolger, auch beeinflussen würde, das steht auf einem anderen Blatt. Hier hatte man es ganz offensichtlich mit einem Film zu tun, der mit einer gewissen Härte dem Genre des Horrorfilms „frisches Blut“ zuführen und sein Publikum nicht einfach nur angenehm gruseln, sondern durchaus schocken sollte. Und das ist ihm ja schließlich auch gelungen. Der Horrorfilm hatte in den 60er Jahren keine wirklich gute Zeit gehabt. Seit Alfred Hitchcock 1960 mit PSYCHO (1960) einen vollkommen neuen Typus von „Monster“ eingeführt hatte – nämlich eben jenen „Psycho“, der keineswegs dem Bereich des Übernatürlichen entspringt, sondern das Grauen allein aus seinen seelischen Abgründen generiert – war es nicht mehr gelungen, dem Genre wirklich Wegweisendes zuzuführen. Sicher, Hershell Gordon Lewis hatte mit u.a. TWO THOUSAND MANIACS (1964) frühe Splatterfilme billigster Machart vorgelegt, die jedoch nie ein großes Publikum fanden, sondern vor allem im Süden der USA in Autokinos verramscht wurden. Ansonsten hatte das Jahrzehnt sicherlich genug realen Horror zu bieten, im Mainstream fand das Sujet des Horrorfilms kaum statt. Es gab ein paar Geisterfilme wie THE INNOCENTS (1961), es gab den europäischen barocken Horrorfilm wie Mario Bavas LA MASCHERA DEL DEMONIO (1960), es gab einige mexikanische, einige spanische Beiträge, doch erst Romeros Schocker löste eine echte neue Welle im Genre aus. Und zumindest DAS kann NIGHT OF THE LIVING DEAD für sich in Anspruch nehmen: Das Maß an Gewalt und Härte, das ab nun im Horrorfilm Gang und Gäbe wurde – ob in solchen Grenzgängern wie Wes Cravens LAST HOUSE ON THE LEFT (1972), ob in Tobe Hoopers als Splatterfilm überschätztem, als Terrorfilm nicht hoch genug einzuschätzendem THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE (1974) oder in einem sich als Dokumentation zum Fall Ed Gein gebenden Film wie DERANGED (1974) – ab nun hatten die Maskenbildner einiges zu tun. Und auch der Mainstream entdeckte den Horror als Schocker neu – wenn auch eher sich wieder reaktionär an Übersinnlichem orientierend wie in THE EXORCIST (1973) und dessen Nachfolger THE OMEN (1976).

Aber ist es einfach die Gewalt, die Härte, die NIGHT OF THE LIVING DEAD so besonders und so besonders einflußreich machte? Nein. Romero und seine Crew wollten nicht nur einfach schocken, sondern dies durchaus auch in einem atmosphärisch gelungenen Setting tun. Zwar war angeblich auch die Entscheidung, den Film schwarz-weiß zu drehen den mangelnden finanziellen Mitteln geschuldet und Romero wurde auch hier nicht müde zu berichten, wie er und seine Freunde Kinos abklapperten, um unbelichtete Endmeter Filmmaterials abzugreifen, doch trägt gerade dies massiv zur Wirkung des Films bei. Schon die ersten Szenen auf dem Friedhof wirken durch die Grautöne, die der Film bietet, trist und trostlos. Nichts hier wirkt liebevoll oder zugetan, wir sinken vom ersten Bild an in eine graue Welt. Die ab dann immer düsterer wird. Die Bedrohung ist schockierend, da wir schnell merken, daß diese Wesen schlicht kein Mitleid für ihre Opfer aufbringen können. Sie sind tot, auch wenn sie zuvor unsere Brüder oder gar Kinder waren. Wenn es zu extremen Szenen kommt – die Explosion des Wagens und die anschließenden Einstellungen der Zombies, die Tom und Judy buchstäblich in Stücke reißen oder jene im Keller, wenn das Kind der Coopers seine Eltern tötet und frisst – ist Romero bereit, sein Publikum wirklich an die (damalige) Grenze des Erträglichen zu bringen. Als die Gruppe sich im Haus gefunden hat und die Angreifer immer mehr werden, haben wir es mit einem klassischen Bedrohungsszenario zu tun, das perfekt aufgeht, weil auch wir nie sicher sein können, welche Entscheidung denn nun die richtige wäre – verstecken oder angreifen? Zudem weiß Romero klassisches Gruselfilmpotential zu nutzen und beweist damit, daß er keineswegs grundsätzlich mit allen Regeln brechen will. So bezieht der Film das Gros seiner Spannung aus den Konflikten innerhalb der Gruppe, vornehmlich dem zwischen den männlichen Alphatieren Ben und Harry. Erst diese geschlechtstypischen Reibereien machen die äußere Gefahr zu jener apokalyptischen Bedrohung, die sie zweifellos ohnehin ist, die aber bei einer zerbrechenden Gruppe umso bittere Wirkung entfacht. Das Szenario, daß Romero hier wählt, ist fast ein klassisches Westernszenario: Eine kleine Gruppe sieht sich umlagert von einem unberechenbaren Feind und unternimmt diverse Ausbruchsversuche. Gerade diese gruppeninternen Spannungen sind also durchaus ein typischer Rückgriff auf eherne Regeln. Zudem – auch dies gerade im Horrorfilm typisch – weiß Romero den Film mit einem gewissen, wenn auch sardonischen Humor zu würzen: Vom bitterbösen Ende, das uns das Lachen nun wahrlich im Halse stecken läßt, einmal abgesehen, sind es vor allem die Berichte im Fernsehen, die durchaus komisches Potential haben. Die Bürgerwehren, die sich formieren und schon hier als Jagdgemeinschaften dargestellt werden, die der Epidemie durchaus Angenehmes abgewinnen können, dürfen sie nun doch auch außerhalb der Jagdsaison um sich ballern, sind schlichtweg komisch. Erst wenn auch die diversen TV-Stationen nach und nach nicht mehr senden und wir mit dem Grauen, die das Ende des Films uns bietet, merken, wie tödlich ernst diese Bürgerwehren für jeden sein können, der nicht den Stereotypen entspricht, die die Mitglieder der Milizen „kennen“, verliert der Film jedwede Komik. NIGHT OF THE LIVING DEAD ist, gemessen an seinen Nachfolgern, mit Abstand der ernsteste Film der Reihe.

Nun mögen Romero und seine Mitstreiter all die Implikationen, die dann in den Film hineingelesen wurden, so nie beabsichtigt haben. Doch fällt das Erscheinen des Films eben auch in eine Hochzeit der Theorie. Und eine der mit 1968 aufkommenden Theorien besagte, daß der Autor mit seinem „Text“ nach Beendigung desselben nicht mehr allzu viel zu tun hat. Der Rezipient übernimmt. So kann man eben all das, was in NIGHT OF THE LIVING DEAD hineingelesen wurde durchaus auch darin erkennen. Wir haben es nun mal mit einem Schwarzen als „Helden“ zu tun in einer Zeit, da die Bürgerrechtsbewegung auf einem ihrer Höhepunkte angelangt war. Es wird exemplarisch ein (gender)typischer Konflikt unter Männern dargestellt. Es gibt kein Happy-End, weil ein Haufen Rednecks alles erschießt, was nicht exakt wie sie selber aussieht und die angreifenden Massen sehen den Lebenden erschreckend ähnlich. Vielleicht haben Romero und sein Co-Autor John A. Russo all dies so nie gewollt, vielleicht sind ihnen all diese Implikationen wirklich nur „passiert“. Wenn dem so sein sollte, dann ist ihnen eben ganz ungewollt ein großartiger, in seiner Härte auch das, was z.B. während des Parteitags der Demokraten geschehen war, reflektierender Film gelungen, der seine Zeit perfekt aufgreift und kommentiert. Der einen Teil seines Schreckens und Grauens daraus bezieht, daß die zeitgenössischen Zuschauer, vor allem die jüngeren, in diesem ausweglosen Szenario die eigene Wirklichkeit zwischen einer spießigen Elterngeneration und einer Regierung, die sie als (Zombie)Soldaten in einem Krieg am Ende der Welt zu verheizen bereit war, gespiegelt sahen.

Der Film entwickelte sich vom Midnight-Sleeper zum Kultfilm. Vom Kultfilm entwickelte er sich zum Kunstfilm (inklusive einer Kopie im MOMA) und hat dennoch auch heute nichts von seiner Düsternis und Bedrohlichkeit, nichts von der Hoffnungslosigkeit eingebüßt, die ihn so erschreckend machen. Bei aller politischen, gesellschaftlicher oder kultureller Aussage ist dies schlichtweg auch einfach ein hervorragender Horrorfilm, mit Abstand einer der besten seiner Art. Ein Glanzstück des Metiers.

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