THE QUIET ONES

Durchschnitlicher Geisterfilm jüngeren Datums

1974. Der exzentrische Oxford-Professor Coupland (Jared Harris) führt mit seinen Assistenten Harry Abrams (Rory Fleck-Byrne) und Krissi Dalton (Erin Richards) scheinbar folterähnliche Experimente an der unter Schizophrenie leidenden Anstaltsinsassin Jane Harper (Olivia Cooke) durch, um sie zu heilen.

Während Jane allgemein als „besessen“ gilt, scheint sich in ihr doch ein zweites Mädchen namens Ivy zu materialisieren, behauptet Coupland, daß sich die negative Energie des Mädchens in ihr bündle und nicht nur – als eine Art Blitzableiter – Ivy erfinde, sondern sogar derart konzentriert telekinetische, plasmatische Energie hervorbrächte, daß sie auch allerhand phänomenale, sich materialisierende Ereignisse geschehen lassen könne. Jane ist dem Professor trotz der teils heftigen Behandlung, der sie unterzogen wird, in Dank verpflichtet, hat er sie doch aus der Anstalt befreit und ihr Heilung versprochen.

Damit das Experiment genau dokumentiert wird, heuert Coupland den jungen Brian an, der in der Bibliothek der Universität in der Medienabteilung arbeitet. Doch werden dem Professor schließlich die Gelder für seine Experimente gestrichen, da die Universität seinen paranormalen Forschungen keinen Glauben mehr schenken mag.

Der kleine Trupp zieht sich auf ein abseits gelegenes Landhaus zurück, um die Experimente auf eigene Faust weiter durchzuführen. Hier beginnt sich nicht nur die allgemeine Moral zu zersetzen, sondern zusehends zweifelt Brian auch an Couplands geistiger Gesundheit, erst recht, als auch er Zeuge äußerst beunruhigender Ereignisse wird…

Leuchtet im Vorspann dieser vergleichsweise kleinen Produktion von 2014 das Siegel A HAMMER PRODUCTION auf, ist der Betrachter nicht nur angemessen erstaunt, daß es diese Firma überhaupt noch gibt, nein, man fühlt sich auch angenehm wohlig zuhause, steht HAMMER doch für größtenteils ebenso blutigen wie bunten Horrorspaß aus England. Immerhin waren es HAMMER PRODUCTIONS, die uns Christopher Lee als Dracula, Peter Cushing als Doktor Van Helsing und allerlei Neuinterpretationen der klassischen Universal-Horror-Mythologie gaben. Umso mehr ist man also bereit, dem Film Kredit zu geben. Leider hält er dann im Ganzen nicht, was Beginn und Verlauf über weite Strecken versprechen.

Der hier erstmals Regie führende John Pogue, zuvor für die Drehbücher solcher Werke wie THE SKULLS (2000) oder GHOST SHIP (2001) verantwortlich, setzt lange Zeit konsequent auf Atmosphäre und Andeutung, wird so gut wie nie konkret, was die Spannung aufrecht erhält, und setzt stilistisch auf einen recht gelungenen Mix aus „objektiver“ Kamera, die etwas blasse Bilder einfängt, welche an grobkörnige Aufnahmen aus den 70er Jahren erinnern und „subjektiver“ Kamera, deren Bilder Brian während des Experiments mit seiner Kamera einfängt. Seit THE BLAIR WITCH PROJECT (1999) hält es jeder bessere Horrorfilm mit sogenannten ‚foundfootage‘-Szenen, also angeblich realem Material, daß entweder in den Film eingebaut wird, oder aber, wie im Falle des berühmten Vorläufers, diesen zur Gänze bestimmt. Pogue setzt das Mittel gekonnt ein, indem er damit spielt, daß das Filmmaterial damals hoch empfindlich war und dadurch auf den belichteten Filmstreifen allerhand das Auge Täuschendes zu sehen sein kann. So werden wir mit Andeutungen gefüttert, bekommen ein Häppchen hier und eines dort, verstehen zwar, was vor sich geht, sind aber lange – damit an Brian als unsere Identifikationsfigur gebunden – nicht auf dem Wissensniveau, das Coupland und seine beiden Assistenten haben. Da deren Verhalten – nicht vergessen, 1974 waren die wilden, oder, wie man in England zu sagen pflegt, die „swingin’“ Sixties durchaus noch spürbar – recht befremdlich ist – so könnte man Krissis Anwesenheit neben rudimentären Tätigkeiten als Krankenschwester auch für reine Unterhaltung der Männer halten – ist sich Brian und damit auch das Publikum lange nicht sicher, wer hier eigentlich die Verrückten sind und ob sich der ganze Vorgang letztlich als etwas ganz anderes entpuppt, als wir ahnen?

Nominell irgendwo zwischen einem klassischen Geisterfilm wie Robert Wise THE HAUNTING (1963), an den hier generell einiges erinnert, und dem schon erwähnten Para-Thriller THE BLAIR WITCH PROJECT angesiedelt, mit Versatzstücken von Satanismus und Foltersekten angereichert, setzt Pogue fast komplett auf die durchaus überzeugenden Leistungen seiner Schauspieler, die die zunehmende Verunsicherung ihrer Figuren gut und glaubwürdig verdeutlichen. Er treibt sein Spiel aus Indizien und Beweisen genau so weit, daß wir im Verständnis immer auf der Höhe Brians sind. Je mehr der versteht, was vor sich geht, desto genauer verstehen auch wir, womit man es eigentlich zu tun hat. Bis sich zum Ende hin alle Stränge, die doch immer deutlicher zu werden schienen, erneut verwirren. Bis hin zum gänzlich sich um 180 Grad drehenden Ende.

Allerdings ist es gerade das Ende, besser: sind es die dem Ende vorausgehenden Szenen, bei denen man dann doch erstmals den Eindruck gewinnt, daß den Machern dieser Gruselmär nicht nur nicht mehr viel eingefallen ist, sondern auch die Mittel, sprich Gelder, fehlten, um ihrer eigenen Story gerecht zu werden. Muteten die an Jump-Cut erinnernden Sprünge in Brians Material während der vorhergehenden ca. anderthalb Stunden an, als sollten sie eben einem bestenfalls halbprofessionellen Umgang mit der Kamera geschuldet sein, hat man spätestens in den letzten zehn Minuten den Eindruck, hier wird auch einiges an mangelhafter Maske und allzu billigen Spezialeffekten kaschiert.

So verschenkt das Ende des Films leider zu viele Möglichkeiten, eine Entwicklung, die sich allerdings ab Beginn des letzten Drittels des Films bereits andeutet. Da den Machern offenbar ab eines gewissen Punktes keine wirklich überzeugende Windung und Wendung mehr gelang, versandet auch die Spannung und Hektik bricht über einen ansonsten eher ruhigen Film herein. Aber das Problem, zwar einen guten Ausgangspunkt, auch eine weitestgehend überzeugende Story zu haben, jedoch nicht genau zu wissen, wohin man eigentlich will und wie man alles auflösen soll, teilt THE QUIET ONES (2014) mit einigen Vertretern seines Genres. Man kann diesem hier relativ lange mit Spannung folgen, irgendwann will man einfach nur noch, daß es zu einem Ende kommt, weil die Dinge beginnen, sich zu wiederholen. Tödlich für einen Horrorfilm.

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