DER FLUCH DES DÄMONEN/NIGHT OF THE DEMON/CURSE OF THE DEMON

Jacques Tourneurs spätes Meisterwerk

Basierend auf einer Short Story (CASTING THE RUNES) des britischen Schriftstellers M.R. James, berichten uns die Autoren Charles Bennett und Hal E. Chester (der auch Produzent des Films war) von den Vorgängen um den allem Parapsychologischen äußerst skeptisch begegnenden Dr. John Holden. Der kommt nach England, um dort an einem Kongreß zum Thema teilzunehmen. Der Gastgeber, Professor Harrington (Maurice Denham), erbittet von Holden aber auch Recherchen zu der vermeintlich satanischen Sekte des Zauberers Dr. Julian Karswell (Niall MacGinnis). Als Harrington am Abend von Holdens Ankunft bei einem Unfall ums Leben kommt, wirkt dies nicht nur auf den Amerikaner ausgesprochen seltsam, sondern auch auf die Nichte des Professors, Joanna Harrington (Peggy Cummins). Gemeinsam bemühen sich die beiden, aufzuklären, was sich hinter den mysteriösen Vorkommnissen verbirgt – und für Holden werden die Ermittlungen schließlich aus ganz anderen Gründen sehr, sehr wichtig, muß er doch lernen, daß nicht alles erklärbar ist, was uns begegnet…

Leider brechen die meisten Besprechungen von Jacques Tourneurs NIGHT OF THE DEMON von 1958 auf die Frage herunter, ob er den Dämon, das Ungeheuer, die Bedrohung nun zeigen wollte oder nicht. Dabei geht oft verloren, was für ein stimmungsvoller und atmosphärisch dichter Film dies ganz abseits dieser Frage ist. Es ist ein Film, in welchem die Szenen, die den Schrecken voll ausspielen, durchaus als die schwächeren bezeichnet werden dürfen. Auch wenn man nichts dagegen hat, ab und an von einem wahren Schock aufgerüttelt zu werden, ist es so, daß der angedeutete Schrecken meist das größere Potential besitzt, uns wirklich zu gruseln – es stimmt schon, nichts übertrifft die Phantasie. So sind es hier, neben den von Ken „Mr. Bond“ Adam in seiner zweiten Arbeit für den Film hervorragend arrangierten Sets, vor allem die Atmosphäre steter unterschwelliger Bedrohung und jene Momente, die Tourneur geschickt so anordnet und inszeniert, daß wir gedanklich zwar vollkommen bei dem von Dana Andrews gespielten US-Wissenschaftler John Holden sind, der auf Rationalität und Erklärung besteht, uns emotional allerdings ihm bereits weit voraus im Irrationalen befinden, dort, wo die Ängste sprießen und gedeihen.

Wie in den früheren Filmen CAT PEOPLE (1942) und I WALKED WITH A ZOMBIE (1943), arbeitet Tourneur auch hier mit Andeutungen, Ahnungen und oft auch mit der Phantasie des Zuschauers. Doch anders als in den früheren Filmen, darauf weist William K. Everson deutlich hin[1], spielt der Regisseur hier nicht mit der Frage, ob wir es mit realen Vorgängen oder den Einbildungen eines überreizten Geistes zu tun haben, sondern vermittelt uns von Beginn an die Präsenz des Bedrohlichen, ja, des Bösen. Das verstehen Kamera und Regie allerdings ähnlich subtil wie fulminant durch kurze Schwenks und elegante Fahrten zu vermitteln. Der Lesesaal des Britischen Museums wirkt da mit einem Mal ebenso befremdlich, wie die Straßen Londons oft zu weit, geradezu distanziert werden, nicht dafür geschaffen, daß Menschen sich darin bewegen. Wenn Holden zwischen den Steinen von Stonehenge die entscheidende Information erhält, die sein Schicksal besiegeln könnte, dann wäre kein Ort passender gewählt und dieser Ort nicht passender in Szene zu setzen gewesen.

Tourneur bietet dem Zuschauer eine gigantische Vertuschungsaktion, wobei der Alistair-Crowley-Verschnitt Julian Karswell im Zentrum des Verdachts steht. MacGinnis gibt den Schurken angemessen sinister, er und Andrews liefern sich zum Schluß hin ein herrliches Kabinettstückchen in Sachen Verhinderung und Verweigerung diverser Gegenstände, die der eine dem andern offeriert. Da Tourneur zu ähnlicher Klasse aufläuft wie in seinen großen Werken, gelingt ihm ein durchgängig beunruhigender Film, der auf hohem Spannungsniveau unterhält. Wäre also als einziges Manko der Dämon zu nennen.

So gruslig das Wesen auch wirkt, das George Blackwell und seine Crew als Verantwortliche für die Spezialeffekte kreiert haben, so überzeugend die Effekte auch sein mögen, wenn sich der Dämon materialisiert, weniger wäre, wie so oft, mehr gewesen. Zu deutlich sehen wir die Styropor- und Gummimaskerade, zu künstlich mutet uns die Erscheinung an. In einer Mischung der Gargouilles von Notre Dame und den Images der E.C.-Comics kann das zwar einen Moment lang schockieren, doch weitaus nachhaltiger ist jener Effekt, wenn wir die Abdrücke des herannahenden aber noch unsichtbaren Dämons im Sandboden sehen. Tourneur war sicherlich eher ein Mann der Andeutung, der Uneindeutigkeit, vordergründige Effekte waren seine Sache sicher nicht. Doch stimmt es schon, daß der Film, so, wie er geschnitten und montiert ist, durchaus darauf angelegt wirkt, momentweise zu zeigen, was die Menschen so erschreckt und in Panik versetzt. Vielleicht war es eine dramaturgische Entscheidung, etwas, daß so zentral für die Entwicklung des Plots ist, nicht vollkommen im Dunklen belassen zu dürfen. Vielleicht waren sich die Autoren unsicher, ob der Schrecken als pure Behauptung funktionieren würde. Vielleicht wollte sich Tourneur später auch deshalb distanzieren, weil ein Ungeheuer, wie NIGHT OF THE DEMON es zu bieten hat, zwar Schauwert besitzt, doch wenig zu dem „erwachsenen“, „psychologischen“ und „poetischen“ Horror passt, für den der Regisseur stand. Wenn der Dämon sichtbar wird, wird der Film momentweise zur Geisterbahn, zum Grusel für Kinder.

So ist es auch an dieser Stelle einmal mehr nicht gelungen, den Film ohne Hinweis auf das Ungeheuer zu besprechen. Dennoch hofft der Autor, hinreichend verdeutlicht zu haben, daß NIGHT OF THE DEMON sich keineswegs wegen des Dämons lohnt, sondern trotz dessen Erscheinens auf der Leinwand. Dies ist einer der großen Klassiker des Horrorfilms und kann immer noch vollkommen überzeugen. Wenn Horror, von Meistern bereitet, unser Innerstes berührt, da, wo unsere ureigenen Ängste angesprochen, aufgerührt werden, dann ist er immer zeitlos, immer bedrückend, immer bedrohlich…

 

[1]Everson, William K.: KLASSIKER DES HORRORFILMS; München, 1982; S. 191.

 

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