DER GOLDENE HANDSCHUH (Film)

Fatih Akin bietet dem Betrachter eine teils brillante Milieustudie - mehr aber leider nicht

Hamburg, St. Pauli, 1970. Der Hilfsarbeiter Fritz Honka (Jonas Dassler) hat im Suff eine Gelegenheitsprostituierte umgebracht. Er weiß mit der Leiche nichts anzufangen, sie außer Haus zu schaffen, stellt sich als enorm schwierig heraus. Also zersägt er das Opfer und verteilt Einzelteile auf diversen Bau- und Brachgrundstücken in der Umgebung seiner Wohnung in Ottensen. Die Reste – den Torso – bunkert er in einem Wandschrannk seiner Wohnung.

Honka frequentiert regelmäßig die Kiez-Kneipe Zum Goldenen Handschuh, wo er dem Wirt, Herbert Nürnberg (Uwe Rohde), und den Stammgästen bekannt ist. Honka konsumiert große Mengen an Bier und Schnaps, was hier, im Milieu, nicht weiter auffällt, da auch andere – Dornkaat-Max (Hark Bohm), Nasen-Ernie (Lars Nagel) oder Soldaten-Norbert (Dirk Böhling) – hier vor allem saufen.

Honka trifft hier auch immer wieder auf Frauen, meist ältere, ebenfalls dem Suff verfallene Gelegenheitsprostituierte, denen er gern einen ausgibt, die ihm gelegentlich nach Hause folgen, weil er ihnen dort mehr Schnaps verspricht. Wenn sich die Frauen nicht gefügig zeigen, wird Honka rabiat und schlägt sie. Mindestens eine tötet er und lagert auch ihre zerstückelte Leiche in der Wohnung, bedeckt von Duftsteinen, die den Geruch überlagern sollen. Besuchern gegenüber behauptet er, der Gestank käme aus der Wohnung unter ihm, wo eine griechische Familie von morgens bis abends koche.

1974 trifft Honka im Goldenen Handschuh die Wienerin Gerda Voss (Margarethe Tiesel), die ihm ebenfalls in seine Mansardenwohnung folgt. Er vergeht sich an ihr, unter anderem mit einem Kochlöffel, was die Frau widerstandslos über sich ergehen lässt. Am folgenden Tag muß Honka zur Arbeit, befiehlt ihr zuvor aber, abzuhauen. Statt dieser Aufforderung zu folgen, bleibt Gerda und putzt Honkas vollkommen verdreckte Bude.

Als Honka heimkehrt, ist er zunächst nicht gerade angetan von ihrer Anwesenheit, als sie aber für ihn kocht und ihm zudem von ihrer Tochter Rosi erzählt, lässt Honka sie bei sich wohnen. Er lässt sich von ihr als „Chef“ ansprechen und legt ihr einen Vertrag vor, in dem sie sich ihm vollkommen unterwirft, sich zu seiner Sklaviin erklärt und zudem verspricht, ihm Rosi zuzuführen. Gerda unterschreibt.

Honkas Bruder Siggi (Marc Hosemann) taucht eines Tages auf und die drei saufen gemeinsam. So erfährt Gerda allerhand über Honkas Familie, daß es 10 Kinder gab, einige gestorben sind und Siggi ebenfalls dem Suff verfallen ist, nachdem er von seiner Frau verlassen wurde. Als der sturztrunkene Siggi schließlich aufbricht, flüstert er Honka im Hausflur zu, der solle eine Frau wie Gerda bloß behalten. So eine bekomme er nie wieder. Honka antwortet lachend, Siggi könne die ja haben, er selber nähme lieber Rosi.

An einer Imbissbude trifft Honka durch Zufall auf Petra Schulz (Greta Sophie Schmidt) die von ihrem Schulkamerad Willi (Tristan Göbel) eingeladen und auf den Kiez ausgeführt wurde. Unter anderem hat Willi einen Abstecher in den Goldenen Handschuh gemacht und ist von der Halbwelt, die er dort kennenlernt, sowohl abgestoßen, als auch fasziniert. Honka gibt Petra Feuer für eine Zigarette. Von nun an sieht er sie vor seinem inneren Auge, wenn er an Rosi, später generell an Frauen denkt, die ihn anmachen.

Im Goldenen Handschuh trifft Gerda eines Tages auf Gisela (Viktoria Trauttmannsdorf), die für die Heilsarmee unterwegs ist. Gisela gelingt es, Gerda davon zu überzeugen, daß sie Besseres verdient hat, als das Leben einer erniedrigten Frau. Gerad geht mit Gisela.

Honka ist Gerdas Verschwinden relativ egal, zumal sie ihm gestanden hatte, daß es Rosi gar nicht gibt. Er spricht eines Abends im Goldenen Handschuh Anna (Barbara Krabbe) und Inge (Tilla Kratochwil) an, ob sie Interesse hätten, bei ihm daheim weiter zu trinken. Die beiden willigen ein und zu dritt gehen sie in Honkas Bude. Hier versucht er, die beiden zum lesbischen Sex zu nötigen, er will zuschauen. Dann versucht er, Inge zu zwingen, mit ihm Sex zu haben. Sie kann sich seinem Zugriff entwinden und flieht halbnackt aus seiner Wohnung. Honka tötet daraufhin Anna.

Wie bei den anderen Opfern zuvor, zerschneidet er auch hier die Tote und lagert die Leichenteile nun aber in seiner Wohnung.

Eines Abends wird der erneut betrunkene Honka von einem Wagen angefahren. Er erleidet einige Verletzungen. Dieser Vorfall lässt ihn über sich und sein Leben nachdenken. Er will sich ändern. Er gibt das Trinken auf, kündigt seinen Job und sucht sich eine Anstellung als Nachtwächter in einem großen Bürogebäude.

Hier trifft er auf die Putzfrau Helga Denningsen (Katja Studt), die ihm freundlich begegnet. Eines Nachts will Honka sie im Raum mit den Putzmitteln aufsuchen, wo er auf einen ihm unbekannten Mann trifft. Es ist Erich Denningsen (Max Hopp), Helgas Mann. Helga hat Geburtstag und die beiden wollen feiern. Sie laden Honka ein, mitzutun. Der will zunächst nicht und weigert sich, Alkohol anzurühren. Doch schließlich erliegt er seinem Drang und beginnt zu trinken. Erst haben die drei Spaß und tanzen durch den Raum, als Erich aber zur Toilette muß, greift Honka Helga an. Sie kann sich wehren und flieht. Honka schließt sich in dem Raum ein und betrinkt sich bis zur Bewußtlosigkeit.

Im Goldenen Handschuh trifft Honka auf Frida (Martina Eitner-Acheampong), eine ehemalige KZ-Insassin. Auch sie ist bereit, mit Honka nach hause zu gehen, wo er sie massiv mißhandelt und schlägt. Als er schläft, rächt sie sich, indem sie ihm Senf auf seinen Penis schmiert. Dann trinkt sie seine Vorräte leer und will Geld von ihm stehlen. Honka greift sie an,versucht sie zu erwürgen, was ihm jedoch nicht gelingt, woraufhin er sie mit verschiedenen Flaschen, die er zu greifen kriegt, erschlägt. Wieder zerstückelt er sein Opfer und verstaut die Leichenteile in der Wohnung.

Während er in den Goldenen Handschuh geht, wo sich an diesem Abend auch Willi und Petra einfinden, muß die griechische Familie, die in der Wohnung unter Honka lebt, eine ekelerregende Erfahrung machen: Während sie am Tisch sitzen und essen, fallen einzelne Maden von der Decke ins Essen. Alle springen auf und flüchten angewidert aus der Wohnung.

In der Kneipe trinkt Honka einmal mehr maßlos, herzlich willkommen geheißen von seinen Saufkumpanen. Derweil bedroht Soldaten-Norbert Willi auf dem Klo und demütigt den Jungen, der hier nicht hingehört und dies auch langsam kapiert. Petra hält sich im Schankraum auf und betrachtet das Treiben dort ebenfalls halb angewidert, halb fasziniert. Schließlich fällt sie Honka auf.

Petra wundert sich, wo Willi bleibt, der, nass von Soldaten-Norberts Urin, da dieser ihn angepinkelt hat, in einer Kabine hockt und sie schließlich, als sie ihn suchen kommt, auffordert, schon mal zu gehen.

Petra verlässt den Goldenen Handschuh, gefolgt von Honka, der sie erkannt hat. Während er ihr durch die Straßen von St. Pauli folgt, fahren mehrere Feuerwehrwagen an den beiden vorbei. Petra folgt den Sirenen, weil sie wissen will, was los ist. Sie erreicht den Ort des Brandes – es ist Honkas Haus, in dem in der Wohnung der Griechen Feuer ausgebrochen ist, nachdem diese in ihrer Hast und dem Ekel den Herd angelassen haben.

Während die griechische Familie und etliche Schaulustige die Löscharbeiten verfolgen, kommt ein Feuerwehrmann aus dem Haus gestürzt und übergibt sich. Er hatte die Mansardenwohnung kontrolliert und ist dabei auf die Leichen gestoßen.

Honka wendet sich ab und versucht zu fliehen, hatte aber zuvor den den Brand abschirmenden Polizisten mitgeteilt, er wohne in dem Haus, damit sie ihn an den Brandort ließen. Nun folgen sie ihm und verhaften ihn noch auf der Straße.

Was fängt man nun an mit diesem Film? Der Regisseur Fatih Akin verfilmt Heinz Strunks Roman DER GOLDENE HANDSCHUH (Buch 2016/Film2019) und liefert damit ein hoch umstrittenes Werk ab. Frauenfeindlichkeit, ja, sogar Hass auf Frauen, wird ihm unterstellt, zugleich wird sein Film dem Horrorgenre zugeordnet, was es vielleicht leichter macht, eine Distanzierung herzustellen, weiß man ja, daß aus dieser Ecke meist Geschmackloses kommt. Ekelerregend sei der Film, arrogant in seiner Sicht auf bestimmte Milieus, ohne Tiefgang und gemeinhin ohne Sinn und Verstand.

Man nähert sich dem Film also mit Vorsicht. Selbst als Liebhaber von Horrorfilmen weiß man ja, daß das Genre wirklich oft auch heiße Luft produziert. Und da Akin nun bisher auch nicht als Autor und Regisseur einschlägiger Werke dieser Richtung aufgefallen ist, steigt die Spannung. Ernüchtert, wenn man ihn gesehen hat, kann man zunächst feststellen, daß DER GOLDENE HANDSCHUH eben kein Horrorfilm ist. Dafür fehlen ihm sowohl die Spannung, als auch die Dynamik. Vielmehr zeigt er den alltäglichen Horror am Rande der Gesellschaft zu einer Zeit – Anfang bis Mitte der 1970er Jahre – als es noch weitaus einfacher gewesen ist, nicht aufzufallen, unter sich zu bleiben, wenn man nicht in andere Milieus und Schichten eindringt. Eine Kneipe wie der titelgebende „Goldene Handschuh“, irgendwo in St. Pauli gelegen und von Menschen frequentiert, die man getrost dem Säufer-, Prostituierten- und Halbweltmilieu zuordnen kann, gab es in jeder Stadt der Welt. Der klassische Kiez trifft sich hier, wenn man das Wort in seiner herkömmlichen Bedeutung nutzt. Nur werden genau solche Etablissements, so es sie heute wirklich noch gibt, mittlerweile zu „Kult“ erklärt und von Leuten aufgesucht, die diesen Milieus eben nicht zuzuordnen sind. Fatih Akin trägt dieser Entwicklung, wenn auch eher oberflächlich, in seinen Film Rechnung. In einer Nebengeschichte wird das Werben eines jungen Schülers um ein hübsches Mädchen erzählt, die in seine Klasse geht. Er führt sie in die einschlägige Kaschemme, wo weder er noch sie hingehören. Es ist der Anfang einer Tendenz, die heute längst weit fortgeschritten ist. Und nicht zuletzt durch Bücher und Filme wie DER GOLDENE HANDSCHUH befeuert wird.

Es war aber eben genau dieses Milieu, das einem Menschen wie Fritz Honka, dem realen Mörder von vier Frauen, ein Umfeld bot, in dem niemand genau hinschaute, wo niemand vermisst wurde, wenn er plötzlich nicht mehr auftauchte, wo niemand nachfragte, wo jemand eigentlich abgeblieben ist. Man trifft sich abends zum Saufen in der Kneipe und erreicht vergleichsweise schnell ein Stadium des Suffs, in dem sich eh jeder nur noch  mit sich selbst beschäftigt. Sowohl die Kneipe – die es heute noch gibt und die Akin als Kulisse für den Film nutzte – als auch die umliegenden Straßen und schließlich seine Dachgeschosswohnung in Hamburg-Ottensen, waren Honkas Revier. Er kannte sich hier aus und man kannte ihn, ohne wirklich zu wissen, wer er dieser Typ mit der verwaschenen Aussprache, dem scheelen Blick und der krummen Haltung eigentlich ist. Die Nachbarn kümmern sich nicht um ihn, er kümmert sich nicht um sie. Man begegnet sich auf der Straße, wirft sich gegenseitig vor, daß es aus der jeweils anderen Wohnung stänke und geht dann seiner Wege. Daß Honka Leichenteile in seiner Wohnung bunkerte, deren Verwesungsgeruch er mit Duftsteinen zu überdecken hoffte, fiel so niemandem auf. Akin zeigt in einer Szene, wie den Nachbarn die Maden aus der Zimmerdecke ins Essen fallen – dennoch kommt zunächst niemand auf die Idee, daß sich in der darüber liegenden Wohnung möglicherweise Grausiges abspielt. Es war Zufall, daß Honka entdeckt wurde, als in dem Haus, in dem er lebte, Feuer ausbrach und Feuerwehrmänner auf die Leichenteile stießen. Dies alles sind kleine Details und Hinweise, wie es eben in gewissen Gegenden gelingen kann, vollkommen unbemerkt auch den widerlichsten und abartigsten Geschäften nachzugehen.

Fatih Akin zeigt diese Milieus äußerst detailreich und genau. Er selber wuchs in Altona auf, also nicht allzu weit von Honkas Wirkungskreis entfernt, und erinnert sich, wie die Nachricht von dem Serienmörder von der Reeperbahn in seiner Nachbarschaft einschlug. Es sei diese Nähe, dieser persönliche Bezug gewesen, der ihn veranlasst habe, Strunks Buch zu adaptieren, erklärte er in einem Interview. So muß man dem Film, vor allem was Ausstattung, Set-Design, Kostüme und allgemein den Look betrifft, höchste Anerkennung zollen. Sowohl die Kneipe, als auch Honkas Wohnung, sind derart getreu nachgestellt und bis in die letzten Einzelheiten nachempfunden worden, daß man sich in den Szenen, die sich hier abspielen – also den allermeisten – wirklich in die 70er Jahre zurück versetzt fühlt. Der Dreck, die Puppen, die zerknitterten Pornobildchen an den Wänden, die matten gelblichen Tapeten, die Überdecken auf den zerschlissenen Sofas und Sesseln, die Tassen mit Kafferändern und die Kornflaschen, die überall in dieser Bude verteilt rumliegen und -stehen vermitteln ein sehr eindringliches Bild jener Welt, in der Fritz Honka lebte.

Zu dieser Ausstattung und der Milieustudie gehört auch die Auswahl der Musik für den Film. Fast ausschließlich ist er mit den Stücken unterlegt, die iim Goldenen Handschuh aus der Musik-Box schallen oder die Honka bei sich zuhause auflegt. Und es sind ausschließlich deutsche Schlager der 60er und 70er Jahre, die diese Geschichte begleiten. Exemplarisch ist es Stefano Adamos ES GEHT EINE TRÄNE AUF REISEN, das die Kneipenhocker kollektiv zu Tränen rühren kann. Das Sentiment als wesentlicher Bestandteil dieses Säufer-Kosmos. Alkoholgesättigte Sentimentalität, alkoholgesättigtes Selbstmitleid ob eines verpfuschten Lebens, und doch zugleich auch Ausdruck tief und ehrlich empfundener Sehnsucht nach einem anderen, einem besseren Leben. Da braucht es schon die starken und einfachen Bilder, die diese Musik, die diese Texte vermitteln. So wird die Musik im Film auch zu einem Kommentar auf das Gefühlsleben von Menschen, die nicht mehr viel empfinden, die sich in den einfachsten Wahrheiten und oft genug einfachen Lügen wiederzufinden meinen, die da transportiert werden. Sieht man allerdings das Elend, das hier herrscht, wird man den Eindruck nicht los, daß es ein sowohl bitterer, als auch zutiefst ironischer Kommentar ist. Nimmt man hingegen Honka im Speziellen, ist es schon fast Hohn, der aus einem solchen Kommentar spricht. Denn der fühlt nun kaum noch etwas wie Empathie, Mitgefühl oder gar Stolz. Im Ggensatz zum Kitsch der Texte, die von Miteinander, der großen Liebe, Verlust und Wiederfinden handeln, wirkt Honka dann eben doch eher wie die Kreatur, geworfen in eine Welt, die sie nur ansatzweise versteht und nie durchdringt.

Honka – im realen Leben wohl ein Psychopath mit Allmachts- und Gewaltphantasien, der sich gern in Uniform zeigte (auch wenn es nur die des Wachdienstes war, für den er vorübergehend arbeitete) und offenbar einen enormen Hass auf Frauen in sich trug – wird im Film zu einem nahezu mißgestalteten Mann, der sich in endlosen Alkoholexzessen verliert und dessen Gewalt vor allem ab eines gewissen Pegels ausbricht. Jonas Dassler spielt diesen Außenseiter der Gesellschaft als eine Figur, die an bestimmte Vorbilder wie Quasimodo, den Glöckner von Notre Dame, erinnert. Gebückt, mit einer verquollenen Nase und extrem schielend – Merkmale, die den realen Honka wohl ebenfalls ausgezeichnet haben – schleicht er durch St. Pauli und Umgebung, findet immer wieder Anschluß bei Menschen, die mindestens ebenso dem Alkohol verfallen sind wie er – die anderen Kunden in der Kneipe sind durchweg „Typen“, die u.a. von Hark Bohm und Dirk Böhling mit viel Kiez-Authentizität dargestellt werden – und trifft hier auch auf seine Opfer. Es sind abgehalfterte Prostituierte, oft wohnungslos, Trinkerinnen, die kaum sozialen oder familiären Anschluß haben. Sie folgen Honka auf das Versprechen hin, an mehr billigen Fusel zu kommen, in dessen Wohnung, lassen sich von ihm mißbrauchen, einige lässt er gehen, andere bringt er um. Es scheint kein Muster zu geben, keinen „Modus Operandi“. Honka agiert und reagiert willkürlich. Mal ist er genervt, weil man sich ihm widersetzt, mal sind es aufgestaute Aggressionen, die aus ihm herausbrechen.

Diese Morde zeigt Akin zwar nie explizit im Bild, ebenso verzichtet er darauf, dem Zuschauer die Zerstückelung der Leichen en détail zuzumuten, doch sind die Szenen in Honkas Wohnung, irgendwo angesiedelt zwischen  bizarrer Groteske und kompromißlosem Realismus, nur schwer erträglich. Sowohl die verbale Erniedrigung seiner späteren Opfer, als auch die Sexszenen, die weit gehen und sich nicht scheuen, Honkas schlappes Geschlecht auszustellen, sind radikal und brutal. Dieser Kerl kann erst dann Befriedigung finden, wenn er irgendwelche Gegenstände in die Frauen einführt, ihnen Schmerz zufügt, sie erniedrigen kann. Die eigentlichen Morde werden eher wie psychische Notfälle inszeniert. Der sturzbetrunkene Honka weiß schlicht nichts mit den Frauen anzufangen, manchmal widersetzen sie sich seinen abartigen Phantasien, eine wehrt sich physisch, wofür er sie würgt und schließlich mit mehreren Schnapsflaschen traktiert. Die Zerstückelungen sind eher hilflose – und dumme – Versuche, die Beweise seiner Ausraster zu beseitigen. Umso erstaunlicher, daß er damit davon kommt. Teile seines ersten Opfers schmeißt er auf verlassene Baugrundstücke in der Umgebung, wo sie schließlich gefunden werden, was der Anlaß zu sein scheint, die weiteren Leichen lieber daheim zu verstauen. Nichts davon wirkt planmäßig oder bedacht. Dieser Mann entspricht weder – Akin weist auch darauf explizit in einem Interview hin – den fiktionalen Vorbildern à la Hannibal Lecter, noch den reellen wie Jeffrey Dahmer oder Ted Bundy, die bis zu einem gewissen Grad genau wussten, was sie taten und vor allem, was sie wollten. Honka scheint selbst ein Opfer – seiner Triebe, des Alkohols und innerer Dämonen, die er halb bewußt auch als solche begreift. Er will sein Leben ändern, wechselt den Job, lässt die Finger vom Alkohol, und scheinbar gelingt es ihm in dieser Zeit, seinen Phantasien Einhalt zu gebieten. Als er nachts mit der Putzfrau in dem Versicherungsgebäude, in dem er Wachdienst schiebt, und deren Gatten ihren Geburtstag feiert und nach längerer Zeit erneut zur Flasche greift, brechen die alten Verhaltensmuster aber umgehend wieder hervor und er greift die Frau an.

Strunk, so Akin im Interview, habe sowohl Honka, als auch dessen Opfern die Würde erhalten. Würdevoll, das muß man allerdings sagen, ist in Akins Film nichts. Diese Menschen sind am unteren Ende der gesellschaftlichen Skala angelangt, sie haben nichts mehr zu verlieren und wahrscheinlich auch nichts mehr zu gewinnen. In gewissem Sinne vegetieren sie dahin, auf der Suche nach Alkohol, dem Rausch, dem darin liegenden Vergessen. Es wurde Akin vorgeworfen, sein Film sei frauenfeindlich, da er den Opfern keine Geschichte zugestehe, sie seien einfach nur hässliche, alte Frauen, während Honka eigentlich in seiner Phantasie das junge Mädchen begehre, das mit ihrem Schulfreund den „Goldenen Handschuh“ besucht und die er zuvor einmal auf der Straße gesehen hat. Zudem erklärt er seinem Bruder gegenüber, daß er Gerda, eine dicke, ältere Frau, die er in der Kneipe aufgegabelt hat, nur bei sich wohnen ließe, weil er an deren Tochter Rosi heranwolle. Es stimmt, daß diese Haltung dem realen Honka eher nicht entsprach, der explizit an älteren Frauen interessiert gewesen sein soll. Vielleicht wollte Akin diese Minimalerklärung in seinen Film einbauen – der mißgestaltete Mann, der jene Frauen, die er begehrt, so oder so nicht erreichen kann und sich deshalb an hässlichen Frauen rächt. Mag sein, so oder so ist die ganze Nebenhandlung um dieses junge Pärchen eine Schwachstelle des Films. Im Buch gibt es mehrere Nebenhandlungen, die einen anderen Sinn erfüllen und somit auch sinnvoll erscheinen. In Fatih Akins Film wäre es besser gewesen, diese komplett auszuschließen. Honkas Motivik sollte im Dunklen bleiben, allein schon, weil sie zu klischeehaft anmutet.

Allerdings sollte man den Vorwurf der Frauenfeindlichkeit nicht erheben. Denn so, wie Akin diese Frauen inszeniert, sind sie wahre Opfer. Nicht nur die eines Triebtäters, sondern einer Welt, die kein Mitleid, keine Gnade kennt, die sich nicht für Menschen und ihre Geschichte interessiert. Bei allem Mut zur Hässlichkeit, den Schauspielerinnen wie Margarethe Tiesel hier beweisen, bleibt diesen Frauen zwar keine Würde, zumindest aber das Mitleid des Films. Daß diese Frauen mit sich machen lassen, was ihnen widerfährt, daß sie scheinbar bereitwillig Honkas Gewaltausbrüche und seine abseitigen sexuellen Handlungen über sich ergehen lassen, ist einer sozialen Wirklichkeit geschuldet, die sehr wohl ausgestellt wird. Sieht man die Gäste der Kneipe, dann sieht man einen Haufen Gestalten, die alle am Ende sind, aber die Frauen in dieser Gesellschaft sind es noch etwas mehr als die Männer. Dies entspricht durchaus einer sozialen Realität zu Beginn und bis Mitte der 70er Jahre (und teils sicher auch heute noch). Diese Frauen, alt, verbraucht, ohne Bindungen, können ihr Leben nur noch fristen, indem die bereit sind, sich Typen wie Honka, also den Verlierern einer Gesellschaft, auszuliefern. Die scheinbare Apathie, die eine Frau wie Gerda an den Tag legt, wenn Honka sie mit einem Kochlöffel penetriert, weil er selber keine Erektion mehr bekommt, entspricht der Apathie in einer Gesellschaft,  die Menschen wie diese schlicht aus- und verstößt, sich selbst überlässt, solange sie eben in ihrem Kiez, in ihrer Umwelt, bleiben und niemanden stören.

Nein, dies ist kein frauenverachtender Film, eher ein menschenverachtender Film. Es ist eine Milieustudie aus einer Zeit, die so, wie sie hier dargestellt wird, wirklich abgeschlossen scheint. Insofern könnte man Fatih Akin eher den Vorwurf machen, ein Milieu bloßzustellen, zu denunzieren, das es so nicht mehr gibt, es zu diskreditieren, ohne sich dabei allzu sehr mit dem Schmutz und dem Gestank zu beflecken. So könnte man als einzige dramaturgische Funktion des jugendlichen Pärchens schließlich den zoologischen Aspekt anführen: Da gehen junge, schöne Menschen Verlierer in deren Umwelt betrachten. Sie delektieren sich an diesem Umfeld, sind fasziniert und abgestoßen zugleich und jederzeit in der Lage, zu entfliehen. Nicht das Verlierer-Milieu dringt in die Welt der Schönen und Reichen ein, sondern deren Kinder schauen sich im Milieu mal um, weil es Spannung verspricht. So, wie es dieser Film halt auch tut.

Was also fängt man an mit diesem Film? Er ist nicht gelungen, weil ihm keine wirkliche Angelegenheit innewohnt. Es ist nicht Fisch und nicht Fleisch, was Fatih Akin da vorführt. Und je länger das alles vor den Augen des Betrachters abläuft, desto mehr verstärkt sich der Eindruck, daß auch der Regisseur nicht wirklich etwas mit dieser seltsamen Nicht-Story anzufangen wusste. So bleibt schließlich eben die Milieu-Studie, die eine Ära einzufangen weiß, die die Älteren, die, die in den 70ern aufwuchsen, noch erinnern und die in ihrer Detailgenauigkeit verblüffend ist. Das ist sehenswert. Der Film als Ganzes ist es eher nicht.

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