DIE CAINE WAR IHR SCHICKSAL/THE CAINE MUTINY
Von Befehlen, ihren Auswirkungen und vom Kriege
1943. Willie Keith (Robert Francis), eben erst von der Seeakademie abgegangen, wird an Bord des Minensuchbootes U.S.S. CAINE versetzt, wo der laxe Kapitän DeVriess (Tom Tully) das Kommando führt. Keith ist erschüttert über die Zustände an Bord des runtergekommenen Schiffes. Umso erfreuter ist er, als Commander Queeg (Humphrey Bogart) das Kommando übernimmt. Dieser Haudegen verlangt nicht nur eisernen Gehorsam, sondern auch, daß Mannschaft und Schiff absolut auf Vordermann zu bringen seien. Die Lieutenants Maryk (Van Johnson) und Keefer (Fred MacMurray) sehen das naturgemäß anders, hatten sie doch ein recht beschauliches Leben unter dem alten Commander.
Queeg macht sich auch schnell durch eine ganze Reihe seltsamer, oft Nebensächlichkeiten betonender Befehle unbeliebt. Vor allem Keefer, der sich eigentlich als Schriftsteller sieht und von Queeg mehrfach aufgefordert wird, die Arbeit an seinem Buch bis nach dem Krieg einzustellen, fängt an, an der geistigen Gesundheit des Mannes zu zweifeln und setzt mit Begriffen wie „paranoider Schizophrenie“ auch Maryk langsam einen Floh ins Ohr. Der nämlich versucht lange Zeit, sich Queegs manchmal nahezu unverständliche Befehle mit allerhand Ausreden zu erklären.
Nach verschiedenen Vorkommnissen, läßt sich Maryk von Keefer dazu verleiten, während eines Manövers das Schiff des Admirals aufzusuchen und dort Stellung gegen Queeg zu beziehen. Die Offiziere sind praktisch schon im Vorraum des Admirals, als Keefer einen Rückzieher macht und erklärt, man werde ihnen nicht glauben.
Schließlich kommt es während eines Taifuns zu einer extremen Situation, als Queeg – auf unsinnigen Befehlen beharrend – das Schiff ernsthaft in Gefahr bringt. Maryk greift durch und zieht die Befehlsgewalt an sich. Da Keith in diesem Moment Deckkapitän ist, liegt es schließlich an ihm, die Befehle weiterzugeben, die Maryk erteilt. Keith tut dies.
Zurück im Heimathafen werden Maryk und Keith der Meuterei angeklagt. Alles spricht gegen sie, erst recht, als sogar Keefer gegen Maryk aussagt und damit seine eigene Rolle in der ganzen Angelegenheit massiv herunterspielt. Doch ihrem Verteidiger Barney Greenwald (José Ferrer) gelingt es, Queeg im Zeugenstand derart zu drangsalieren, daß dessen Maske fällt und sein ganzes neurotisches und cholerisches Temperament zum Vorschein kommt. Maryk und Keith werden freigesprochen, Queeg seines Kommandos enthoben.
Bei der Feier der Offiziere taucht zunächst Keefer auf, wohlwissend, daß er sich nicht sonderlich beliebt gemacht hat. Maryk ist bereit, ihm zu verzeihen, da tritt Greenwald in den Kreis und greift alle Offiziere, vor allem aber Keefer massiv an. Sie alle seien feige und hätten Queeg sowohl Hilfe als auch Gefolgsamkeit verweigert, was nicht ginge, wenn man in der Armee diene. Männer wie Queeg hätten zu Beginn des Krieges das Land verteidigt. Wenn dieser Mann nun müde, abgekämpft und auch hilflos gewesen sei, wäre es die Aufgabe der Offiziere gewesen, ihm unter die Arme zu greifen. Und tatsächlich hatte es auf der CAINE die Situation gegeben, in der Queeg genau diese Hilfe erbeten hatte. Greenwald drückt den Männern seine Verachtung aus, ganz besonders jedoch hasst er Keefer, dem er sogar ein Glas Whiskey ins Gesicht schüttet.
Schließlich kehren die Männer auf die CAINE zurück, das Kommando übernimmt erneut Commander DeVriess.
Nur zwei Jahre nach Erscheinen des Romans, durfte Regisseur Edward Dmytryk Herman Wouks Marineklassiker THE CAINE MUTINY (1952/1954) mit großem Staraufgebot verfilmen. Auf den wesentlichen Plot eingeschmolzen – lediglich eine Nebenhandlung um die Liebelei des jungen Willie Keith blieb von den im Buch zahlreichen Neben- und Seitensträngen erhalten – verdichtete sich im Film alles auf ein spannendes Drama um die Frage danach, wie weit man Befehlen gehorchen muß, wann es geboten ist, sich zu widersetzen und welchen Preis man zu zahlen hat – auch für Feigheit. Zwei gute Stunden lang weiß der Film zu fesseln, wenn man sich auf den Plot einlässt, der definitiv auch eine Feier der amerikanischen Marine und also des Militärs ist.
Es ist natürlich eine Frage, wie man sich im Jahr 2014 einem Film wie diesem nähern will. 1954 gedreht, also mitten im Kalten Krieg, und inszeniert von einem Regisseur, der lange auf der „schwarzen Liste“ in Hollywood stand und erst kürzlich wieder, nachdem er schließlich doch vor dem Komitee für unamerikanische Umtriebe – kurz HUAC – ausgesagt und andere des Kommunismus Verdächtige angeschwärzt hatte, Aufträge in der Filmstadt bekam, ist von einem Film wie THE CAINE MUTINY kein kritischer Standpunkt gegenüber dem Militär oder spezifisch der Marine zu erwarten. Herman Wouks Roman war so allerdings auch nicht angelegt. Da er selber in der Navy gedient hatte und im Grunde eher an dem Drama innerer wie zwischenmenschlicher Konflikte interessiert war, nutzte Wouk die Situation eines Schiffes und der verschiedenen Männertypen, die dort aufeinander treffen, um essenzielle Fragen danach zu stellen, wie man sich in Extremsituationen verhält, wie weit Gehorsam gehen sollte, wie man sich zu Vorgesetzten stellt, die möglicherweise selber Schwächen zeigen? Der Film dekliniert diese Fragen ebenso durch, nimmt aber mehr noch als das Buch eindeutige Haltungen ein. Ferrers Ansprache zu den Offizieren am Ende des Films, ist ein klarer Appell und der Zuschauer weiß spätestens jetzt, wo der Film steht. Vielleicht wollte Dmytryck auch einen Kommentar auf das eigene, feige Verhalten abgeben und zugleich eine Erklärung, wie es zu einem solchen Verhalten kommen kann. Ganz gewiß ist in der Figur des Leutenant Keefer auch ein gerüttelt´ Maß an Intellektuellenfeindlichkeit gebündelt. Und doch wollen wir gerade Fred MacMurrays Charakter vertrauen. Es ist sowohl der eindringlichen Schauspielkunst der Darsteller als auch der Regie eines echten Könners wie Dmytryk geschuldet, daß der Film niemals platt und damit durchschaubar wirkt, sondern immer in der Schwebe, wem das Publikum seine Zuneigung schenken sollte.
Dmytryk, geschult an etlichen Thrillern des ‚Film Noir‘, weiß, wie man eine Handlung straff führt und so zusammenhält, daß die Spannung nicht abreißt. Selbst die manchmal arg störend wirkende Nebenhandlung um die Abnabelung des Fähnrich Keith von seiner Mutter, auch, damit er seine Liebe May Wynn endlich ehelichen kann, weiß Dmytryk zu nutzen: Er setzt die Episoden geschickt als Spiegel in die Handlung und inszeniert sie konzentriert, ohne großes Brimborium, auf die Problematik hin, und hat so eine schöne Doppelung in der Entwicklung des jungen Mannes. Denn der anfangs doch sehr pingelige Jüngling lernt glaubhaft, Wesentliches und Unwesentliches voneinander zu trennen. Diese ganze Entwicklung kulminiert dann natürlich in der Nacht des Taifuns, als es Keith als Deckoffizier ist, der letztlich gegenüber der Mannschaft die „Meuterei“ deckt. Man vermutet, daß das Script diese Nebenhandlung vor allem deshalb aufgenommen hat, weil es auch für die Damen im Publikum etwas Lockendes geben sollte in einem ansonsten reinen Männerfilm. Die Inszenierung legt es aber von Anfang an darauf an, das eine im andern zu spiegeln. Mehr jedoch kommt die Meisterschaft des Regisseurs in den Wortgefechten auf dem Schiff zur Geltung. Und man muß spätestens hier darauf hinwiesen, daß Humphrey Bogart in der Rolle des Kapitän Queeg sicherlich eine seiner besten Darstellungen abliefert in seiner an guten schauspielerischen Leistungen nicht gerade armen Karriere.
Wie es dem damals im Herbst seiner Karriere stehenden Bogart gelingt, mit huschenden Blicken und seinem berühmten Zähneblecken, mit der immer wieder zwischen den Lippen hervor spitzelnden Zunge und fahrigen Bewegungen diesen Mann als labiles Wrack zu zeichnen, wie er ihm aber zugleich eine Aura unendlicher Müdigkeit zu verleihen versteht, eine Müdigkeit, die ihm die Möglichkeit nimmt, seine Angst zu überspielen, so daß er, ein Commander zur See, vor der eigenen Mannschaft oft in nackter Panik zu stehen scheint (sein krampfhaftes Klammern während des Taifuns, wenn er im Grunde so wirkt, als habe er abgeschlossen und warte nun auf den Untergang), das hat eine Art, wie sie nur wenige Schauspieler des klassischen Hollywood hinbekommen hätten. Oder hätten hinbekommen wollen. Dies ist eine äußerst gelungene Darstellung, die mit denen eines Spencer Tracy in der Rolle eines müden und sich seiner Urteile längst nicht mehr sicheren Richters in JUDGMENT AT NUREMBERG (1961) oder Gary Coopers Darstellung eines erschöpften Revolverhelden in HIGH NOON (1952) korrespondiert. Und es ist eine mutige Darstellung. Queeg wird vom Anwalt der Beschuldigten, Greenwald, in die Enge getrieben und diese Getriebenheit nimmt man Bogart sofort ab. Es ist diese Szene, die einst – nahezu 40 Jahre später – in einem anderen, modernen, Klassiker des Gerichtsfilms – A FEW GOOD MEN (1992) – dem Wortduell zwischen Tom Cruise und Jack Nicholson Pate stehen sollte, wenn auch spiegelbildlich, ist dort der Commander doch der Hybris erlegen, unersetzlich zu sein. Queeg weiß, was er geleistet hat, auch Greenwald weiß das, doch beiden ist klar, daß mehrere Jahre Krieg auch aus guten Männern Wracks machen können. Dennoch hätten die Befehle des Mannes befolgt werden müssen, hätte man ihm bei Zeiten zur Seite springen müssen, käme eine Meuterei im Grunde niemals in Frage, erst recht nicht aufgrund der Einflüsterungen eines Schreiberlings wie Keefer, der mit damals populären, vermeintlich wissenschaftlichen Begriffen wie „Paranoia“ um sich wirft, um sich wichtig zu machen[1].
Wie der oben erwähnte spätere Film, wie im Grunde alle Militärfilme, die das Mainstream-Hollywood produziert, in denen Verfehlungen einzelner Militärangehöriger im Mittelpunkt stehen, so betreibt auch THE CAINE MUTINY keine Kritik am Militär, schon gleich gar keine Grundsatzkritik. Das war – es wurde eingangs schon erwähnt – von Edward Dmytryk und auch dem ansonsten durchaus kritischen Stanley Kramer nicht zu erwarten. So entstand ein spannender Militärfilm, dem es gelingt, nahezu organisch von der Schilderung des Einsatzes, über private Angelegenheiten einzelner Soldaten, Konflikte der Mannschaften hin zu einem Gerichtdrama zu gelangen. Das zeugt von der Meisterschaft der Beteiligten, vor allem der seines Regisseurs.
[1] Zur Begrifflichkeit der Paranoia gerade in den 50er Jahren: Hofstadter, Richard: THE PARANOID STYLE IN AMERICAN POLITICS; AND OTHER ESSAYS. New York 2008.