ERSTER SIEG/IN HARM`S WAY
Otto Premingers Kriegsfilm
Es sind ruhige Tage für die Angehörigen der U.S. Navy im Dezember 1941 in Pearl Harbor. Während Paul Eddington (Kirk Douglas) mit seinem Freund und Vorgesetzten Captain Rockwell Torrey (John Wayne) auf Patrouille ist, poussiert seine Frau mit seinen Kameraden in der Etappe auf Kompaniefesten. Als sie am Morgen des 6. Dezember am Strand erwacht, neben sich einen ihr Unbekannten, wird sie Zeugin, wie etliche japanische Flugzeuge sich dem Stützpunkt nähern. Auf dem Weg zurück verunglückt der Wagen, Eddingtons Frau und ihr Galan werden getötet. In einem waghalsigen Manöver, gelingt es Torrey, sich und seinen Verband aus der Schußlinie zu bringen. Doch ist der Stützpunkt verloren. Torrey und die meisten, die während des Überfalls Dienst hatten, werden zunächst aus politischen Gründen zurückgestellt, eine Art Bestrafung. Als Schreibtischhengst fühlt sich Torrey jedoch wie ein Fisch auf dem Trockenen, wie er der Krankenschwester Maggie Haynes (Patricia Neal) eines Abends gesteht. Zudem teilt sie ihm mit, daß es einen weiteren Torrey bei der Marine gäbe – Jere Torrey (Brandon De Wilde), Rockwells Sohn, den er allerdings achtzehn Jahre nicht gesehen hat. Während Vater und Sohn feststellen müssen, daß sie sehr unterschiedliche Ansichten über den Krieg, den Dienst und das Militär haben, muß Eddington die Leiche seiner Frau identifizieren. Ihm wird klar, daß sie ihm nicht nur einmal Hörner aufgesetzt hat. Jere hat eine Freundin, Bev (Paula Prentiss), die ein wenig mit ihm spielt, ihn nah kommen läßt, dann aber doch lieber mit anderen flirtet etc. Auch Eddington gehört zu den Herren, die ihre Aufmerksamkeit erregen. Derweil wird Torrey wieder mit einem Kommando beauftragt, zuvor allerdings wird er zum Konteradmiral befördert. Admiral Nimitz (Henry Fonda) nimmt diese Beförderung höchstpersönlich vor. Torrey wünscht sich Eddington als seinen Stabschef. Dieser hat in einem Anfall von Wut und Verletztheit Bevs Zurückweisung nicht ertragen und sie vergewaltigt. Torrey wird, kurz bevor sein Kommando ausläuft, von Bevs Selbstmord unterrichtet, auch liest er ihren Abschiedsbrief, der Eddington schwer belastet. Torrey selbst nimmt es auf sich, seinen Sohn vom Tod seiner Verlobten zu unterrichten. Eddington nimmt er mit, unterrichtet ihn jedoch von den Anschuldigungen und weist ihn darauf hin, daß er ihn, zurück auf der Basis, anzeigen werde. Schließlich kommt es an einer Meerenge zu einer fürchterlichen Auseinandersetzung mit japanischen Flottenverbänden. Eddington, der sich abgrundtief schämt, setzt sich in ein Aufklärungsflugzeug und unternimmt einen Flug zur Sichtung der japanischen Flotte, den er nicht überleben kann. Sein Opfer sichert Torrey und seinem Kommando die Kenntnisse, die sie brauchen, um sich den überlegenen japanischen Verbänden in den Weg stellen zu können. Die Schlacht fordert alles von den Männern, Jere Torrey stirbt, als er versucht, sein Torpedoboot zu retten, sämtliche Offiziere, die Rockwell Torrey um sich gesammelt hatte, sterben, nur er selbst überlebt schwer verwundet. Doch entgegen seiner Annahme, war der Kampf keine von schrecklichen Verlusten gekrönte Niederlage, sondern ein „erster Sieg“. Er und Maggie können ein gemeinsames Leben angehen.
Ein Kriegsfilm – man würde, ähnlich wie einen Western – einen solchen nicht im künstlerischen Oeuvre eines Regisseurs wie Otto Preminger vermuten. Und wie sein einziger Western RIVER OF NO RETURN (1954) bei aller Action und allen genretypischen Wendungen im Kern ein Beziehungsdrama bleibt, so ist sein einziger Kriegsfilm IN HARM`S WAY (1964) im Kern ein Soziodrama. Es werden innere Kämpfe von Männern unter extremen Belastungen untersucht, wobei der Krieg den Rahmen für diese existenziellen Krisen bildet.
Seine späteren Filme, die vom engen Korsett des Studiosystems befreit waren, da Preminger eine eigene Produktionsfirma gegründet hatte, waren oft ausladende Epen, die trotz ihrer historischen Sujets, der Massenszenen (EXODUS/1960), der Starriegen (ADVISE AND CONSENT/1961 oder auch IN HARM´S WAY selbst) und der gelegentlich seltsam anmutenden Sujets (SKIDOO/1968) und auch trotz aller Action, die sie gelegentlich boten, im Kern Dramen des menschlichen Miteinanders und der Seele blieben.
Hier, in IN HARM`S WAY, gibt es gleich zwei große Linien – ein Vater-Sohn-Konflikt und ein innerseelischer Sühne-Konflikt – die sich schließlich, einer klassischen Tragödie gleich, ineinander verweben und zur größtmöglichen Katastrophe führen. Vor dem Hintergrund des Krieges ein angemessenes Tableau; vielleicht wird aber auch andersrum erst ein Schuh draus: Der Krieg als angemessene Kulisse für die Melodramatik, die Premingers Drama momentweise annimmt, auch wenn er sie mit angemessener Zurückhaltung zu inszenieren versteht.
Der Krieg als Gegenstand eines Films von 1964 – was will uns ein Künstler berichten, außer einer heroischen Geschichte von edlem Heldenmut und so weiter? Der nächste Krieg beschleunigte bereits und hier beschwört Preminger mit den zwei Haudegen John Wayne und Kirk Douglas, der mittlerweile auch nicht mehr ganz taufrisch war, den nationalen Sturz und wie sie wieder aufgestanden ist, die Nation, unter Opfern, unter Schmerz, Blut und Tränen. In einer Szene brüllt Eddington seinen Freund und Vorgesetzten Torrey an, sie seien in einen Krieg geschliddert, einen echten blutigen, verdammten Krieg. Und Torrey nickt. Niemand will den Krieg hier als etwas Abenteuerliches oder Erstrebenswertes darstellen, er wird eher wie eine Naturgewalt inszeniert, die über die Nation kommt und in die alltäglichen Kabale und Tändeleien eingreift. Man strauchelt, aber dann fängt man sich und steht zusammen. Es ist diese Bewegung, die der Film auf verschiedenen Ebenen nachzeichnet. Der Krieg passiert, wesentlich ist die Haltung, die man dazu einnimmt. Man muß ihn annehmen, wenn er da ist. Preminger zeigt sich allerdings am Kriegsgeschehen als solchem wenig interessiert. Norbert Grob schreibt[1], daß sich Preminger in der Inszenierung von Innenräumen am wohlsten gefühlt habe und auch in diesem Werk kann man seine Meisterschaft, Räume durch die Anordnung von Vertikalen und Horizontalen und den Winkeln, die die Kamera dazu einnimmt zu definieren, bewundern. Doch wie so häufig sind ihm die offenen Räume weniger interessant, an Kampfgetümmel und Schlachtordnungen zeigt er sich dann auch nur genau so weit interessiert, wie sie für die Dramaturgie des Films notwendig sind. So gerät ihm der Angriff auf Pearl Harbor dann auch zu gefällig. Mag sein, daß das so gewollt war, doch selbst dann vermag das, was der Film zeigt, kaum die Schockstarre zu rechtfertigen, die der Angriff hatte. Die abschließende Schlacht, dramaturgischer Höhepunkt des Films, wird dann zwar ausgesprochen wuchtig inszeniert, gemessen an anderen Kriegsfilmen seiner Zeit, hält sich IN HARM`S WAY jedoch eindeutig zurück in der Darstellung von Kriegshandlungen.
Ein deutlicher Hinweis, daß es Preminger um anderes geht. Ist der Krieg der Vater aller Dinge, wie Heraklit meint? Zumindest hält er die Dinge in Bewegung und führt also auch Torrey und seinen Sohn zusammen, die sich achtzehn Jahre nicht gesehen haben. Doch – auch hier sei auf Norbert Grob verwiesen – bietet Preminger keine Unterstützung einer solchen These. Was wir vom Krieg zu sehen bekommen, ist fürchterlich. Er zerstört und hinterlässt Leid, sonst nichts. Da sind Buch und Regie auf fast brutale Weise konsequent. Und es sind innere Konflikte, die in ihrer Tragweite durchaus dazu beitragen, in „blutige Kriege hineinzuschliddern“. Als Maggie Torrey fragt, weshalb er zur Marine gegangen sei, da weiß er nur zu antworten, sein Vater sei eben auch schon bei der Marine gewesen. Ein Lachen unterbricht ihn, als er von seinem Großvater zu sprechen beginnt, wir erfahren also nicht, ob auch der schon – oder ob Torrey es einfach nicht weiß. Nun also steht er plötzlich seinem Sohn gegenüber, der in seinen Augen und auch denen seiner Freunde und Kameraden nur ein Schwächling sein kann. Absolvent einer gehobenen Akademie, Offiziersanwärter, smart und karrierebewußt, steht Jere Torrey für so ziemlich alles, was Männer wie sein Vater oder auch Eddington verachten.
Wie in so vielen seiner Dramen und Film Noirs, sind es auch hier die sozialen Abstufungen, die Hierarchien und die Gesten, Symbole und Haltungen, die sie zum Ausdruck bringen, die in den Fokus des Regisseurs geraten. Und natürlich die Konflikte selbst, denen sich seine Protagonisten ausgesetzt sehen. Obwohl der Verlauf des Films gewisse Sympathien für Waynes Captain Rockwell Torrey offenbart, die sich natürlich durch die Kenntnis des wirklichen Verlauf des Krieges und seiner fürchterlichen Verluste – für die Amerikaner gerade im Pazifik – erklären lassen, macht es sich Preminger nicht zu einfach. Er deutet zwar eine gewisse Verachtung der Älteren für die Jüngeren an, doch den fürchterlichsten Fehler macht schließlich Eddington, der dafür dann aber auch ein heroisches Opfer als größtmögliche Sühne wählt. Doch in der sicherlich intimsten Szene des Films, dem erstmaligen Aufeinandertreffen von Vater und Sohn Torrey, gelingt ihm ein Bravourstück an Ambiguität. Und dank eines wirklich gut aufspielenden John Wayne, kommt eine Art Schmerz zum Ausdruck, ohne auch nur ein einziges Mal benannt zu werden, der der Figur des ansonsten arg glatten Rock Torrey Tiefe verleiht, eine andere Dimension, die Wayne im Laufe der Erzählung geschickt als Resonanzraum für die Auseinandersetzungen nutzt, die er auf allen möglichen privaten und vor allem beruflichen Ebenen zu bestehen hat.
Premingers Ensemble ist erlesen, von den erwähnten Wayne und Douglas einmal abgesehen, versteht es Brandon De Wilde, seinem ungemein berühmteren Gegenüber John Wayne – sozusagen nicht nur im Film die Vaterfigur – angemessen Paroli zu bieten, in Nebenrollen treten eine Reihe von Charakterdarstellern auf, die in Zukunft eine große Karriere vor sich haben sollten – George Kennedy, Larry Hagman – und eine Anzahl damals bereits anerkannter Schauspieler der zweiten Reihe, wie Dana Andrews oder Franchot Tone. In einer zwar recht kleinen, doch bedeutsamen Nebenrolle ist Henry Fonda als Admiral Nimitz zu sehen. Es ist natürlich auch diesem Ensemble geschuldet, daß Premingers kleine Studien männlicher Psyche so gut funktionieren. Diese Schauspieler können mit Blicken und nur angedeuteten Gesten emotionale Verwicklung oder Angegriffenheit ausdrücken. So werden die kleinen Dramen im großen Drama des Krieges glaubwürdig.
IN HARM`S WAY ist sicherlich nicht Premingers Meisterwerk, in gewisser Weise reicht er an solche Werke wie EXODUS oder gar BONJOUR TRISTESSE (1958) nicht annähernd heran. Er ist vergleichsweise langsam inszeniert, fast will man sagen: gemächlich, er verlässt sich zu sehr auf die Krisen der Figuren, er nutzt den Krieg eher als Blaupause für die inneren und Binnenkonflikte der Protagonisten, er nutzt sein Produktionsvolumen, das recht groß war, um gewisse Schauwerte zu inszenieren, wobei man der Inszenierung deutlich anmerkt, daß es dem Regisseur eben nicht auf diese Schauwerte ankam. Die Engführung des Vater-Sohn-Konflikts mit der Vergewaltigung von Jere Torreys Freundin durch Eddington führt zwar zu enormem dramatischen Potential, Eddingtons freiwillige Sühne, mit einem Aufklärer die japanische Flotte zu suchen – ein Unterfangen, das ihn das Leben kosten wird, wie er weiß – stellt dann wiederum, zumindest oberflächlich betrachtet, Akzeptanz des kriegerischen Geschehens her. Diese Sühne kommt sicherlich einer Menge Männer zugute, der Frau, die Opfer der Tat wurde und sich ob der Schande und einer ungewollten Schwangerschaft umgebracht hat, nutzt diese Art selbstzerstörerischer Geißelung allerdings nichts. Ein von allen als guter Soldat akzeptierter Mann begeht ein schreckliches Verbrechen und büßt dies, indem er sich für seine Kameraden opfert – ein seltsam anmutender Zyklus aus Schuld und Sühne.
Preminger hat, anders als die zeitgenössische Kritik dies wahrhaben wollte, keinesfalls einen Kriegsfilm gedreht, der heroisch die Krieger dieses Konflikts überhöht oder feiert. Der Krieg bei Preminger, wenn auch eher Hintergrundgeräusch, ist kein Abenteuer, er ist ein großer Fresser, er frisst Menschenleben. Am Ende dieses Films sind alle, denen wir zuvor begegneten, tot oder verstümmelt. Nur Maggie ist aus den Wirren des Pazifikkrieges halbwegs unversehrt herausgekommen. Sie und Torrey haben vielleicht eine Chance auf eine Zukunft, die aber immer durch die Zeichen dieser Zeit geprägt sein wird. Preminger läßt den Zuschauer nicht einfach davonkommen, indem er ihm ein heldenhaftes Abenteuer präsentiert, zynisch und brutal, wie es bspw. John Sturges mit THE GREAT ESCAPE (1963) oder Robert Aldrich mit THE DIRTY DOZEN (1967) in jenen Jahren oftmals produzierten. Dort wurde der Krieg zum Abenteuerspielplatz für Männer, die nichts mehr zu verlieren hatten, hier wird er zu einer ‚mindmap‘ der angegriffen Gemütszustände der Handelnden. Es wird u.a. deutlich, daß dies Männer sind, die im Zivilleben keineswegs Militärs, sondern Ingenieure, Lehrer oder Journalisten waren. Preminger ist weitaus mehr an der seelischen Zerrüttung wirklicher Menschen interessiert und weitaus weniger an Action und Spannung, als es seine Kollegen waren. So könnte man in diesem Spannungsverhältnis gut ablesen, wie weit die Brandbreite des Zugriffs auf den damals gerade einmal zwanzig Jahre vergangenen Krieg war.
Preminger kehrte in angestammtere Gefilde zurück danach und schuf mit BUNNY LAKE IS MISSING (1965) einen weiteren Thriller, der es in sich hat. Großspektakel wie IN HARM`S WAY oder EXODUS sollte Preminger nicht wieder drehen. Und man sieht gerade hier deutlich, daß es andere Formen waren, die er beherrschte.
[1] Grob, Norbert: DREI MEISTER IN HOLLYWOOD. ERICH VON STROHEIM – WILLIAM WYLER – OTTO PREMINGER. Berlin, 2015; S.197-286.