DIE DÄMONISCHEN/INVASION OF THE BODY SNATCHERS
Don Siegels Paranoia-Klassiker kann immer noch überzeugen, auch jenseits all der politisch-ideologishen Implikationen
Dr. Hill (Whit Bissell) wird nachts in ein Krankenhaus gerufen. Der anerkannte Psychiater soll sich eines Mannes annehmen, der von der Polizei aufgegriffen wurde und wirres Zeug erzählt. Es ist ein Kollege, Dr. Miles Bennell (Kevin McCarthy). Er ist außer sich, kann von Dr. Hill aber soweit beruhigt werden, um seine Geschichte chronologisch zu erzählen.
Dr. Bennell war für zwei Wochen auf einem Kongreß. Seine Sprechstundenhelferin, die Krankenschwester Sally (Jean Willes), bat ihn, früher heimzukommen, da sich seltsame Dinge in der Kleinstadt Santa Mira, wo Bennell praktiziert und lebt, abspielten.
Sally berichtet Bennell davon, daß etliche Patienten in den Tagen seiner Abwesenheit in der Praxis angerufen hätten, aber nicht sagen wollten, was sie bedrücke.
Als Becky Driscoll (Dana Wynter) – Bennells Jugendliebe, die vor Jahren mit ihrem Gatten nach England gegangen ist – die Praxis betritt, berichtet sie von ihrer Cousine Wilma (Virginia Christine), die über ihren Onkel Ira (Tom Fadden) erzähle, er sei nicht er selbst. Dr. Bennell ist alarmiert. Bald wird er zudem Zeuge, wie der kleine Jimmy (Bobby Clark) fast panisch vor seiner Mutter davonläuft und behauptet, diese sei gar nicht seine Mutter, sie sähe nur so aus.
Dr. Bennell bemüht sich, sowohl Wilma zu beruhigen, als auch Jimmy mit einem Beruhigungsmittel zu helfen. Zudem bittet er Jimmys Großmutter, den verängstigten Jungen zu sich zu nehmen. Doch schon anderntags trifft er sowohl Wilma als auch Jimmy in einer völlig anderen Verfassung an: Beide beteuern, alles sie bestens, sie hätten sich geirrt, was ihre Verwandten beträfe.
Bennell ist skeptisch. Er geht mit Becky aus – beide stellen fest, daß sie soeben geschieden wurden, was einer neuerlichen Affäre natürlich dienlich ist – und erfährt, daß das Restaurant, sonst gut besucht, seit ca. zwei Wochen so gut wie keine Gäste mehr hat. Zudem treffen die beiden vor dem Restaurant Dr. Kauffman (Larry Gates), einen Psychiater, der Bennell von ähnlichen Erlebnissen mit seinen Patienten erzählt. Er glaubt an eine Massenhysterie, die sich wieder legen werde. Gerade als Bennell und Driscoll ihre Aperitifs nehmen wollen, erreicht sie ein Anruf: Bennells Freund Jack Belicec (King Donovan) bittet den Arzt, zu ihm nachhause zu kommen, er müsse ihm etwas zeigen.
Bei Jack angelangt, treffen sie ihn und seine Frau Theodora (Carolyn Jones) nahezu aufgelöst an. Auf Jacks Billardtisch liegt ein offenbar toter Mann, der ein, wie Jack es empfindet, „unfertiges“ Gesicht habe und keinerlei Fingerbadrücke aufweist. Dennoch meinen alle eine gewisse Ähnlichkeit mit Jack zu erkennen.
Bennell bittet Jack und seine Frau, den Körper zu beobachten, während er Becky heimbringt. Bei ihr zuhause treffen sie Beckys Vater (Kenneth Patterson) an, der trotz der späten Stunde aus dem Keller kommt und behauptet, dort etwas erledigt zu haben.
In der Nacht beobachtet Theodora, wie die Leiche, die immer mehr Jack ähnelt, die Augen öffnet. Zudem weist sie eine Schnittwunde an exakt der gleichen Stelle auf, wo Jack sich früher am Abend geschnitten hatte.
Jack und Theodora fahren zu Bennell. Der ahnt Böses und eilt zu Beckys Haus. Er steigt heimlich durch den Keller ins Haus ein und findet dort unten ein Duplikat von Becky, das ebenfalls im „Werden“ ist. Er holt Becky aus ihrem Schlafzimmer und bringt sie zu seinem Wagen. Dann holen die beiden Jack und Theodora ab. Gemeinsam fahren alle zu Jacks Haus, wo sie den vermeintlichen Leichnam aber nicht mehr vorfinden. Dr. Kauffman wird hinzugezogen, unterstellt Bennell aber eine Halluzination. Bennell fordert ihn auf, mit zum Haus der Driscolls zu kommen, dort zeige er ihm Beckys Doppelgängerin.
Doch auch dieser Körper ist verschwunden. Beckys Vater taucht im Keller auf und stellt alle zur Rede. Dann kommt der Polizist Sam (Guy Way) hinzu, der sie auffordert, den Keller zu verlassen und heim zu gehen. Alles ließe sich aufklären, man habe in einem Feld die Leiche eines gesuchten Verbrechers gefunden, dessen Fingerkuppen verätzt gewesen seien.
Jack und Theodora bleiben fürs Erste bei Bennell. Ebenso Becky. Gemeinsam will man überlegen, wie weiter vorzugehen sei. Im Gewächshaus entdeckt Bennell dann aber vier pflanzenähnliche Kapseln, er nennt sie „Riesenbohnen“, aus denen vor den entsetzten Augen aller Anwesenden unfertige Körper hervorbrechen, die nach und nach die Gesichter und Maße von Bennell, Becky, Jack und Theodora annehmen.
Bennell will die Polizei rufen, beschließt aber, nicht die Dienststelle in Santa Mira zu verständigen, sondern sich vom diensthabenden Fräulein mit der Polizei von Los Angeles verbinden zu lassen. Leider, so die Telefonistin, seien alle Leitungen nach L.A. belegt, ebenso die nach San Francisco und jene nach Sacramento ebenfalls. Bennell begreift nach und nach, womit man es zu tun hat: Die Pflanzen stellen Duplikate der Menschen von Santa Mira her, die dann die Originale im Schlaf töten oder schlicht übernehmen. Offenbar ist diese Übernahme weiter vorangeschritten, als alle bisher dachten. Bennell ist überzeugt, daß auch die Telefonistin bereits ausgetauscht wurde.
Jack und Theodora fahren los, Hilfe holen. Bennell und Becky wollen in seinem Haus bleiben, sollte die Telefonistin zurückrufen und überprüfen, ob sie noch da sind. Damit sie keinen Verdacht schöpfen kann, wollen Bennell und Becky die Anrufe annehmen. Schon bald klingelt das Telefon, Becky nimmt ab und merkt, daß etwas mit der Frau am andern Ende nicht stimmt. Nachdem Bennell die Kapseln und die Doppelgänger zerstört hat, fliehen sie aus dem Haus. Bennell will Sally abholen, da sie die einzige ist, der er neben Becky restlos vertraut. Doch am Haus seiner Sprechstundenhilfe angekommen, wird Bennell Zeuge einer Zusammenkunft mehrerer Bürger der Stadt. Darunter auch Sally und Beckys Vater. Sie sind gerade dabei, eine der Kapseln in das Bett eines Säuglings zu legen und freuen sich darauf, daß es nie wieder Kindergeschrei gäbe. Bennell wird entdeckt, kann aber fliehen.
Er und Becky fahren in seine Praxis, wo sie sich verstecken. In der Stadt ist offenkundig bereits eine Suchaktion nach ihnen angelaufen. Am nächsten Morgen können sie durch das Fenster der Praxis beobachten, wie Lastwagen in die Stadt gefahren kommen, beladen mit Kapseln, die dann an Bürger umliegender Dörfer und kleinerer Ortschaften verteilt werden. Die sollen sie mitnehmen und in ihren Heimatorten verteilen.
Während Bennell und Becky überlegen, was nun zu tun sei, tauchen Dr. Kauffman und Jack auf. Offensichtlich sind auch Jack und Theodora mittlerweile verwandelt. Der Arzt und Bennells ehemaliger Freund fordern diesen und Becky auf, aufzugeben und sich der Verwandlung zu überlassen. Es sei einfach und tue nicht weh, im Schlaf okkupiere der nachempfundene Körper, der den Kapseln entwachse, den Geist der betreffenden Person. Danach sei das Leben einfacher, da es keine Gefühle mehr gäbe, also auch keinen Hass und keine Angst. Aber auch keine Liebe.
Bennell und Becky gehen scheinbar auf das Angebot ein, doch gelingt ihnen mit einem waghalsigen Manöver die Flucht. Bennell schlägt vor, sie sollten Richtung Freeway laufen, wo sie vielleicht eine Mitfahrgelegenheit fänden. Sie flüchten querfeldein, doch bald schon sind ihnen ihre Häscher auf den Fersen. Erschöpft finden sie Zuflucht in einem alten Minenschacht, wo sie sich unter einigen morschen Brettern verstecken können. Die Verfolger suchen sie, können sie aber nicht finden.
Becky ist vollkommen erschöpft. Da erklingt ein lieblicher Gesang. Bennell will herausfinden, woher die Melodie kommt und lässt Becky in der Höhle zurück, ermahnt sie aber, ja nicht einzuschlafen. Er klettert den Berghang hinauf und beobachtet hinter einem Felsen hervor, wie aus langen Treibhäusern mehr und mehr der Kapseln hervorgeholt und auf Lastwagen verladen werden. Der Gesang, den er und Becky gehört haben, kam aus einem der Radios in einem der Laster.
Zurück in der Höhle trifft Bennell Becky an. Die beiden küssen sich, doch es ist genau dieser Kuss, der Bennell den ganzen Horror offenbart: Auch Becky ist mittlerweile verwandelt. Sie sei eingeschlafen und es sei, wie von Jack beschrieben: Die Übernahme durch den fremden Körper sei schmerzlos und einfach. Bennell flieht, Becky ruft nach ihren Mitverschwörern.
Bennell erreicht schließlich die Autobahn und versucht, einen Wagen anzuhalten, doch niemand will ihn mitnehmen. Erst recht will niemand seine Warnungen hören. Er springt hinten auf einen Lastwagen, der aber vollgeladen mit den fremdartigen Kapseln ist. Bennell springt wieder ab und steht hilflos schreiend auf der Straße.
Hier endet seine Erzählung. Wie erwartet glaubt auch Dr. Hill nicht an außerirdische Pflanzen, die Duplikate von Menschen herstellen. Gerade als er Dr. Bennell abholen und einweisen lassen will, wird aber ein schwer verwundeter Mann in die Notaufnahme des Krankenhauses gebracht. Er sei, so der Sanitäter, von einem Lastwagen voller seltsamer „Riesenbohnen“ angefahren worden. Dr. Hill fordert die Polizisten auf, sofort Maßnahmen zu ergreifen und die Straßen sperren zu lassen, niemand dürfe nach Santa Mira hinein oder die Stadt verlassen…
Wie so viele spätere Meister-Regisseure, die im klassischen Studio-System Hollywoods ausgebildet wurden, lernte auch Don Siegel sein Handwerk anhand einer ganzen Reihe von Kriminalfilmen, viele davon dem ‚Film Noir‘ zuzurechnen. Bei den oft billig produzierten Filmen, die ungeachtet ihres späteren Status als Klassiker in ihrer Zeit als Massenware betrachtet wurden, konnten junge Filmemacher lernen, effizient zu drehen, sie machten Erfahrungen mit Licht und dem Spiel aus Licht und Schatten, sie konnten sich darin schulen, wie man mit wenigen Mitteln Atmosphäre schafft und Spannung erzeugt. Es mag also auch an dieser Lehrzeit liegen, daß Siegels erster echter eigener Klassiker über weite Strecken wie ein ‚Film Noir‘ wirkt.
INVASION OF THE BODY SNATCHERS (1956) ist auf den ersten Blick einer jener kleinen, harten und schnell gedrehten Science-Fiction-Filme der 50er Jahre, die immer auch schon ein wenig in den Bereich des Horrorfilms überlappen. Der Meister dieses Fachs war zweifelsohne Jack Arnold, der mit CREATURE FROM THE BLACK LAGOON (1954) oder der Riesenspinne TARANTULA (1955) einige der furchteinflößendsten Monster der Filmgeschichte auf die Leinwand losließ. Unterhaltsame Filme, deren damaliger Wert in ihrer schnellen Vermarktbarkeit in Autokinos oder der Provinz lag. Und doch klang in ihnen immer auch ein Subtext an, der ein subtiles Mehr bedeutete. Sie erzählten auf hintersinnige Weise etwas über ihre Zeit, spiegelten die Verfassung der amerikanischen Gesellschaft, legten unterbewußte Ängste und ebensolches Begehren frei. Sie waren meist psychologisch und ideologisch doppeldeutig, oft prangerten sie unkritischen Glauben an den technischen Fortschritt an und feierten ihn zugleich, da er meist auch die Lösung für die entstandenen Probleme bot. So waren oftmals radioaktive Strahlen Ursache für mutierte Insekten oder plötzlich schrumpfende Menschen, zugleich war in TARANTULA schließlich Napalm die Lösung, um sich der immer weiter wachsenden Spinne zu erwehren.
Mit dieser Technikgläubigkeit einher ging ein zunehmender Glaube an die Wissenschaft. Die Autoritäten in diesen Filmen waren nicht die Polizisten oder die Detectives der harten Kriminalfilme der 30er Jahre, sondern es waren oft Ärzte, Psychologen (mehr noch Psychiater) oder Forscher. Sie besaßen Spezialwissen, sie verstanden die Zusammenhänge und konnten Lösungen anbieten, die jenseits des gesunden Menschenverstands oder der puren Gewalt lagen.
Siegel bot in seinem Film als Autorität ebenfalls einen Arzt, aber keine Monster auf. Im Gegenteil: Der Schrecken in INVASION OF THE BODY SNATHCERS rührt gerade daher, daß alles vollkommen normal erscheint. Hypernormalität, wenn man so will. Menschen sehen aus wie immer, sie sprechen wie immer, benehmen sich eigentlich wie immer – und sind doch nicht sie selbst. Einige spüren dies: Ein kleiner Junge, eine junge Frau, eine Krankenschwester. Ihnen fällt auf, daß einige der Menschen in der Kleinstadt Santa Mira, die sie kennen, mit denen man sich morgens am Gartenzaun, mittags im Diner oder abends auf der Veranda unterhält, nicht mehr sie selbst zu sein scheinen. Diese Menschen sind kalt, wirken distanziert. Nach und nach findet der Arzt Miles Bennell mit Hilfe seiner Jugendliebe Becky Driscoll heraus, daß man es offensichtlich mit einer Invasion aus dem All zu tun hat. Pflanzenähnliche Wesen bilden die Körper der Menschen nach und okkupieren schließlich ihren Geist. Diese Widergänger ihrer humanen Vorbilder sind aber bar aller Emotionen. Sie empfinden nichts, keine Liebe, keine Angst, keine Gefühle. Siegel nimmt etwas vorweg – auch wenn die Erklärung schließlich eine übernatürliche ist – , das erst in den 60er Jahren typisch für den Horrorfilm werden sollte: Das Grauen besteht nicht in mythischen Wesen, einem Vampir oder Werwolf, sondern es entspringt aus der Mitte der Gesellschaft. Eben jener Nachbar, ein Verwandter oder Freund kann ein Ungeheuer sein, kann das Böse in sich tragen. Man kann das Monster nicht erkennen, da es in Menschengestalt daherkommt.
In der offensichtlichen und doch so falschen Normalität besteht der eigentliche Schrecken des Films. In einer entscheidenden Szene stehen Bennell und seine Geliebte ihren Häschern gegenüber, die ihnen ganz ruhig, fast freundlich, erklären, wie viel besser ein Leben ohne Gefühle sei. Diese Wesen streben offenbar eine gleichgeschaltete Gesellschaft an, eine Gesellschaft, in der sich alle, bei äußerer Unterschiedlichkeit, gleichen, nach dem gleichen streben, sich auf das gleiche Ziel fokussieren. Eine Gesellschaft des Kollektivs, wenn man so will, nicht der Individuen. Damit standen jeglicher Interpretation Tür und Tor natürlich weit offen. War dies eine Warnung vor dem Kommunismus? Oder doch eher vor den Mitteln, die die amerikanische Gesellschaft ergriffen hatte, um ihn zu besiegen?
Die späten 40er und die 50er Jahre waren geprägt von einem harschen Antikommunismus, der die amerikanische Gesellschaft zu spalten drohte. Kommunistenhass hatte sich tief in die konservativen Kreise eingefressen, die Angst vor einer „roten Unterwanderung“ war weit verbreitet, sie nahm hysterische Züge an. Mit den Maßnahmen, die der Senator Joseph McCarthy ergriff, dem von ihm gegründeten House Un-American Activities Commttee, kurz HUAC, wurde ein nahezu paranoider Zustand erreicht, Teile der Politik und mit ihr Teile der Gesellschaft drifteten in eine zumindest prae-faschistische Richtung, wenn sie nicht schon deutlich faschistoide Tendenzen aufwies. Wahn und Denunziantentum griffen um sich – und wurden gefördert.
In Hollywood wurden Schauspieler, Regisseure, vor allem Drehbuchautoren vor den Ausschuß geladen und sollten Namen von Freunden und Kollegen nennen, die entweder früher Anhänger der Kommunistischen Partei gewesen waren oder aber der Partei immer noch angehörten. Schon deshalb eine perfide Praxis, weil Hollywood sich während des Krieges klar an die Seite der Alliierten, also auch der Sowjetunion, gestellt hatte und in den Jahren zuvor – den Jahren der Depression – Sozialismus und Kommunismus Lösungen für die herrschenden Probleme ökonomischer wie kultureller Natur versprachen. Gerade Intellektuelle hatten ihre Hoffnungen auch auf die Entwicklungen in der Sowjetunion gesetzt. Viele hatten sich dann aber abgewandt, als das unmenschliche Gulag-System und die Schrecken des Stalinismus immer bekannter wurden. Die Anhörungen vor HUAC ließen Karrieren, Freundschaften, Familien zerbrechen. Wer sich zu kooperieren weigerte, landete auf „schwarzen Listen“, erlitt Berufsverbot, fand keine Arbeit mehr in Tinsel Town. In den schlimmsten Jahren dieser Entwicklung konnte durchaus der Eindruck entstehen, daß hier Pest mit Cholera, das Gift des Kommunismus mit dem Gift des Faschismus bekämpft wurde. Hinzu kam, daß sich McCarthys wilde Beschuldigungen, es gebe Hunderte sowjetischer Spione im Außen- oder Verteidigungsministerium, so gut wie nie bewahrheiteten. Es waren wahrlich Jahre der schleichend um sich greifenden Paranoia. Hollywood griff dieses schleichende Gift auf, spiegelte es, befeuerte es auch und machte es sich zunutze, um daraus spannende Unterhaltung zu extrahieren.
INVASION OF THE BODY SNATCHERS ist einer dieser frühen Paranoiathriller schlechthin. In schwarz-weiß gedreht, in weiten Teilen bei Nacht spielend, vermittelt er ein dumpfes, unterschwelliges Gefühl der Bedrohung, einer Bedrohung, die nie wirklich fassbar ist. Anders als die mittlerweile als klassisch betrachteten Paranoiathriller der 70er Jahre, deren Bedrohungen zugleich sehr viel realistischer als auch abstrakter waren – die Regierung, die aber nie wirklich in Erscheinung trat, Konzerne, versteckt hinter den spiegelnden Glasfassaden von Hochhäusern – nutzte Siegel, der Zeit entsprechend, das Genre und eine außerirdische, also übernatürliche Macht, um eine bedrohliche Lage zu schaffen, die für das Individuum, darüber hinaus aber auch für die Gesellschaft als solche gefährlich zu werden droht.
Dabei bleibt er ambivalent. Mag die Erklärung für die Geschehnisse in Santa Mira auch eine außerweltliche sein, die Bedrohung bleibt, wie oben beschrieben, menschlich, weil es eben Menschen, wenn auch Duplikate ihrer selbst, sind, von denen die Gefahr ausgeht. Die Ambivalenz spiegelt sich auch in der Verwendung von Wissenschaftlern. Dr. Bennell ist ein, wie er selber sagt, kleiner Landarzt. Die Experten – in Gestalt von Dr. Kauffman, einem ortsansässigen Psychiater – sind undurchschaubar und entpuppen sich in diesem Fall sogar als mit der fremden Macht verbündet, bzw. sind dieser anheimgefallen. Dr. Hill, der sich in der Rahmenhandlung Bennells annimmt, ist erst durch einen handfesten Beweis, den er eher zufällig erhält, von der wüsten Geschichte zu überzeugen, die Bennell erzählt. Der Wissenschaftler ist in INVASION OF THE BODY SNATCHERS also durchaus noch doppeldeutig zu lesen.
Sowohl Siegel als auch sein Produzent Walter Wenger haben immer wieder beteuert, bei den Dreharbeiten nie an mögliche politisch-ideologische Implikationen ihres Films gedacht zu haben. Sie hätten einfach eine gute, spannende und unterhaltsame Geschichte erzählen wollen. Es sind typische Aussagen von Hollywood-Machern, die ungern festgelegt werden. Dennoch sollte man ihnen zunächst glauben und unterstellen, daß all die Interpretationsmöglichkeiten, die INVASION OF THE BODY SNATCHERS bietet, eher passiert sind, als daß sie von Anfang an impliziert waren.
So betrachtet, kann man sich durchaus erst einmal auf das Wesentliche konzentrieren. Und das ist ein äußerst gelungener, auch heute noch packender Thriller. Siegels Film ist vor allem spannend. Von Anfang an zieht er den Zuschauer in den Bann der Ereignisse, er braucht nicht lange, bis er zum Punkt kommt und hält ab dem Moment, in dem man begreift, daß etwas Ungewöhnliches vor sich geht, Spannung und Tempo hoch. Die Action kommt spät, dann aber weiß Siegel sein Publikum mit der Flucht des Arztes und seiner Geliebten in Atem zu halten. Die Schrecken einer pogromartigen Stimmung, die die bereits „ersetzten“ Menschen hinter den beiden her hetzen lässt, ist ebenso spürbar, wie die Angst, die die Verfolgten packt. Es ist eine Albtraumsituation: Die Menschen, die eigentlich deine Freunde sind, verfolgen dich und wollen dir das Leben – zumindest das bisher gewohnte Leben – nehmen. Man kann niemandem mehr vertrauen und weiß zudem, daß das Schicksal der Menschen, gar der Menschheit, von dem Wissen abhängt, über das man verfügt. Das einem aber niemand glaubt, klingt die Geschichte von den körperersetzenden Außerirdischen doch allzu fantastisch.
Gerade indem Siegel lange auf allzu plakative Action verzichtet, indem er die Normalität einer spießigen Kleinstadt beschreibt und teils ins Maßlose steigert, die Menschen beim Rasenmähen und beim Spaziergang zeigt, bei alltäglichen Verrichtungen, die mit einem Mal alle nicht mehr authentisch, nicht mehr „echt“ wirken, die nun plötzlich Fremde dabei mit einer immer gleichbleibenden Freundlichkeit ausstattet, zumindest, bis man sich ihnen allzu deutlich widersetzt, macht das Grauen aus. Dies alles geschieht meist in der gleißenden kalifornischen Sonne. Offen liegt die Stadt da, einladend wie eh und je. Und doch stimmt etwas nicht, Bennell spürt es, Mrs. Driscoll spürt es – und wir spüren es auch. Es ist eine zunehmend unangenehme Atmosphäre, die die Regie gekonnt, weil kaum merklich, aufbaut. Aber wenn Bennell und Driscoll dann die Flucht angetreten haben, sich durch die nächtliche Stadt schleichen, enge, lange Gassen entlangrennen müssen, um sich zu verstecken, wenn sie schließlich durch die Santa Mira umgebende hügelige Einöde fliehen, um zum Freeway zu gelangen, wo sie eine Mitfahrgelegenheit nach Los Angeles zu finden hoffen, wenn sie sich in einer alten Mine unter Brettern verstecken, nutzen Siegel und Kameramann Ellsworth Fredericks die Möglichkeiten des ‚Film Noir‘, um Spannung zu erzeugen, aber auch, um die Angst der beiden Flüchtenden zu verdeutlichen.
Nie wissen wir, was in den Schatten lauert, manches können wir nur erahnen. Eine Totale des durch eine Gasse fliehenden Paares, das nur noch als Silhouetten erkennbar ist, wird zum Sinnbild des Films: Die gewohnte Umgebung, die Stadt, in der man aufgewachsen ist und lebt, all das, was einem so vertraut erscheint, wird zur Bedrohung, verliert seinen gewohnten Bezugsrahmen. Selten wird die Mise-en-Scene deutlich, offenbart uns wirklich den Schrecken Begründendes. Wenn sie es aber tut, scheut Siegel sich nicht, den Zuschauer durchaus zu schockieren. In seinem Gartenhaus findet Bennell die seltsamen Kapseln, „Riesenbohnen“, wie er sie nennt, und bald schon öffnen sie sich und geben sich langsam entfaltende Gebilde frei, die mehr und mehr menschliche Formen annehmen. Bis sie schließlich bis in die Details hinein ihm, seiner Geliebten und einem befreundeten Paar gleichen. Obwohl auch all das im Schatten geschieht, obwohl es nicht grell ausgestellt wird, hat es – erst recht für einen Film von 1956 – durchaus schauerliches, ja, sogar ein gewisses Ekelpotential. Die Kapseln sehen wir später, wie sie an die Stadtbevölkerung verteilt werden – damit sie in den Häusern deponiert und auch die letzten verbliebenen „echten“ Menschen ersetzt werden können – , dann in einem Gewächshaus, wo sie gezüchtet werden und schließlich auf einem Laster, auf den Bennell auf seiner Flucht springen will. Spätestens an diesem Punkt wird klar, daß die außerirdische Macht es darauf anlegt, schleichend die Menschheit zu ersetzen. Und wo finge man einen solchen Plan besser an, als in der Provinz? Die gebiert ja bekanntlich Monster.
Sowohl Wenger als auch Siegel beteuerten nach Veröffentlichung des Films, sie seien zwar technisch für die Rahmenhandlung verantwortlich, hätten sie aber beide nicht gewollt. Der Prolog ist noch zeittypisch: Ein Mann wird aufgegriffen und behauptet Unsinniges, ein zugewandter Psychiater hört ihm zu und so gleitet die Handlung in eine Rückblende hinüber, begleitet von einer Voice-Over. Anders sieht es da schon mit dem Epilog aus. Das letzte Bild der regulären Handlung zeigt uns Doktor Bennell auf dem Freeway, zwischen den fahrenden Wagen herumirrend, die Fahrer anflehend, ihm doch zuzuhören, sie seien alle in Gefahr. Wenn das Bild dann zum Beginn zurückkehrt, wird Bennell natürlich nicht für voll genommen, bis – zum Glück für den Arzt – ein Mann ins Krankenhaus eingeliefert wird, der von einem Laster voller „seltsamer Riesenbohnen“ überfahren wurde. Und schon schenken alle Bennells Geschichte Glauben und die Maßnahmen zur Verteidigung Amerikas laufen an. Es ist ein Happy-End, von dem man sich vorstellen kann, daß es vom Studio gefordert wurde. Aber es wirkt aufgesetzt, es passt nicht zu den ausgesprochen düsteren letzten Momenten dessen, was in der fertigen Fassung des Films, Bennells Erzählung war. Denn da muß er – in einem fürchterlichen Kuss, dem er mit schreckensweiten Augen entnehmen kann, daß seine Geliebte keine Gefühle mehr hegt, ein wahrlich grausiges Bild – nicht nur feststellen, daß er auch seine Geliebte verloren hat, als er einer sirenenhaften Stimme gefolgt ist, um herauszufinden, woher der Gesang kommt – letztlich nur ein banales Radioprogramm – sondern auch, daß ihm schlicht niemand glaubt. Er kennt die Wahrheit, aber er wird sie mitnehmen, wohin auch immer. Es ist ein fürchterliches, ein düsteres Ende, das Siegel seinem Film eigentlich zugedacht hatte.
Ohne die Rahmenhandlung könnte man dann eben doch glauben, daß Siegel und auch Drehbuchautor Daniel Mainwaring durchaus einen gesellschaftskritischen Hintergedanken hatten. Allerdings weder einen antikommunistischen, noch einen antifaschistischen, sondern einen zutiefst pro-amerikanischen. Es ist die Verteidigung des Individualismus, dessen, was so gern the american way of life genannt wird. Die amerikanische Lebensart. Sicher schwingt in der Darstellung der Kleinstadt auch ein gewisses urbanes Überheblichkeitsgefühl mit, doch zugleich ist diese Welt auch die, die für ein friedliches Miteinander, für eine Gesellschaft steht, in der noch alles in Ordnung ist. Die Bedrohung dessen ist die Konformität. Die Gleichschaltung. Natürlich steckt ein gewisses ironisches Moment darin, daß die Bedrohung insofern von innen kommt, als daß die Außerirdischen den ganzen Transformationsprozeß durchlaufen, um die Menschheit zu übernehmen – und ihnen das ausgerechnet da am besten gelingt, wo die Konformität bereits auf ganz natürliche Weise um sich greift. In der Provinz eben, wo jeder jeden kennt und sozial überwachen kann. Modern mutet an dieser Kleinstadtgesellschaft am ehesten an, daß sie einen Arzt als Autorität akzeptiert, der soeben geschieden wurde und der sich gleich mit einer Frau zusammentut, die ebenfalls eben erst ihren Mann verlassen und die Scheidungspapiere unterschrieben hat. Auch auf dieser Ebene zeigt sich also eine gewisse Doppelbödigkeit. Könnte es sein, daß der american way of life womöglich auch ohne das Zutun fremder, gar außerirdischer Kräfte dabei war, sich grundlegend zu verändern? Veränderung aber, das zeigt INVASION OF THE BODY SNATCHERS durchaus, kommt von innen, unabhängig davon, ob sie implementiert wurde oder aus dem einzelnen selbst entwächst.