DIE UNGLAUBLICHE GESCHICHTE DES MR. C/THE INCREDIBLE SHRINKING MAN
Potenzangst, Paranoia und Philosophie in Jack Arnolds berühmten Werk
Der jungen Scott Carey (Grant Williams), der während eines Bootsurlaubs mit seiner Frau Louise (Randy Stuart) für Sekunden einer substanziell nie näher definierten Wolke ausgesetzt ist, die über das Boot hinwegzieht, während Louise unter Deck ist, stellt Monate später fest, daß er anfängt zu schrumpfen. Erst passen ihm die Anziehsachen nicht mehr, dann stellt er fest, daß er plötzlich kleiner ist als Louise.
Die Ärzte und Wissenschaftler sind überfragt, erst spät – Scott ist mittlerweile nur noch 90 Zentimeter groß – finden sie zumindest ein Mittel, das den Schrumpfungsprozeß aufhält. Scott, der, um Geld für die aufwendige Behandlung zu generieren, seine Geschichte an die Medien verkauft hat, verliert zusehends die Nerven, greift Louise an, sieht sich selbst als lächerlichen Wicht und Versager.
Eines Tages rennt er aus dem Haus und lernt in der Stadt die Varieté-Künstlerin Clarice (April Kent) kennen, die selber nur ca. 90 Zentimeter misst, dies jedoch schon ihr ganzes erwachsenes Leben lang. Sie kann Scott zeitweilig überzeugen, sein Schicksal anzunehmen. Doch dann beginnt der Prozeß erneut und schließlich lebt Scott in einem selbstgebastelten Puppenhaus. Zwischen ihm und Louise kommt es fast nur noch zu zufälligen Begegnungen, da schon ihre Stimme für ihn reines Gedröhn ist, während sein Stimmchen hingegen sie kaum mehr erreicht.
Als Louise versehentlich die Haustür offen stehen lässt, schlüpft die mittlerweile des Hauses verwiesene Katze herein. Während Louise einkaufen geht, kommt es zwischen Scott und dem Tier zu einem Kampf auf Leben und Tod, der damit endet, daß Scott die Kellertreppe hinunterfällt. Er überlebt dank einer Kiste mit Stoffresten, in die er stürzt. Nun jedoch gibt es keine Hoffnung mehr für ihn, je wieder in die Welt der „normalen“ Menschen zurückzukehren, da die Kellertreppe sich als unüberwindbares Hindernis darstellt. Zudem zieht Louise, die Scott, nachdem sie lediglich ein blutiges Tuch gefunden hat, für tot erklären lässt, aus dem gemeinsamen Haus aus.
Scott muß nun mit den Bedingungen des Kellers Vorlieb nehmen. Er muß lernen, sein neues Reich anzunehmen und die darin enthaltenen Aufgaben und Gefahren zu meistern. Und als eigentliche Nemesis, als seine Prüfung, erweist sich schließlich eine Spinne, die ihn als natürlichen Feind – oder natürliche Nahrung – begreift. Nachdem es Scott schließlich gelungen ist, diesen Kampf für sich zu entscheiden, kann er sein Schicksal endlich akzeptieren und sich als Teil von etwas Größerem, das sich immer im Kleinen spiegelt, begreifen. Scott ist sozusagen „Mensch“ geworden, indem er den Übermenschen in sich entdeckt und entfesselt hat. Er begreift sich als Teil einer Umwelt/Natur, die er zwar bezwungen hat, die ihm aber auch Demut abverlangt. Und in der er sich schließlich verlieren wird.
Universal (International) Pictures sind natürlich eins der großen Studios in Hollywood, insofern steht es für so unterschiedliche Produktionen und Klassiker wie ALL QUIET ON THE WESTERN FRONT (1930), DESTRY RIDES AGAIN (1939) oder THE KILLERS (1946), doch hat Universal sicherlich vor allem Filmgeschichte geschrieben mit den sogenannten Universal-Monstern, die den Universal-Horror begründeten: Dracula und Frankensteins Ungeheuer, der Wolfsmann oder der Unsichtbare sind nur die bekanntesten unter ihnen. Vor allem die 30er Jahre stehen für diese Filme und für den Kult drum herum. Doch gelang es dem Studio spätestens in den 50er Jahren – die 40er waren durch den Krieg geprägt, der genügend realen Horror mit sich und das Genre deshalb fast zum Erliegen brachte, bzw. in humorige Bereiche trieb, wie die berüchtigten ‚Abbott & Costello meet…‘-Filme beweisen – , an die großen Erfolge anzuschließen. Und so wie für den klassischen 30er-Horror der Regisseur James Whale (FRANKENSTEIN; THE OLD DARK HOUSE) exemplarisch steht, so könnte dies für die 50er Jack Arnold sein, der mit CREATURE FROM THE BLACK LAGOON (1954) einen der wesentlichen Horror/Monsterfilme der Dekade vorlegte, mit IT CAME FROM OUTER SPACE (1953) einen der wichtigsten Science-Fiction-Filme und mit TARANTULA (1955) die ab dann kaum mehr zu trennende Mischform beider Genres wenn nicht erfand, so doch zumindest zu einem ihrer frühen Höhepunkte führte. Sein letzter Film für die Universal war schließlich der hier vorliegende THE INCREDIBLE SHRINKING MAN (1957). Und in mancherlei Hinsicht war es sicher sein bester Film, für ihn selbst galt diese Betrachtung sowieso, das hat er später oft geäußert.
Der Monster/Science-Fiction/Horrorfilm der 50er Jahre war geprägt durch Paranoia und Ambivalenz. Da werden Menschen – wie in Don Siegels INVASION OF THE BODY SNATCHERS (1956) – heimlich, still und leise gegen willfährige Doppelgänger ausgetauscht, durch atomare Versuche werden Tiere unnatürlich vergrößert – wie die Ameisen in Gordon Douglas THEM! (1954) – oder – wie in Arnolds eigenem CREATURE OF THE BLACK LAGOON – das Unterbewusste öffnet seine Pforten, seine Phantasien werden konkret und es greift nach uns aus und symbolisiert die triebhafte, rein sexuelle Bedrohung für das „saubere“ amerikanische Paar. Einher ging dies ebenso mit einer Hinwendung zu konservativen Werten, geprägt durch McCarthys Kommunistenhatz, wie auch mit einer subtilen Kritik an genau dieser Entwicklung. In Siegels Klassiker bspw. wollten viele genau dies aufgegriffen sehen, im guten wie im schlechten Sinne, konnte die Infiltration durch Außerirdische doch gut gelesen werden als Metapher auf die subversive „rote Gefahr“, aber ebenso auch als Warnung vor faschistoider Gleichschaltung (durch McCarthy selbst); einher ging dies auch mit der Verherrlichung technischen Fortschritts – wie der recht unbekümmerten Nutzung der Atomkraft – und der Warnung vor dieser im selben Atemzuge, wofür THEM! und auch Arnolds TARANTULA beispielhaft stehen. Ein dritter Komplex, der hier oft auf eher subversive Art und Weise abgehandelt wurde, war die Sexualität, die Angst vor jenen Trieben, die in uns schlummern und die ein junger Mann aus Topelo, Mississippi, mit seinen Hüftschwüngen so ungeschminkt bereit war zur Schau zu stellen. Diese Filme erzählten von der Ambivalenz, die mit all diesen Entwicklungen einherging, die einerseits begrüßt wurden, andererseits Ängste vor Vernichtung oder (seelischem oder gesellschaftlichem) Chaos schürten. Selten bekannte sich Hollywood mit solcher Wonne zu den Unsicherheiten und Widersprüchlichkeiten, die es stellvertretend für die Gesellschaft thematisierte.
In THE INCREDIBLE SHRINKING MAN kommen viele Themen zusammen, die den Regisseur Jack Arnold immer schon fasziniert hatten. Der Schrecken im Alltäglichen, Größenrelationen, die Psychologie des Horrors. Der Film bedient sich einer fast philosophisch anmutenden Geschichte. Vor allem die letzten Minuten des Films, in denen Scott in einer dialektischen Denkbewegung geradezu nietzscheanische Ideen entwickelt, machten für viele Kritiker den philosophischen Gehalt des Films aus. Dabei wird allerdings gern übersehen, daß zum einen schon die Auseinandersetzung mit Clarice, der Liliputanerin, zum andern aber ab jenem Moment, da Scott im Keller zu leben hat, die Entwicklung des Films deutlich in diese Richtung geht. Zuvor – und nicht nur darin unterscheidet er sich deutlich von Arnolds früheren Filmen – liegt das Hauptaugenmerk des Films auf der Psychologie seiner Hauptfigur. Scott, der uns auf dem Boot zu Beginn des Films als gutaussehender, zwar konservativ-patriarchalen Werten zuneigender, doch durchaus „moderner“ junger Mann begegnet, entwickelt mit abnehmender Körpergröße immer aggressivere Züge, spielt sich vor Louise als machohafter Kerl auf, der er unter „normalen“ Umständen ja nie gewesen ist. Selbsthass und die Angst vor einer ungewissen Zukunft (im Molekularbereich?) machen aus ihm zusehends einen unfreundlichen und nicht nur aufgrund seiner Größe isolierten Mann. Der Film ist ein Paradebeispiel dafür, wie gerade im Genrekino unterdrückte oder verdrängte Ängste und Nöte zum Ausdruck kommen. Potenzängste eines Mannes, der nicht mehr „wächst“, der zusehends kleiner werdend die Macht über sein Leben, aber auch die Position eines Gatten und Liebhabers verliert. Betrachtet man aus heutiger Distanz die so patriarchalen und wertkonservativen 50er Jahre, kommt hier natürlich die tiefe Verunsicherung des weißen, puritanischen Mannes zum Ausdruck, der zwölf Jahre nach dem Krieg – der aus Buchhaltern und Vertretern für Haushaltsgeräte Helden machen konnte – nicht mehr „Herr im eigenen Haus“, nicht mehr das Familienoberhaupt ist, welches Frau und Kindern Sinn und Richtung des alltäglichen Lebens vorgibt[1]. Es ergibt sich ein interessanter Zusammenhang zu Tod Brownings frühem Skandalfilm FREAKS (1932). Dort lernen wir eine Truppe Zirkuskünstler kennen, die alle im klassischen Sinne „entstellt“ sind, „Mißgeburten“. Sie leben aber im geschützten Raum der Zirkus- und Artistenwelt ein normales Leben, sie lachen, leiden und lieben wie jeder andere Mensch auch. Die „normalen“ Menschen sind es, die durch abnorme Gier Unheil und Leid über diese liebenswerten Geschöpfe bringen. In Arnolds Film wird die Angst thematisiert, die den ergreifen kann, der bis eben noch als normal galt und plötzlich aus dem konventionellen Rahmen fällt. Clarice´ Erscheinen in Scotts Leben wirkt wie ein Spiegelbild zu dem älteren Film. Als wolle Arnold uns erzählen, wie es jenen geht, die einst im Publikum saßen und den „Freaks“ zuschauten, sich an ihren delektierten, die dann aber unmerklich selber hinüber wandern ins Lager eben jener „Freaks“.
Eine der Obsessionen des Regisseurs Jack Arnold war sicher das Spiel mit Größe. Wenn CREATURE OF THE BLACK LAGOON einer der Monsterfilme par excellence ist, dessen Monster – wie einst Dracula – symbolisch für verdrängte Triebe und unterdrückte Lust steht, jedoch als vollkommen fremdartig inszeniert wird, dann bildet die gigantische Spinne in TARANTULA schon eine Alltäglichkeit ab, die plötzlich zur absoluten Bedrohung wird. Hier, im INCREDIBLE SHRINKING MAN, drehen sich die Bedingungen auch dahingehend um: Scotts Entwicklung zum „Freak“ läßt die die Dinge des Alltags in ihrer zunehmend abnormen Größe und Höhe generell zu Gefahren und Hindernissen werden: Treppen, zu steil, ihre einzelnen Stufen zu hoch, um sie zu erklimmen, Nägel, zu schwer, sie zu heben, ein Bleistift, der von der schrumpfenden Hand nicht mehr zu halten ist – nahezu jeder Gegenstand in diesem Film bekommt plötzlich eine Bedeutung, die wir ihm in unserem Alltag niemals zuschreiben würden. Die Dinge, die Zeichen der Wirklichkeit, die Signifikanten selbst, verändern ihre Bedeutung. Und zwar ununterbrochen, mit jedem Zentimeter, den Scott schrumpft. Und anders als in den oben erwähnten Filmen, braucht es dann eben auch keine „Monster“ mehr, weder einen Schrecken vom Amazonas noch überdimensionierte Spinnen oder Meerschweinchen. Hier wird eine Hauskatze, wird eine jener Spinnen, die unsere Keller und Dachböden in Legion behausen, zum „Monster“, zur „über-natürlichen“ Bedrohung. Aber nicht, weil die Dinge sich verändern, sondern weil sich unsere Identifikationsfigur verändert.
Wenn Scott erst einmal im Keller gelandet ist, nimmt der Film eine geradezu abstrakte Form an. Scott bewegt sich über Flächen als seien es weite Steppen, die ein „normaler“ Mensch mit einem Schritt überquert, einzelne Tropfen aus einem Wassertank ersetzen eine Dusche, ein festgeklebter Spachtel wird zu einer Brücke, um den aus unserer Sicht schmalen Spalt zwischen zwei Latten einer Holzkiste zu überwinden, eine Nadel ist ihm ein Schwert, das Garn einer Rolle wird zum Seil usw. Fast surreal wirkt die vollkommen alltägliche „Landschaft“, die Arnold in seinem Film inszeniert. Es sei an dieser Stelle angemerkt, daß die Techniker des Films fantastische Arbeit geleistet haben. Für einen Film der späten 50er Jahre sind die Tricks – sowohl die filmtechnischen Tricks mit doppelt kopiertem Material, als auch die Bauten, die die verschiedenen Relationen von Körpergröße zu Gegenständen widerspiegeln – grandios und zum Teil auch heute noch wirklich überzeugend. Das gilt vor allem für jene „Zwischenstadien“, in denen z.B. der etwa ein Meter große Scott und seine „normal“ große Frau gemeinsam im Bild zu sehen sind. Jene Szenen mit der Katze und der Spinne sind aus unserer CGI-Sicht natürlich vorgestrig, doch wenn man sich ein wenig davon lösen kann, sieht man durchaus, wie überwältigend diese Szenen einst auf Zuschauer gewirkt haben müssen. Verweisens ei an dieser Stellle auf DR. CYCLOPS (1940), der sich ebenfalls des Tricks geschrumpfter Menschen bediente und ebenfalls eine – allerdings deutlich kürzere – Szene der Bedrohung durch eine nun maximal gefährliche Hauskatze bietet. Arnold hatte also durchaus ein auch tricktechnisches Vorbild, auf das er zurückgreifen konnte. Der ältere Film hat sich übrigens ebenfalls deutlich gut gehalten über die Jahre.
Wenn man anderen Werken dieser Dekade und filmischen Epoche recht eindeutig zuweisen kann, womit sie arbeiten, welchen Ängsten sie Ausdruck verleihen, so muß man in Bezug auf diesen Film konstatieren, daß Arnold einem diffusen Gefühl der Bedrohung nachspürt. Sind es in TARANTULA eben mißglückte Experimente, denen schließlich mit dem Einsatz von Napalm (sic!) begegnet wird, in CREATURE OF THE BLACK LAGOON das Fremde (Unterbewußte) schlechthin, das uns von außen bedroht, das wir aber selber aufgestöbert, in „unsere“ Welt geholt haben, so ist es in THE INCREDIBLE SHRINKING MAN „unsere“ Welt selbst, die sich uns entfremdet, die uns gegenüber „feindlich“ wird. Im Vergleich zu seinen Vorgängern, findet dieser Film jedoch einen anderen, dennoch versöhnlichen Abschluß, indem er seinen Helden sich mit seinem Schicksal einverstanden erklären läßt. Alles ist relativ, scheint Arnold zu raunen und wenn wir diese Wahrheit erst einmal begriffen und verinnerlicht haben, können wir Sinn finden im Kleinen wie im Großen. Wir können unseren Platz verorten und uns behaupten, egal, wo uns das Schicksal hinstellt. Diese Haltung kann man nun als ebenso weise – da einverständlich mit dem „großen Rad“ – oder als reaktionär betrachten. Reaktionär im Sinne jenes Spruchs, der da besagt, „Ruhe“ sei „die erste Bürgerpflicht“. Denn die ambivalente Haltung gibt auch dieser Film nicht auf. So kritisch der Arzt Scott anblickt und ihn fragt, ob er mit Radioaktivität oder Pestiziden in Pflanzenschutzmitteln[2] in Berührung gekommen sei, so sehr sich darin Skepsis und Distanz gegenüber technischer Machbarkeit ausdrücken, so versöhnlich kommt der Film mit seinem „philosophischen“ Ende daher.
Allerdings bleibt – in Bezug auf diesen wie auf viele Filme seiner Epoche – festzuhalten, daß dies alles nicht nur spannend – fast rasant – erzählt wird, sondern Jack Arnold es (fast) immer geschafft hat, seine Anliegen (so man diese denn unterstellen will) in packende Geschichten, in Handlung, in Action zu übersetzen. So bleibt THE INCREDIBLE SHRINKING MAN einer der besten, vielleicht der allerbeste Film seines Regisseurs, in dem viele seiner Ideen noch einmal aufgegriffen werden und zusammenlaufen. Ob man den ideologischen Implikationen heute noch Aufmerksamkeit schenken will oder nicht, sei einmal dahingestellt, diese Aspekte sind für Kulturanthropologen oder Zeithistoriker vielleicht interessanter, spannende Unterhaltung hingegen wird dem geneigten Zuschauer hier auch heute noch geboten.
[1]Man könnte übrigens mit Fug und Recht behaupten, daß die Kinderlosigkeit der Careys das folgende Schicksal durchaus andeutet und antizipiert. Ebenso das Geplänkel auf dem Deck des Bootes, bevor Louise bereit ist, Scott sein Bier zu holen: Sie weigert sich, lässt sich becircen, ringt ihrem Gatten spielerisch Versprechen ab – eine „Störung“ des „normalen“ Ablaufs wird hier angedeutet; dann wiederum – Zeichen jener Ambivalenz, von der weiter oben die Rede war – wird Scott aber das Opfer seines (männlichen) Durchsetzungswillens, denn Louise wird vor der unglückseligen Wolke ja gerade deshalb geschützt, weil sie unter Deck geht, Bier holen.
[2]Damals erschütterten verschiedene Skandale um den Gebrauch von DDT und anderer Pflanzenschutzmittel die USA.