DIE GEFÜRCHTETEN VIER/THE PROFESSIONALS

Brooks Film ist eine Schnittstelle des klassischen Western mit dem Spät- und dem Italowestern

Mexiko 1917 – von der Revolution ist nicht mehr viel geblieben. Despotismus und Banditentum allenthalben. Der Bahn- und Ölmagnat J.W. Grant (Ralph Bellamy) beauftragt vier Söldner – den Elitesoldaten Henry Fardan (Lee Marvin), den Sprengstoffspezialisten Bill Dolworth (Burt Lancaster), den Spurenleser Jake Sharp (Woody Strode) und den Pferdespezialisten Hans Ehrengard (Robert Ryan) – seine Frau Maria (Claudia Cardinale) aus den Händen des Banditen und ehemaligen Revolutionärs Jesus Raza (Jack Palance) zu befreien. Das gelingt ihnen schließlich auch, allerdings müssen sie während der explosiven Befreiungsaktion feststellen, daß Maria keineswegs entführt worden ist. Zudem kennen Fardan und Dolworth einige der Beteiligten noch persönlich aus ihren eigenen Tagen bei der mexikanischen Revolutionsarmee. So bringen sie Maria zwar – Auftrag ist Auftrag und man hat einen Ruf zu verlieren – zu ihrem despotischen Gatten zurück, beschließen aber umgehend, den abgelaufenen Auftrag zu stornieren und den als Idealisten erkannten Raza und seine Maria zurück nach Mexiko zu bringen.

Richard Brooks gehört – wie Robert Aldrich oder der nur unwesentlich ältere Robert Wise – zu einer Generation Regisseure, die ihre Sozialisation, ihr Handwerk, noch im „alten“ Hollywoodsystem, dem sogenannten ’studio system‘, erlebten und erlernten und mit ihrer Bereitschaft, „heiße Eisen“ anzupacken, sich in den unterschiedlichsten Genres zu tummeln und dabei erzählerisch neue Wege einzuschlagen die Basis legten für jene Generation, die dann einige Jahre später das ‚New Hollywood‘ begründen sollte: Coppola, Spielberg, Lucas, Cimino, Altman et al.

Brooks‘ Vielseitigkeit kann man schon daran ablesen, welche Filme seines Oeuvres THE PROFESSIONALS (1966) umklammern: Im Jahr zuvor, 1965, hatte er die aufwendige Joseph-Conrad-Verfilmung LORD JIM (1965) vorgelegt, dann kam mit THE PROFESSIONALS ein Western, im Jahr darauf, 1967, der noir-kühle IN COLD BLOOD (1967), eine distanzierte Adaption von Truman Capotes Reportageklassiker. Drei vollkommen unterschiedliche Sujets, drei vollkommen unterschiedliche Geschichten mit jeweils vollkommen unterschiedlicher psychologischer Herangehensweise. Doch Brooks gelingt es, den jeweils spezifisch richtigen Ton zu treffen, wobei das im ersten der drei am schwierigsten zu vermitteln gewesen sein wird, Mitte der 60er Jahre, die sich deutlich weit von Conrads eher dem 19. Jahrhundert verbundenen Moralvorstellungen entfernt haben dürften. IN COLD BLOOD trifft auf den Nerv seiner Zeit, jeder halbwegs Interessierte erinnerte sich noch an die grausigen Taten der beiden Mörder. So gesehen war die moralische Sicht in diesem Film die gewagteste. Brooks stellte das Urteil über kaltblütige Mörder als ein schwieriges dar, weitaus schwieriger, als es ein einfaches „Auge um Auge…“ je erfassen könnte. THE PROFESSIONALS bot also eine Möglichkeit als Verbindungsglied zwischen der historisch-moralischen Perspektive der Literaturverfilmung und der klaren Aussage zu zeitgenössischer Justiz bei gewandelter, flexiblerer Moral.

Der Western bietet bekanntlich die größte und schönste Projektionsfläche, um so ziemlich jedes Thema darin zu verhandeln – solange man sich einigermaßen an die Regeln hält. Und Brooks kennt die Regeln, obwohl er zuvor nur einen Western gedreht hatte – THE LAST HUNT (1956). Diese Kenntnis der und der Respekt vor den Regeln ist es wahrscheinlich, was Regisseuren wie ihm und einigen der oben Genannten den etwas abwertenden Titel der „Handwerker“ eingetragen hat, was sie gegen Filmkünstler wie Orson Welles oder Alfred Hitchcock (der selber lang genug unter dem „Handwerker“-Vorwurf litt) abgrenzen sollte. Doch ist dem keineswegs so. Brooks hat seine Handschrift sehr wohl entwickelt, er weiß vor allem, was er will, was er zeigen, was er ausdrücken will und er weiß sehr genau, wie er bekommt, was er will. Der Originaltitel THE PROFESSIONALS drückt den Respekt aus, den Brooks dem entgegen bringt, was Talent, Können und Verwirklichung zusammenführt: Die Professionalität, sich in den (kreativen) Prozeß einzubringen. Der Film spiegelt diese Haltung an allen Ecken und Enden. Hembus weist in seinem WESTERN-LEXIKON darauf hin, doch bleibt dabei undeutlich, wie viele Ebenen dieser Respekt vor dem Können dieser Männer abdeckt. Wenn Burt Lancaster den Umgang mit seinem Dynamit als einen Akt der Schöpfung ausgibt, dann ist das eben nicht einfach Zynismus – wovon der Film ein gerüttelt Maß zu bieten hat – sondern auch ein deutliches, allegorisches Bekenntnis des Filmemachers zum eigenen Schaffen: Es ist ein Akt GEWALTiger Anstrengungen, einen Film zu realisieren und oft bleibt dabei allerhand Gutes auf der Strecke. Brooks setzt die eigene Profession deutlich in Bezug zu dem, was seine Protagonisten da auf der Leinwand veranstalten.

Wie in den besten Western von John Sturges – einem ausgewiesenen Fachmann des Genres – wird auf jede Art von Exposition verzichtet. Der Vorspann führt uns die Herren mit ein paar ihrer typischen Charakteristika vor; sobald die Credits durch sind, sind wir in der Handlung. Und die ist – freundlich gesprochen – straight. Ebenso straight wird sie erzählt. Keine Sperenzchen, kein Getue, keine Tat, kein Wort, kein Bild zu viel. Und straight sind die Charaktere ebenso. Die Rangordnung ist festgelegt, Befehle werden erteilt, man hält sich daran und jeder weiß in jeder Situation die richtige Antwort auf die Fragen, die sich stellen. Fast könnte man Ryans Ehrengard als das Un-Straighteste des ganzen Films betrachten, denn außer an der richtigen Stelle die richtigen Worte zu finden, gibt es keine wirklich logische Begründung für seine Anwesenheit bei dem Unternehmen. Er rettet Pferde an der falschen Stelle und will sie dann an der wiederum falschen erschießen. Offenbar versteht er viel von den Tieren, wenig jedoch von den Situationen, in denen sie in diesem Land eingesetzt werden. Damit stellt er so etwas wie den „Teufel im Detail“ da, das Negativ, vor dem das Könnertum aller anderen umso heller strahlt.

Was Brooks dann aber gelingt wie kaum einem anderen, sind die ebenso straighten Charakterisierungen – er lässt keinen Zweifel daran aufkommen, daß der gezeigte Professionalismus einen Preis hat. Idealismus, Menschlichkeit, Empathie – all diese Regungen und Gedanken kann sich ein Söldner, ein Mietkrieger, nicht mehr leisten. Die Gefühle gehören der Revolution. Die Revolution aber gebiert Schrecken – und Brooks zeigt sie, diese Schrecken: Raza und seine Leute erschießen die Mannschaft eines Zuges. Dolworth klärt Edelgard auf, dies sei eine besonders brutale Einheit der Armee, sie hätten einst Fardans Frau zu Tode gefoltert. Doch ist Brooks ein viel zu gewiefter Filmemacher, als daß er nicht wüsste, daß keine Erzählung ankommt gegen die Bilder eines Films. Was wir gesehen haben, hat sich uns in seiner eiskalten Brutalität eingebrannt und läßt uns niemanden mehr übrig, mit dem wir uns problemfrei identifizieren könnten. In dieser professionalisierten Welt kommt keiner mehr moralisch ungeschoren davon.

Die historische Verortung in einer Zeit, die bereits Automobile und Telefone kannte, entläßt die Story aus dem Mythischen, jener Zone, die ein (guter) klassischer Western immer bewohnt. Die genaue Angabe von Zeit und Ort macht aus den vier Männern, die das Unternehmen gegen Geld bereit sind durchzuführen, eben genau das: Söldner. Helden sind sie nicht, sympathisch sind sie ebenfalls nicht und die Tage des Idealismus liegen hinter ihnen. Und sie sind alle bemüht – allen voran Dolworth – den eigenen Idealismus so klein zu kochen, wie es irgend geht.

Hembus weist auf den langen Austausch zwischen Raza und Dolworth zum Ende des Films hin, der ihm als besonders gewieftes Stück zynischer Weltsicht dient. Er unterschlägt dabei allerdings zweierlei: Zu dem Zeitpunkt des Films, an dem der Zuschauer mit diesem Dialog, der exemplarisch zusammenfasst, was der Film ununterbrochen verhandelt, konfrontiert wird, hat er über Dolworth bereits eine Menge gelernt und kann genau einschätzen, was sich hinter dessen Worten verbirgt; wesentlicher dabei ist jedoch Lancasters Darstellung. Gerade in dieser Rolle kann man beobachten, warum er nicht einfach nur in die Riege der Superstars gehörte, sondern auch bei europäischen Filmemachern beliebt war, welch ein guter, weil akribischer, genauer und vielschichtiger Schauspieler er war. Wie er die verdrängten Seiten einer Figur hervorholen konnte. Dolworth, hinter einem Panzer des Zynismus, der ihn am Leben erhält, ist ein ebenso lustiger wie unsympathischer Kerl. Lancaster stellt Dolworth‘ verschiedene, teils widersprüchliche Seiten nebeneinander, ohne ihnen unterschiedliche Gewichtung zu geben, er urteilt nicht und gibt Dolworth nie preis – das, was den professionell macht, macht ihn eben auch unsympathisch. Daß das auch einmal anders gewesen ist, will man diesem Kerl dann allerdings nicht wirklich abnehmen. Und auch DAS scheint Lancaster genau so gewollt zu haben.

Neben Burt Lancaster zu glänzen ist natürlich kein leichtes Unterfangen, doch auch Lee Marvin konnte hier beweisen, daß er ein oftmals unterschätzter Darsteller war. Seine Rolle gemahnt ein wenig an jene, die er ein Jahr später in seinem nächsten Film für Brooks Regiekollegen Robert Aldrich in THE DIRTY DOZEN (1967) spielen sollte, allerdings ist er bei Brooks lediglich Anführer eines gekauften Trupps, bei Aldrich Befehlshaber eines Killerkommandos aus zum Tode Verurteilten. Allerdings ficht dies einen Kerl wie Marvin nicht an, der erledigt seine Aufträge, egal mit welchem Personal. Robert Ryan als Ehrengard, es wurde bereits angesprochen, erfüllt im Grunde keine Aufgabe, seine Anwesenheit bei dem Unternehmen ist im Grunde überflüssig. Nichtsdestotrotz kann auch Ryan überzeugen, wobei seine Rolle sicherlich diejenige ist, die ihrem Darsteller am wenigsten abverlangt. Interessanter ist dann doch Woody Strodes Jake Sharp, ein Schwarzer, was Grant anfangs meint, erwähnen zu müssen, was aber für die Männer, die den Auftrag ausfüllen sollen, keine Rolle spielt. Das wird vom Script und dem Regisseur klug eingesetzt in einem Jahr, da der Vietnamkrieg seinem Höhepunkt zusteuerte und eine Menge schwarzer Jungs eingezogen und nach Fernost geschickt wurden. Der Liberale Brooks gibt ein klares Statement ab: Die Hautfarbe interessiert nur die, die Zeit haben, sich über so etwas Gedanken zu machen, die Grants dieser Welt, jene Männer, die sich selten selber die Finger schmutzig machen, lieber andere für die Drecksarbeit anstellen. THE PROFESSIONALS sollte, anders als viele seiner Verwandten seiner Tage, vielleicht nicht unbedingt zu den politischen Zeitläuften in Bezug gesetzt werden, obwohl diese in jenen Zeiten selten KEINE Rolle gespielt haben dürften, doch ein Kommentar auf die Bürgerrechtsbewegung war es 1966 so oder so, wenn man einen Schwarzen als vollkommen gleichberechtigt (und in seiner Profession den anderen möglicherweise sogar überlegen, obwohl man darin fast schon einen Antirassismus-Rassismus sehen könnte) in einem Trupp Männer zeigte. Das gab es in der U.S.-Realität dann wirklich nur beim Militär. Im Einsatz, das macht der Film unmißverständlich klar, zählt nicht die Hautfarbe, sondern was der Einzelne KANN.

In ihrer Härte, ihrem ausgestellten Zynismus, aber auch in ihrer Professionalität, ihrer zeitlichen wie räumlichen Verortung, stehen diese Männer, steht der ganze Film in seiner Machart, seinem Look, seiner Mise-en-Scène, ziemlich genau an der Schnittstelle jener beiden Formeln, die der Western in den 60er Jahren angewandt hatte, um als Genre lebensfähig zu bleiben: Dem (europäischen) Italowestern und dem Spätwestern amerikanischer Prägung. Dem ersten entnimmt er seine Härte, die an Brutalität grenzt, auch den Willen, ein Personal zu zeigen, das dem Zuschauer kaum sympathisch sein kann, das nicht wegen hehrer Ideale, sondern für Geld tötet (darin Leones ‚Mann ohne Namen‘ oder Corbuccis ‚Django‘ erst einmal nicht unähnlich); dem Spätwestern eines Sam Peckinpah, dessen wahre Großwerke 1966 ja noch ausstanden, aber auch eines John Ford als Regisseur eines Films wie THE MAN WHO SHOT LIBERTY VALANCE (1962) oder eines John Sturges bei THE MAGNIFICENT SEVEN (1960) ähneln die Figuren in ihrem verlorenen Idealismus, darin, mit ihrem Tun in der Heimat keine Arbeit mehr zu finden. Die Motive des ’south of the border‘, Mexiko als Fluchtpunkt von Männern, die ihre Zeit überlebt haben und das des Revolutionswestern (der er nicht wirklich ist) teilt THE PROFESSIONALS mit beiden Ablegern.

Und doch ist Richard Brooks auch etwas vollkommen eigenes gelungen. Er läßt keine Tragik zu und somit müssen wir um diese Männer auch selten bis nie fürchten. Ihre Berufung ist exakt das, was sie tun, sie sind sich ihrer Sache sicher und genau so inszeniert Brooks sie auch. Damit verweist er inhaltlich auf all jene Filme, angefangen mit dem bereits erwähnten THE DIRTY DOZEN, die – mal mehr, mal weniger reaktionär – professionelles Kriegs- und Mordhandwerk als gruppendynamisches Ereignis feiern. Brooks legt scheinbar einen reinen Unterhaltungsfilm vor, der aber subversiv genug gestaltet ist, um uns stutzen zu lassen und uns fragen läßt, was wir an diesen Männern eigentlich aufregend oder bewunderungswürdig finden? Eine Zukunft, das schwingt schon mit, die diesen Kerlen gehört, wird zumindest eine…andere…sein.

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