GREENLAND

Ein fast klassisch anmutender Katastrophenfilm

John Garrity (Gerald Butler) lebt in Florida, er arbeitet als Bauingenieur. Seit er seiner Frau Allison (Morena Baccarin) fremdgegangen ist, hat sich das Ehepaar entfremdet, doch ist John nach einiger Zeit wieder in das gemeinsame Heim eingezogen. Vor allem den gemeinsamen Sohn Nathan (Roger Dale Floyd) freut das, hängt er doch ebenso an seinem Vater wie an seiner Mutter.

Nathans Geburtstag steht an und die Garritys bereiten ein Grillfest im Garten vor, die Nachbarschaft ist eingeladen. John fährt noch einmal zum Supermarkt, letzte Zutaten einkaufen, während sich die Gäste mit Allison und Nathan vorm Fernseher einfinden.

Seit Tagen kündigt sich der Komet Clarke an, der die Erde knapp verfehlen soll. Teile jedoch werden wohl in der Karibik einschlagen, was nahezu jeder im TV live verfolgen will.

Während John die Einkäufe erledigt, bekommt er eine automatisierte Nachricht auf sein Handy: Die Regierung teilt ihm mit, dass er und seine Familie ausgewählt wurden an geheime Orte evakuiert zu werden, wo Schutzräume ein Überleben garantieren. John argwöhnt, dass die Berechnungen der NASA möglicherweise falsch sein könnten. Als er auf den Parkplatz des Supermarkts kommt, sieht er etliche Flugzeuge am Himmel und Militärpräsenz auf den Straßen.

Zurück im Haus erweist sich die Befürchtung als richtig: Die Liveübertragung zeigt weder einen Meteor, noch den berechneten Einschlag im Bermudadreieck. Doch eine Minute später wird John Zeuge, wie eine gewaltige Druckwelle sich über der Stadt ausbreitet – das Teilstück des Kometen ist offensichtlich irgendwo im Norden Floridas eingeschlagen.

Während die Geburtstagsgäste sich fragen, was nun werden soll, erhalten John und Allison erneut den Hinweis, sich zum angegebenen Stützpunkt aufzumachen. Die Nachbarn zeigen sich entrüstet, dass die Garritys gerettet werden, während sie ihrem Schicksal überlassen bleiben.

John bleibt gegenüber einer befreundeten Mutter einer kleinen Tochter hart, als diese ihn anfleht, das Kind mitzunehmen.

Die Garritys machen sich auf den Weg zum Stützpunkt. Vor Ort herrschen chaotische Zustände, sind doch etliche Menschen vor den Toren, die Einlass verlangen, obwohl sie nicht auserwählt wurden. Denen, die auf den Stützpunkt dürfen, wurde ein QR-Code zugesandt, mit dem sie sich ausweisen können.

Als die Familie bereits im Stützpunkt ist, fällt Allison auf, dass Nathans Medikamente fehlen. Der Junge ist Diabetiker und auf sein Insulin angewiesen. John verlässt den Stützpunkt noch einmal, um die Arznei aus dem zurückgelassenen Auto zu holen.

Derweil stellt sich im Stützpunkt heraus, dass Kranke nicht mitgenommen werden. Nathan darf auf keinen Fall mitfliegen, weshalb er und Allison die Air Force Base wieder verlassen. Allison schickt John eine Nachricht auf das Smartphone, die dieser allerdings nicht erhält.

John schafft es zurück in den Stützpunkt und an Bord einer der bald abhebenden Maschinen. Doch durch Zufall erfährt er dort, dass Kranke nicht erwünscht sind und seine Frau und der Sohn wahrscheinlich nicht in einem der Flugzeuge sitzen. So verlässt er die Maschine wieder.

Auf dem Stützpunkt kommt es zu chaotischen Szenen, als die Menschen vor den Toren eindringen und auf das Wachpersonal losgehen. Eine der Maschinen gerät in Brand und explodiert.

John rettet sich aus der Gefahrenzone und sucht nach Allison und Nathan. Die haben ihm am Wagen allerdings nur die Nachricht hinterlassen, dass sie sich nach Kentucky aufmachen, wo Allisons Vater Dale (Scott Glenn) lebt. So macht sich auch John auf den Weg.

Unterwegs stoßen beiden – John und Allison mit Nathan – schreckliche Dinge zu. Allison wird von dem freundlichen Ehepaar Ralph (David Denman) und Judy (Hope Davis) Vento mitgenommen. Doch als Ralph das Band an ihren Handgelenken bemerkt, ist es aus mit der Freundlichkeit. Er weiß, dass die Bänder Zutritt zu den Stützpunkten, von wo evakuiert wird, gewähren. Er schmeißt Allison aus dem Auto und nimmt Nathan mit, da er glaubt, dass er und Judy so Einlass und Rettung erfahren werden.

Allison macht sich auf die Verfolgung, verzweifelt aber mehr und mehr, je länger die Ventos schon weg sind. Schließlich nimmt ein Wagen voller Latinos sie mit. Doch an einem weiteren Stützpunkt geraten sie in einen Stau. Allison steigt aus und geht zu Fuß weiter.

An der Sperre, an der auch sie anlangt, kam es zuvor zu einem Eklat, als Nathan dem Soldaten, der die Ventos nicht durchlassen wollte, da er bemerkt hatte, dass die Bänder gestohlen sind, mitteilt, dass die beiden nicht seine Eltern seien. Die Ventos werden verhaftet, Nathan in die Obhut der Ärzte übergeben.

Als Allison an der Sperre ankommt, kann sie die Soldaten überzeugen, sie zumindest in das Lazarett zu lassen, wo eine Menge Kinder gesammelt wurden, die allein unterwegs sind. Hier findet sie schließlich Nathan in einem der Zelte bei einer sehr netten Ärztin, die ihn bereits mit Insulin versorgt hat. Der Ärztin gelingt es auch, die beiden in einen der Militärbusse zu setzen, die gen Kentucky und weiter nach Norden fahren.

John hat derweil ebenfalls eine Mitfahrgelegenheit gefunden. Hier erfährt er von einem Mitreisenden, dem ebenfalls das Band aufgefallen ist, dass die Regierung die Menschen rein nach Nützlichkeit ausgesucht habe: Weil John Bauingenieur sei, habe er wohl den Zuschlag erhalten. Der junge Mann selbst will nach Kanada, da dort zivile Flüge nach Grönland gingen, wo die Überlebenschancen wohl recht groß seien.

Zwei andere Mitfahrende wollen das Band von John haben. Auf der Ladefläche des Lasters, auf der sie alle sitzen, kommt es zu einer wilden Schlägerei. Schließlich kommt der Wagen ins Schlingern und alle werden heruntergeschleudert. Der junge Mann, der John die Informationen gegeben hatte, stirbt dabei.

Die beiden Kontrahenten allerdings gehen erneut auf John los und es kommt zu einer schließlich tödlichen Auseinandersetzung, als John einen der beiden mit einem Hammer erschlägt. Danach macht er sich wieder allein auf den Weg.

In einem leerstehenden Haus findet er etwas zu essen und leiht sich anschließend den Wagen der Familie aus, um endlich zu seinem Schwiegervater zu gelangen.

In Kentucky eingetroffen, muss John gewärtigen, dass Allison noch nicht dort angelangt ist. Sie meldet sich telefonisch bei ihm und so können er und Dale Allison und Nathan an einer nahegelegenen Tankstelle aufgabeln.

Zwischen John und Dale kommt es zu einer Aussprache, bei der Johns Fehltritt zur Sprache kommt. Doch vergibt Dale seinem Schwiegersohn. John erzählt von der Option Kanada, erklärt aber, wenn sie die wahrnehmen wollten, müssten sie sofort aufbrechen. Dale will nicht mit, da er hier, wo seine Frau einst gestorben sei, auch sterben wolle.

So brechen John, Allison und Nathan Garrity auf, ohne zu wissen, ob sie eine Zukunft haben. Sie wissen lediglich, dass sie ihre Lieben – Dale bspw. – nicht wiedersehen werden.

Sie erreichen nach einigen Turbulenzen Kanada und können dort mit etwas Nachdruck den Piloten einer schon startenden Maschine überzeugen, sie mitzunehmen. Da mittlerweile der Einschlag des Hauptstücks des Kometen genau berechnet wurde, wissen alle Beteiligten, dass ihnen nur noch wenige Stunden bleiben, die schützenden Bunker in Grönland zu erreichen.

Mit letzter Kraft und schon im Gewitter der Einschläge kleinerer Brocken des Kometen, gelingt den Piloten das Kunststück, die Maschine notzulanden. Es gelingt den Passagieren und der Crew, sich in die unterirdischen Gewölbe zu retten. Dann gibt es eine gewaltige Druckwelle und es wird schwarz…

Weltweit legt sich die Dunkelheit nach und nach. Einzelne Funksignale werden hier und da empfangen. Es haben also weltweit Menschen den Ascheregen und die entstandene Strahlung überlebt.

Das Tor des Bunkers in Grönland öffnet sich nach neun Monaten das erste Mal. Die Menschen – darunter die Garittys – sehen erstmals die postapokalyptische Welt, doch sie sehen auch die Sonne – und zwei Vögel, die bereits wieder fliegen.

Gibt es den klassischen Katastrophenfilm eigentlich noch? Solche Schinken wie THE POSEIDON ADVENTURE (1972; 2006 neu verfilmt von Wolfgang Petersen) oder EARTHQUAKE (1974) oder THE TOWERING INFERNO (1974)? Die 1970er Jahre waren sicherlich die Glanzzeit des Genres, doch wirklich abgerissen ist der Strom an Vernichtungsphantasien eigentlich nie. METEOR (1979) könnte für die 80er stehen, die dann allerdings wenig Katastrophen auf globalem Niveau boten, lediglich jede Menge mal mehr mal weniger ernstzunehmende Postapokalypse-Welten, die davon erzählten, wie die Menschheit nach dem nuklearen Holocaust in die Barbarei zurückfällt. Doch spätestens mit ARMAGEDDON (1998) war ein Revival eingeläutet, das bis heute anhält. Allerdings boten schon die 90er einiges auf, um den Menschen durch die Natur in Angst und Schrecken zu versetzen: Wirbelstürme (TWISTER/1996), Vulkane (VOLCANO und DANTE´S PEAK/beide 1997), immer wieder Asteroiden, Kometen und Meteore (DEEP IMPACT/1998 und eben ARMAGEDDON). Nach der Jahrtausendwende, mit sich weiter verbessernder CGI-Technik, wurden die Filme zwar immer realistischer in der Darstellung, aber auch immer pompöser. Vor allem der Deutsche Roland Emmerich zeigte in Beiträgen wie THE DAY AFTER TOMORROW (2004) oder 2012 (2009), was uns so alles blühen kann.

Emmerich bediente auch das Sub-Genre der menschgemachten und der außerirdisch herbeigeführten Katastrophen (INDEPENDENCE DAY/1996) mit Bravour. Das lag vielleicht daran, dass die der Natur zuzuschreibenden Katastrophen letztlich auch begrenzt sind: Wirbelstürme, Erdbeben, Feuersbrünste, Riesenwellen, Tsunami, Seuchen – irgendwann ist Schluss, das Gefahrenrepertoire ausgeschöpft. Vielleicht erzählen deshalb so viele Katastrophenfilme von Gefahren aus dem All – Meteoriden, Asteroiden, Kometen etc. Die Gefahr ist ungreifbar, sie ist allumfassend, sie ist sozusagen „himmlisch“, was allerhand interessante metaphorische Schlüsse und zusätzliche Interpretationen zulässt, und sie ist meist global, soll heißen: Sie droht die gesamte Menschheit auszulöschen. Etwas, das sonst nur Außerirdischen und vielleicht noch Seuchen gelingt.

Und so greift auch Ric Roman Waugh in seinem Katastrophenfilm GREENLAND (2020) auf den drohenden Einschlag eines Kometen zurück, um für die Familie Garrity das maximale Vernichtungsszenario zu kreieren. Denn schon zu Beginn des Films droht der Einschlag, wird im Fernsehen errechnet, wann und wo Teile des Asteroiden einschlagen werden und wann und wo der ganz große Einschlag stattfindet und wahrscheinlich enormes Vernichtungspotential entfalten wird. Ohne dies zu ahnen und ohne zu wissen weshalb dem so ist, werden die Garritys durch ein Regierungsprogramm ausgewählt und sollen sich zu einem bestimmten Zeitpunkt an einer zentralen Stelle einfinden, sie sollen von dort aus in sichere Schutzbunker evakuiert werden.

Waughs Film erzählt nun von den diversen Versuchen der dreiköpfigen Familie – deren Sohn dramaturgisch passend an Diabetes leidet und deshalb in letzter Sekunde vom Projekt Rettung ausgeschlossen wird, da man nur gesunde Menschen dabei haben will – sich zunächst zum Stützpunkt durchzuschlagen, dann, nachdem man voneinander getrennt wurde, wieder zusammenzufinden und sich schließlich auf den Weg nach Kanada zu machen, da von dort angeblich Rettungsflugzeuge gen Grönland starten, wo man die drohende Katastrophe angeblich überleben können soll.

Zurecht verweisen einige Kritiker darauf, dass Waughs Film mehr mit Steven Spielbergs WAR OF THE WORLDS (2005) zu tun hat, denn mit herkömmlichen Katastrophenfilmen wie den weiter oben genannten EARTHQUAKE, TWISTER oder dem ihm artverwandten ARMAGEDDON. Denn sowohl in Spielbergs Verfilmung des Romans von H.G. Wells, der erstmals 1897 erschienen ist, wie auch in Waughs Film, stehen die Katastrophen trotz allen Spektakels, das die jeweiligen Filme bieten, nicht zwingend im Vordergrund. In beiden Fällen geht es im Kern um dysfunktionale Familien – Tom Cruise in Spielbergs Film versucht, seine Kinder, die über das Wochenende bei ihm waren, zu ihrer getrennt von ihm lebenden Mutter zurückzubringen und sich derweil gegen allerhand glibberige Monster zu verteidigen; Gerald Butler als John Garrity ist soeben wieder bei seiner Frau, die er betrogen hatte, eingezogen, der Familienstand ist also äußerst prekär – und darum, wie sie im Zeichen der Katastrophe, im Angesicht der Gefahr, wieder zueinander finden.

Ein ausgesprochen amerikanisches Thema. Denn die Familie ist im Hollywood-Film seit jeher ein nahezu heiliges Gut, dass es quer durch alle Genres und Zeiten zu verteidigen galt, im Notfall mit äußerster Gewalt. Die Familie und ihr Wert sind auch das deutlichste Zeichen, dass Hollywood – bei allem zur Schau gestellten Liberalismus – im Kern eben doch vor allem reaktionäre Ideologien bedient. Denn die Familie als Keimzelle der Gesellschaft, aber auch als Rückzugs- und Schutzraum, ist es immer wieder, die bedroht wird und verteidigt werden muss.

In Frank Capras IT´S A WONDERFUL LIFE (1946) – immer noch einer der wesentlichen Weihnachtsfilme der westlichen Welt – droht die Vernichtung der Familie durch den Selbstmord des verzweifelten James Stewart, am Ende ist vor allem die Herstellung der Familie wichtig, weniger, dass die von Stewarts Figur verwalteten Versicherungsgelder nicht verloren sind; in John Fords Edel-Western THE SEARCHERS (1956) wird die Familie durch Indianer zerstört und sehr lange droht John Wayne als Ethan Edwards seine Nichte, sollte er sie finden und aus den Händen der Komantschen befreien, eher zu töten als wieder in den Kreis der Familie – in diesem Fall also der weißen, protestantischen Angelsachsen – aufzunehmen; in TAXI DRIVER (1976) lässt Martin Scorsese den von Robert De Niro gespielten Travis Bickle die ihm vollkommen unbekannte Kind-Prostituierte Iris aus den Schluchten des sündhaft-babylonischen New York erretten und zu ihrer Familie zurückbringen – eine Variation des Themas aus Fords Western, der Drehbuchautor Paul Schrader auch deutlich vor Augen stand, wie dieser zugab; in Adrian Lynes FATAL ATTRACTION (1987) geht Michael Douglas schließlich so weit, eine sich als obsessiv entpuppende Partnerin eines One-Night-Stand zu töten, um die durch sie bedrohte Familie wieder herzustellen.

Dies sind lediglich vier Beispiele quer durch die Geschichte Hollywoods, die die oben aufgestellte These belegen können. Allerdings erschöpft sich auch dieses Thema auf ähnliche Weise, wie die aufgezählten Katastrophen. Denn es sind letztlich wenige klischeehafte Versatzstücke, die immer wieder geboten werden und lediglich in unterschiedlichen Varianten und Abstufungen auftreten. Die amerikanische Familie – klassisch bestehend aus Vater, Mutter, Sohn und Tochter und wahlweise einem Hund oder einer Katze – ist entweder das weiter oben bereits beschriebene Refugium, wird von außen bedroht oder aber sie ist beschädigt, weil jemand – meist der Vater – einen Fehltritt begangen hat, und muss so oder so wieder hergestellt werden. Bei dieser Wiederherstellung ist eine Gefahr von außen natürlich immer hilfreich, da die Bedrohung externalisiert und somit vor allem symbolisch behandelt werden kann, vor allem aber kann sich in einer solchen Gefahr der Missetäter beweisen und bewähren.

So ist Cruise in Spielbergs Film wirklich ein Widerling, der nichts mit seinen Kindern anzufangen weiß und im Laufe der Geschichte eine für ihn positive Entwicklung durchlaufen muss, während Butler in GREENLAND bereits geläutert ist und weiß, dass er Mist gebaut hat. Mehr noch – als seine Frau ihm irgendwann erklärt, sie wisse, dass das Scheitern der Ehe auch an ihr gelegen habe, nimmt er alle Schuld auf sich. Dieser Mann kümmert sich rührend um sein krankes Kind und ist damit von Anfang an dazu prädestiniert, zurück in den Schoss der Familie zu kommen, bzw. ist, wie bereits erwähnt, schon wieder dort angelangt. Nun dienen die folgenden Entwicklungen als eine Art Apotheose nicht nur der Familie als solcher (wozu auch der Besuch bei John Garritys Schwiegervater und die Aussprache mit diesem beitragen), sondern durchaus des John Garrity selbst, der bereit ist, vieles – bis hin zum eigenen Tod – auf sich zu nehmen, um die Familie zusammenzuhalten.

Wenn man Spielbergs Film und Waughs Werk zueinander in Beziehung setzen will, müsste man aber eher die Unterschiede hervorheben. Denn außer der Tatsache, dass beide Filme weniger Wert auf das reine Spektakel legen – woran bspw. Emmerich in 2012 und anderen Filmen sehr gelegen ist – sondern eher auf die Entwicklung der Figuren, klaffen beide Filme doch recht weit auseinander. Vielleicht könnte man also noch behaupten, beiden gelingen nur klischeehafte Beschreibungen der von ihnen vorgeführten und dargestellten Familien. Doch während in WAR OF THE WORLDS lange unklar bleibt, wie die Sache ausgehen wird, steht in GREENLAND im Grunde nie in Frage, dass es diesen mutigen Menschen gelingen wird, sich irgendwie zu retten. Und dazu ist auch keine wesentliche Entwicklung der Figuren nötig, denn die sind in sich ruhend, gefestigt, füreinander eine feste Burg, sozusagen. Lediglich der kurze Aufenthalt bei Allison Garritys Vater im ländlichen Kentucky reißt noch einmal die Wunden auf, doch wird hier eben auch das letzte Eisen geschmiedet, welches die Garritys zusammenhält. Denn die Aussprache zwischen Vater und Schwiegersohn wird von Allison belauscht und so weiß sie nicht nur, wie sehr ihr Mann sie liebt und unter seinen Fehltritten leidet, sondern sie versteht auch, weshalb der Vater vor Ort bleibt, nicht mit ihnen flieht, dem sicheren Tod ins Auge blickt, und was das wiederum mit seiner Liebe zu seiner inzwischen verstorbenen Frau – Allisons Mutter – zu tun hat. So löst sich im Angesicht des Todes auch alles Wesentliche in Wohlgefallen auf.

Spielberg, der in WAR OF THE WORLDS eine ähnlich banale Familiengeschichte nutzt, ging es allerdings augenscheinlich um etwas ganz anderes, als einfach darum, eine Story zu erzählen. Sieht man die Bilder seines Films, drängen sich in kürzester Zeit Erinnerungen an jenen vor allem für die USA traumatischen Tag im September 2001 auf, als die entführten Flugzeuge die Türme des World Trade Center trafen und dieses zum einstürzen brachten. Die Welt saß damals für Stunden und Stunden gebannt vor den Fernsehschirmen und sah dieser unfassbaren Staubwolke über Manhattan zu. Und genau diese Bilder lässt Spielberg wieder auferstehen. Sein Film ist künstlerische Traumabewältigung, ist reine Psychotherapie für das Land. Deshalb ist es auch so wichtig für den Film, dass ausgerechnet der Sonnyboy Tom Cruise, dem in seinen Rollen meist alles gelingt, diesen egozentrischen Vater spielt, der sich kaum für seine Kinder zu interessieren scheint, und der sehr stark an einen verunsicherten George Bush erinnert, der sich in den Tagen und Wochen nach dem Angriff am 11. September hinter markigen Worten und Angebereien versteckte. Eine wirklich komplizierte, hintergründige, ausgewogene Familiengeschichte hätte dem Sub- oder Meta-Text (wie man will) des Films letztlich nur im Wege gestanden. Cruise und seine Filmkinder müssen Modellcharakter haben, um im Kontext des Films zu funktionieren.

GREENLAND geht andere Wege, will sicherlich vor allem unterhalten, trifft allerdings ebenfalls einen gesellschaftlichen Nerv, wobei das in diesem Fall eher passiert, als dass es gewollt gewesen wäre. Der Film erschien zu Beginn der Covid-Pandemie, die die Welt für zwei Jahre in Atem halten sollte und greift damit eine bald weltweit herrschende Untergangstimmung auf. Es gibt Momente im Film, bei denen man sich wundert, wie genau Waugh und Drehbuchautor Chris Sparling den Finger in die Wunde legen. Als die Garritys begreifen, dass sie tatsächlich auserwählt wurden, brechen sie umgehend mit ihrem Auto auf, um sich rechtzeitig am Stützpunkt einzufinden. Eben noch saßen sie mit der halben Nachbarschaft in ihrem sauberen Suburbia-Heim beim Grillen zusammen, schon ist man nur noch ein entfernter Bekannter. John Garrity zeigt äußerste Härte auch gegen Freunde, deren Kind er nicht mitzunehmen bereit ist. All diese Menschen da werden sterben, daran lässt der Film, der seine Spannung wesentlich aus den überall laufenden Fernsehern und den dort ausgestrahlten Dauerlivesendungen zur bevorstehenden Katastrophe bezieht, keinen Zweifel aufkommen. Waugh riskiert in dieser relativ frühen Szene seines Films, dass der Zuschauer die Hauptfiguren unsympathisch finden könnte. Ein ungewöhnlicher Schritt für einen Unterhaltungsfilm.

In einer späteren Szene wird Garrity sich gegen zwei Angreifer, die das den Einlass zu den Stützpunkten gewährende Band an seinem Handgelenk entdecken, mit einem Hammer zur Wehr setzen und einen der beiden sogar erschlagen. Im Angesicht der Vernichtung ist sich offenbar jeder selbst der nächste. Eine ähnliche Erfahrung muss Allison machen, die, nachdem sie und der gemeinsame Sohn Nathan von John getrennt wurden, eine Mitfahrgelegenheit findet. Doch der Fahrer entdeckt auch bei ihr und Nathan die entscheidenden Bänder, setzt Allison kurzerhand auf die Straße und entführt gemeinsam mit seiner Frau Nathan – die beiden versprechen sich Zugang zu einem der rettenden Flüge.

Da zeigt GREENLAND dann tatsächlich die bald nach dem Filmstart herrschende Stimmung, die die Bevölkerungen der Staaten oftmals in zwei einander wirklich feindlich gegenüberstehende Lager spaltete: Die Befürworter der staatlichen Maßnahmen und ihre Gegner. Im Film wird die Spaltung künstlich hervorgerufen – eben durch die Bänder und wofür sie stehen – doch wird auch hier deutlich, was gerade für die USA ganz eindeutig galt: Ein Teil der Bevölkerung wird/wurde schlicht aufgegeben.

Nun herrschte auch schon vor dem Auftreten der Covid-Pandemie eine starke Spannung und sogar eine Teilung der Gesellschaft in Amerika, hervorgerufen durch die teils chaotische Regierung Donald Trumps. Doch ist Trump nicht wie ein Komet, also eine Naturkatastrophe, über das Land gekommen, sondern er wurde in ordentlichen Wahlen zum Präsidenten gewählt. Mag also sein, dass Sparling und Waugh durchaus etwas über eine verunsicherte, gespaltene Gesellschaft erzählen wollten und das drohende Ungemach für die Welt metaphorisch verstanden haben wollten. Doch dann wäre ihre Metapher, die Allegorie eines auf die Erde stürzenden Kometen, dann etwas schief geraten.

Doch wie dem auch sei – in erste Linie wollten sie wohl einen kommerziellen Unterhaltungsfilm drehen. Und das ist ihnen auch gelungen. Der Film erzeugt und hält eine Spannung, die des Zuschauers ununterbrochene Aufmerksamkeit fordert, die Spezialeffekte, die immer wieder einen „brennenden“ Himmel und zur Erde hinabstürzende Teile des Kometen zeigen, oft nur als Bildhintergrund bei einer der häufig verwendeten Totalen, können durchweg überzeugen und die Darsteller, auch die der Nebenrollen sind gut ausgewählt und füllen ihre Figuren, auch wenn sie gelegentlich nur einige wenige Sätze zu sagen haben, mit Leben. Zu kritisieren bliebe allerhöchstens, dass sich diese Gesellschaft in Anbetracht der Spaltung nud vor allem des drohenden Totaluntergangs doch recht zivilisiert verhält. So gibt es zwar hier und da Plünderungen, die sind aber eher symbolisch bebildert. Und auch die Straßen sind weitestgehend frei, die Garritys können sich zumindest bis an die Straßensperren heran recht frei mit ihrem Wagen durch das Land bewegen. Aber diese Feinheiten dürften dann eben auch der Tatsache geschuldet sein, dass Waugh vor allem das Familiendrama erzählen will. Wie sich der Mensch, diese Menschen, in einer Extremsituation verhalten und bewähren. So gesehen fühlt GREENLAND sich echt an, authentisch, sehr realistisch – und bezieht daraus einen gut´ Teil seiner durchaus bedrückenden Atmosphäre. Und so sorgt er, auch ohne tiefere Botschaften oder Erkenntnisse, für zwei Stunden gute, weil spannende Kinounterhaltung.

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