TAXI DRIVER

Ein halbdokumentarischer Bericht aus der Hölle

Travis Bickle (Robert De Niro), eine ehemaliger U.S.-Marine mit Kampferfahrung in VIetnam, heuert bei einem New Yorker Taxiunternehmen an. Er ist bereit, auch nachts zu fahren, da er eh nicht schlafen kann, zudem fährt er in alle Gegenden der Stadt, auch die gefährlichen wie Harlem, South Bronx, Teile von Brooklyn.

Travis fühlt sich einsam, seinem Tagebuch vertraut er seine Gefühle an. In gleicher Weise ist er aber auch angewidert von dem, was er auf seinen nächtlichen Fahrten durch die Stadt zu sehen bekommt: Prostituierte, Junkies, Zuhälter, Freaks…für ihn „menschlicher Abschaum“, „Dreck“, den ein „großer Regen“ von der Straße fegen sollte.

Doch in gleichem Maße, wie sie ihn abstößt, zieht diese Welt Travis auch an. Seine Freizeit verbringt er entweder allein daheim, fernsehschauend, schlafend, sinnierend, manchmal in seinem Buch schreibend – oder in eben jenen Pornokinos rund um den Times Square, an denen er nachts vorbeifährt.

Eines Tages erblickt er Betsy (Cybill Shepherd). Ganz in weiß gekleidet geht sie über die Straße und Travis sieht in ihr die reine Unschuld, einen Engel, die Frau, die ihm fehlt.

Betsy ist Wahlkampfhelferin für den Präsidentschaftskandidaten Charles Palantine (Leonard Harris). Um Kontakt mit ihr aufzunehmen, geht Travis eines Tages in das Wahlkampfbüro und stellt sich vor. Er wolle Wahlkampf für den Senator machen. Mit einem gewissen Charme und viel Chuzpe kann er Betsy überzeugen, einen Kaffee mit ihm trinken zu gehen. Gegen den Rat ihres ebenfalls um sie werbenden Kollegen Tom (Albert Brooks) nimmt Betsy Travis´ Einladung an.

Sie treffen sich und Travis zeigt sich von einer guten Seite, kann Betsy mit seinen prinzipienfesten Ansichten und seiner eindeutigen Haltung zu vielen Dingen von sich überzeugen. Sie behauptet, noch nie jemanden wie ihn getroffen zu haben und vergleicht ihn mit der Figur aus einem Song von Kris Kristofferson – Pilgrim, CH 33. Travis will sie in ein Kino einladen und sie sagt zu.

An einem der folgenden Abende steigt zufällig Senator Palantine in Travis Wagen. Travis gibt sich als Unterstützer zu erkennen, erklärt aber im gleichen Atemzug, daß er nicht sehr politisch sei. Palantine will wissen, was ein „einfacher Mann aus dem Volk“ als erstes von einem neuen Präsidenten erwarten würde? Travis entgegnet, daß er die Straßen von all dem „Abschaum“ gereinigt sehen wolle. Am besten, so redet er sich in Rage, am besten wäre es, die ganze Stadt zu zerstören.

Palantine und sein Begleiter zeigen sich zwar konsterniert, bleiben aber höflich. Travis erklärt, daß er weiterhin für Palantine agitieren wolle. Nachdem der Senator den Wagen verlassen hat, springt ein junges Mädchen – offenbar eine Prostituierte – in den Wagen und fordert Travis auf, schnell loszufahren. Doch bevor dieser reagieren kann, wird sie von einem fremden Mann aus dem Auto gezerrt. Der Kerl wirft Travis eine 20-Dollar-Note als Entschädigung für die verlorene Fahrt auf den Beifahrersitz.

Später in derselben Nacht, wird Travis Wagen in den Slums von einer Jugendgang mit Eiern und Steinen beworfen. Doch stört das Travis nicht sonderlich. Er lenkt den Wagen durch eine der Fontänen der Hydranten und säubert ihn auf diese Weise. Problematischer sind all die Körperflüssigkeiten, die er morgens oftmals vom Rücksitz wischen muß. Manchmal ist es auch Blut….

Travis trifft sich in seinen Schichtpausen mit seinen Kollegen – Wizard (Peter Boyle), der ununterbrochen sexuell anzügliche Geschichten von Fahrgästen erzählt, Doughboy (Harry Northup), der Travis fragt, ob er eine Waffe brauche, Charlie T. (Norman Matlock), ein schweigsamer Schwarzer – und tauscht sich mit ihnen über seine Erfahrungen aus. Doch bleibt er auch hier eher ein Außenseiter.

Travis trifft sich schließlich mit Betsy. Er führt sie in eines der von ihm präferierten Pornokinos am Times Square. Obwohl die junge Frau befremdet ist, lässt sie sich zunächst darauf ein und folgt Travis in den Kinosaal. Dort läuft ein Pseudo-Aufklärungsfilm mit etlichen expliziten Sexszenen. Schnell hat Betsy genug und verlässt das Kino, gefolgt von Travis, der nicht zu verstehen scheint, was sie gegen den Film hat. Vor dem Kino kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden, bei der Betsy Travis erklärt, ihn nicht wiedersehen zu wollen. Zudem gibt sie ihm die Kris-Kristofferson-Platte zurück, die er für sie gekauft hatte. Dann steigt sie in ein Taxi und fährt davon.

Travis versteht nicht, weshalb Betsy so reagiert hat. Er schickt ihr Blumen, die alle zurückkommen, seine Anrufe nimmt sie nicht an. Schließlich gelingt es ihm, sie doch am Telefon zu sprechen. Doch sie erklärt ihm, daß sie weder Blumen noch Geschenke wolle, sie wolle einfach in Ruhe gelassen werden. Schließlich gibt Travis klein bei und erklärt, sie künftig nicht mehr zu kontaktieren.

Dennoch geht er anderntags, empört und wütend, in das Kampagnenbüro und beschimpft Betsy. Sie sei kalt und arrogant, genau wie alle andern; er, Travis, habe sich in ihr getäuscht. Tom verweist ihn des Büros und droht, die Polizei zu rufen. Sich mit dem sichtlich aufgebrachten Travis anzulegen, traut er sich hingegen nicht, hat der doch offenbar wirklich Kampferfahrung.

Bei einer Nachtschicht steigt ein Mann (Martin Scorsese) in Travis´ Wagen und bittet ihn, an eine bestimmte Ecke zu fahren, dort anzuhalten und mit ihm gemeinsam die gegenüberliegende Häuserfassade zu beobachten. Hinter einem Fenster sieht man eine weibliche Silhouette. Das, so der Fahrgast, sei seine Frau. Aber sie befinde sich nicht in der gemeinsamen Wohnung. Er habe vor, sie mit einer 44er Magnum zu töten. Dann beschreibt er genüsslich die Schäden, die die eine .44er Magnum einem Gesicht antun könne, in das sie abgefeuert werde. Travis verhält sich ruhig, beobachtet den Mann im Rückspiegel und sagt nichts.

Während einer anderen Nachtschicht sieht Travis das junge Mädchen wieder, das vor einiger Zeit in seinen Wagen gestiegen war. Er folgt ihr mit dem Taxi, bis sie und eine Freundin Freier auftun. Travis gibt Gas und fährt in die Nacht davon.

Travis wendet sich an Doughboy, der ihm einen Kontakt zu einem Waffenhändler herstellen soll. So trifft er sich in einem Hotel mit dem „schnellen Andy“ (Steven Prince), der nahezu jede Handfeuerwaffe im Arsenal hat, die man sich vorstellen kann. Er preist sie wie Geliebte an. So erwirbt Travis mehrere Waffen, darunter eine .357er Magnum, einen Revolver und eine .38er.

Daheim bastelt Travis sich eine Vorrichtung, eine Art Schiene, mit der er den Revolver an seinem Unterarm befestigen und bei Bedarf in seine Hand rutschen lassen kann. Travis, der unablässig in sein Tagebuch schreibt und darüber hinaus Selbstgespräche führt, sieht sich selbst als verweichlicht an und beginnt, zu trainieren. Er will wieder fit werden. Unter anderem beschließt er, keine Pillen mehr zu nehmen – Upper, die er oft schluckt. Er will nun selber etwas tun, um all den „Abschaum“ zu beseitigen, will selbst zur Tat schreiten, seinem Leben eine Richtung geben.

Travis besucht eine Wahlkampfveranstaltung des Kandidaten Palantine. Während des Auftritts nähert er sich einem Secret-Service-Beamten (Richard Higgs) und befragt ihn, wie man zum Geheimdienst käme. Der Mann erklärt Travis, er solle ihm seine Daten geben, dann würden sie sich bei ihm melden. Travis macht komplett falsche Angaben und verschwindet dann, während der Beamte einen Fotografen auffordert, ein Foto von ihm zu machen.

Travis ruft nun die „totale Mobilmachung“ aus. Er trainiert immer härter, stählt seinen Körper und übt mit seinen Waffen, darunter ein Messer, daß er mit Klebeband an seinem Stiefel befestigt. Er müsse wieder „kampfbereit“ werden erklärt er sich und dem Tagebuch.

Eines Abends kauft Travis in einem Eckladen ein, als er Zeuge eines Überfalls wird. Kurzentschlossen zieht er eine Waffe, die er jetzt immer bei sich trägt, und schießt den Räuber nieder. Da er keinen Waffenschein besitzt, bittet er den Ladenbesitzer, ihn aus der Sache rauszuhalten. Der Besitzer, der Travis kennt, fordert ihn auf, zu verschwinden, er regle das schon. Dann beginnt er, mit einem Baseballschläger auf den sterbenden Mann am Boden einzudreschen.

Travis schreibt an seine Eltern, gratuliert ihnen zum Hochzeitstag, entschuldigt sich, daß er sich so selten melde, er habe viel zu tun. Unter anderem arbeite er im Auftrag der Regierung, zudem habe er eine Beziehung mit Betsy, einem sehr netten Mädchen. Er werde sie ihnen einmal vorstellen.

Travis sucht das Mädchen, das in seinen Wagen gestiegen und wieder herausgezerrt worden war in den Straßenschluchten und den einschlägigen Orten, wo der Straßenstrich floriert. Er findet sie schließlich und gibt vor, Sex mit ihr haben zu wollen. Sie verweist ihn an Matthew, genannt „Sport“ (Harvey Keitel). Der macht sich über Travis lustig, verhöhnt ihn sogar, weil der offensichtlich unbedarft in diesen Sachen ist, sagt ihm dann aber, wo er mit dem Mädchen hingehen soll. So landet Travis mit dem Mädchen in einem Stundenhotel, wo er dem Portier noch zusätzlich das Zimmer zahlen muß.

Im Zimmer will das Mädchen ihm an die Hose, doch Travis verweigert jedwede sexuelle Handlung, er wolle nur mit ihr reden. So erfährt er, daß er es mit der 13jährigen Iris (Jodie Foster) zu tun hat. Er fragt sie, wieso sie dieses Leben lebe und ob sie nicht zurück zu ihrer Familie wolle. Doch Iris gibt vor, ihr Leben zu mögen, sie liebe „Sport“ und ihr Fluchtversuch, bei dem sie in Travis` Wagen gelandet sei, sei nur unter Drogeneinfluß geschehen. Trotz ihrer Art bittet Travis Iris, sich außerhalb ihrer „Arbeitszeiten“ mit ihm zu treffen, sie willigt ein.

So treffen sie sich anderntags zu einem späten Frühstück. Travis wird sehr eindringlich, will Iris überreden, zurück zu ihren Eltern zu gehen, die Highschool abzuschließen und etwas aus ihrem Leben zu machen. Das Leben auf der Straße sei nichts für sie, dafür sei sie viel zu gut. Iris behauptet, daß sie und „Sport“ ein Paar seien und sie sehr glücklich sei, fragt Travis aber auch, ob er mit ihr in eine Kommune kommen wolle. Travis lacht darüber, das sei nichts für ihn, außerdem habe er einen Regierungsauftrag.

Abends sieht man, wie „Sport“ Iris umgarnt, ihr seine Liebe schwört, mit ihr bei Kerzenlicht tanzt und ihr erklärt, ohne sie sei er nichts, sie dürfe ihn nicht verlassen.

Daheim vor dem Spiegel übt Travis mit den Waffen, doch spricht er auch erneut mit sich selbst, beschimpft und bedroht sein eigenes Spiegelbild und zielt schließlich auf sich selbst. Abends sitzt er vor dem Fernseher – das einzige, was ihm noch zu tun bleibt, ist fernsehen – und kippelt mit dem Gerät, bis es nach hintenüberfällt und zerbirst. Travis schluchzt auf und ergibt sich seiner Verzweiflung.

Travis schreibt einen Brief an Iris. Er weist darauf hin, daß er, wenn sie die Zeilen liest, wahrscheinlich schon tot sein wird. Er legt Geld in den Umschlag und bittet Iris, dies zu verwenden, um zu ihren Eltern zurück zu kehren.

Bei einer weiteren Wahlkampfveranstaltung des Kandidaten Palantine taucht Travis in seiner Kampfmontur auf: Unter einem Militärparka verbirgt er die Waffen, er hat sich einen Irokesenschnitt zugelegt und eine runde Sonnenbrille aufgesetzt. Er sieht sowohl Betsy als auch Tom neben Palantine. Travis bemüht sich, nah an die Bühne zu kommen, offenbar will er auf Palantine schießen. Doch der Secret-Service-Mann, den er bei der anderen Gelegenheit angesprochen hatte, erkennt ihn und setzt einige Männer auf ihn an. Mit Müh´ und Not gelingt es Travis, zu entkommen.

Abends taucht Travis in seiner Montur vor dem Stundenhotel auf. Er nähert sich „Sport“, der ihn erneut verhöhnt. Travis fackelt nicht lang und schießt dem Mann in den Bauch. Dann verschafft er sich Zutritt zu dem Hotel, schießt auf den Portier und verstümmelt ihn. Aus einem anderen Zimmer kommt ein Mann, der Travis anschießt und schwer verwundet. Travis schießt auch auf ihn und tötet ihn mit mehreren Schüssen. Der Portier greift Travis erneut an, auch „Sport“ taucht mit einer Waffe auf. Travis tötet „Sport“ nun endgültig und kämpft mit dem Portier, bis beide in Iris Zimmer landen. Obwohl diese Travis schreiend bittet, den Mann am Leben zu lassen, tötet Travis ihn mit einem Kopfschuß. Nun ist seine Munition alle, ein Selbstmordversuch scheitert. Als die Polizei in das Zimmer vordringt, finden die Beamten den schwer gezeichneten Travis, der sich einen blutigen Finger an die Schläfe hält.

Nachdem die Kamera den Schauplatz des Verbrechens aus großer Höhe und wie in Zeitlupe beobachtet hat, streift sie über eine Zimmerwand in Travis Wohnung. Etliche Zeitungsartikel erzählen von dem heldenhaften Travis Bickle, der ein junges Mädchen aus den Klauen der Unzucht gerettet und dabei nicht nur die Zuhälter, sondern auch einen bekannten Mafia-Killer getötet habe. Während man die Artikel sieht, hört man aus dem Off eine Stimme. Es ist die von Iris´ Vater, der einen Dankesbrief an Travis vorliest und erzählt, daß Iris wieder zuhause sei, sich erholt habe und nun die Highschool abschließen wolle.

Travis trifft sich mal wieder mit seinen Kollegen, die ihn nun anerkennend „Killer“ nennen. Wizard weist Travis darauf hin, daß er einen Fahrgast habe. So steigt Travis in seinen Wagen und sieht Betsy auf der Rückbank. Sie versucht zaghaft sich mit ihm zu unterhalten, erzählt, daß sie von seinen Taten gehört habe. Travis spielt alles herunter. Als sie vor ihrem Haus ankommen und sie bezahlen will, sagt Travis nur: „Geschenkt“ und fährt lächelnd davon. Er blickt noch einmal in den Rückspiegel.

Im Laufe eines durch Filme geprägten Lebens häufen sich eine Menge Werke an, die man so oder so immer wieder betrachtet, die man ab eines gewissen Punkts nahezu mitsprechen kann, deren Einstellungen man Bild für Bild, Szene für Szene, auswendig kennt. Und bei einigen – NOSFERATU – EINE SYMPHONIE DES GRAUENS (1922) oder LES ENFANTS DU PARADIS (1935) oder vielleicht LA STRADA (1954), IL GATTOPARDO (1963), C`ERA UNA VOLTA IL WEST (1968),  JAWS (1975) oder APOCALYPSE NOW (1976/79) – mag man bei jeder Neubetrachtung denken: Das ist er, das ist definitiv der beste Film, den ich je gesehen habe! Es könnte aber auch PSYCHO (1960) sein oder À BOUT DE SOUFFLE (1960), da mag ein jeder seine eigenen Präferenzen haben. THE SEARCHERS (1956), jener Western von John Ford, der, bis heute umstritten, einer der ersten Filme gewesen ist, die bspw. Rassismus offen thematisiert haben, gehörte ganz sicher zu den Werken, die die Jung-Cineasten Paul Schrader und Martin Scorsese als wesentlichen Beiträge des amerikanischen Filmkanons ausgemacht hatten. Ein Werk, das sie wieder und wieder sahen und das, nach einstimmiger Aussagen der beiden, maßgebliche Inspiration eines Films wurde, der seinerseits zu jenen gehört, die spätere Cineasten zu der Annahme verleiteten, es hier definitiv mit dem besten aller Filme zu tun zu haben – TAXI DRIVER (1976).

Paul Schrader, ein Kenner des Film-Noir und der zugrundeliegenden Noir-Literatur[1], hatte ein Drehbuch über einen ehrenvoll entlassenen Veteranen des U.S.-Marine Corps, einen sogenannten „Ledernacken“, geschrieben, der einen Job als Taxifahrer in New York annimmt, hauptsächlich nachts fährt, da er eh nicht schlafen kann, und nach und nach dem Wahn verfällt, die Stadt reinigen zu müssen von all jenen und jenem, das er auf seinen nächtlichen Touren durch die abseitigeren Gegenden der damals durchaus gefährlichen Stadt als Abschaum und Dreck ausgemacht hat: Prostituierte, Dealer, Pusher und Junkies, Drag-Queens und Schwule, all jene, die wie Geschöpfe einer Fantasiewelt wirken, die der Mann – Travis Bickle sein Name – nicht versteht, die ihn abstößt, die ihm Angst macht. Und die ihn zugleich anzieht. Schließlich kapriziert sich dieser Travis Bickle darauf, die junge Iris, eine dreizehnjährige Prostituierte, ihrem Schicksal zu entreißen und wieder auf den Pfad der Tugend zurück zu führen. Wie einst Ethan Edwards in John Fords Western seine Nichte Debbie jahrelang in den Weiten des Westens suchte, nachdem Indianer sie von der heimatlichen Ranch entführt haben, so sucht Travis Iris in den Schluchten der Stadt, bis er sie in einem Stundenhotel entdeckt und mit Waffengewalt – wie einst Ethan Edwards seine Nichte – aus den Klauen ihrer – vermeintlichen – Häscher befreit. Wie man sehen wird, ist Travis Bickle – eine weitere Ähnlichkeit mit Ethan Edwards – eine der großen mißverstandenen Figuren des amerikanischen Kinos.

Schraders Freund und Kollege Martin Scorsese – eine wandelnde Enzyklopädie des Kinos – war bereit, die Regie bei diesem durchaus heiklen Stoff zu übernehmen. Scorsese war mit seinem dritten Spielfilm MEAN STREETS (1973) vom Geheimtipp zum Shooting Star am Leinwandhimmel aufgestiegen. Er vertrat ein Kino, das typisch für seine Zeit war, typisch für jene Welle im amerikanischen Kino, die seit Mitte/Ende der 60er Jahre für Furore sorgte, da sie Kunst und Kommerz scheinbar mühelos zusammenbrachte – das sogenannte ‚New Hollywood Cinema‘. Wobei der Begriff „Hollywood“ hier weniger für eine Ortsbezeichnung steht, sondern vielmehr als ein Synonym für „amerikanische Filmwirtschaft“. Denn das ‚New Hollywood Cinema‘ wurde dezidiert eben nicht mehr in Studios hergestellt. Vielmehr ging man auf die Straße, on location, erzählte aus dem wirklichen Leben, zeitgenössische Geschichten mit zeitgenössischen Protagonisten, in denen sich das immer jüngere Kinopublikum wiederentdecken konnte.

 

TAXI DRIVER im Kontext des ‚New Hollywood Cinema‘

Folgt man Filmwissenschaftlern und -historikern wie James Monaco, der eines der ersten wissenschaftlich fundierten Werke über das von ihm so genannte „New American Cinema“ schrieb[2], Peter Biskind, der ein zwar auf Klatsch und Tratsch basierendes, aber dennoch sehr lesenswertes Buch über jene Jahre verfasste, die durch das ‚New Hollywood‘ geprägt wurden[3], oder auch Lars Dammann, der eine umfassende deutschsprachige Studie zum Thema vorlegte [4], war die Hoch-Zeit dieser Welle in den späten 60ern mit Filmen wie EASY RIDER (1969) oder FIVE EASY PIECES (1970) erreicht und ebbte Mitte der 70er Jahre bereits wieder ab, da man in Hollywood – also dem „wirklichen“ Hollywood – dank eines Films des Jung-Regisseurs Steven Spielberg erkannt hatte, daß es auch andere Möglichkeiten gab, aus der Kino-Misere der 60er Jahre auszubrechen. Spielberg hatte mit JAWS den ersten Blockbuster der Filmgeschichte vorgelegt, der im Jahr 1977 dann von George Lucas´ STAR WARS (1977) getoppt werden sollte.

Im Übrigen waren es mit Spielberg und Lucas zwei „Kinder“ des ‚New Hollywood‘, die dieser kurzen Spanne der Übereinstimmung von künstlerischer und kommerzieller Ambition den Garaus machten und wesentlich für die Entwicklung Hollywoods in den 80er und 90er Jahren mitverantwortlich zeichneten, als über neue Produktionen von ehemaligen BWL-Studenten und nicht mehr, wie in den goldenen Zeiten, von Film-Freaks entschieden wurden. In den 30er und 40er Jahren mochten Tycoons wie Harry Cohn, die Gebrüder Warner, Carl Laemmle oder Darryl F. Zanuck keine allzu genaue Kenntnis von der technischen Machbarkeit und Umsetzung von Filmen gehabt haben, ein untrügliches Gespür für Stoffe, dafür, was einen guten Film ausmachte und wer ihn wie umsetzen sollte, hatten sie zweifelsohne. Die namenlosen Leiter der Studios in den 80ern – als diese längst in Großkonzernen wie Sony und Medienkonglomeraten wie Time Warner aufgegangen waren – sahen vor allem auf die Zahlen des Eröffnungswochenendes, um einen Film als erfolgreich oder nicht erfolgreich zu deklarieren. Das ist zwar eine andere Geschichte, doch spielt sie in insofern eine Rolle in Bezug auf TAXI DRIVER, als daß Scorsese sich während seiner Karriere immer mit Hollywood schwertat – und Hollywood mit ihm. Wie John Cassavetes oder Woody Allen, ist auch Scorsese ein dezidierter Ostküstenkünstler, ein New Yorker. Seine Interessen sind deutlich auch nach Europa ausgerichtet und seine Herangehensweise an Themen und deren filmischer Umsetzung ist vollkommen anders geartet als in Hollywood.

TAXI DRIVER kam im Grunde zu spät, um als „typischer“ Vertreter des ‚New Hollywood‘ zu gelten. Und doch ist der Film unbedingt dieser neuen Welle amerikanischer Filme zuzurechnen, da er in seiner Radikalität, in seinem Willen, eine soziale Wirklichkeit abzubilden und in der filmischen Umsetzung alle Kriterien des ‚New American Cinema‘ erfüllt. Schrader, der auch ein Kenner der europäischen Literatur und vor allem des europäischen Kinos seit dem Zweiten Weltkrieg war, versuchte, jene Errungenschaften des Neorealismus oder der Nouvelle Vague auf das amerikanische Kino anzuwenden, die die Filme eines Michelangelo Antonioni, Luchino Visconti, eines Robert Besson, Jean-Luc Godard oder Francois Truffaut so aufregend, modern und neu erscheinen ließen. Georg Seeßlen zählt Einflüsse – bis hin zu einzelnen Bildauflösungen und spezifischen Kameraeinstellungen und -fahrten – auf, die sich in TAXI DRIVER wiederfinden lassen[5]. Doch war Schrader natürlich auch ein Kenner und Liebhaber des amerikanischen Films. Er verehrte – man vergleiche eben seinen Text zum ‚Film Noir‘ – das Genrekino und es wundert nicht, daß TAXI DRIVER eben auch ein Genre-Beitrag geworden ist, ein Noir-Thriller, ein verkappter Horrorfilm, ein Großstadtwestern.

Im frühen ‚New Hollywood‘ galt der Genre-Film hingegen eher als verpönt, man wollte direkt aus der zeitgenössischen Wirklichkeit, aus dem „echten“ Leben erzählen. Allerdings waren schon frühe Beiträge eindeutige Genre-Filme. BONNIE AND CLYDE (1967) – ein historisierender Gangsterfilm, IN THE HEAT OF THE NIGHT (1967) oder THE FRENCH CONNECTION (1971) – glasklare Kriminalfilme, bzw. Cop-Thriller. Und mit EASY RIDER (1969), jenem Film, der gemeinhin als eines der Originalprodukte und als Kulminationspunkt des ‚New Hollywood‘ betrachtet wird, schufen die Filmemacher Dennis Hopper und Peter Fonda gar ein komplett neues Genre, das des Road-Movies, welches am ehesten mit dem klassischen Western verwandt ist.

Schrader und Scorsese gelang jedoch mit ihrem eben auch als Genrefilm zu betrachtenden Werk das eindringliche Doppelportrait eines Mannes, der sich zunehmend in seinem Wahn verliert – die direkte Innenansicht einer Psychose – sowie jener Stadt, die der Regisseur so liebt, die er wie seine Westentasche kennt und die ihm zum Ort wurde, in der man die Conditio Humana perfekt abgebildet finden kann – New York City.

Können die frühen Werke von Martin Scorsese – WHO`S THAT KNOCKING AT MY DOOR? (1967) und BOXCAR BERTHA (1972) – durchaus noch als typische Vertreter des ‘New Hollywood’ angesehen werden, hatte der Regisseur spätestens mit MEAN STREETS eines seiner Lebensthemen und damit auch den Weg ins Genre-Kino gefunden: Die Gangster und Kleinkriminellen, die das Leben auf den Straßen von „Little Italy“ prägten, jenem Viertel, in dem er aufgewachsen war. Und auch ein zweites Thema etablierte sich bereits hier und wurde in TAX DRIVER dann virulent: Das der exzessiven Gewalt, die Scorsese in vielen seiner Filme fast obsessiv behandelt. Beide Themen waren und sind am besten in Genrefilmen abzuhandeln, allerdings hat Scorsese im Laufe seiner langen Karriere bewiesen, daß man das Genre immer auch überwinden, seine Grenzen ununterbrochen ausdehnen und erweitern und damit einiges über die (amerikanische) Wirklichkeit – und das Kino selbst – erzählen kann.

Schrader und Scorsese gingen bereits in TAXI DRIVER schon über die Regeln hinaus, sprengten die Grenzen der Konvention, indem sie nicht einfach nur einen Film über einen verstörten Mann in New York City drehten, sondern diesen in seinem Wahn durch eine möglicherwiese fiktionale Welt, die ausschließlich in seinem Kopf existiert, wandeln ließen, was ihnen die Möglichkeit gab, ihren Film als Meta-Film anzulegen, der eben nicht nur eine Geschichte erzählt, sondern auch davon berichtet, wie das Erzählen selbst in eine fiktionale Welt eingelagert ist, die ununterbrochen auf sich selbst verweist, sich aus sich selbst speist. TAXI DRIVER ist, folgt man Seeßlens Hinweisen, ein hochgradig intertextueller Film, der in dauernder Korrespondenz zu anderen, früheren Werken der Filmgeschichte steht.

Doch ebenso korrespondiert er mit zetigenössischen Filmen und ordnet sich ein: IN einer frühen EInstellung aus Travis´ Taxi heraus sehen wir die Werbebande eines Kinos, das Tobe Hoopers TEXAS CHAINSAW MASSACRE (1974) zeigt. Ein Billigfilm mit enormer Wirkmächtigkeit, ein Film, der das Horrorgenre ähnlich beeinflusste, wie George A. Romeros NIGHT OF THE LIVING DEAD (1968), aber auch ein Schmuddelkind des Kinos, unernst und nicht ernst genommen. Man kann in Scorseses Geste gegenüber gerade diesem Werk durchaus Anerkennung, aber auch Wesensverwandtschaft erkennen. Als Filmemacher sah er sich wahrscheinlich näher bei dem anarchischen Hooper, denn bei all den Junggenies von der Westküste.

 

Der Psychopath als Ikone

Bei seinem Erscheinen korrelierte TAXI DRIVER allerdings mit einer neuen Zeiterscheinung, einer neuen Jugendbewegung – dem Punk. Die Art und Weise, wie er in dieser Szene einschlug, die kultische Verehrung, die ihm bald zuteilwurde, ließ die subtextuellen und die Meta-Ebenen des Films zunächst eher nebensächlich erscheinen, wenn man sie denn, außerhalb der Kritik und der Feuilletons, überhaupt wahrnahm. Da Travis sich zwischenzeitlich einen Irokesenschnitt schneidet und wie ein Anarchist auftritt, manchmal wie ein Clown, meist wie ein Verweigerer, ein Rebell, ein Misfit in einer Gesellschaft, die er als falsch, verkommen und moralisch korrupt ausgemacht hat, konnte die Figur leicht mißverstanden werden. Travis ist ein Mann, der sich, in seinem Innern von einem tiefsitzenden, fast konservativ, wenn nicht gar reaktionär anmutenden Moralismus getrieben, anschickt, gegen die von ihm so empfundenen Wirrnisse seiner Zeit vorzugehen. Allerdings tut er dies auf eine ignorante, Konventionen sprengende Art und Weise. Impulsiv und ausgesprochen gewalttätig. Und letztlich wird er auch ein Opfer seiner eigenen Widersprüche, seiner inneren Zerrissenheit.

War das ursprüngliche ‚New Hollywood‘-Kino in die Blase einer Jugend eingedrungen, die Werte wie Peace, Love & Happiness vertrat – also jene der Hippie-Generation – , war die Jugend-Szene zur Mitte der 70er Jahre viel divergenter, ausdifferenzierter. Etliche politische Skandale, der Vietnamkrieg, der Bericht des Club of Rome, dessen Warnung, daß das Wirtschaftswachstum möglicherweise endlich sei, die Öffentlichkeit nachhaltig aufgeschreckt hatte, die Ölkrise und erste echte Nachkriegsrezessionen, hatten nach den ökonomischen Aufbruch- und Wachstumsjahren der 50er und 60er zu einer sehr viel pessimistischeren Stimmung geführt. Der Glauben an eine strahlende Zukunft im Zeichen des Aquarius war einem zweifelnden Grundgefühl moralischer Verlorenheit gewichen. Unter Jugendlichen hatten in Anbetracht einer ungewissen Zukunft, zunehmender ökologischer und ökonomischer Bedrohungen wie bspw. drohender Arbeitslosigkeit nihilistische Ansichten und Haltungen („no future“) zugenommen; Haltungen, die sich dezidiert von den Idealen der Hippiekultur absetzten, ihnen teils diametral entgegen standen. Diese Jugend konnte sich in Travis Bickles seltsamen Betrachtungen der Realität, seinem Verzweifeln an der Wirklichkeit, in seiner Entfremdung, seinen Widersprüchen, der Kälte, die die Gesellschaft ihm und die er der Gesellschaft entgegenbringt, wiederfinden. So konnte er zu einer Ikone der Punk-Bewegung werden.

 

Travis Bickle, der TAXI DRIVER – ein Mißverständnis?

Ein Mißverständnis ähnlich jenem, wie es – um erneut zu jenem Film zurückzukehren, der so maßgeblich für Paul Schrader und Martin Scorsese war – für Ethan Edwards in THE SEARCHERS gilt. Einmal mehr korrelieren die Filme – in ihrer Wirkung und Wirkmächtigkeit. Edwards nämlich ist ein lupenreiner Rassist, ein ehemaliger Südstaatenoffizier, der die Jahre nach dem Krieg offenbar als Outlaw verbracht hat, ein Mann, der das, was er hasst – die Indianer, allen voran die Komantschen – allerdings auch anziehend findet, denn niemand im ganzen Film weiß mehr über und versteht mehr von den Eingeborenen, als eben Ethan Edwards. Edwards zeigt sich von dem, was er vorgeblich hasst eben auch zutiefst angezogen. Und genauso ergeht es Travis Bickle in TAXI DRIVER. John Ford, der Regisseur von THE SEARCHERS, war sich der Ambivalenz seiner Hauptfigur voll bewußt. Anders sah es bei John Wayne aus, der die Rolle spielte, einen seiner Söhne danach benannte und Edwards für einen ungebrochenen amerikanischen Helden hielt, obwohl der Film in etlichen Szenen – vor allem jener berühmten Schlußsequenz, wenn alle noch Lebenden ins Haus gehen und nur Ethan draußen stehen bleibt, bevor sich die Tür vor ihm und dem Wüstenpanorama schließt – deutlich die Brüche und Widersprüche der Figur aufzeigt und thematisiert.

So erging es Scorsese auch mit Travis Bickle. Ein Mann, der sich in seinem Inneren verloren zu haben scheint, der der Welt mit einem beinah Sartre´schen Ekel begegnet, ein Mann, dessen Ansichten verschroben sind, dessen Wahrnehmung verzerrt ist, ein Mann, der kaum auf Sprache zurückgreifen kann, also kommunikationsgestört ist, ein Mann, dessen soziale Kompetenzen unterentwickelt sind, der sich ernsthaft um eine Frau bemüht, indem er sie in eines der XXX-Kinos, also einen Pornofilm, um die 48th Street ausführt und nicht versteht, weshalb die Dame sich brüskiert fühlt. Und ein Mann, der schließlich zur Gewalt neigt, der sich ein ganzes Waffenarsenal zulegt und dann nach einem Ziel sucht, wobei dieses Ziel wahllos scheint, es muß nur etwas sein, das seine Wut treffen kann, eine Projektionsfläche. Das kann ein Präsidentschaftskandidat sein, ein Zuhälter oder ein Zufallsopfer, das sich dann beiläufig als Angehöriger der Mafia entpuppt, womit es dann in den Augen der Öffentlichkeit den Richtigen getroffen hätte.

Anders als Ford, hatten Scorsese und Schrader das Schicksal ihres Anti-Helden schon inhaltlich antizipiert. Denn am Ende des Films, wenn die Schlacht geschlagen ist, die Toten weggeräumt wurden und Travis seine Wunden ausgeheilt hat, hören wir in einer Over-Voice den Brief des Vaters des geretteten Mädchens, der sich bei Travis für dessen Einsatz bedankt. Und während wir diesem Bericht aus dem Amerika der Vorstädte lauschen, gleitet die Kamera über die Wand in Travis´ Wohnung und zeigt uns eine Reihe von Artikeln, die den mordenden Taxifahrer als Helden feiern, als einen Mann, der sich nicht mehr alles bieten lasse, einen, der aufräumt mit all dem Dreck und der Sünde der Großstadt. Amerika liebt seine Helden. Und es liebt die Gewalt. Selten wurde dies in einem Film pointierter – aber auch beiläufiger, lakonischer – thematisiert, als in TAXI DRIVER.

 

After Vietnam – Entfremdung, Wut, Dissoziation

Travis´ Entfremdung – was in jüngeren Analysen des Films zwar erwähnt wird, aber nicht den Stellenwert eingeräumt bekommt, den es 1976 zweifellos hatte – hat sehr viel damit zu tun, daß er offensichtlich in Vietnam gedient hat. Seine Aussagen zu Beginn des Films, wenn er sich als Taxifahrer bewirbt, lassen wenig Zweifel daran aufkommen, spricht er doch von „Kampferfahrung“. Obwohl der Film diesen Aspekt nach der Bewerbungsszene beim Taxiunternehmen nicht mehr explizit erwähnt oder gar thematisiert, grundiert und definiert er doch die gesamte Handlung. Nach heutigen Standards würde man bei Travis Bickle wahrscheinlich von einer Posttraumatischen Belastungsstörung, kurz PTBS, im Englischen PTSD (posttraumatic stress disorder), sprechen. Die Schlaflosigkeit, die Gewaltbereitschaft, Stimmen im Kopf, die der Film zumindest andeutet und die Travis durch endlose Selbstgespräche verdrängt, die er zum Teil in Tagebucheinträgen niederlegt, legen das nahe.

Schon die ersten Einstellungen während des Vorspanns, unterlegt mit Bernhard Hermans eindringlicher, dräuender Musik – des letzten Scores, den der langjährige Hauskomponist von Alfred Hitchcock schrieb, er starb noch vor Fertigstellung des Films und dessen Premiere – deuten Travis´ emotionalen und psychischen Probleme an. Wir sehen – zu den Klängen eines langsam swingenden Jazz-Sounds – den Wagen, eines jener legendären yellow cabs, wie sie auch heute noch die Straßen von New York City prägen, durch aus den Gullis aufsteigende Dampfwolken brechen, sehen ein Augenpaar in extremer Nahaufnahme nach links und rechts blicken, dann die Straße in verzerrten, psychedelischen Bildern, während die Musik einen bedrohlichen Klang annimmt, um mit einem Umschnitt auf den Wagen und dann wieder die Augen zum Jazz-Thema zurückzukehren. Auch wenn der Film diese formalen Spielereien später nur ein einziges Mal erneut aufgreift – wenn Travis schließlich zur Tat schreitet, wird das Stundenhotel, in dem er den Zuhälter der jungen Iris, den Türsteher und einen zufällig anwesenden Mafiosi tötet, durch einen Rotfilter gezeigt, was der gesamten Szenerie etwas Höllisches verleiht[6] – setzen Scorsese und sein Kameramann Michael Chapman mit diesen Verfremdungen der Bilder der Straße, die wir durch den Umschnitt von den Augen als subjektive Wahrnehmung einordnen müssen, den Ton, die Atmosphäre des Films.

Entfremdung, innere Widersprüche, Wahn, Angst aber der Wunsch nach Nähe, nach menschlichen Kontakten und schließlich auch ein überbordendes Sendungsbewußtsein charakterisieren Travis Bickles Charakter, respektive das, was der Film dem Betrachter bietet. Wir erfahren nahezu nichts über diesen Mann, über seine Geschichte. Lediglich seine eigenen Angaben gegenüber seinem Arbeitgeber zu Beginn des Films geben uns einen Einblick in seinen Werdegang. Er ist einsam, er mag nicht, was er sieht, wenn er nachts durch die Straßen Manhattans fährt. Er ist voller Zorn. Er sucht Kontakt zu einer zufällig beobachteten Frau, Betsy, auf die er seine Hoffnungen projiziert. Er sucht ihre Nähe, kann sie zunächst auch für sich einnehmen, führt sie aus und löst damit eine Katastrophe aus. Denn er kann sich ihre Abneigung nicht erklären, ihre Entfremdung von ihm, der sich doch selbst so entfremdet fühlt, nachdem er sie in das bereits erwähnte Pornokino eingeladen hat. In einem fast rührenden Telefonat bemüht er sich, ihr zu erklären, weshalb er dieses Kino, diesen Film, ausgesucht habe, daß er nicht habe wissen können, daß ihr solche Filme nicht gefallen, daß sie es vielleicht bei einer Tasse Kaffee noch einmal miteinander probieren könnten – und blitzt natürlich bei ihr ab. Es ist wohl diese Ablehnung – TAXI DRIVER enthält sich aller didaktischen Erklärungen, was den Film erst recht so abgründig und bedrohlich wirken lässt – , die Travis ein neues Ziel, eine neue Projektionsfläche suchen lässt. Eine solche wird zunächst Charles Palantine, der Präsidentschaftsanwärter, für den Betsy arbeitet und der eines nachts zufällig in Travis´ Taxi steigt.

Es kann also ein Akt der Rache sein, daß Travis sich zunächst entscheidet, auf den Veranstaltungen des Mannes aufzutauchen, dabei sogar wissentlich und absichtlich die Aufmerksamkeit des Secret Service auf sich ziehend. Es kann aber auch seine Abneigung gegen das Politische an sich sein, das er mehrfach im Film gegenüber anderen erwähnt. Er interessiere sich nicht für Politik, so erklärt er es auch Palantine im Taxi, wird dann aber, als der ihn fragt, was er, als „einfacher Mann von der Straße“, als erstes von einem neuen Präsidenten erwarten würde, überdeutlich, wenn er daraufhin dem Kandidaten immer erregter mitteilt, wie sehr ihn die Straßen und der „menschliche Abschaum“, wie er es nennt, anwidern. Man solle die Straßen reinigen – oder gleich die ganze Stadt niederbrennen. Und trotz seiner Abneigung gegen das Politische an sich, versichert Travis dem Kandidaten, daß er ihn für einen guten, den „richtigen“ Mann halte und ihn wählen werde. Doch Travis hat kein Vertrauen mehr in die Politik, in „die da oben“. Darin ähnelt er in erstaunlicher Weise den sogenannten „Wutbürgern“ unserer Tage, die sich ebenfalls gegen eine wirkliche oder eingebildete Obrigkeit, gegen das Establishment, wenden, dabei politisch oder ideologisch meist nicht wirklich einzuordnen, deren Wut und Hass eher dumpf und unspezifisch sind, deren Lösungsansätze aber erstaunlich oft und erstaunlich schnell zur Gewalt tendieren. Es ist exakt diese Richtung, die Travis einschlägt.

Er sucht und findet in Iris, der er bei verschiedenen Gelegenheiten auf der Straße begegnet, ein geeignetes Ziel, um seinem inneren Empfinden von Ungerechtigkeit eine Zielrichtung zu geben. Sie zu retten, verspricht auch ihm und seiner zerrütteten Seele Erlösung. Und genau so kommt es dann ja auch. Er mutiert – zumindest vorübergehend – zu einer Killermaschine (die er nach seiner Armee-Ausbildung und dem Einsatz in Vietnam im Grunde ja auch ist), tötet ebenso skrupel- wie gnadenlos und wird doch von aller Grausamkeit, aller Schuld frei gesprochen, ist er doch derjenige, der ein junges Mädchen aus den Klauen des Bösen, der Menschenhändler, der Luden, Junkies und Dealer befreit hat. Ein Leben für sie, Katharsis für ihn.

Und die Überwindung der Schmach, von Betsy abgelehnt worden zu sein. Die sitzt, am Ende des Films, in seinem Wagen und bemüht sich um Konversation. Ob sie es so wollte oder wir es mit einem Zufall zu tun haben – Travis zweifelnder Blick, nachdem er sie abgesetzt und ihr die Fahrt geschenkt hat, drückt auch unsere Unsicherheit über dieses Zusammentreffen aus. Travis hat die Hure Iris zurück auf den Pfad der Tugend geführt. Zuvor hat er Betsy jedoch nicht verführen können, ihm in seine Welt zu folgen. Der Engel, wie sie ihm erscheint, steigt nicht hinab in die Hölle, den Sündenpfuhl, den Travis so hasst und in dem er doch zuhause ist.

 

Die Struktur des Wahns

Beim Betrachten des Films stellt sich immer wieder die Frage, ob sich das, was wir sehen und erleben – bis auf eine Szene, in der Iris mit ihrem Zuhälter tanzt, ist immer Travis unser Fokus, ist er in jener Szene anwesend – nur im Kopf des TAXI DRIVER abspielt. Angefangen mit der oben beschriebenen Eingangssequenz, die eine verzerrte Wahrnehmung der Wirklichkeit nahelegt, über Betsys übernatürlich weiß wirkendes Kleid, bis hin zu jener Albtraumsequenz am Ende des Films, in der Travis sich in die erwähnte „Killermaschine“ verwandelt, könnten wir ebenso gut an seinen Wahnvorstellungen teilhaben. Vielleicht ist das alles nur eine Phantasmagorie, eine endlose psychotische Wahnvorstellung, die sich ausschließlich in Travis Bickles Kopf abspielt. Betrachtet man die Entwicklungen des Films auf diese Weise und bedenkt, mit welcher Leichtigkeit Travis lügt – oder eigenen Wahnvorstellungen erliegt, beispielsweise dem ominösen „Regierungsauftrag“, von dem er gegenüber Iris spricht und den er in einem Brief an seine Eltern erwähnt – könnte es sogar sein, daß nichts von dem, was Travis Bickle uns – und seinem Arbeitgeber – preisgibt wirklich stimmt. War er wirklich bei den kämpfenden Einheiten in Vietnam? Ist er wirklich der zum Töten ausgebildete Spezialist? Oder ist er ebenso ein Geschöpf der Nacht, wie jene, die er auf seinen Fahrten beobachtet und so verachtet? Ist er ein gefallener Engel, der gegen das ihm bestimmte Schicksal aufbegehrt? Er sei „Gottes einsamster Mann“ schreibt er in sein Buch – aber ist nicht der einsamste Mann jener, den Gott verlassen hat? Und ist die Welt, die wir durch Travis´ Augen wahrnehmen, nicht eh die Hölle, also der Ort, der vor allem durch die Abwesenheit Gottes markiert ist?

Dem entgegen stehen jene Momente des Films, die Travis Welteinschätzung zu bestätigen scheinen: Der Fahrgast, der genüsslich darüber schwadroniert, wie er seine Frau erschießen will; der Überfall auf den Eckladen, bei dem Travis Zeuge wird und einschreitet; die Straßenbilder, oft unscharf und wacklig, die uns das ganze Elend eines nächtlichen Rotlichtbezirks vor Augen führen; die abgestumpfte, sexualisierte und auch brutalisierte Sprache von Travis´ Kollegen Wizard und Doughboy; die Hingabe des „schnellen Andy“, des Waffenhändlers, an seine Ware, die er liebevoll und ausschließlich mit weiblichen Adjektiven beschreibt und mit weiblichen Attributen belegt. All dies sind Hinweise auf eine brutalisierte, eine gewalttätige Gesellschaft, die den Wert des menschlichen Lebens vergessen zu haben scheint. Seeßlen schreibt, daß Travis vielleicht eine leere Fläche sei, in die seine Umwelt hineinprojiziert, was sie in ihm sehen will[7]. Eine interessante Deutung. Denn dann wäre eine Ebene des Films auch die, daß wir, als Kinogeher, als Zuschauer, uns eine Welt ausmalen, die nur wir sehen, daß die Welt letztlich nur eine Konstruktion ist, ein künstliches Ereignis. Es würde unter anderem bedeuten, daß wir, jeder einzelne von uns im dunklen Kinosaal, Travis Bickle sind.

Gegen die Annahme, Travis´ sei der gefallene oder der Todesengel steht sein alttestamentarisch anmutender Zorn, sein Moralismus, seine Werte. Georg Seeßlen spricht von Scorseses „katholischem Mythos“[8], der den Film präge. Allerdings – auch das erwähnt Seeßlen[9] – kommt Travis nicht aus New York, er stammt aus dem Mittleren Westen, Land der Evangelikalen, der Prediger der letzten Tage, der Apokalyptiker, protestantisch geprägtes Land. Er ist also eher kein Katholik. Und Scorsese selbst hat ihn als alttestamentarische Figur charakterisiert. Seine Herkunft erklärt allerdings zum Teil seine Reaktion auf das, was er sieht. Er lehnt die Sünde ab, die er wahrnimmt, von der er sich umgeben sieht, die ihn bedrängt und die ihn aber eben auch verführt. In seiner Freizeit schaut er schlechte Seifenopern im Fernsehen und geht in Pornokinos. Die Welt der Rotlichtbezirke und des Straßensex´ ziehen ihn an. Darin erinnert er an eine andere Figur des ‚New Hollywood‘, an den MIDNIGHT COWBOY (1969) in John Schlesingers gleichnamigen Film. Dort ist es Jon Voight in der Rolle des Texaners Joe Buck, der nach New York kommt und die Codes der Metropole nicht versteht. Anders als Travis, glaubt Buck allerdings, den „Einheimischen“ überlegen zu sein, da er sich auf die Klischees verlassen zu können meint, die er von einer Stadt wie New York im Kopf hat. Travis denkt keineswegs so. Vielmehr glaubt er, der Stadt mit seinem ureigenen Wertesystem begegnen zu können, ja, es dieser letztlich aufoktroyieren zu dürfen, was ihm schließlich in gewissem Sinne ja sogar gelingt.

Travis Reaktionen, seine Sicht auf diese ihm letztlich fremde Stadt, erinnern auch an die Reaktionen einer Besatzungsmacht in fremdem, feindlichem Gebiet. Die „Eingeborenen“ – in diesem Fall eben all die Gestalten der Nacht, die die Straßen Manhattans bevölkern – sind in Travis´ Augen Gottlose, Wilde. Und Scorsese spielt ein böses Spiel, indem er uns außer Betsy und ihrem Kollegen Tom so gut wie ausschließlich Figuren und Gestalten bietet, die dieser Sichtweise Nahrung geben. „Sport“, Iris Zuhälter kleidet sich wie ein Hippie-Indianer, die Nutten sehen fast alle aus, als kämen sie direkt aus einer Travestieshow, die Luden kleiden sich in allen möglichen aufgebrezelten Aufmachungen. Sieht man diese Welt mit Travis Augen, hat man es allerdings wirklich mit einem scheinbaren Irrenhaus zu tun. Da kann man sich schnell als „Gottes einsamster Mann“ fühlen. Und wie ein solcher, entwickelt Travis eine Mission. Er wird dieses Babel reinigen. Und wie die weißen Siedler auf die Indianer, wie die U.S.-Soldaten auf die Asiaten im Zweiten Weltkrieg und erst recht in Vietnam, reagiert auch Travis mit einem Überlegenheitsgefühl gegenüber denen, die es zu missionieren gilt. Es ist Rassismus, der sein Unverständnis kaschiert.

 

Ist TAXI DRIVER ein rassistischer Film?

Schrader hatte den Film durchaus bewußt mit rassistischen Untertönen ausgestattet. Er und Scorsese milderten diesen Aspekt während der Dreharbeiten ab, da sie um die mißverständlichen Implikationen wussten. Dennoch gibt es immer wieder Hinweise auf Travis´ rassistische Grundhaltung. Die Leichtigkeit, mit der er früher im Film den schwarzen Ladendieb niederschießt, sein Reden gegenüber seinem Chef in der Taxizentrale, daß er kein Problem damit habe, „N****r“ zu fahren, aber auch seine Reaktionen auf Menschen mit deutlich anderen Lebensentwürfen – Schwule, Lesben, Hippies – zeugen davon. Strukturell wird schon hier THE SEARCHERS zitiert. Eine weitere Korrelation der beiden Filme. Ethan Edwards ist, wie oben erwähnt, ein fürchterlicher Rassist, dessen Hass eliminatorische Züge trägt. Er tötet Büffel, weil das Hunger bedeute, Hunger bedeute tote Indianer. Travis begründet seine Auslöschungsphantasien allerdings kaum mehr, er tötet einfach. Er tut letztlich das, wozu er ausgebildet wurde und was er in Vietnam problemlos und vor allem ohne jegliche juristische und moralische Konsequenz tun durfte. Daß er, Travis, am Ende von TAXI DRIVER also ohne Strafe davonkommt, mehr noch: gefeiert wird, bestätigt ihn nur.

Geschickt zeigen Schrader und Scorsese allerdings Travis´ Kollegen Charlie T., einen Schwarzen, als einzigen unter den Taxifahrern, der liest, sich, wenn er denn spricht,  halbwegs gewählt ausdrücken kann und sich nie an den Prahlereien der anderen beteiligt. Der Film bemüht sich also darum, die eigene Position von der seiner Hauptfigur abzugrenzen. Ein Unterfangen, das schon oft schief gegangen ist, falsch verstanden wurde, nicht aufging. Ford wurde für THE SEARCHERS Rassismus vorgeworfen, ebenso Michael Cimino für THE DEER HUNTER und später für YEAR OF THE DRAGON (1985), einem Film, der sich dezidiert mit Rassismus und dessen unauflösbaren Widersprüchen beschäftigt, selbst aber alles andere als rassistisch ist. TAXI DRIVER musste sich des Vorwurfes vielleicht nur deshalb nicht in gleichem Maße erwehren, weil die Diskussionen und Kontroversen, die er hervorrief, sich eher um die Gewalt, die Pornographie und die fast noch kindliche Jodie Foster und die Frage drehten, ob man eine Jugendliche so überhaupt darstellen darf.

Schrader baut in Bezug auf den Vietnamkrieg allerdings eine weitere Volte in sein Drehbuch ein: Kehrten die Veteranen dieses bis dato längsten Krieges der amerikanischen Geschichte als Geschlagene heim, als Besiegte, erfährt Travis in den offiziellen und persönlichen Reaktionen auf seine Tat nun die Anerkennung, die ihm als Soldat vorenthalten wurde. Schrader verdeutlicht, wie eine Gesellschaft, die Kriege wie den in Südostasien führt, von der Gewalt, die sie entfacht, auch infiziert wird. Er verdeutlicht, wie sie gegenüber der Gewalt abstumpft, indifferent wird und sie internalisiert. Und Travis, dieser Außenseiter, der nicht weiß, wie man ein Mädchen ausführt, der kaum über eine (gesprochene) Sprache verfügt, der seiner Umwelt mit einem Haifischgrinsen begegnet um seine Unsicherheit zu kaschieren, der die Gesellschaft, in der er lebt, so grundlegend ablehnt, wird durch seinen Gewaltakt zu einem integralen Teil eben dieser Gesellschaft. Er findet seinen Weg, er findet auch seinen Frieden. Zumindest scheint es am Ende des Films so, wenn er uns, nur durch eine Narbe am Hals gezeichnet, wieder mit vollem Haar begegnet, jetzt scheinbar unter seinen Kollegen integriert. Er ist jetzt der „Killer“, wie sie ihn ebenso ironisch wie anerkennend rufen, der seinem Job nachgeht. Die Zeitungsartikel und der Brief von Iris´ Vater bestätigen ihm und uns, daß er richtig gehandelt habe, daß er ein Held ist, daß die Gewalt das richtige Mittel gewesen sei, um zu tun, was getan werden musste. Am Ende ist die Gewalt die Katharsis, ist der Gewaltakt Travis´ „Wiedergeburt“, seine Initiation in eine Gesellschaft, die er doch eigentlich ablehnt.

 

Exkurs: Wahrheit und Fiktion – was war zuerst da?

TAXI DRIVER hat erstaunliche Verwicklungen mit der Wirklichkeit erfahren, was auch spätere Diskussionen um den Film befeuerte. 1981 schoß John Warnock Hinckley, Jr. auf Präsident Ronald Reagan. Dies sollte – nach dem Vorbild von Travis Bickle, der ja anscheinend den Kandidaten Palantine erschießen will – ein Geschenk, eine Gabe, ein Opfer an und für Jodie Foster sein, die die junge Iris im Film spielte. Hinckley war ihr angeblich, nachdem er TAXI DRIVER gesehen hatte, verfallen und wollte ihre Aufmerksamkeit auf sich lenken. Wahr oder nicht – es ist zumindest eine Story, die zu dem Film passt. Denn der Attentäter hätte in diesem Falle den gleichen Fehler begangen, wie all jene im Film und die zeitgenössischen Zuschauer, die die Figur Travis Bickle so falsch verstanden hatten.

Der Mord an Palantine wäre eben kein Akt in Hinblick auf die kindliche Hure Iris gewesen, die eben auch einer Lolita gleicht, sondern vielmehr einer im Hinblick auf Betsy, die Unerreichbare, die Dame in Weiß, die Unschuld, zu der Travis sich so hingezogen gefühlt hatte. Ein Mord an Palantine wäre ein schnöder Racheakt gewesen – ein nahezu religiöser Akt, eben ein kathartischer, konnte erst der im Rotlichtmilieu werden, der Iris „befreit“. Hinckleys Tat, soweit man es einschätzen kann, ist die eines Wahnhaften. Sie spiegelt also eher die innere Struktur der Figur Travis Bickle, dessen Wahn, weniger seine Interaktion mit der Außenwelt.

Gesellschaftlich interessanter als der Bezug zu Hinckley, ist der Zusammenhang mit dem Fall Bernhard Goetz, der am 22. Dezember 1984 auf vier junge Schwarze schoß, die die Absicht gehabt haben sollen, ihn zu überfallen. Der eigentliche Fall stellte sich kompliziert dar, doch teilte Goetz das Schicksal von Travis – auch er wurde, von den Zeitungen als der „Subway Vigilante“ betitelt, zumindest in Teilen der Bevölkerung als ein Mann gefeiert, der die herrschenden Zustände im damals extrem von Gewalt und Verbrechen heimgesuchten New York nicht mehr hinnahm und sich zur Wehr setzte. Was 1976 wie eine höllische Phantasie wirkte, war 1984 teil einer amerikanischen Wirklichkeit. Hinnehmbar, wenn auch moralisch fragwürdig, teilweise zustimmend zur Kenntnis genommen, seltener frenetisch gefeiert.

 

An der Zeitenwende

Vielleicht sollte man solchen Koinzidenzen nicht allzu viel Aufmerksamkeit zollen, doch nimmt man die Tatsache hinzu, daß Travis Bickle in gewissen subkulturellen, aber auch künstlerischen Kreisen jenen ikonographischen Stellenwert genoss, von dem weiter oben die Rede war, kann man nachempfinden, daß Schrader und Scorsese mit ihrem Werk einen Nerv getroffen haben. Ihr Film markiert eine Zeitenwende. Er reagiert auf diese Zeitenwende, er ist teil dieser Zeitenwende, er nimmt aber auch etwas vorweg, das in den kommenden Jahren nach Erscheinen des Films erst noch virulent werden sollte. TAXI DRIVER lieferte Stereotype und die passenden Bilder eines kulturellen Umschwungs, den er selber damit auch heraufbeschwor und beeinflusste. Da er die gesellschaftliche Grundstimmung so genau und explizit zu erfassen schien, entging der zeitgenössischen Kritik, daß der Film bei all den authentischen Straßenszenen eines brodelnden, aber auch permanent unter Spannung stehenden New York, bei all der Gewalt, bei aller Tragik eben auch zutiefst ironisch zu betrachten ist. In vielen kleinen Szenen, manchmal eher Anrissen von Szenen, Skizzen, in Dialogen und Dialogfetzen, manchmal auch nur in den Blicken und Gesten, blitzt diese Ironie auf.

Travis´ manchmal clowneskes Auftreten; Betsys fast schon stupider Blick durch ihre riesige Brille, wenn sie erstmals den Taxifahrer wahrnimmt, der sie zu beobachten scheint; Betsys Kollege Tom, der ihr zu imponieren sucht und sich dabei regelmäßig zum Hampelmann macht; Harvey Keitels kleine schauspielerische Miniatur –  eine Meisterleistung – als „Sport“, Iris´ Zuhälter, der ihr weismacht, er brauche ihre Liebe und der sie mit esoterischem Geschwätz einlullt; Scorseses eigener Auftritt als Fahrgast im Taxi, der Travis zum Mitwisser an einem bald geschehenen Mord macht – oder zum Beichtbruder, bei dem er seine geheimsten Gelüste ausschütten kann – und der mehr als alles andere in diesem Film auf den Punkt bringt, worum es eben auch geht: eine überdrehte, neurotische Männlichkeit, die eine Projektionsfläche für ihre inneren Antriebe, ihre Gewalttätigkeit, ihre Unsicherheit sucht; die gesamte Szene rund um den Kinobesuch im Rotlichtmilieu; der Kauf der Waffen, bei der der Waffendealer über jede einzelne davon spricht, wie über eine Geliebte und in der auf eine ebenso perfekte wie subtile Art und Weise das Verhältnis der Amerikaner zu ihren Waffen verdeutlicht wird – was Stanley Kubrick später in FULL METAL JACKET (1987) aufgriff, wo der Marineausbilder Hartman die Rekruten anweist, mit ihrem Gewehr zu schlafen, es als ihre Geliebte zu betrachten, auch das ein Hinweis auf die Wirkmächtigkeit von Scorseses Film – bis hin zu den Reden, die Travis Bickle schwingt und die teilweise von horrender Naivität, gelegentlich von einem tiefen religiösen, eben alttestamentarischen Verständnis der Welt zeugen und oft schlicht verbrämte Binsenweisheiten darstellen.

Der Mann mag mit vielem Recht haben und findet doch keinen Zugang zu den tieferen Ebenen seines Denkens. Nie gelingt es ihm, aus seinem Groll, aus der tief empfundenen Falschheit der Realität, wie er sie wahrnimmt, einen konstruktiven Gedanken zu generieren. Er schreibt – was im Kontext der Figur eine gewisse Widersprüchlichkeit darstellt, verfügt Travis, wenn überhaupt, eher über eine Schriftsprache, denn eine gesprochene; immer wieder werden wir Zeuge seiner Sprachlosigkeit, selbst da, wo er viele Worte macht, wie in jenem Telefonat mit Betsy – , was eine gewisse kreative Kraft vermuten lässt, doch ist sein Schreiben letztlich integraler Teil des Systems „Travis Bickle“, bestätigt es doch die diffusen Gefühle, die Travis umtreiben.

„Die Kraft des Geistes auf dem falschen Weg“ ließ Martin Scorsese sich laut der Wikipedia über Travis´ Charaktereigenschaften vernehmen – und das trifft es nur allzu genau. Nur kommen Schrader und Scorsese schon 1976 nicht umhin, dem Publikum diese Erkenntnis trotz der Gewalteruption mit tiefer Ironie und alles in allem eher subtil nahe zu bringen. Und von eben dieser Ironie zeugt dann auch das Ende des Films, das aus einem Killer einen in der Öffentlichkeit als Helden Wahrgenommenen macht.

 

Ein Mann sieht rot und erklärt den Krieg

In jener berüchtigten Szene, in der Bickle sich im Spiegel betrachtet und mit sich selbst einen Dialog führt, bei dem er sich bedroht und schließlich auf sich selber zielt und schießt, wird der Wahnsinn dieses Mannes offenbar. Scorsese hat oft auf die allerdings mehr als auffälligen religiösen Bezüge des Films hingewiesen, angefangen bei Travis´ Wunsch nach einem „großen Regen“, der den ganzen „Abschaum“ von der Straße fege, die Stadt reinigen solle, bis hin zu seinem Martyrium bei der Befreiung von Iris. Travis ist ein Prophet, ein Seher, mit einem starken Bedürfnis nach Erlösung, nach Katharsis. Er besitzt aber auch das oben erwähnte Sendungsbewußtsein. Einem Prediger– oder gar Messias? – gleich, kommt er auf Iris nieder, bedrängt sie, das Leben auf der Straße aufzugeben und etwas aus sich zu machen. Umzukehren. Argumente, die sicher nicht falsch sind, denen man folgen kann, die aber vor dem Hintergrund dessen, was der Zuschauer zu dem Zeitpunkt, da Travis sie vorbringt, bereits über ihn weiß, nahezu aberwitzig anmuten – daß er von einem tiefsitzenden Zorn erfüllt und auf einem inneren Kreuzzug ist; daß er mittlerweile die „totale Mobilmachung“ seiner selbst ausgerufen hat, sich abhärtet, daß er sich bis an die Zähne bewaffnet hat und sich auf das Töten und eventuelle Getötet-Werden vorbereitet; daß er bereits ein Ziel im Blick und es nur aus Gründen der eigenen Sicherheit aufgegeben hat. Dieser Mann ist eine tickende Zeitbombe.

Und in jener Szene vor dem Spiegel kommt all dies zum Ausdruck, wird manifest. „Du laberst mich an?“ fragt Travis sein Spiegelbild. „Sprichst Du mit mir? Hier ist niemand außer mir. Ich sehe hier niemanden.“ – Travis Welt ist vollkommen auf sein Inneres zusammengeschrumpft, er scheint den Kontakt mit einer Außenwelt, die er versteht, mit der er in Kommunikation tritt, die ihn veranlassen könnte, die eigene Haltung zu hinterfragen, vollends verloren zu haben. Immer wieder sehen wir, wie er gegenüber seinem Spiegelbild den an einer Schiene an seinem Unterarm befestigten Revolver ausfahren lässt, wie er die riesige .357er Magnum, die er in einem Halfter unter seiner Achsel trägt, zieht und auf sich selbst richtet, immer wieder klackt die ungeladene Waffe, wenn er abdrückt. Scheinbar erklärt hier ein Mann der Welt den Krieg. Und erklärt ihn am Ende doch sich selbst. Umso befremdlicher und auch bedrückend, wenn es dann andere sind, die die tödlichen Folgen dieses Wahns zu spüren bekommen, während der, der dem Wahn mehr und mehr erliegt, ungeschoren davonkommt und als Held gefeiert wird. Vielleicht ist es dieser Moment im Film, an dem wir am ehesten begreifen, daß all das, was sich da abspielt, vor unseren Augen abspielt, möglicherweise nur in Travis´ Kopf existiert.

 

Exkurs: Robert De Niro/Travis Bickle

Die Szene vorm Spiegel wurde legendär, ikonographisch. Oftmals zitiert und parodiert. Eine Schlüsselszene im amerikanischen Kino der 70er Jahre. Es ist eine – vielleicht die – Meisterleistung des jungen Robert De Niro, der hier wohl improvisiert hat. De Niro hatte allein im Jahr 1976 schon in zwei Filmen brilliert – Bertoluccis NOVECENTO (1976) und Elia Kazans letztem Werk THE LAST TYCOON (1976) – , mit Francis Ford Coppolas THE GODFATHER, PART II (1974) war er bereits in den Status eines Stars aufgestiegen und hatte sich Meriten als einer der besten Schauspieler seiner Generation erworben, als er den jungen Vito Corleone gab, eben jenen Gangsterboss, den im ersten Teil des Gangster-Epos´ Marlon Brando in dessen älterer Version gespielt hatte. Doch mit TAXI DRIVER stieg De Niro in die Riege der Superstars auf. Mehr noch, er wurde selbst zu einer Ikone. Und es dürfte ganz wesentlich diese Szene vor dem Spiegel gewesen sein, die dazu beitrug.

Wie so oft – man denke an Jack Nicholson in ONE FLEW OVER THE CUCKOO`S NEST (1975) oder SHINING (1980) – war es also eine aufsehenerregende Leistung in der Rolle eines schwierigen, ausgefallenen Charakters, die den Ruhm eines Schauspielers begründet oder steigert, nicht aber zwingend seine beste. De Niro spielte für Scorsese in NEW YORK, NEW YORK (1977), RAGING BULL (1980) und vor allem in THE KING OF COMEDY (1983) differenziertere Rollen, auch wenn zumindest Rupert Pupkin, der mißachtete Stand-up-Comedian, durchaus mit Travis Bickle korrespondiert. In Michael Ciminos THE DEER HUNTER (1978) kann man beobachten, zu welch sensibler, effizienter und exakter Darstellung De Niro in der Lage ist, wenn er eine schwierige Rolle zu meistern hat, in der es keine Möglichkeit gibt, als Solokünstler brillieren oder mimische Besonderheiten nutzen zu können. Doch es war die Rolle als Travis Bickle, als TAXI DRIVER, die ihn zu einem Star unter den Stars machte. Vielleicht ist es auch die Rolle, mit der er am stärksten identifiziert wird.

 

TAXI DRIVER als Solitär

Natürlich ist auch dieser Travis Bickle eine Herausforderung für jeden Schauspieler und man hätte in der Rolle vieles falsch machen können. Als Darsteller ebenso wie als Autor, der sie angelegt hat. Schrader kehrte mit ROLLING THUNDER (1977) noch einmal als Drehbuchautor zum Thema des Vietnamveteranen zurück, und man kann gerade an diesem Film sehen, wie anders, wie oberflächlich eine Darstellung eben auch geraten kann. Sicher ist es nicht fair, beide Filme miteinander zu vergleichen und Schrader hat das Script zu dem von John Flynn inszenierten Film auch nicht allein geschrieben, dennoch ist offensichtlich, wie ein ernsthaft zu behandelndes Thema schließlich in Action und eher reaktionären Sichtweisen obsolet werden kann – nicht unähnlich jener Figur des John Rambo, der Sylvester Stallone ab 1982 zu Ruhm und Ehre verhelfen sollte und die ursprünglich auch eher ambivalent und keineswegs so eindeutig angelegt war, wie sie später erschien. Es wäre eine ganz eigene Untersuchung wert, in welchem Verhältnis all die Vietnamveteranen ab Mitte der 70er Jahre und der frühen 80er zueinanderstehen. Das würde hier zu weit führen, doch Travis Bickle und John Rambo haben mehr gemein, als man ahnen wollte und wenn man es ganz genau nimmt, führen sie sogar einen ähnlichen Kampf.

TAXI DRIVER ist ein extrem vielschichtiger Film, das Portrait eines Mannes und das einer Stadt, beide zerrüttet, beide scheinbar am Ende. Wie in vielen guten amerikanischen Romanen und Filmen, spiegelt sich in dem, was Travis Bickle auf seinen nächtlichen Fahrten sieht, seine Seelenlandschaft wider, wird das Innere in äußere Handlung und Szenerie verlagert. Diese Methode hatte Schrader nicht zuletzt durch seine Beschäftigung mit dem ‚Film Noir‘ und vor allem dem Western erlernt und nutzte sie nahezu perfekt für die Arbeit an seinem Drehbuch. Die Verbindung von Fords THE SEARCHERS mit Elementen des ‚Film Noir‘ – vor allem die Nutzung von Licht und Schatten in den Straßen der Stadt, aber auch damit, einen radikalen Anti-Helden zu entwerfen – und dem zeitgenössischen Thema des Vietnamkrieges und den seelischen Verheerungen, die dieser anrichtete, Scorsese raue Inszenierung und Michael Chapmans Kameraarbeit, die sich an die Arbeiten anlehnte, die Raoul Coutard für Jean-Luc Godard, Francois Truffaut oder Jacques Rivette geleistet hatte und der es gelungen war, begrenzende, geschlossene Bildsysteme, wie sie im klassischen Hollywood typisch waren, aufzubrechen und damit einen wesentlichen Beitrag zur Moderne des Kinos geleistet hatte, führten dazu, daß TAXI DRIVER der Solitär werden konnte, als den man den Film auch heute noch betrachten sollte.

Es ist ein im besten Sinne des Wortes postmoderner Film, bedenkt man, wie spielerisch leicht, aber auch hintergründig es Schrader und Scorsese gelingt, auf frühere Werke der Filmgeschichte zurückzugreifen, diese ganz ernsthaft zu nutzen und zugleich leicht zu ironisieren. Es ist erstaunlich, wie es Scorsese schafft, seinem Film unter anderem die Atmosphäre eines Horrorfilms zu geben – man beachte jene Szene, in der der Portier im Stundenhotel, in dem Travis Bickle Iris findet und aus dem er sie später befreit, wie ein Schemen, ein Geist, aus dem Schatten eines der scheinbar endlosen Gänge hervorkommt und dann, nachdem er das Geld eingesackt hat, auch wieder verschwindet; generell sollte man die Inszenierung des Hotels als die eines „Geisterhauses“, als Zwischenreich, als Übergangsort, gesondert betrachten – und dabei doch ganz im Hier und Jetzt seiner Zeit und der sozialen Wirklichkeit zu bleiben. Dokumentarisch muten Chapmans Aufnahmen der Straßen an, die wir meist nur in den Ausschnitten betrachten können, die uns die Frontscheibe und die Seitenfenster von Travis´ Taxi bieten. Es entsteht das Bild eines New York, das bar aller Sehenswürdigkeiten, bar all seiner Wahrzeichen gezeigt wird. Es ist eine Stadt, die sehr genau dem entspricht, was Travis sieht: Ein Sündenpfuhl, ein Moloch babylonischen Ausmaßes. Subjektives Empfinden und objektive Wahrnehmung brechen einander, ergänzen, durchdringen einander und scheinen sich gegenseitig (fast) aufzuheben.

Es ist die Vermischung dieses Hyperrealismus´, der seinerseits schon wieder etwas Unwirkliches, Un- oder Übernatürliches aufweist, mit fiktionalem Stoff, ein Puzzle, das Schrader, Scorsese und Chapman auslegen, indem sie in so geschickter Weise auf die Filmgeschichte, ihre Genres, einzelne Werke, einzelne Szenen, Einstellungen und Kamerafahrten  rekurrieren, zugleich aber etwas Eigenes, sehr Dringliches, Radikales und Zeitgenössisches erstellen, was TAXI DRIVER zu dem Gesamtkunstwerk macht, das der Film ist. Ein Werk, das immer bei sich ist und doch ununterbrochen über sich selbst hinausweist-

Schaut man auf die Werke der 70er Jahre, findet man im Grunde nichts Vergleichbares. Eine Dekade, die jede Menge Meisterwerke der Filmkunst hervorgebracht hat, die Künstlern die Möglichkeit bot, sich persönlich auszudrücken und doch auch Erfolg an der Kinokasse zu haben. Eine Dekade, in der so unterschiedliche Künstler wie Francis Coppola, Hal Ashby, Woody Allen, Steven Spielberg, George Lucas oder eben Martin Scorsese das amerikanische Kino auf ihre je eigene Art und Weise erneuerten, prägten, variierten und auch neu erfanden, natürlich unter dem Einfluß des europäischen Kunstkinos der späten 40er, der 50er und 60er Jahre, des Neorealismus, der Nouvelle Vague, des deutschen Autorenkinos, aber eben auch tief verwurzelt in der eigenen Film-Kultur und Filmgeschichte. Und doch sticht unter all diesen Meisterwerken TAXI DRIVER auf seine ganz eigene Art hervor. Er ist radikal, er ist brutal, er ist ambivalent gegenüber seinen Figuren, allen voran der Hauptfigur, er ist verkappt ironisch, er ist dokumentarisch, er ist voller Zitate, er ist eine Geste gegenüber der Filmgeschichte ebenso, wie er eine Geste gegenüber seiner Zeit, der Stadt New York, der amerikanischen Gesellschaft ist[10]. Er erzählt von Radikalisierung ebenso, wie er sie selbst vorantreibt. Er ist beunruhigend, verstörend und beängstigend, weil er nie wirklich fassbar wird. Es ist ein Film, der seine eigenen Konventionen und Regeln und die des Genres, das er scheinbar bedient, nahezu sprengt. Ein Film, der sich entzieht und den Zuschauer mit einer Wahrheit konfrontiert, die sich nie wirklich beschreiben oder einhegen ließe. Genau damit aber wird er nicht nur zu einem Meta-Film, sondern eben auch zu einem Stück Kunst.

Einmal im Jahr, mindestens, sollte man TAXI DRIVER also aus der Sammlung holen – oder eine Wiederaufführung besuchen – und man wird wieder und wieder feststellen, daß es möglicherweise der beste Film ist, den man je auf einer Leinwand bewundern durfte. Das aber natürlich nur so lange, bis man dann wieder LA GRANDE ILLUSION (1937), LA BELLE ET LA BÊTE (1946), SOME LIKE IT HOT (1959) oder 2001: A SPACE ODYSSEY (1968) sieht…und ins Grübeln gerät….

 

[1] Vgl.: Schrader, Paul: NOTES ON FILM NOIR in Film Comment; 1972.

[2] Monaco, James: AMERICAN FILM NOW. München, Wien, 1985.

[3] Biskind, Peter: EASY RIDERS, RAGING BULLS. WIE DIE SEX & DRUGS & ROCK´N´ROLL GENERATION HOLLYWOOD RETTETE. Hamburg, 2000.

[4] Dammann, Lars: KINO IM AUFBRUCH. NEW HOLLYWOOD 1967 – 1976. Marburg, 2007.

[5] Seeßlen, Georg: MARTIN SCORSESE. Berlin, 2003; S. 103ff.

[6] Folgt man der Wikipedia und einigen Besprechungen des Films, ist dieser Eindruck eher der amerikanischen Filmbewertungsstelle zu verdanken, soll Scorsese doch, um keine kommerziell zu einschränkende Altersfreigabe für den Film zu erhalten, den Rotfilter nachträglich eingesetzt haben, um die Szene zu verfremden und die Bluttat weniger grafisch zu gestalten. Sollte dem so sein, hatte es einen eher gegenteiligen Effekt, denn so trifft uns das, was wir sehen – eine verstümmelte Hand, Travis´ sprudelnd blutiger Hals, ein Kopfschuß – umso härter, wirkt die Szene in ihrer Entfremdung umso brutaler und „höllischer“..

[7] Seeßlen, S. 126.

[8] ebenda, S. 103.

[9] ebenda, S. 105.

[10] Für den Begriff der „Geste“ in diesem Zusammenhang danke ich ebenfalls Georg Seeßlen, S. 103.

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